Einführung und biblische Grundlage
Unser Predigttext heute steht im zweiten Timotheusbrief, Kapitel 1, Verse 7 bis 10:
Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn, auch nicht meiner, der ich sein Gefangener bin.
Paulus war im Gefängnis. Dennoch fordert er uns auf, mit ihm für das Evangelium zu leiden, und zwar nach der Kraft Gottes. Er sagt, Gott hat uns gerettet und berufen mit einem heiligen Ruf – nicht aufgrund unserer Werke, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und nach der Gnade, die uns in Christus Jesus gegeben ist.
Diese Gnade wurde uns vor der Zeit der Welt zuteil, ist jetzt aber offenbart durch das Erscheinen unseres Heilandes Jesus Christus. Er hat dem Tod die Macht genommen und das Leben sowie ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
Ja, lass uns heute auch erkennen, was du uns gibst! Amen!
Bedeutung des Epiphaniasfestes und der Missionsauftrag
Ich muss Ihnen zunächst meine Überraschung mitteilen, dass wir heute eine so große Predigtgemeinde sind. In meiner Erinnerung war es immer nur ein kümmerliches Grüppchen, das sich hier am Epiphaniasfest, am Erscheinungsfest, versammelt hat.
Es ist auch kein Wunder, denn es handelt sich um einen neu eingeführten Feiertag, der nur hier im Süden Deutschlands seine Bedeutung hat. Daher braucht es Zeit, bis man ihn richtig entdeckt. Für uns Christen hat dieser Tag jedoch eine ganz große und wichtige Bedeutung.
Es ist ein hoher Festtag, weil wir uns heute an die Weltmission erinnern. Wir wissen, wie einst die Magier gekommen sind, um das Kind anzubeten. Dabei fragen wir uns, wie es möglich war, dass die Christenheit jahrhundertelang die Aufgabe der Mission vergessen hat.
Selbst in einer Zeit wie der Reformation, die viel vom Willen Gottes erkannt hat, blieb die Mission verschlossen. Man war damals der Meinung, dass die Mission zum Ende gekommen sei. Schließlich hätten doch alle Völker das Wort Gottes gehört. Jetzt sei es nur noch wichtig, die Kinder zu taufen und sie anschließend vielleicht noch zu unterweisen.
Dann geschah es in der Zeit der Orthodoxie, der rechten Lehre, dass einigen Menschen Unruhe wurde. Sie fragten sich: Trifft denn dieses verkündigte Wort überhaupt die Menschen? Verändert es etwas?
Diese Menschen stellten damals die Frage, ob durch die Verkündigung wirklich eine Umwandlung in unserem Leben geschehen sei. Es ist die alte Frage nach dem neuen Menschen, nach der Wiedergeburt.
Sie wissen, dass man dieser aufbrechenden Unruhe sofort einen gemeinen Schimpfnamen gegeben hat. Das war eine List des Teufels, um das aufbrechende, klare Licht zu verdecken. Man nannte es Frömmelei oder Pietismus.
Aber Sie wissen, wie damals unter diesen Menschen die Unruhe begann: Ist dieses Wort wirklich tragend im Leben eines Menschen? Genau diese Menschen erkannten wieder neu den Missionsauftrag.
Die Anfänge der modernen Missionsbewegung
Am Anfang dieser Missionsbewegung, noch in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, stand ein Mann, den kaum einer kennt: Justinian von Wendt. Er verfasste zahlreiche Aufrufe. Damals gab es viele arbeitslose Pfarrer, und er fragte: Wie kann ein junger Studiosus faul dasitzen und nichts tun? Er solle doch hinausgehen, mit seinen Pfunden wuchern und unter den Heiden der Welt dieses große Evangelium weitersagen.
Sie ahnen gar nicht, welche Unruhe dieser Justinian von Wendt in der damaligen Kirche ausgelöst hat. Doch er hatte keine Sorge. Er sagte: Das ist der Missionsbefehl Jesu. Er reichte eine Eingabe an den Reichstag zu Regensburg ein. Justinian von Wendt war ein vornehmer und begüterter Mann. Er stellte sein Privatvermögen von zwölftausend Talern zur Verfügung, um Weltmissionen zu begründen.
Das deutsche Reich bat damals einen großen Theologen um ein Gutachten. Dieser Theologe, Ursinus, kam zu dem Ergebnis, dass die Meinung von Justinian von Wendt ganz verflucht sei. Er meinte, man müsse den Heidenvölkern das Evangelium nicht predigen. Er schloss sein Gutachten mit dem frommen Gebet: Davor bewahr uns, lieber Herrgott! Mission solle unterdrückt werden.
Später, viel später, entflammte die Missionsbewegung erneut unter Zinzendorf und Francke. Plötzlich sagten Menschen: Es geht gar nicht anders, als dass wir vor der Welt dieses herrliche Evangelium weitersagen.
Persönliche Erfahrungen und die Bedeutung der Mission heute
Ich meine, dass diese Missionsgeschichte, die wir nun überblicken können, in den letzten Jahrhunderten eine für uns begeisternde Geschichte ist – eine Geschichte der großen Wirkungstage unseres Herrn. Mich hat das in meinem jungen Christenleben schon als Schüler angesprochen.
Ich bin gerne zu den Missionsfesten gegangen, weil ich dort etwas sah: Unser Herr wirkt in diesen Tagen. Menschen kommen zum Glauben, und es ereignet sich heute, wie in der Urchristenheit, dass seine Gemeinde gebaut wird und wächst.
Ich las auch die Geschichten aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert, was Menschen dort getan haben.
Ich habe nur die Sorge, dass wir dabei gerne auf der Tribüne sitzen und begeistert zusehen, wie ein paar Missionare sich abstrampeln und kämpfen. Wir rufen begeistert: „Das ist prima, wie die es machen!“ Doch wir haben nie begriffen, dass der Herr alle seine Jünger in diesen Missionsdienst sendet – wo immer wir auch sind.
Ob wir hier in unserer Stadt Stuttgart als Missionare stehen und wirken oder ob sich heute durch diesen Gottesdienst einer herausrufen lässt – einer von den Hundert zu werden, mehreren Hundert, die jetzt im Augenblick aus Deutschland gesucht werden, hinauszugehen.
Was ein Missionar braucht: Begabung und Geist
Ich möchte heute darüber sprechen, was ein Missionar braucht. Zuerst einmal benötigt ein Missionar Begabung.
Neulich las ich in einer christlichen Zeitschrift aus Asien, was ein Missionar alles können sollte. Das war sehr eindrucksvoll beschrieben. Ein Missionar sollte zum Beispiel Beton mischen können, Hebamendienste leisten können, geduldig sitzen können und zugleich von einem lodernden Feuer erfüllt sein. Er sollte im Team arbeiten können, aber auch monatelang völlig allein sein können. Er muss viele verschiedene Fähigkeiten besitzen.
Doch diese Begabungen sind nicht das Entscheidende, wirklich nicht. Entscheidend ist, ob er vom Heiligen Geist erfüllt ist. Ohne diese Erfüllung kann man den Missionsdienst nicht ausüben.
In einem Brief, den Paulus an seinen jungen Mitarbeiter Timotheus schrieb – auch er war ein Missionar –, heißt es in dem Vers vor unserem Predigttext: „Ich erinnere dich, dass du die Gabe Gottes, die in dir ist, entfaltest.“ Paulus gibt keine großen Anweisungen, sondern sagt zuerst: Wenn du an Jesus Christus glaubst, mit ihm lebst und ein wiedergeborener Mensch bist, dann trägst du eine große Gabe in dir. Diese Gabe muss zur Entfaltung kommen.
Ich möchte Ihnen allen Mut machen für Ihr Christenleben, besonders wenn Sie im Missionsdienst stehen. Das ist nicht immer einfach, weil andere Menschen oft auf einen starren. Denken Sie daran: Sie tragen die Gabe Jesu in sich, seinen Heiligen Geist, und dieser muss zur Entfaltung kommen.
Wir sollten nicht immer nur von den anderen Gaben sprechen, die man sicher auch braucht. Wenn der Herr uns trotz unserer fehlenden Gaben und Begabungen in seinen Dienst nimmt, dann weiß er genau, warum das so gut ist. Aber er gibt uns seinen Heiligen Geist, und wir müssen erkennen, was dieser Heilige Geist in uns wirken will.
Ermutigung durch Zeugnisse und die Kraft des Heiligen Geistes
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen schon von dieser Zeitschrift aus Uganda erzählt habe, in der der Doktor Schmidt noch lebt. Er ist siebenundachtzig Jahre alt. Vor zwei Jahren habe ich ihn persönlich kennengelernt. Er ist ein Missionspionier, der in einer Missionszeitschrift einige eindrucksvolle Sätze geschrieben hat.
Er sagte: „Wir bleiben vor dem Herrn immer Menschen, die viel, viel falsch machen. Und uns wird von Jahr zu Jahr im Missionsdienst nur unsere Unwürdigkeit bewusster.“
Aber er rief denjenigen zu, die in Europa Missionare aussenden: „Denkt daran, der Herr hat das erwählt, was schwach ist. Er wirkt nicht durch Supermänner. Er wirkt nicht durch Supermänner.“
Das ist eine Mahnung an uns, unseren Missionsdienst jetzt so zu sehen, nämlich auf die Gabe zu achten, die der Herr uns durch seinen Heiligen Geist gibt. Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht.
Uns allen sollte es Angst und Bange werden vor der Aufgabe. Das wäre kein guter Missionar, der beim Klingeln an der Haustür bei einem Hausbesuch nicht zittern würde. Aber wir überwinden unsere Furcht im Geist Jesu.
Ebenso wäre es kein guter Missionar, dem es nicht bange wäre, bevor er an einem kranken Bett betet. Doch auch hier überwinden wir unsere Furcht im Namen dieses Geistes Jesu.
Die Frage nach dem Heiligen Geist und seine Bedeutung
Nun sagen Sie, das ist ja die Unsicherheit, ob ich den Heiligen Geist habe. Warum es unter unserer evangelischen Christenheit eine solche Unsicherheit gibt, weiß ich nicht. Es kann nur daran liegen, dass wir in unserer Bibel nicht ausreichend zuhause sind.
Ich möchte Sie fragen: Haben Sie den Heiligen Geist? Wenn Sie dann sagen, ich bin unsicher, dürfen Sie nicht unsicher sein. Darauf hängt ja nun Ihr ganzes Dienstleben. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht Jesu Eigentum und gehört Jesus nicht.
Dann fragen Sie vielleicht: Wie bekomme ich denn Klarheit darüber? In der Bibel ist das ganz einfach beschrieben. Jesus vergleicht das mit Babys, die im Kinderwagen schreien, weil sie Hunger haben. Er sagt: Wie diese Kinder um Brot schreien, so dürfen wir unseren himmlischen Vater um die Gabe seines Heiligen Geistes bitten.
Jesus sagt: Wenn ihr, die ihr doch böse seid, euren Kindern gute Gaben gebt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?
Und darin liegt ja gerade bei uns die große Krise: Es gibt keinen Missionsgeist mehr und keinen Missionseifer. Die Grundlage, der Kern des Christenlebens, ist schadhaft. Wenn wir uns dessen wieder bewusst werden, dass der Herr Jesus durch seinen Heiligen Geist in uns wohnt, dann können wir auch ganz anders Missionare in unserer Umwelt sein und dienen.
Liebe und Zucht als Ausdruck des Heiligen Geistes
Es ist ein Geist der Liebe und der Zucht. Ich dachte, ich mache Ihnen das am besten anschaulich, indem ich Ihnen eine Geschichte erzähle. Vielleicht erzählen wir in unseren Predigten manchmal zu wenig. Am besten kann man sich dann Liebe und Zucht merken.
Zucht bedeutet auch das Maßvolle im eigenen Lebensstil, das man finden muss. Wir waren ja schon mehrfach mit einigen von Ihnen oben in Pellworm auf der Gemeindeschummerfreizeit. Dort fährt man an die Fähre über die ehemalige Hallig Nordstrand. Auf Nordstrand wurde ein großer Missionar geboren: Ludwig Nommensen.
Mit dreizehn Jahren hatte er einen schweren Unfall. Er fiel als Kind unter ein Pferdefuhrwerk, und beide Füße wurden überfahren. Der Arzt kam und heilte ihn nach Wochen schwerer Bemühung, aber mit der Prognose, dass dieses Kind lebenslang nicht mehr gehen kann.
Dann betet dieser junge Christ: „Herr, wenn du mich noch einmal gehen lässt, dann will ich Missionar werden, mein Leben in deinen Dienst stellen.“ Das Wunder geschieht. Ludwig Nommensen wird gesund. Er geht hinaus in den Dienst der rheinischen Mission unter die Batak.
Es war ein sehr schwerer Dienst. Die umfangreiche Biografie von Ludwig Nommensen erzählt, wie er jahrelang dort draußen wirkte, ohne dass ein Mensch zum Glauben kam. Wie ihm jemand Gift in sein Glas schüttete und dann zum Glauben kam, weil Nommensen nicht tot umfiel. Gewaltiges ist dort geschehen.
Dann kam auf Sommertrat die größte Entscheidung. Der Oberpriester rief zum Schluss sogar ein großes Soldatenheer zusammen, nachdem der Fluch wirkungslos über Nommensen verhallt war. Wochenlang bahnte sich das schon an. Nommensen erkannte, wie sich überall die Stämme rüsteten, um gegen ihn zu kämpfen.
Er schickte noch einen Brief nach Hause, in dem er nur schrieb: „Wenn ich hier sterbe, dann rächt meinen Tod, indem ihr Scharen von Boden der Liebe sendet.“ Das war Missionsgeist. Er sagte: „Ich werde mich nicht verteidigen. Ich werde nicht mal zu meinem Schutz irgendeine Waffe in die Hand nehmen. Ich bin ein Bote der Liebe.“
Wenn wir heute solch einen Missionsgeist wieder hätten! Das ist uns nicht angeboren. Sie wissen, dass ich auch nicht dieses Temperament habe, diese gütige Liebe. Das ist eine Jesusart, die der Herr in uns ausprägen will. Im geduldigen Reden, im liebevollen Zugehen auf Menschen, im Aushalten – so kann man Jugendarbeit treiben, missionarische Jugendarbeit.
Dieser Nommensen schrieb an sein Komitee, was für Missionstypen man bräuchte: keine heißblütigen, cholerischen Naturen, sondern langmütige, freundliche, aufopferungsfähige, liebevolle Männer. Auch keine Sanguiniker, die einen Augenblick himmelhoch jauchzen und gleich danach zu Tode betrübt den Kopf hängen lassen über kleine Widerwärtigkeiten im Leben.
Es müssen Leute sein – und jetzt wundert man sich, wie er es positiv beschreibt – die dem lieben Gott aufs Wort glauben wie Abraham. Also Menschen, die mit Gottes Wort wie mit Zahlen rechnen und sich am Anfang der Schlacht schon des Sieges freuen. Das sind Menschen, die im schlichten Glauben im Heiligen Geist leben.
Und dann ist man weder Choleriker noch Sanguiniker.
Demut und Ausdauer im Missionsdienst
Ich denke an diesen Brief, den Ludwig Hofacker – und das muss hier erwähnt werden – in dieser Kirche an die Missionszüglinge von Basel einst geschrieben hat.
„Werdet nur in eurem Missionsdienst keine Herren und Herrlein“, schreibt er. „Ich weiß, ihr habt Veranlagung dazu. Ihr seid nicht die Paradepferde, sondern ihr seid die Karrengäule.“
Er sagt, es werden Leute im Missionsdienst gebraucht, die ihm Dreck patschen und denen das Lust bereitet, die bereit sind, den geringen Dienst zu tun und denen es eine Freude ist, sich auszuziehen. Das ist uns allen nicht angeboren, sondern eine Wirkung des Heiligen Geistes.
Wir haben nicht empfangenden Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit und der Zucht, die sich eben so auswirkt. Im Missionsdienst wird das offenbar.
Es trifft mich schon, wenn wir als im Kreis unserer Missionsleiter hier von der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Mission in Süddeutschland zusammentreten und ich immer wieder die Klagen der Missionsleiter höre: Es ist schlimm. Wir haben viele Meldungen junger Menschen, die in den Missionsdienst gehen wollen. Aber nach wenigen Tagen stellen wir fest, dass dort keine jungen Leute mehr dienen können, die aushalten, die auch Unrecht ertragen können und die ihre eigenen Wünsche hintansetzen können.
Wenn das doch bei uns jetzt noch hinzukommt zum Aufbruch des Glaubens, dass der Geist Gottes uns in seine Zucht nimmt.
Berufung zum Missionsdienst
Zweitens: Was braucht der Missionar noch? Berufung. Ja, das ist wichtig. Aber wie geschieht diese Berufung?
Der englische Missionar Griffis, Leiter der alten China Inland Mission, warnte in einem Buch davor, dass junge Menschen heute den Ruf zur Mission oft nur in ihrem eigenen Herzen vernehmen. Er sagt, das kann täuschen. Man überschätzt seine Gaben und ist später erschüttert, wenn man nicht angenommen wird.
Ein Ruf muss immer von der Gruppe kommen. Das bedeutet, ein Kreis sagt: „Wir entsenden diesen Mann, denn er ist unser Bester und eignet sich für den Missionsdienst.“ Wir überlassen das nicht dem eigenen Urteil des Einzelnen. Es ist eine wichtige Erkenntnis, dass die Gemeinde eine bedeutende Aufgabe beim Ruf in den Missionsdienst hat.
Dabei wollen wir jedoch deutlich machen: Es ist nicht nur eine Entscheidung eines Kreises, der sagt, „Wir geben den Mann jetzt frei zum Missionsdienst“. Der Ruf zur Mission kommt von Gott selbst.
Paulus erinnert Timotheus an den Ruf, den wir alle vernommen haben: Gott hat uns gerettet und berufen mit einem heiligen Ruf. Hier zeigt sich wieder die Krise des Missionsdienstes heute.
Welcher Christ der Landeskirche von Württemberg hat den Ruf zum Missionsdienst schon vernommen? Liegt das eigentlich an unserer Predigt?
Denn in dem Augenblick, in dem ich gerettet werde, in dem mir Jesus meine Schuld wegnimmt und ich von ihm die Bestätigung erhalte, dass ich angenommen bin als sein Kind und auf ewig gerettet bin, muss ich doch eine Unruhe verspüren.
Ich frage mich: Was wird aus meinen Eltern? Was wird aus meinen Freunden? In diesem Moment bekomme ich doch den Ruf, auch die anderen in diese große Freude und Gewissheit hineinzuführen.
Es ist doch ganz undenkbar, dass es bei uns in unserer Mitte wirklich Bekehrungen geben soll, dass Menschen das Heil ergreifen, ohne gleichzeitig den Ruf als Missionar zu erhalten – nämlich jetzt die anderen auch herzuführen, hinein in diesen Reichtum des Glaubens und in diese Freude.
Sicher liegt es an der Schläfrigkeit von uns allen, dass wir das Heil selbst nicht mehr richtig ergreifen und deshalb den Ruf als Missionar nicht mehr deutlich verstehen.
Die Herausforderung des Evangeliums und das Leiden für den Glauben
Hier sagt man, man könne nicht Missionar sein, nur weil man es gerade interessant oder wichtig findet. Die schönste Werbung für den Missionsdienst, sei es durch Plakate oder Flugblätter, ist wirkungslos, wenn heute nicht mehr der Ruf Gottes gehört wird, der Menschen aus ihrem alten Leben herauslöst.
Paulus spricht in diesem Zusammenhang zu Timotheus vom Leiden für das Evangelium und sagt: „Schäme dich nicht für das Evangelium.“ Das Evangelium ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Warum also sollte es heute peinlich sein, Christ zu sein? Paulus antwortet: Doch, das ist es. Vielleicht ist das bei euch nicht mehr peinlich, weil ihr etwas aus dem Evangelium herausgenommen habt – nämlich den Ruf zur Bekehrung.
Wo dieser Ruf fehlt, verschwindet die Schmach unter den Christen, es gibt keinen Ärger und keinen Anstoß mehr. Wenn man die Notwendigkeit der persönlichen Errettung nicht mehr betont und die Entscheidung dafür wegnimmt, wird christliche Verkündigung zu einer bloßen Erziehung im Rahmen der abendländischen Kultur. Dort regt sich niemand mehr auf.
So wie im Religionsunterricht, wenn ich den Lehrstoff des Christentums im Vergleich zu anderen Religionen darstelle, gibt es keinen Ärger mehr. Aber wenn wir mitten in der Stadt ein Podium aufbauen, ein Mikrofon aufstellen und Menschen dazu aufrufen, sich heute mit Gott zu versöhnen, ziehen sich viele Christen zurück und sagen, sie seien dafür nicht mehr zu haben – obwohl der Herr uns geboten hat, diesen Ruf weiterzugeben.
Die Dringlichkeit des Missionsdienstes heute
Ich bin nun schon beim dritten Punkt angekommen. Das hängt einfach damit zusammen, dass wir zuerst über die Begabung des Missionars gesprochen haben, über seine Berufung. Die Berufung hängt mit dem Ruf zusammen, den wir selbst gehört haben. Nun muss ich jedoch noch über den Missionsdienst sprechen, der heute notwendig ist.
Der Missionsdienst besteht darin, je nach Entscheidungsruf das Evangelium zu verkündigen. Dabei habe ich eine Angst vor unserer Verkündigung: Dass sie zur Gewohnheit werden kann. Dass wir am Sonntag in die Kirche gehen und so unser Christentum leben, ohne dass sich heute wirklich ein Mensch zu Jesus Christus bekehrt.
Wir würden ihm dann verschweigen, was uns manchmal das Herz so hoch schlagen lässt. Denn wir selbst haben Angst vor dem Abgrund, auf den die Menschheit zuläuft. Es ist nicht nur der Abgrund der Umweltverschmutzung, der vergifteten Flüsse oder des drohenden dritten Weltkrieges. Der eigentliche Abgrund ist das Gericht Gottes.
Ein Mensch ist verloren, wenn er niemanden hat, der für ihn eintritt. Wir müssen einem Menschen zurufen, dass er heute den Ruf Jesu erkennt. Jesus will ihn herausretten aus einem verkehrten, verderbten Leben hinein in das Neue.
Kann man das so sagen? Kann man das so krass sagen? So hat Jesus gerufen. Bei ihm war jede Predigt ein ernster Entscheidungsruf: „Heute, so ihr seine Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht.“
Wo Mission das nicht mehr bewirkt, ist sie vorbei – auch wenn sie noch Mission genannt wird.
Wort und Tat in der Mission
Es wird heute viel darüber gesprochen, wie Tat und Wort zusammengehören. Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele, die darüber reden, nur wenig verstanden haben von dem, was eigentlich damit verbunden ist.
In der Mission wurde immer mit der Tat geholfen. Das wissen viele, die von Missionskaufleuten oder Missionsärzten abstammen. Schon in der frühen Zeit haben Christen ihren Dienst mit der Hand getan. Das war nie eine Frage. Und Sie wissen es ja selbst bei uns, wie viel wir bei unseren sogenannten Missionsdiensten, insbesondere bei ärztlichen Missionen, leisten.
Uns bewegt jedoch die Frage, ob jene Ärzte, die wir aussenden, den Entscheidungsruf Jesu weitergeben. Ob die Krankenschwestern und Entwicklungshelfer, die hinausgehen, in den verschiedenen Nationen sagen: Es ist nicht nur die abendländische Kultur und der Fortschritt. Es sind nicht Mercedes Benz und Coca Cola, die euch in das Land des Glücks führen. Ihr lebt unter der Macht der Finsternis, wenn euch Jesus Christus nicht freimacht.
Deshalb meine ich und sage das in vollem Ernst: Viele Leute, die diese Sprüche erzählen, man solle Wort und Tat nicht auseinanderreißen, haben nie begriffen, was uns auf der Seele brennt. Nämlich die Angst, dass Menschen verloren gehen können. Das war der Anfang der Mission.
Heute haben wir Sorge, dass wir aus unserem Wohlstand heraus, gerade als Christen, der Meinung sind, wenn wir den Völkern Brot geben, dann sei der schlimmste Mangel bereits gestillt. Ich sage noch einmal: Über 80 Prozent unserer Opfer leiden unter leiblicher Not.
Ich bin nicht gegen die Hilfe in der leiblichen Not, aber ich habe Sorge, ob wir noch Menschen aussenden, die zwar in der leiblichen Not helfen, aber dann verschweigen, dass Gott eine Entscheidung zum Leben stellt.
Die Botschaft der Epiphanias und die Macht Jesu Christi
Das ist doch heute am Epiphaniasfest die große frohe Botschaft: Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt.
Paulus sagt es so: Durch die herrliche Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, die jetzt offenbar geworden ist, soll der Dienst des Timotheus geschehen. Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen.
Paulus weiß, dass die ganze Welt, auch die moderne Welt, eine Welt zum Tode ist. Tod ist das Gericht Gottes. Alles, was noch so schön, groß oder kulturell aufgebaut ist, alles, was künstlerisch geschaffen wurde, vergeht vor Gott. Alle Dichtkunst und alles, was Menschen an Liebe geben, vergeht ebenfalls nicht.
Doch Jesus Christus will in der Macht des Todes allein Leben geben. Wenn alles um mich herum versinkt, ruft er uns zum Leben. Dies geschieht heute schon in einer Welt, die im Schatten des Todes lebt.
Alle Errungenschaften dieser Welt stehen im Schatten dieses Todes. Wir haben diesen Menschen dieser Welt einen Ruf anzubieten: Heute herauszutreten aus dieser Todverfallenheit ins Leben. Jesus Christus will heute schon in Menschen beginnen.
Der Ruf zum Leben und zum Dienst
Es ist zunächst ein Entscheidungsruf an uns heute, an alle, die sich nicht selbst darüber im Klaren sind, dass Jesus Christus uns heute ruft – zu seiner ganzen Hingabe.
Im selben Augenblick ruft er uns in den Missionsdienst, sei es hier oder irgendwo in der Welt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen alltäglichen Beruf oder einen hauptamtlichen Verkündigungsdienst handelt. Ebenso wenig ist es entscheidend, ob man Mutter ist oder Schüler in einer Schulklasse.
Wichtig ist einzig und allein dieses große Angebot: ein Wort zum Leben, wie es niemand sonst auf der Welt und ganz gewiss keine andere Religion je bieten kann – das Wort vom Leben, das Jesus Christus allein schenkt. Amen!
Schlussgebet und Aussendung
Wollen beten. Herr Jesus Christus, du hast uns dein Evangelium anvertraut und den Auftrag gegeben, es weiterzusagen. Wir wissen, dass viele Menschen einmal gegen uns auftreten werden, weil wir ihnen gegenüber schweigend blieben. Weil wir über alles andere gesprochen haben, nur nicht über das eine, das Not tut. Herr, vergib uns diese Schuld!
Du weißt auch, wie wir dein Wort anderen gegenüber manchmal unglaubwürdig vertreten haben. Menschen stoßen sich an deinem Evangelium, nur weil sie uns sehen. Lass daraus keinen Schaden für diese Menschen entstehen.
Wir bitten dich, Herr, es geht nicht um uns, sondern um die Menschen, die du retten willst und die du in deiner Liebe suchst. Schenke uns ein neues Erkennen unserer Missionsaufgabe in unserem Leben, dort, wo du uns hingestellt hast, aber auch als Gemeinde und als deutsche Christenheit.
Gib uns noch einmal das Feuer der Väter von einst, damit wir erkennen, dass wir der Welt dein Evangelium schulden. Lass uns verstehen, dass du in deinem Evangelium heute neues Leben anbietest.
Lass das auch in unserer Stadt geschehen. Lass Menschen sich entscheiden, auch in unserer Gemeinde. Hier legen wir alle Menschen hin, die uns jetzt bekümmern und für die wir Sorge tragen: die vielen, die durch unsere Kreise gehen, die jungen Menschen im Religionsunterricht und Konfirmandenunterricht, die Kinder im Kindergarten und überall dort, wo Menschen uns begegnen. Auch die alten Menschen, die oft geprägt sind von ihrem Leben.
Herr, du kannst sie in deinen Frieden führen und ihnen gerade angesichts des Todes dein Leben schenken. Setze uns dazu zum Segen. Dir empfehlen wir auch die weltweite Mission, besonders die Werke, mit denen wir eng verbunden sind: die Ärzte, mit denen wir Kontakt haben, Doktor Übele, Doktor Kilgus und Doktor Pflüger.
Gib ihnen heute Vollmacht, deine Zeugen zu sein. Lass sie nicht mutlos werden in ihrer Einsamkeit. Du kannst Frucht schaffen. Stärke sie durch deinen Heiligen Geist an Liebe, an Zucht und an Kraft zum Wirken für dich und dein Reich.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Seinen Segen, den er uns gibt als Missionare – wir sind von ihm Gesandte. Denken Sie daran: Wenn am Schluss eines Gottesdienstes der Segen gesprochen wird, ist das die Aussendung. Der Herr legt seinen Segen auf uns und sendet uns aus.
Ein Justinian hatte keine Hände, die ihn senden konnten, er musste sich selbst senden. Wir aber werden gesandt.
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.