Wir hatten aus der Fülle der Psalmen des Alten Testaments nur einige ausgewählt, lauter Psalmen, die im Blick auf David gesungen wurden. Heute haben wir noch den Psalm 116.
Ich habe ihn überschrieben mit „Überwundene Ängste“. In der Bibel steht als Überschrift: „Dank für Rettung aus Todesgefahr“.
Ich liebe den Herrn, denn er hört die Stimme meines Flehens. Er neigte seine Ohren zu mir, darum will ich mein Leben lang ihn anrufen. Stricke des Todes hatten mich umfangen, des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen. Ich kam in Jammer und Not, aber ich rief den Namen des Herrn an, ach, er errette mich.
Der Herr ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig. Der Herr behüte die Unmündigen. Wenn ich schwach bin, so hilft er mir.
Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr tut dir Gutes. Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. Ich werde wandeln vor dem Herrn im Land der Lebendigen.
Ich glaube, auch wenn ich sage: Ich werde sehr geplagt. Das ist jetzt der revidierte Text. Das ist eine komplizierte Stelle. Paulus hat sie in seiner griechischen Übersetzung, der Septuaginta, anders gelesen. Ich glaube, darum rede ich.
Das geht immerhin zurück auf die Zeit vor Christi Geburt. Paulus hat die Septuaginta schon so gelesen. Wir wissen nicht, warum es zu dieser Verschiedenheit kam – eine der wenigen Stellen. Aber ich bleibe dabei: Ich glaube, darum rede ich. Denn es wird auch im Neuen Testament in 2. Korinther 4 so zitiert.
Ich sprach in meinem Zagen: Alle Menschen sind Lügner. Wie soll ich dem Herrn vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den Kelch des Heils nehmen und des Herrn Namen anrufen. Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk.
Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn. Ach Herr, ich bin dein Knecht, ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Macht. Du hast meine Bande zerrissen, dir will ich Dank opfern und des Herrn Namen anrufen. Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk.
Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem Herrn. Ach Herr, ich bin dein Knecht, ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Macht. Du hast meine Bande zerrissen, dir will ich Dank opfern und des Herrn Namen anrufen. Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen vor all seinem Volk, in den Vorhöfen, am Hause des Herrn, in dir, Jerusalem. Halleluja!
Erkläre du uns so das Danken über deine Wunder. Amen.
Die Erfahrung von Angst und Rettung im Psalm 116
Liebe Brüder und Schwestern,
heute erleben wir einen enormen Aufschwung von Wissenschaft und Technik. In den letzten 70 Jahren wurden viele neue Entdeckungen gemacht und Entwicklungen vorangetrieben. Unser Leben ist dadurch deutlich bequemer geworden. Es gibt kaum noch ein Rätsel, das unser Denken beschäftigt und das nicht in absehbarer Zeit entschlüsselt werden kann.
Vor ein paar Tagen las ich in der Zeitung, dass es einer Professorin gelungen ist, erstmals einen Krebserreger zu isolieren. Solche Fortschritte sind heute möglich. Wenn man sieht, wie der Mensch die Natur beherrschen kann, wird umso bedrückender, dass es eine Sache gibt, die wir nicht kontrollieren können: die Angst. Der Angst sind wir wehrlos ausgeliefert.
Die Psalmen, die vor dreitausend Jahren zum ersten Mal gebetet wurden, spiegeln genau diese Gefühle wider. Angst hat jeder von uns, so wie wir hier zusammen sind. Jedes Kleinkind, das geboren wird, steht unter der Angst, bevor es überhaupt sprechen kann. Das ist das erste, was es auf dieser Welt fühlt. Und auch das Letzte, wenn wir diese Welt verlassen, wird Angst sein.
Deshalb möchte ich heute darüber predigen. David nimmt uns mit an die Stelle der überwundenen Ängste. Ich möchte darüber sprechen und drei Punkte dazu aufzeigen.
Sich der Angst stellen
Zuerst müssen wir uns der Angst stellen. Über die Angst spricht man oft nicht, sie ist ein Tabuthema. Denn es gilt nicht als Zeichen von Männlichkeit, wenn wir uns eingestehen, dass wir Angst haben oder dass wir die Angst nicht unter Kontrolle haben.
Für uns war es eine Befreiung, auf unserer ersten Gemeindefreizeit vor dreieinhalb Jahren, als ein hoher Offizier, der aus den Kasernen in Stuttgart-Vaihingen stammte, von unserem amerikanischen Gast erzählte. Er berichtete von einem Erlebnis seiner Jugend, wie er als junger Flying Lieutenant im Vietnamkrieg einen Bomber fliegen musste und dabei diese tödliche Last trug. Er sagte: „Da ist mein Leben zerbrochen, das habe ich nicht bewältigt.“
Was war das für eine Angst? Nicht nur die Angst vor dem eigenen Tod, sondern auch die Angst vor dem, was man selbst zerstört hat. Die Angst, in Situationen gestellt zu sein, denen man nicht ausweichen kann. Er erzählte, dass er damals völlig von Gott weggetrieben wurde und in einen Taumel des Sinnesrausches geriet – nur als Flucht, um nicht über die Angst nachdenken zu müssen.
Das verstehen wir doch viel zu gut: Man will der Angst ausweichen, sie nicht wahrhaben. Wir sind oft gar nicht in der Lage, der Angst gegenüberzutreten und sie auszuhalten. Stattdessen verdrängen wir sie. Doch alles, was man unerledigt verdrängt, kommt verstärkt wieder hoch – besonders in der Nacht, wenn man nicht schlafen kann und die Angst umso schwerer auf uns lastet.
Es wäre so einfach, wenn man die Angst rational mit seinen Gedanken einordnen könnte. Aber das hängt nicht nur von unseren Gedanken ab. Die Angst geht bis in unseren Körper hinein, so wie es in den Psalmen beschrieben ist: „Meine Zunge klebt an meinem Gaumen, mein Mund wird trocken, ich zittere.“ Die Angst betrifft den ganzen Körper, bis in die Glieder hinein.
Heute spricht man gern von Angstgefühlen. Das ist ein moderner Ausdruck, ähnlich wie bei der Schuld: Man spricht nicht von Schuld, sondern von Schuldgefühlen. Man spricht nicht von Angst, sondern von Angstgefühlen, als wären das nur seelische Regungen, Traumgebilde oder seelische Schwingungen. Doch hinter meiner Angst stehen Realitäten. Hinter meiner Angst steht meine Schwäche.
Dann steht da der Berg der Anforderungen, die ich mit meiner kleinen Kraft bewältigen soll. Und was uns noch mehr belastet: Dinge aus der Vergangenheit, die wir längst vergessen glaubten, kommen wieder hoch. Ein unglückliches Wort, das wir einmal gesprochen haben, kehrt zurück. Doch wie eine Mauer steht es um uns herum, es hat Feindschaft erzeugt, es gibt keinen Ausweg mehr, es wird dunkel um uns – dann ist die Angst da.
Auch Taten, die wir einst getan haben, kommen plötzlich wieder auf uns zu, und die Angst ist da. Wie soll ich da entfliehen können? Sollen wir noch von der Krankheit reden, von der Todesangst? Dass man sich der Angst nicht entziehen kann, beweisen die vielen Diskussionen um die Wahrheit am Krankenbett. Darf man einem Patienten überhaupt die Wahrheit sagen? Manche sagen, lieber die Unwahrheit, weil er die Angst nicht aushalten kann. Und es stimmt: Wir können die Angst oft nicht ertragen. Wer kann ihr schon standhalten?
Man kann einen Teil der Ursachen der Angst jedoch wegnehmen. Das wollen wir nicht verschweigen. Wenn nachts ein Kind schreit, gehe ich in das Kinderzimmer, setze mich ans Bett, lege die Hand auf das Köpfchen und frage: „Was hast du?“ Dann schalte ich das Licht an. So kann man Ursachen der Angst beseitigen, wie eine Mutter, die ihr Kind fester hält, wenn es durch einen dunklen Wald geht.
Aus dieser Erfahrung führen wir einen harten Kampf, um die Ursachen der Angst zu beseitigen und unserem Leben Sicherheit zu geben. Deshalb verstehe ich, dass heute Kranke sich zermürben und sagen: „Es muss doch eine Lösung geben.“ Wenn sie in ihrem Berufsleben schwierige Probleme haben, werden sie im Gottesdienst kaum zuhören können. Sie denken: „Ich muss doch die Ursachen der Angst wegbekommen.“
Ich bin so froh, dass Jesus gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst.“ Das ist eines der nüchternsten Worte des Neuen Testaments. Man kann bis zu einem gewissen Grad Angst wegnehmen, aber die Angst wird letztlich nicht ganz verschwinden. Ich muss mich ihr stellen!
Ich bin dankbar, dass Jesus mir da vorangegangen ist. Wir können es bei keiner Predigt anders machen, als immer wieder auf Jesus zu kommen. Das ist die eine Antwort des Glaubens: Er hat Angst bewältigt.
Wir verdrängen noch viel zu viel Angst. Als Jesus in Gethsemane war, bat, rief und ermahnte er seine Jünger: „Stellt euch jetzt der Angst, ihr müsst sie überwinden.“ Doch sie verdrängten die Angst, sie schliefen ein. Lieber nahmen sie noch Psychopharmaka, als sich der Angst zu stellen. Es war zu anstrengend, zu kompliziert, zu aufreibend – „meine Nerven!“
Jesus sagt: „Wacht und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt.“ Und er hat es durchgetragen – bis zum Zittern, bis zum Schweißausbruch, bis zu den Spuren an unserem Leib, die Angst bringen kann. In der Todesstunde hat er den Betäubungstrank abgelehnt, weil er das für uns einmal durchleiden wollte. Er wollte uns zeigen, dass man der Angst trotzen kann.
Er hat der Angst getrotzt und uns gezeigt, dass er Angst überwunden hat. Es gibt keine andere Möglichkeit, Angst zu überwinden, als sich an Jesus zu hängen und ihm zu vertrauen.
Die Geborgenheit im Glauben trotz Angst
Wir haben oft den sehnlichen Wunsch, dass unser Leben konfliktfrei verläuft, dass sich Schwierigkeiten lösen und die Ursachen der Angst beseitigt werden. Wir sind unglücklich in unseren Gebeten, wenn Gott uns diese Wünsche nicht sofort erfüllt.
Achten Sie einmal darauf, wie ein großer Mann wie König David seinen wunderbaren Psalm 23 beendet: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ David erlebt Gottes Stärkung gerade dort, wo Feinde ihm noch gegenüberstehen und ihm nach dem Leben trachten. Wo in seinem Leben alles von Angst umgeben ist, erfährt er Gottes Nähe.
Wenn wir als Christen von Geborgenheit sprechen, verstehen das andere oft nicht. Für viele ist das Wort Geborgenheit ein Begriff, der nur Kindern etwas bedeutet, nicht aber Erwachsenen. Ihr Leben geht doch weiter. Doch Geborgenheit braucht gerade derjenige, der sich der Angst stellt, der nicht vor Sterbebetten ausweicht, der die Nöte der Welt anhören kann, der ein offenes Ohr für Menschen in Not hat.
Geborgenheit erfahren Menschen, die die letzten Nöte, die heute viele in ihrer Seele bedrücken, aufnehmen und die Angst vieler Menschen um sich herum mittragen. Sie können dennoch geborgen sein, weil sie in dieser Situation ruhig werden. Jesus sagt: „Ich habe die Welt überwunden.“
Jesus gibt uns Geborgenheit, indem er uns zu Kindern Gottes macht und die Schulden vergangener Tage auslöscht. Dadurch muss die Angst schweigen, denn sie kann uns nicht mehr anklagen. Im Losungsbüchlein steht heute dieser wunderbare Vers: „Nichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmt mir meinen Mut. Die Hölle und ihre Flammen löscht meines Heilands Blut.“ So sind wir im Angesicht der Angst geborgen – das ist Glaube.
Jesus sagt zu uns: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Weiche nicht vor der Angst zurück. Ich bin dein Gott, ich stärke dich, ich helfe dir, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Er räumt uns nicht alle Hindernisse aus dem Weg, sondern möchte uns stark machen, indem er uns seine Nähe anbietet.
Er ist da, und deshalb können wir Angst überwinden.
Die Bedeutung des Redens über Angst und Glauben
Das war das Erste: Wir müssen uns der Angst stellen. Das Zweite ist, dass wir angesichts der Angst reden müssen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Paulus an einer ganz wichtigen Stelle seines zweiten Korintherbriefs darauf Bezug nimmt und sagt: „Ich glaube, darum rede ich.“
Genau an dieser Stelle spricht er von seinen Nöten im Leben, von allem, was ihm Schweres widerfährt. Er sagt: Wir haben einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen. Wir erleben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzweifeln nicht. Wir leiden Verfolgung, werden aber nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, doch wir kommen nicht um.
Um uns herum stehen Menschen, die sagen: Bei dem sieht man gar nichts davon, dass Gott mit ihm ist, obwohl er so viel durchmachen muss. Paulus antwortet, dass die größte Wirkung unseres Glaubens nicht darin besteht, dass wir jeden Tag herrlich und freudig leben, sondern dass wir reden können. Er sagt: „Ich glaube, darum rede ich.“
Dann öffnet er seinen Mund, bekennt das und sagt angesichts der großen Not: So groß ist das, was Jesus mir gibt. Er führt das vorher im Psalm aus: „Ich liebe den Herrn“ – das ist es, was sein Leben erfüllt, dass er mit Gott verbunden ist.
Gerade gestern erhielt ich bei der Post eine Karte von einem Freund, dem ich mit viel Mühe und Not einen Kondolenzbrief schrieb. Es ging um einen Mitarbeiter unserer Jugendarbeit, dessen Frau, beide in meinem Alter, von drei kleinen Kindern unter sechs Jahren weggestorben ist. Dann schrieb er zurück, und ich denke, so etwas muss man weitergeben, wenn man es praktizieren kann: „Ich glaube, darum rede ich.“
Der Glaube an Jesus Christus trägt auch im Schatten des Todes. Das durfte ich in besonderer Weise erleben. In der Sterbestunde meiner lieben Frau war es mir, als ginge die Tür zur Ewigkeit auf. Ein Lichtstrahl von unbeschreiblicher Schönheit fiel auf uns. Es war ein Durchgetragenwerden, das bis auf diesen Tag anhält.
Wir müssen reden – das ist das Zeugnis des Glaubens. Die Schwierigkeiten werden uns nicht genommen. Das Große am Glauben ist, zu reden und Zeugnis abzulegen.
In der vergangenen Woche war ich zwei Tage bei der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen. Dort hörte ich, dass in Singapur seit zehn Monaten zwei Krankenschwestern der alten China Inland Mission, einer überseeischen Missionsgemeinschaft, in der Hand von Terroristen sind. Wenn wir die aktuellen Vorgänge in Berlin verfolgen, dürfen wir daran denken, dass eine Missionsleitung vor der schweren Entscheidung stand, ob sie diese Schwestern befreien soll oder nicht.
Sie sagten: Wenn wir sie befreien, wird jeder Missionar auf dem Missionsfeld eine Beute von Terroristen. Sie antworteten mit Nein. Der Geschäftsführer erzählte, dass sie nach Monaten endlich einen Brief von diesen Schwestern erhielten. Daraus kommt dieses Zeugnis: „Ja, der Weg ist richtig, wir gehen den Weg.“ Denn das Zeugnis des Glaubens ist gerade auf dem dunklen Weg ein Weg Gottes mit uns, weil wir dort von ihm reden dürfen.
Nun werden Sie vielleicht sagen – und ich höre das oft in Gesprächen –: „Ich wünsche mir auch so eine Glaubenshaltung. Ich würde auch gern so getrost sein.“ Das dürfen Sie nicht nur wünschen, sondern nehmen Sie es doch an!
Hier ist doch der Weg beschrieben, im Psalm, wo es heißt: „Ich glaube, darum rede ich.“ Glauben heißt, Jesus zu vertrauen. Sie können die schweren Erfahrungen Ihres Lebens nur ertragen, wenn Sie im Gespräch sind, wenn Sie Jesus vor sich sehen, wenn andere Ihnen das erklären können und wenn Sie sich in seinem Wort vertiefen.
Aus diesem Glauben kommt die Liebe. „Ich liebe den Herrn“, so beginnt der Psalm. Und dann heißt es: „Erhöre die Stimme meines Flehens, er neigt sein Ohr zu mir.“ Wer einmal in seinem Leben ernst genommen hat, Jesus sein ganzes Leben anvertraut hat und gesagt hat: „Ich will mich nicht mehr selbst führen, nimm du mein Leben“, der hat die Gewissheit, dass er die Unmündigen behütet und dass er hilft, wenn wir schwach sind.
Das Wichtige für uns ist, dass wir reden müssen. Sonst ist die ganze schwere Führung umsonst. In einem anderen Psalm heißt es: „Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten.“ Man könnte darüber philosophieren, warum in den Bungalows und Villen nicht vom Sieg gesungen wird. Wahrscheinlich wird dort nur über fallende Kurse, Wirtschaftsflauten, Rezessionen und andere Probleme gesprochen.
Warum aber gerade in Hütten die Lieder vom Sieg gesungen werden, ist Gottes Eigenart. Er holt das Lob von Menschen, die durch schwere Führung gehen. Die großen Psalmdichter waren alle Menschen, die aus großer Not gesprochen haben – die Liederdichter unseres Gesangbuches.
Und nun singen Sie doch in der kommenden Woche dieses Lied, damit andere es hören, damit die Elenden es hören und sich freuen.
Die Freude am Leben trotz Angst
Nur ein letztes: Freude am Leben, der Angst zum Trotz.
Das Erste war, wir müssen uns der Angst stellen. Das Zweite, wir müssen reden. Und nun noch die Freude am Leben.
Es ist merkwürdig, dass die Psalmen hier gar nicht bloß von der Angst sprechen. Für uns ist beim Ersten oft das Wichtigste, wie wir die Angst überwinden, wie wir mit der Angst fertigwerden oder wie wir mit unseren Fragen und Zweifeln umgehen. Doch das ist eigentlich nicht das Thema, das unserem Leben gestellt ist. Hindernisse zu überwinden ist ja erst der Anfang.
In diesem Psalm wird deutlich, dass Gott unserem Leben eine ganz, ganz weite Planung gegeben hat. Wie wenig Christen haben das in ihrem Leben überhaupt bemerkt! Sie beschäftigen sich nur damit, wie sie augenblicklich etwas Angst, Müdigkeit oder Traurigkeit wegnehmen können. Das ist doch zu wenig.
Aus all diesen Psalmen spricht die große Freude am Leben. Die Tage, Wochen und Jahre, die vor Ihnen liegen, sind große Möglichkeiten, in denen Gott etwas Großes durch Sie wirken will.
Ich denke dabei wieder an solche Psalmbeter, wenn wir nur etwa an David denken, den wir in den vergangenen vier Sonntagen immer wieder vor Augen hatten und der uns jetzt nähersteht.
Was für verschlungene Lebenswege dieser David hatte! Sein ganzes Leben war im Grunde immer nur ein Fertigwerden mit dem, was plötzlich immer wieder über ihn hereinbrach. Da war der Hass Sauls, dann die Empörung Absaloms, dann Kriegsnot, dann der Kampf gegen die Philister. Rückblickend war dieses Leben Davids jedoch ein Leben, das in der Heilsgeschichte Gottes eine ganz wichtige Bedeutung hat.
Sie können das gar nicht so schnell entdecken.
Ich wünsche mir, dass Ihr Leben und die Gespräche, die Sie in der nächsten Woche führen, so alltäglich sie uns erscheinen, Ihr Dienst als Mutter in der Küche und bei der Erziehung Ihrer Kinder, oder Ihr Beruf, in dem Sie mit Kollegen zusammenarbeiten, ein erfülltes Leben sind. Nicht bloß Taten, die wir durchbringen im Blick auf den Urlaub, in dem wir wieder genießen können, sondern jeder Tag, jede Stunde gefüllt im Licht der Ewigkeit.
Denn Gott hat seine Geschichte hineingepackt, und er braucht das. So wie David da plötzlich mitten im Psalm davon spricht: „Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.“
Mein Leben ist nicht ein Leben im Schatten des Todes, sondern mein Leben geht weiter im Licht der Ewigkeit.
Ich reagiere nicht nur auf die schweren Ereignisse meines Lebens, ich sehe viel mehr vor Augen. Und das ist das Große an Christen: Dass plötzlich nicht mehr die Nöte und die Angst das Thema sind, auch nicht die Leiden der Welt, sondern das Thema ist für uns das Leben.
Dass unser Gott uns Freude schenken will, dass jeder Tag kostbar ist und dass etwas daraus gemacht werden kann für ihn.
Ich habe Sie am Gottesdienstanfang mit diesem Wort begrüßt, und mit ihm möchte ich abschließen, weil es das Wort Jesu an Sie sein soll:
„Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt.“
Trotz der Angst – die muss überwunden werden – aber Frucht muss geschehen. Dazu sendet euch Jesus, der Herr. Amen.
Schlussgebet und Segenswunsch
Wollen beten. Herr, unser Gott, es ist Kleinglaube, dass wir so oft nur von der Not und der Angst sprechen. Es ist, als ginge es uns wie den Jüngern im Kahn beim Seesturm. Wir meinen, wir werden erdrückt, obwohl du dein Wort gegeben hast, dass uns nichts mehr aus deiner Hand reißen kann.
Herr, vergib uns unsere Sünde des Zweifelns, unseren kleinen Glauben, der dein Wort nicht gelten lässt.
Wir wollen auch für die Menschen um uns herum ein Zeugnis geben, die oft so bedrückt und in Angst sind. Gerade unter mancher schweren Lebensführung wollen wir von dir reden, aus unserem Glauben heraus. Wir wollen von der Geborgenheit weitersagen, die man bei dir hat, Herr. Da wird es so deutlich, wenn das nicht echt ist, wenn es nicht aus der Tiefe unseres Lebens kommt.
Wir bitten dich: Schaffe du in uns einen so festen Glauben. Wirke du durch uns, auch durch unsere persönliche Stille, die wir jeden Tag über dein Wort haben. So kann unser Glaube immer mehr wachsen und in die Tiefe gehen. Er soll nicht überwunden werden, sondern dir festhängen bleiben – aller Angst zum Trotz.
Wir bitten dich jetzt für alle, die nicht unter uns sein können und denen wir dieses Wort weitersagen wollen. Wir wollen es in ihre Not hineinbringen. Wir bitten dich ganz besonders für die Schwermütigen, die das gar nicht mehr fassen können. Du kannst sie auch in ihrer Dunkelheit erreichen.
Wir bitten dich für unsere ganze Welt mit ihrer großen Not, für die Menschen, die einsam und verlassen sind und keinen Ausweg mehr wissen. Dir befehlen wir auch diese Schwestern in Singapur, die in der Hand der Terroristen sind, und all das andere Geschehen in der Welt.
Für die Leidenden, Betrübten, Verfolgten und Entrechteten bitten wir dich. Du allein kannst unserem Leben Gewissheit geben. Du allein kannst uns ruhig und geborgen machen. Wir danken dir, dass du uns gewiss machst.
Lasst uns gemeinsam das Gebet des Herrn beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Wir wollen um den Segen Gottes bitten: Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
