Einführung in die Situation der Gemeinde von Ephesus
Jetzt bitte ich Sie, in Ihren Bibeln 1. Timotheus 4,1-6 aufzuschlagen. Im 1. Timotheusbrief, Kapitel 4, Seite 249 in Ihren Bibeln, lesen wir die Verse 1 bis 6.
Wir haben ja drei Predigten aus diesem 1. Timotheusbrief hintereinander gehalten. Beim letzten Mal waren wir gerade an der Stelle angekommen, wo Paulus vom Durcheinander in der Gemeinde von Ephesus spricht. Dort gab es viele Streitigkeiten um verschiedene Meinungen und Lehren sowie um unnützes Geschwätz.
Nun wird Paulus etwas konkreter. Der Geist, das ist der Heilige Geist, sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten einige vom Glauben abfallen werden. Sie werden verführerischen Geistern und teuflischen Lehren anhängen.
Der große Bibeltheologe Adolf Schlatter schreibt in seinen Erläuterungen zum Neuen Testament, dass Paulus die Zukunft der Kirche sehr düster sieht. Es gibt immer ein Wirrwarr unter Christen, einen Kampf und Not. Davon schreibt Paulus, wenn er von verführerischen Geistern und teuflischen Lehren spricht.
Diese Menschen werden verleitet durch Heuchelei der Lügenredner, die ein Brandmal in ihrem Gewissen haben. Sie gebieten, nicht zu heiraten und bestimmte Speisen zu meiden. Doch diese Speisen hat Gott geschaffen, und sie werden mit Danksagung von den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkennen, empfangen.
Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird. Denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und das Gebet.
Wenn du den Brüdern dies lehrst, wirst du ein guter Diener Christi Jesus sein, des Messias Jesus. Im Griechischen steht eigentlich, dass du ernährt oder genährt wirst in den Worten des Glaubens und der guten Lehre, bei der du immer geblieben bist.
Die Frage nach dem Lebenssinn und die Zugehörigkeit zu Christus
In meinem Kalender steht heute Sommeranfang, und das passt wirklich gut. Manchmal lässt es sich nicht so einrichten, aber diesmal hat es geklappt. Das Wort passt, die Sonne strahlt, und die Kinder von der Kinderkirche sind froh. Beim letzten Fest hat es geregnet, deshalb ist der heutige Tag umso schöner.
Doch dieser herrliche Sommertag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen heute nicht genau wissen, wofür sie leben. Wofür leben sie eigentlich? Die Antwort kann einfach sein: Ich lebe für meine Lust, ich habe Freude und tue, was mir Spaß macht.
Aber Sie wissen ja, bei der ersten Krise im Leben – oder spätestens bei der letzten, vor der Macht des Todes – stellt sich diese Frage wieder sehr eindringlich: Wofür lebe ich? Ist es nur der Spaß und die Freude, oder gibt es einen tieferen Sinn?
So hat Gott es ganz klar gesagt, wofür wir leben. Keiner von uns lebt für sich selbst, keiner stirbt für sich selbst. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum gehören wir, ob wir leben oder sterben, dem Herrn Jesus Christus.
Für ihn leben wir. Unser ganzes Leben soll ein Gottesdienst sein für unseren Herrn Jesus. Was wir tun, sei es mit Worten oder mit Werken, soll im Namen des Herrn Jesus geschehen. So habe ich Sie heute begrüßt.
Es soll alles im Namen des Herrn Jesus geschehen, damit Sie sagen können: "Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen." Aber wie dienen Sie eigentlich Ihrem Herrn? Wie machen Sie das?
Die Aufforderung, ein guter Diener Christi zu sein
Paulus sagt zu Timotheus und verwendet dabei Prädikate und Beiworte. Er sagt: Du musst ein guter Diener sein. Es ist wichtig, Gott mit unserem Leben und mit allem, was wir sind, zu dienen. Aber sei ein guter Diener!
Man prüft sich dabei kurz und fragt sich: Kann ich das? Mache ich das richtig? Das Wort Gottes will uns Mut machen. Es will uns nicht verdammen oder niederschlagen, sondern uns aufrichten und neue Freude schenken.
Wann ist man ein guter Diener? Gott beruft uns oft als Versager. Am letzten Sonntag wurde betont, dass das alles Gnade ist. Er beruft uns als Schwache, als Menschen, die nicht alles können. Aber das ist schön: Die, die er beruft, befähigt er. Das ist eine Gabe Gottes, dass ich ein guter Diener sein kann. Von Natur aus sind wir das nicht. Wir sind nicht verlässlich und nicht belastbar.
Paulus zeigt Timotheus, dass wir gute Diener werden können. Er macht ihm Mut und Freude daran. Dein Leben bekommt dadurch einen Auftrag. Ich darf heute ermutigen und sagen: Sie dürfen das wissen, Sie sollen ein guter Diener sein. Nicht verkrampft, sondern Sie dürfen mit den Befähigungen Gottes rechnen. Er macht Sie dafür geeignet.
Timotheus als Beispiel eines jungen, ängstlichen Mitarbeiters
Ich muss noch ein Wort zu Timotheus sagen. Er war ein ganz ängstlicher Typ und ein junger Anfänger. Und solche Menschen sind oft mutlos, wenn sie ehrlich sind und ihre Kraft nicht überschätzen.
Timotheus war eine ganz ehrliche Haut. Er hatte eigentlich keinen richtigen Mut. Wenn er Paulus ansah, dachte er: „Das ist so ein alter Kämpfer, und was kann ich daneben schon für Gott wirken? Ich bin doch nur so ein kleines Licht.“ Von seiner Familie hat er nicht viel mitbekommen. Sein Vater war ungläubig, seine Mutter und seine Großmutter waren gläubig. Er stammte aus einer Mischehe.
Schon ganz am Anfang seines Glaubenslebens machte er eine Erfahrung, die ihn tief erschreckte. Er war nämlich dabei in Lystra, als der Apostel Paulus gesteinigt wurde. Sie standen um seinen zerschlagenen Leib und sagten: „Jetzt ist er tot.“ Das hat den jungen Mann natürlich erschreckt. Wenn das so eine gefährliche Sache ist, Christ zu sein, dass Steine fliegen und die Emotionen der Menschen so kochen, kann man dann ein guter Diener Jesu sein?
Außerdem muss ich noch sagen: Er war auch körperlich sehr angeschlagen. Es gibt ja Menschen, die werfen niemanden um. Die haben Nerven wie Stahlseile. Aber Timotheus war ein Mann, der es mit dem Magen hatte. Und wer nicht richtig essen kann, der kann auch nicht viel aushalten. Er brauchte immer Medikamente zum Essen. Paulus sagt zu ihm: „Gebrauche etwas Medikament für deinen Magen, damit du überhaupt richtig essen kannst.“
Paulus richtete Timotheus auf und sagte: „Komm, du hast auch noch nicht viel Erfahrung, weil du jung bist. Lass dich von dem einen nicht abhalten. Du bist nicht schwachbrüstig, du bist ein belastbarer, guter Diener Jesu.“ Und das ist ein Wort für uns heute Morgen: Du kannst ein guter Diener Jesu sein.
Wie oft hat Timotheus sicher gebetet: „Herr Jesus, mach mich stark! Mach mich zu einem Riesengoliath, mach mich zu einem Menschen, der, wenn er den Leuten entgegentritt, schon strahlt wie in der Werbung, so ein Siegertyp.“ Aber der Herr hat ihn schwach gehalten. Das ist bei Ihnen auch so. Er hat ihm die Gaben nicht gegeben, um die er gebeten hat. Trotzdem gibt er ihm die Gaben, die er braucht – auch mit allem Schwachsein.
Du wirst ein guter Diener Jesu sein. Hoffentlich verstehen Sie das als Ermutigung.
Drei wesentliche Voraussetzungen für einen guten Dienst
Aber auf drei Dinge kommt es an, sagt Paulus, wenn man ein guter Diener Jesu sein will.
Diese drei Dinge sind entscheidend, auch wenn wir schwache Menschen sind, einen angeschlagenen Körper haben oder wenig Erfahrung besitzen.
Trotz dieser Herausforderungen tragen wir Verantwortung.
Gegen den Strom schwimmen
Das Erste, was hier erwähnt wird, ist: Du musst immer gegen den Strom schwimmen. Du musst gegen den Strom schwimmen.
Vor Jahren hat ein Freund einmal behauptet, der Kirchturmhahn – wir haben ja keinen Kirchturm, aber oben auf dem Dach sitzt ein Hahn – würde sich in der Hofacker Kirche nicht mit dem Wind drehen. Er sagte, das sei ein starrer Kirchturm, also keine Wetterfahne.
Ich habe dann lange gebraucht, ich weiß gar nicht wie lange. Ich habe es immer wieder kontrolliert und wusste irgendwann nicht mehr, wie es wirklich war. Schließlich habe ich gemerkt: Er dreht sich also doch mit dem Wind.
Der Hahn da oben, der auf dem Dach der Kirche sitzt, ist es ja viel wichtiger, dass die Gemeinde sich nicht mit dem Wind dreht – nicht mit dem Wind der Zeit, mit der Mode der Zeit oder mit allen komischen Bewegungen, in denen wir leben.
Deshalb sind klare und eindeutige Positionen wichtig, auch für eine Christengemeinde. Wir können ja nicht jede Torheit des Zeitgeistes mitmachen. Wir müssen doch als Christen Menschen sein, die die Wahrheit leben. Paulus spricht von der Wahrheit – Menschen, die erkannt haben, die gewisse Durchblicke durch die Zeit haben.
Das legt Paulus dem Timotheus nahe und sagt: Du musst ein Mensch sein, der seine Überzeugung lebt. Warum ist das so wichtig? Sie erinnern sich: In Ephesus hat gerade zu dieser Zeit Timotheus gearbeitet und die Gemeinde geleitet.
In Ephesus gab es große Auseinandersetzungen, große Kämpfe. Es wundert Sie nicht, wenn Sie als Tourist einmal durch die Ausgrabungen von Ephesus wandern und das alles ansehen, welch ein Geist dort herrschte und wie Paulus dort war. Damals rebellierte der Geschäftssinn, der kapitalistische Geist gegen das Evangelium.
Sie strömten zu Tausenden in die Arena und veranstalteten eine Protestversammlung für den Dianakult. Es kann manchmal Druck von außen geben, wo Christen fest stehen müssen. Es ist wichtig, dass sie feststehen bei den Ordnungen Gottes in ihrem Leben.
Wir passen unseren Lebensstil nicht einfach der Zeit an, sondern sagen: Wir haben klare Grundsätze in den Ordnungen und Geboten Gottes, was für uns gültig ist und was wahr ist. Paulus meint noch etwas anderes, wenn er dem Timotheus von der geistlichen Waffenrüstung schreibt.
Die schlimmsten Kämpfe sind immer in den Christengemeinden. Paulus hat das auch so genannt, als er von den Gemeindeältesten in Milet Abschied nahm. Er sagte damals zu ihnen: Aus eurer Mitte werden gräuliche Wölfe kommen, die alles zerstören. Es sei immer Rätelacht.
Die schlimmste Bedrohung der Gemeinde kommt aus der eigenen Mitte. Und warum muss ich heute über so etwas reden? Weil Gott es schon in der ersten Christengemeinde zugelassen hat, dass der Teufel dort unheimlich viel Verwirrung stiften kann und Durcheinander macht.
Da kommen Leute mit falschen Lehren. Interessant, wie klar Paulus redet. Darf man das heute überhaupt noch? Wir haben ja gar keinen konkreten Punkt in unserer Gemeinde jetzt, aber in unserer pluralistischen Kirche ist das ja verpönt.
Da sagt man: Da darf doch jeder seine Meinung haben. Es ist ganz gleich, ob er die Auferstehung Jesu leugnet oder akzeptiert, ob er den Sühnetod Jesu akzeptiert, wie er zur Ehe steht und zur Eheschließung, und was weiß ich. Das ist alles umstritten.
Es ist ja ein Forum, wo jeder seine freie Meinung haben kann. Da ist es gut, dass Paulus sagt: Nein, ihr müsst eine ganz klare, eindeutige Position haben. Er redet von Lügengeistern, von dämonischen Lehren, von verführerischen Geistern.
Davon muss immer wieder gesprochen werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen aufeinander aufpassen, dass wir nicht irgendwelchen Lehren anhängen, die uns vom Glauben wegtreiben. So sagt Paulus es hier.
Ist Paulus ein Vertreter eines orthodoxen Lehrgebäudes? Nein, ganz bestimmt nicht. Was so wichtig ist: Wir dürfen uns nie vom Wort Gottes wegtreiben lassen. Das Wort Gottes redet so konkret in unser Leben hinein.
Wo das Wort Gottes hineinredet, da scheidet sich auf einmal das ab, was von Menschen eingetragen ist und nicht dazugehört. Wir sind in einem Prozess der immer währenden Erneuerung durch das Wort Gottes.
Man muss sich als Christ immer wieder fragen lassen: Ist bei mir schon etwas eingeschlafen? Bin ich schon müde geworden? Habe ich mir das nur so zurechtgelegt? Am Wort Gottes, am lebendigen Wort Gottes, das ich lese und höre, scheiden sich immer wieder Menschenmeinungen und falsche Lehren.
Paulus sagt, der Heilige Geist hat vorausgesagt, dass diese Not die Gemeinden heimsuchen wird. Wir erinnern uns: Jesus selbst hat sehr deutlich davon gesprochen, dass viele falsche Christusse in seinem Namen kommen werden.
Sie meinen es ganz ernst und werden viele verführen. Darum gibt es nur einen Kurs: Wir können uns nie an Menschen binden, nie! Wir können uns nur ganz fest ans Evangelium, ans Wort Gottes binden und sagen: Das ist die Spur, die will ich gehen.
Wir wollen uns darüber immer ganz gründlich unterhalten: Was ist der Weg des Wortes Gottes in der Zeit, in der wir leben? Was ist unser Auftrag, den uns der Herr führt? Wir wollen uns nicht verführen lassen.
Wir wollen uns aber auch nicht hineinreißen lassen in Paulus’ ständiges Schulgezänk, in Schwarzmalerei und in ewige Diskussionen. Wir wollen den Kurs gehen. Das ist wichtig in der Zeit unseres Lebens.
Was will der Herr von mir im Sammelsurium der theologischen Meinungen und Ideen? Wir wollen klar unseren Weg gehen mit dem Wort Gottes. Wir wollen auch nicht panisch reagieren oder erregt sein, wenn Gott es zulässt.
Er ist der Chef und hat alles in seiner Hand. Aber wir wollen unseren Weg gehen mit der Wahrheit seines Wortes.
Die Weite Gottes leben
Aber nun zum zweiten Punkt: Was ist noch wichtig für einen guten Diener? Bleibe beim Wort Gottes – das ist ihm ganz wichtig. Im zweiten Timotheusbrief betont Paulus eine weitere wichtige Sache für Timotheus: Lebe die Weite Gottes.
Diese Weite Gottes zu leben, ist manchmal ein schmaler Grat. Worum ging damals der Streit in Ephesus, als Paulus dem jungen Mitarbeiter einige Ratschläge gab? In der Gemeinde gab es plötzlich Leute, die sehr rigoros waren. Das macht immer Eindruck – ein übereifriger, fanatischer Eifer.
Paulus sagt, die Gemeinde Jesu bewegt sich immer auf einem schmalen Grad zwischen fanatischem Übereifer und liberaler Gleichgültigkeit. In Ephesus waren Leute, die meinten, das Thema Sexualität sei eine Schweinerei. Wer wirklich gläubig sei, brauche nicht mehr zu heiraten. Solche Menschen seien über all diese Dinge erhaben und ließen sich nicht mehr von ihrem Leib bestimmen. Das klingt sehr fromm.
Man muss wissen, dass Paulus ein großer Befürworter des Singledaseins war, ein absoluter Fan. Im ersten Korintherbrief schreibt er, er wünsche sich, dass alle so leben wie er. Offenbar hat ihm das Spaß gemacht. Neulich erzählte mir ein alter Junggeselle, dass ihm niemand vorschreibt, wann er das Fenster öffnen oder schließen muss. So war Paulus – er lebte frei und selbstbestimmt, auch wenn es um praktische Dinge wie das Wechseln der Winterreifen ging.
Paulus sagt, Single zu sein ist eine tolle Sache, weil man sein Leben frei gestalten kann. Doch wenn es darum ging, dass manche meinten, um Gott zu dienen, müsse man ins Kloster gehen, Nonne oder Mönch werden oder Zölibat leben, dann widersprach Paulus. Er sagte, wenn jemand daraus eine verbindliche Gottesordnung macht, dann hat das meist mit einem Brandmal im Gewissen zu tun.
Dieses Brandmal ist eine schlimme Sache. Wir kennen die Not, wenn jemand suchtabhängig ist und durch Gottes Wunder heil wird, aber ein Leben lang aufpassen muss, um nicht wieder zurückzufallen. Paulus hält daran fest, dass es keine verbindliche Ordnung für alle Christen geben kann, die sie zwingt, bestimmte Dinge zu meiden, nur weil der Teufel Menschen an bestimmten Stellen gebunden hat.
Er lebt die Weite Gottes, und das kommt hier wunderbar zum Ausdruck. Das passt auch zu diesem herrlichen Sommertag: Gott hat die Welt wunderbar geschaffen. Und auch wenn der Teufel viel zerstört hat und Menschenleben zerbrochen sind, dürfen wir diese Welt wieder heiligen – unter Gottes Wort und im Gebet.
Es ist eine wunderbare Sache, dass auch unsere Sexualität zum Lobpreis Gottes dient. Es ist kein schmutziges Gebiet, obwohl keiner von uns hier sitzt, der nicht schon dunkle Gedanken über sexuelle Dinge hatte. Paulus sagt: Gottes Geist kann dein Leben verwandeln. Du darfst das positiv wenden. Du musst dein Leben ergreifen und heiligen.
Deshalb nehmen wir uns so viel Mühe, und deshalb segnen wir Brautpaare. Es ist nicht einfach Beliebigkeit, wenn ein Paar sich stellt. Wir tun das mit der Gemeinde und einer schönen Feier, um zu sagen: Lebt miteinander und lebt eure Familie als Ort, an dem Gottes Ehre wohnt!
In der christlichen Gemeinde sind Familien nicht nur ein „Schrottplatz“, sondern manchmal das schönste Stück vom Reich Gottes. Man könnte sagen, durch christliche Familien ist mehr geschehen als durch viele Missionare im Reich Gottes. Wenn ich an mein Leben denke – ich spreche nicht von lebenden Personen, sondern allgemein – dann weiß ich nicht, wo ich geistlich heute stehen würde, wenn mein Vater als junger Student in Frankfurt nicht in ein gastfreundliches Pfarrhaus eingeladen worden wäre.
Dort hat er seine Frau kennengelernt, sie haben sich verlobt, und es entstand eine Familie. Dort bin ich aufgewachsen, und dort ist etwas von der Gegenwart des Reiches Gottes geschehen. Wir sollten nicht immer nur an das denken, was Sünde zerstört. Wir dürfen diese Welt gebrauchen und nutzen.
Es ist eine schlimme Not, wenn das Evangelium asketisch missverstanden wird. Sicher gibt es viel Missbrauch, aber noch viel schlimmer ist, dass wir die Gaben Gottes nicht mehr gebrauchen. Dazu gehört auch, dass Gott die Welt geschaffen hat – der erste Glaubensartikel der Schöpfung.
Auch wenn viele Menschen ihr Herz am Reichtum hängen, wollen wir die Welt richtig gebrauchen. Gott hat uns Mittel und Wohlstand anvertraut. Lasst uns diese zum Lob Gottes nutzen. Am wunderbarsten aber ist die Liebe zwischen Menschen und dass wir eine Familie haben. Gott vertraut uns Kinder an. Ist das nicht wunderschön?
Beispiele aus dem Neuen Testament zur Weite Gottes
Zwei Beispiele aus dem Neuen Testament:
Als Jesus predigte, bemerkte er plötzlich, dass die Leute Hunger hatten. Er hätte auch sagen können, es täte euch gut, zu fasten, denn so könnten frömmere Gedanken im Kopf entstehen. Stattdessen sagte er, es tue eurem Körper gut, wenn er mal einen Tag aussetzt. Außerdem entschlackt es den Körper.
Was hat Jesus gesagt? „Habt ihr Brot?“ Dann teilte er das Brot und speiste die Menschen, weil ihm das wichtig war – und das war noch anstößiger.
Jesus wusste auch, welche Not und wie viel Zerstörung durch Alkohol bei den Menschen geschieht. Ausgerechnet bei der Hochzeit zu Kana, als der Wein ausging, hätte er sagen können: „Jetzt reicht es, jetzt habt ihr genug getrunken, jetzt trinkt ihr mal Wasser, Raurecht oder Sprudel, das gibt es ja auch noch.“ Stattdessen verwandelte Jesus das Wasser in Wein.
Wie hat diese überfromme Schwäbin gesagt? Es war nicht das Beste vom Herrn Jesus, aber wir bekommen dadurch wieder die Weite, die Weite unseres Gottes.
Wir wissen um die Macht der Sünde, und wir reden so oft davon. Niemand kann hier missverstehen, was ich heute von der Botschaft des Paulus an Timotheus sagen muss: Wir sollen sie zur Ehre Gottes gebrauchen.
Der unvergessene Bischof Martin Haug konnte sich ereifern, wenn er sagte: Natürlich müssen Christen in die Welt hinaus. Gott will mit uns in die Welt hinaus. Aber darauf müssen wir aufpassen.
Er hat das im Bild deutlich gemacht: Ein Schiff muss ins Wasser, so müssen Christen in die Welt hinaus. Wir müssen aber aufpassen, dass das Wasser nicht ins Schiff reinkommt.
Wir sind schon lange in dem Zustand, dass wir Wasser hineingepumpt haben und das Schiff schon am Ertrinken ist. Wir müssen die Luken wieder schließen und das Schiff flott bekommen – das ist klar.
Gegen alle falschen Lehren wollen wir auch Wissen in die Welt hinausbringen, aber dann mit einem klaren Kurs – mit dem Kurs des Wortes Gottes.
Paulus sagt das so schön: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“ (1. Timotheus 4,4)
So dürfen Sie es gebrauchen und daran sein. Sie wissen ganz genau, mit Ihrem am Wort Gottes geschärften Gewissen, wo Sünde beginnt. Ich brauche gar keine konkreten Beispiele jetzt – Sie wissen es.
Vom Wort Gottes leben
Und noch ein letztes Wort: Diener Jesu nähren sich vom Wort Gottes. Ja, das haben wir vorhin gesagt. Dort heißt es „aufgezogen“ – also nähren sich vom Wort Gottes.
Paulus gibt Timotheus drei wichtige Hinweise mit auf den Weg: Wenn du ein guter Diener Jesu sein willst, auch mit deinen empfindlichen Nerven und Schwächen, die wir alle kennen, musst du deinen Weg ganz deutlich gegen den Strom gehen. Lebe nicht nur von der Weide Gottes, sondern lebe vom Wort Gottes.
Warum gibt es heute so viele müde Mitarbeiter Gottes? Warum sind so viele Christen – wie man sagt – „burnt out“, also ausgebrannt und leer? Sie haben keine tägliche Stille mehr, keinen Tag ohne Bibellesen. Manchmal braucht man einfach auch mehrere Stunden, um wieder im Wort Gottes aufzutanken.
Warum? Weil man immer Neues entdeckt. Das Wort Gottes prägt uns, bildet uns und macht uns fröhlich im Umgang mit Menschen. Es eröffnet uns neue Blickfelder. Wenn man das Wort Gottes sogar auswendig lernt, wird man damit nie fertig. Denken Sie nur an das Hohelied der Liebe. Es ist ein großer Gegensatz zwischen der Liebe, die ich habe, und der Liebe, die das Wort Gottes in mir wecken will.
Ich darf immer mehr in der Bibel entdecken. „Lass das Wort meines Bundes nicht von deinem Munde weichen, sondern betrachte es Tag und Nacht, damit du hältst und tust, was darin geschrieben steht.“ Dann wirst du ein guter Diener Jesu sein.
Das ist ganz richtig zu verstehen: Es geht nicht nur um Mitarbeit in der Kinderkirche. Die brauchen wir auch. Nachdem sie so schön vierstimmig gesungen haben, fehlen im Chor viele Leute. Können sie auch noch mitmachen? Aber es geht um viel mehr: Dass Sie Ihre ganze Tagesarbeit, Ihre Verpflichtungen und Ihre Berufsarbeit als Dienst für Gott nehmen. Die weltlichen Dinge Ihres Lebens gehören dazu.
Bei Christen gibt es keine Trennung zwischen Sonntag und Werktag. Wir leben für Gott. Das war ja eine der großen Errungenschaften der Reformation. Luther hat das allgemeine Priestertum aller Gläubigen wiederentdeckt. Und er hat es am schönsten gleich zu Beginn der Reformation gesagt: „Jeder ist Bischof, jeder, jeder ist Bischof. Jeder ist Priester.“
Es gibt zwar Ämter, hat er gesagt. Es gibt bestimmte Berufungen, so wie mich der Kirchengemeinderat bestimmt hat, heute morgen die Predigt zu halten. Andere sollen die Jungschar leiten usw. Aber in der geistlichen Qualität sind wir alle geistliche Leute. Wir sind geistliche Diener Gottes, auch wenn wir bei der Bank arbeiten, Mülleimer leeren, in der Küche sind oder Kinder versorgen.
Wir sind geistliche Leute, die Gott dienen. Und das stellt Paulus so wunderbar heraus: „Nimm dein Leben als einen Dienst für Gott!“ Im zweiten Timotheusbrief sagt er es noch einmal so schön: „Was du von mir gehört hast, das vertraue treuen Menschen an, die tüchtig sind, andere zu lehren. Seid Zeugen Jesu mit eurem ganzen Leben.“ Amen!
