Wir schreiben den 19. Juni 2013. Es ist 34 Grad im Schatten, und der damalige US-Präsident Barack Obama hält eine Rede vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Wenn hochrangige Politiker bei Staatsbesuchen öffentlich auftreten, sind selbst die kleinsten Gesten entscheidend. Obama überrascht an diesem Tag mit einer sehr besonderen Geste. Diese wollen wir uns jetzt kurz im Video ansehen. Ich bitte zu entschuldigen, dass der US-Präsident Englisch spricht, aber ich werde die wesentlichen Aussagen im Nachhinein übersetzen.
The people of Berlin and Germany, thank you for this extraordinarily warm welcome. In fact, it's so warm and I feel so good that I'm actually going to take off my jacket. And anybody else who wants to, feel free to. We can be a little more informal among friends.
Er ist der mächtigste Mann der Welt, steht in Berlin an einem historisch bedeutsamen Ort – dem Brandenburger Tor, der auch für US-Präsidenten eine große Bedeutung hat. Vor sechstausend hochrangigen Gästen und Dutzenden Kamerateams aus aller Welt hält er seine Rede.
Und einfach so legt er gewisse Formalitäten ab – unter großem Applaus zieht er seinen Sakko aus. An einem heißen Tag begründet er das mit den Worten: „Unter Freunden kann man etwas informeller sein.“
Journalisten kommentieren diese Geste anschließend als die Geste des Tages.
Unter Freunden kann man auch mal etwas informeller sein. Ich glaube, das kennen wir alle: Nach einem Arbeitstag mit vielen Geschäftstreffen, einer Auftragsverhandlung und Gesprächen mit Kunden – also all diesen Kontakten auf geschäftlicher Ebene – kommen wir nach Hause. Dort steht ein Grillabend mit Freunden an, und wir können einfach mal wir selbst sein. Da fällt etwas ab, und wir genießen es einfach, unter Freunden zu sein.
Unter Freunden besteht eine informelle, herzliche Beziehung. Genau das ist auch mein Predigtthema heute Morgen. Der Titel lautet „Unter Freunden“.
Ich möchte, wie Frank schon gesagt hat, mit einer neuen Predigtreihe zum Philipperbrief starten. Der Predigttext heute Morgen stammt aus Philipper 1,1-11. Gerade in diesen ersten Versen wird deutlich, dass Paulus zur Gemeinde in Philippi eine ganz besonders freundschaftliche Beziehung hatte.
Zu keiner anderen Gemeinde, möchte ich behaupten, hatte Paulus ein so enges Verhältnis wie zur Gemeinde in Philippi. Ich möchte auf vier Aspekte dieser Freundschaft einmal eingehen.
Mein erster Punkt lautet: der Kontakt zu den Freunden. Ich lese dazu die ersten beiden Verse einmal vor. Paulus und Timotheus, Sklaven von Jesus Christus, schreiben an alle Gläubigen in Philippi, an alle, die durch Jesus Christus geheiligt sind, samt ihren Ältesten und Diakonen. Wir wünschen euch Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.
Paulus schreibt den Philippern einen Brief, und diese ersten beiden Verse bilden sozusagen die Anrede. Damit spricht er die Philipper direkt an. Paulus und Timotheus werden hier beide als Verfasser genannt, wobei Paulus sicherlich der eigentliche Verfasser ist. Danach spricht er in der Ich-Form weiter. Timotheus wird vermutlich deshalb genannt, weil er den Brief niedergeschrieben hat; Paulus hat ihn diktiert. Timotheus war als Schreiber unterwegs, aber sicherlich auch, weil er ganz hinter dem Inhalt des Briefes steht. Gerade im Philippabrief sagt Paulus, er habe keinen, der so gleichgesinnt sei wie Timotheus. Timotheus hätte also seine Unterschrift unter diesen Brief setzen können.
Auffallend ist, wie Paulus sich hier bezeichnet. Er nennt sich nicht Apostel Jesu Christi, wie er es in den meisten anderen Briefen tut. Er zieht sozusagen das Sakko aus, denn er schreibt hier an Freunde. Er hat es nicht nötig, seine apostolische Autorität von Anfang an deutlich zu machen, weil die Beziehung zu den Philippern so besonders ist. Sie wissen, dass er Apostel ist, und so schreibt er einfach als Freund.
Er bezeichnet sich als Sklave Jesu Christi. Paulus weiß, dass er, seit Jesus in sein Leben gekommen ist, sich nicht mehr selbst gehört. Er entscheidet nicht mehr allein über sein Leben. Er hört ganz und gar auf Jesus Christus – mit Haut und Haar. Seine Freiheit liegt darin, Sklave zu sein. Das klingt für uns paradox, aber darin besteht wirkliche Freiheit. Wenn Christus unser Herr ist und das Sagen hat, können wir wirklich frei sein. So bezeichnet sich Paulus gerne als Sklave. Das klingt für uns eher negativ und ist negativ behaftet, aber die theologische Wahrheit dahinter ist etwas Wunderschönes: Jesus hat das Sagen in unserem Leben.
Weiterhin werden hier die Empfänger genannt. Der Brief richtet sich an alle Gläubigen in Philippi, an alle, die durch Jesus Christus geheiligt sind, samt ihren Ältesten und Diakonen. Die Stadt Philippi im Norden Griechenlands ist zu Paulus’ Zeit eine multikulturelle Großstadt, eine große Handelsstadt an einer sehr bedeutsamen Handelsstraße, der Via Ignatia. Mit Paulus und Silas kommt das Evangelium in diese Stadt. Die Ereignisse, inklusive Gefängnisaufenthalt und Erdbeben, sind in der Apostelgeschichte Kapitel 16 nachzulesen.
Hier in dieser Stadt, und das ist das Besondere, kommen die ersten Europäer zum Glauben. Diese Christen bezeichnet Paulus hier als Heilige. Das ist der Status eines jeden echten Christen: Er ist heilig. Ich weiß, wir fühlen uns nicht immer heilig, wir leben nicht immer heilig, wir sündigen auch und fallen immer wieder. Aber unserer Stellung nach, unserer Identität in Christus zufolge, sind wir heilig. Und das sind die Philipper eben auch. So spricht Paulus sie an.
Sehr wahrscheinlich sitzt Paulus bei der Abfassung des Philippabriefs im Gefängnis, vermutlich in Rom. Denn in Kapitel vier erwähnt er die Grüße von den Heiligen aus dem Haus des Kaisers, und der Kaiser sitzt nun mal in Rom. Also schreibt Paulus hier sehr wahrscheinlich aus einem römischen Gefängnis und grüßt die Gemeinde in Vers 2 mit den Worten: Wir wünschen euch Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn.
Es ist ein wunderschöner Gruß, der einen Hintergrund hat. Hier kommen ein jüdischer und ein griechischer Gruß zusammen. Die Juden haben sich damals, und übrigens auch heute noch, mit dem Wort Schalom gegrüßt. Schalom bedeutet Friede. Das griechische Grußwort in der damaligen Zeit war Gnade, Karis. Paulus verbindet genau diese beiden Worte, Schalom und Karis – den jüdischen und den griechischen Gruß – und formt daraus einen eigenen christlichen Gruß, den wir in den meisten seiner Briefe finden. Er grüßt die Gemeinde von Herzen und wünscht ihr Gottes Gnade und Gottes Frieden.
Ein wesentlicher Anlass für diesen Brief, warum Paulus den Philippabrief schreibt, ist die in Kapitel 4 erwähnte Spende der Philipper. Die Gemeinde in Philippi war eine besonders freigiebige Gemeinde, und Paulus möchte sich mit diesem Brief bei ihr bedanken. Zugleich informiert er die Gemeinde über den Gesundheitszustand von Epaphroditus. Die Gemeinde hatte ihn zu Paulus geschickt. Dieser gute Mann ist krank geworden, die Gemeinde macht sich Sorgen, und Paulus möchte deutlich machen, dass jetzt wieder alles in Ordnung ist.
Zugleich möchte Paulus der Gemeinde ein Update geben, wie es ihm persönlich geht, weil die Gemeinde ständig für ihn betet. Er möchte einfach mal wieder den Kontakt auffrischen. Er möchte seine Freunde in Philippi ermutigen. Ein ganz zentrales Thema – und deswegen finde ich persönlich den Philippabrief so schön – ist das Thema Freude.
Wir werden uns in den nächsten Predigten immer wieder mit der Freude befassen, die wir in Christus haben können. Nicht von ungefähr wird dieser Freundesbrief auch Freudenbrief genannt. Dabei geht es Paulus vorrangig um die Freude, die wir haben können, unabhängig von unseren Lebensumständen. Einfach weil wir mit Jesus Christus verbunden sind, haben wir immer genug Grund zur Freude.
Ein Schlüsselvers ist Philippa 4, Vers 4: „Freut euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich euch: Freut euch!“ Aber es kommt auch immer wieder in diesem Brief die Freude über die gute Beziehung zu den Philippern zum Vorschein. Aus dieser Freundschaft heraus schreibt Paulus den Brief. Er pflegt damit einen sehr, sehr wertvollen Kontakt.
Wenn wir diese ersten beiden Verse auf uns übertragen, müssen wir zunächst feststellen: Wir haben heute eigentlich viel mehr Möglichkeiten, Kontakte zu pflegen, als Paulus sie damals hatte. Für Paulus war es ein großer Aufwand, einen Brief zu diktieren, der dann kilometerweit von Rom nach Philippi transportiert werden musste. Wir haben viel mehr Möglichkeiten.
Die Frage, die ich heute stellen möchte, lautet: Pflegst du die Kontakte zu deinen Freunden? Suchst du den Kontakt? Oft gehen wir auf Menschen zu, nur weil wir etwas von ihnen wollen, weil wir eine Bitte oder eine Auskunft haben. Wir kontaktieren Menschen aus Eigeninteresse.
Für Paulus geht es um Beziehungspflege. Die Philipper liegen ihm so sehr am Herzen, es sind seine Freunde. Deswegen pflegt er den Kontakt. Ich denke, wir als Gemeinde sollten darin wachsen. Wir wollen gemeinsam wachsen, wir wollen in unseren Beziehungen wachsen.
Ich möchte heute Morgen ermutigen, sehr bewusst die Kontakte zu den lieben Menschen in deinem Umfeld zu pflegen. Nimm dir die Zeit dafür. Es sind wertvolle Beziehungen. Sieh diese Beziehungen zu deinen Freunden nie als selbstverständlich an. Pflege den Kontakt.
Das ist übrigens auch die Herausforderung, die wir uns als Gemeinde in diesem Monat gestellt haben: Lade in diesem Monat eine Person ein, die du noch nie eingeladen hast. Pflege Kontakte, baue neue Kontakte auf. Fahr nach dem Schlusssegen am Ende des Gottesdienstes nicht einfach direkt weg. Der Gottesdienst geht übrigens immer weiter nach dem Schlusssegen – und zwar in der Cafeteria. Dort können wir Kontakte pflegen, zu unseren Freunden und zu lieben Menschen hier in der Gemeinde.
Schließe dich einer Kleingruppe an, wenn du noch keine hast. Wir sind als Gemeinde zu groß, um hier am Sonntagmorgen intensiven Kontakt zu haben. Wir brauchen die Kleingruppen parallel. Wenn du noch keine Kleingruppe hast, kannst du nach dem Gottesdienst gerne auf mich oder auf Waldemar Werner zukommen.
Wenn du gesund bist und nicht verhindert bist, sei bitte nicht nur vor dem Livestream, sondern komm einmal hier in den Gottesdienst. Hier werden Kontakte gepflegt. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es Personen hier im Raum gibt, die sich eher zurückziehen, weil sie ihrer Auffassung nach genug eigene Probleme haben, vielleicht auch enttäuscht und verbittert sind.
Wenn das auf dich zutrifft, sollst du einfach wissen: Paulus hatte auch genügend eigene Probleme. Er sitzt gerade im Gefängnis, und Gefängnis damals ist etwas anderes als Gefängnis heute. Wir müssten uns mal mit den römischen Gefängnissen befassen – das wäre ein Thema für sich. Paulus geht es nicht gut, und doch geht es ihm gut. Er sieht seine Freunde, er sieht die Beziehungen. Auch wenn er selber genug eigene Probleme hat, möchte er ein Freund sein und pflegt die wertvollen Beziehungen nach Philippi.
Dazu möchte ich dich ermutigen: Nimm dir vor, Kontakte zu lieben Menschen in deinem Umfeld zu pflegen.
Wir kommen zum zweiten Punkt: dem Dank. Für die Freunde lese ich jetzt die Verse 3 bis 6:
„Jedes Mal, wenn ich an euch denke, danke ich meinem Gott. Und immer, wenn ich ihn um etwas bitte, bete ich mit Freude für euch, denn ihr habt euch vom ersten Tag an mit uns für Gottes gute Botschaft eingesetzt, und das tut ihr bis heute. Ich bin ganz sicher, dass Gott das gute Werk, das er an euch angefangen hat, auch weiterführen und an dem Tag, an dem Jesus Christus wiederkommt, vollenden wird.“
Immer wenn Paulus an die Philipper denkt, dankt er. Kennt ihr solche Leute? Ich kenne hier in der Gemeinde einige Menschen, bei denen ich immer nur danken kann, wenn ich an sie denke. Es sind wunderbare Menschen mit herzlichen Beziehungen.
Wenn wir genau hinschauen in den Text, in die Verse 3 bis 6, stellen wir fest: Paulus hat genau genommen zwei Dankesanliegen. Der erste Grund, warum er dankt, ist die Zusammenarbeit für das Evangelium. Das ist sein erstes Dankesanliegen.
In Vers 5 ist im Griechischen die Rede von „koinonia“. „Koinonia“ bedeutet wörtlich „Gemeinschaft“. Paulus dankt also für die Gemeinschaft am Evangelium, für die Teilhabe am Evangelium. Die Philipper machen mit Paulus gemeinsame Sache, wenn es um die Verbreitung des Evangeliums geht.
Nun können wir uns die Frage stellen: Wie hat sich das konkret gezeigt? Das muss ja irgendwie greifbar sein. Und das ist es auch, wenn wir uns den Inhalt des Briefes anschauen.
In Kapitel 1, Vers 7, sehen wir, dass sie das Evangelium mit Paulus zusammen verteidigen und bekräftigen. In Kapitel 1, Vers 19, beten sie für Paulus und für die Ausbreitung des Evangeliums. In Kapitel 2, Vers 25, senden sie einen guten Mitarbeiter, Epaphroditus, zu Paulus für den Missionseinsatz. Und in Kapitel 4, Verse 10-18, unterstützen sie Paulus als Missionar finanziell.
Das Tolle daran ist: Die Philipper tun das nicht nur sporadisch. Sie wurden nicht nur nach einer Predigt angesprochen und haben einmalig gespendet oder einmal für den Missionar gebetet. Paulus sagt: „Vom ersten Tag an“, also von dem Tag, an dem ihr euch bekehrt habt, „bis heute“ seid ihr beständig dabei, mich für das Evangelium zu unterstützen. Seitdem sie selbst das Evangelium angenommen haben, sind die Philipper an Bord.
Dafür ist Paulus unglaublich dankbar. Wenn du solche Freunde hast, die mit dir für das Evangelium einstehen, die für deinen missionarischen Dienst beten, dich vielleicht finanziell unterstützen und mit dir gemeinsam an der Front stehen, dann darfst du Gott dafür danken. Das sind mit die kostbarsten Menschen in deinem Leben.
Zugleich wird erkennbar, was Paulus an der Beziehung zu den Philippern so wertvoll findet: Sie unterstützen die Ausbreitung des Evangeliums. Das bedeutet, Paulus denkt Beziehung und Freundschaft konsequent vom Evangelium her. Eine Freundschaft ist wertvoll, weil sie dem Evangelium dient.
Paulus denkt alles in der Kategorie des Evangeliums. Wir müssen wissen: Seit dem Tag, an dem Jesus in sein Leben gekommen ist – als er auf einer Straße nach Damaskus unterwegs war – gibt es für Paulus nur eine Person und ein Programm. Die Person ist Jesus Christus, das Programm ist die Verbreitung des Evangeliums. Mehr gibt es für Paulus nicht im Leben, das ist alles.
So denkt er alles vom Evangelium her. Das werden wir in den nächsten Abschnitten noch besonders sehen. Er bewertet seine Umstände vom Evangelium her. Er ist froh, dass er im Gefängnis ist – wir würden sagen: „Paulus, geht es noch? Wieso denn das?“ Er sagt: „Ja, ich bin froh, dass ich im Gefängnis bin, weil ich hier noch mehr evangelisieren kann.“
Er deutet seine Lebensumstände in der Kategorie des Evangeliums. Er deutet sein eigenes Leben in der Kategorie des Evangeliums. Ein wenig später sagt er: „Ich weiß nicht, wofür ich mich entscheiden soll, soll ich leben oder soll ich sterben?“ Er ist dem Tod nämlich schon nah und rechnet damit, bald zu sterben. Er sagt: „Eigentlich würde ich lieber sterben, weil ich dann bei Jesus wäre, das ist das Beste überhaupt. Aber ich bin bereit, weiterzuleben, um Frucht zu bringen.“
Das heißt: Leben bedeutet für Paulus, Frucht bringen, für das Evangelium zu leben. Merken wir uns: Er deutet alles in der Kategorie des Evangeliums – Beziehungen, weil sie wertvoll sind für das Evangelium. Meine Lebensumstände, wenn sie gut sind für das Evangelium, sind die Umstände gut. Mein Leben – ich will für Jesus leben. Wenn ich weiterleben soll, dann lebe ich nur für das Evangelium.
Hier ist der erste Punkt: Er deutet Beziehungen in der Kategorie des Evangeliums. Freundschaft und Beziehung werden im Licht des Evangeliums gesehen. Das ist doch gerade das Besondere an christlicher Freundschaft. Das Besondere ist doch nicht nur, Grillabende und Spieleabende zusammenzumachen unter Christen, sondern das, worum es eigentlich gehen sollte – das Alleinstellungsmerkmal einer christlichen Freundschaft – ist, dass wir gemeinsam für das Evangelium arbeiten. Und das macht Gemeinschaft besonders intensiv.
Ich kann das aus eigener Erfahrung bezeugen. Die Beziehung zu meinem leiblichen Bruder war immer gut. Wir haben zehn Jahre lang ein Zimmer geteilt. Wir waren als Brüder, ich sage mal, immer ganz dicke. Wir haben zusammen im Fußballverein gespielt, Siege gefeiert und Niederlagen beweint. Wir haben viele tolle Familienurlaube an schönen Orten gemacht.
Aber nichts hat uns so sehr zusammengeschweißt wie die drei Missionseinsätze in Paraguay, Thailand und Tunesien. Das hat uns so zusammengeschweißt, weil man da gemeinsam an der Front steht und mitbekommt, was Gott durch einen tut. Das verbindet unglaublich.
Ich habe die Erfahrung auch mit der Jugend gemacht. Ich war hier eine Zeit lang Jugendleiter in der Gemeinde und denke an unsere Jugendfreizeiten. Die Freizeiten, die uns als Jugend besonders zusammengeschweißt haben, waren nicht die, wo wir nur unter uns waren. Das hat auch seinen Stellenwert, aber das ist nicht mit Missionsfreizeiten zu vergleichen. Diese haben uns als Jugend besonders zusammengeschweißt.
Freundschaft unter Christen – und das sage ich ermutigend weiter – wird besonders intensiv, wo man gemeinsame Sache für das Evangelium macht. Freundschaft besteht eben nicht nur darin, sich gegenseitig anzuschauen, sondern gemeinsam in eine Richtung zu schauen. Die Richtung ist uns vorgegeben.
Schaut mal: Unser ganzes Leben, all unsere Beziehungen sollten von drei Worten bestimmt sein: „Machet zu Jüngern.“ Darum geht es. Und da müssen auch die Beziehungen darauf ausgerichtet sein.
Vielleicht hast du eine solche Art von Beziehung noch nie erlebt. Da möchte ich dich heute herausfordern, auch konkrete Schritte zu wagen. Wie kannst du Beziehungen zu Christen bauen, die die Ausbreitung des Evangeliums fördern?
Du kannst dich zum Beispiel mit Leuten hier aus der Gemeinde oder aus deinem Freundeskreis zusammentun und gemeinsam überlegen, welche Person ihr, also welche Person, die Jesus noch nicht kennt, ihr mal gemeinsam zu einer Grillfeier oder zu einem WM-Spiel einladen wollt. Dabei solltet ihr bewusst mit der Absicht handeln: Wir bauen gemeinsam Beziehungen für das Evangelium. Wir wollen gemeinsam an einem Strang ziehen, um anderen Menschen das Evangelium zu bringen.
Oder du kannst es genauso machen, wie die Philipper es getan haben. Du suchst dir einfach einen Missionar oder eine Missionarin und fängst an, sie voll zu unterstützen.
Ich fand es so ermutigend nach der letzten Mitgliederversammlung. Dort habe ich das Anliegen geäußert, dass wir Frauen in Ostheim erreichen wollen. Wir wollen Angelika Gessner einstellen, um das Evangelium auch zu den Frauen in Ostheim zu bringen. Dafür wollen wir einen Freundeskreis aufbauen, der Angelika finanziell unterstützt.
Das war so ermutigend: Nach der Mitgliederversammlung habe ich darum gebeten, wenn jemand unterstützen möchte, sich bei mir oder bei John zu melden. Es kam eine WhatsApp nach der anderen: „Wir sind mit so viel Euro dabei“, „Wir sind mit so viel Euro dabei.“ Wir haben zwar noch nicht den ganzen Betrag, aber wenn ihr dazukommen wollt, meldet euch gerne bei mir oder bei John.
So kann man Beziehungen für das Evangelium bauen – Freundschaften, die gemeinsam an einer Sache arbeiten.
Übrigens gilt das auch für die Ehe. Wenn du verheiratet bist und dein Ehepartner auch Christ ist, solltet ihr eure Ehe im Lichte des Evangeliums sehen. Ein sehr gutes Ehebuch, das das genau thematisiert, möchte ich hier empfehlen: ein Buch von Francis Chan, das er gemeinsam mit seiner Frau geschrieben hat, „Du und ich in Ewigkeit“.
Es ist kein typisches Ehebuch, aber das beste, das ich bisher gelesen habe. Ein Zitat aus diesem Buch möchte ich mitbringen:
„Unsere gemeinsame Liebe zu Jesus verbindet uns, besonders unsere Liebe zu seiner Mission. Wir lieben es beide, Menschen dabei zu helfen, von ihren Sünden umzukehren, sich zu Jesus zu wenden und mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden. Wir lieben es, den Auftrag Jesu gemeinsam auszuführen. Tatsächlich entstehen Konflikte, also Ehekonflikte, hauptsächlich dann, wenn wir diese Mission vernachlässigen und uns auf unsere eigenen Wünsche konzentrieren. Dem Auftrag treu zu bleiben, das ist es, was uns näher zusammenzieht.“
Es ist so wahr, was er schreibt. Ich darf das auch momentan erleben. Für mich ist es besonders, wenn ich hier im Büro sitze, räumlich getrennt von meiner Frau, aber weiß, dass sie sich gerade mit einer anderen Frau, die Jesus noch nicht kennt, zum Frühstück trifft und ihr im Glauben weiterhelfen will. Das verbindet uns sehr.
Ich möchte euch ermutigen, als Ehepaar heute auch mal direkt darüber zu sprechen: Wie können wir als Ehepaar noch mehr gemeinsame Sache machen für das Evangelium? Ich kann euch sagen, es wird eure Ehe auf ein ganz anderes Niveau heben. Das macht Jesus.
Fangen wir doch einfach mal an, in dieser Kategorie zu denken.
Paulus dankt für eine zweite Sache. Gerade hat er dafür gedankt, was die Philipper tun. Jetzt dankt er dafür, was Gott in den Philippern tut. Vers 6 ist ein wunderbarer Vers:
„Ich bin ganz sicher, dass Gott das gute Werk, das er in euch angefangen hat, auch weiterführen und an dem Tag, an dem Jesus Christus wiederkommt, vollenden wird.“
Obwohl Paulus im Gefängnis ist, obwohl er momentan nicht weiß, wie er den Philippern weiterhelfen kann, obwohl er sich nicht darüber im Klaren ist, was die Zukunft bringt und ob er die Philipper überhaupt noch einmal sehen wird, ist Paulus zuversichtlich.
Warum? Woher nimmt er diese Zuversicht? Weil Gott am Werk ist. Gott hat in den Philippern ein Werk begonnen, er hat sie errettet.
Ich möchte euch auf eine kleine Reise nach Philippi mitnehmen. Wir befinden uns an einem Fluss, an dem einige Frauen stehen. Zu diesen Frauen kommen Paulus und Silas. Das ist Philippi. Paulus beginnt, mit den Frauen über Jesus zu sprechen.
Wisst ihr, was in Apostelgeschichte 16 steht? Dort heißt es: „Der Herr tat Lydia das Herz auf.“ Es steht nicht da, dass Lydia in der Kinderstunde immer so gut aufgepasst hat, dass sie von sich aus Glauben produziert hat.
Ihr Lieben, der Mensch kann nicht glauben, wenn Gott ihm nicht vorher das Herz öffnet. Jesus sagt: „Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, der Vater zieht ihn.“ Gott ist hier am Werk. Er öffnet Lydia das Herz, sodass sie überhaupt darauf achtet, was der Prediger sagt. Er fängt das Werk in ihr an, er wirkt das gute Werk.
Wir Menschen fangen manchmal Dinge an, bringen sie aber nicht zu Ende, oder? Vielleicht kennt ihr das aus eigener Erfahrung. Ich auf jeden Fall. Ich weiß von einigen, die ein Studium begonnen, eine Ausbildung angefangen und dann abgebrochen haben. Oder wir entscheiden uns, ein Musikinstrument zu lernen, nehmen Unterricht, bezahlen dafür, kaufen ein Instrument, und irgendwann steht das Instrument nur noch ungenutzt herum, weil wir aufgehört haben.
Wir kennen das auch von Bauwerken, die nicht zu Ende geführt wurden. Ich denke an den Kaiserbau in Trostdorf. 1974 wurde dieses Haus gebaut, sollte ein achtzehnstöckiges Hotel werden, aber der Bau wurde nie fertiggestellt. 2001 wurde der Kaiserbau gesprengt. Vielleicht schafft es der Berliner Flughafen auch noch in die Liste der unvollendeten Bauwerke.
Das ist typisch Mensch: Wir fangen Dinge an und bringen sie nicht zu Ende.
Ganz anders bei Gott. Was Gott anfängt, das schließt er auch ab. In Hebräer 12, Vers 2 heißt es, dass Jesus der Anfänger und der Vollender des Glaubens ist.
Das bedeutet aber auch, dass wir bei der Bekehrung noch nicht fertig sind. Wir sind sozusagen Werke im Werden. Gott ist aber dran. Er gestaltet uns nach der Bekehrung immer mehr um in das Ebenbild seines Sohnes. Er formt unseren Charakter, schleift uns, und irgendwann wird Gott mit uns an sein Ziel kommen.
Ich wünsche mir und uns diese Zuversicht, die Paulus für sein eigenes Leben hat. Ich weiß, dass gerade ältere Geschwister, wenn sie merken, dass es langsam zu Ende geht, mehr und mehr Zweifel an der Heilsgewissheit bekommen. Sie fragen sich: „Werde ich es schaffen?“ Man kann nur sagen: „Ja, du wirst es schaffen – aber nicht du selbst, sondern Gott wird es zu Ende bringen.“
Wir müssen es nicht krampfhaft selber schaffen. Natürlich haben wir Verantwortung, aber Gott ist am Werk und wird mit uns fertig werden.
Das heißt aber auch: Reg dich nicht dauernd über andere auf, wenn sie vielleicht vieles noch nicht begriffen haben. Gott ist einfach noch nicht fertig, aber er ist dran. Das ist die Hauptsache.
Mach dir nicht allzu viele Sorgen. Ja, wir sollen Sorge tragen – Paulus hatte auch Sorge um viele Gemeinden – aber wir dürfen nicht denken, alles liegt an uns, damit ein Mensch am Ende bei Gott ist.
Gott ist am Werk, und das sollte uns auch ein Stück weit zuversichtlicher machen.
Dank Gott einfach mal dafür, dass er ein gutes Werk in dir und in anderen begonnen hat. Er wird es vollenden.
Wir kommen zum dritten Punkt: die Zuneigung für die Freunde, Vers 7. Es ist durchaus angemessen, wenn ich so über euch denke, weil ihr mir besonders am Herzen liegt. Ihr alle habt Anteil an der Gnade, die ich sowohl im Gefängnis erfahre als auch dann, wenn ich das Evangelium verteidige und seine Wahrheit bekräftigen muss.
Die Beziehung zu Paulus habe ich schon erwähnt, und ich wiederhole mich gerne: Es ist eine besondere Beziehung. Das wird gerade durch die Zuneigung deutlich. Paulus sagt, es ist nur angemessen, dass er so voller Dankbarkeit für euch ist. Er hat euch in seinem Herzen und ist dankbar für euren Einsatz.
Sie verteidigen das Evangelium. Im griechischen Text steht das Wort „Apologia“, wovon auch das Wort „Apologetik“ stammt – Glaubensverteidigung. Aber sie bekräftigen auch das Evangelium, das heißt, sie setzen alles daran, um anderen deutlich zu machen, dass das Evangelium wirklich die Wahrheit ist. Das ist der tolle Einsatz der Philipper, und Paulus stimmt dem so dankbar zu, weil ihm gerade diese Philipper besonders am Herzen liegen.
Während des ganzen Abschnitts – und ich hoffe, das kommt so ein bisschen rüber – merken wir, wie viel Wertschätzung Paulus gegenüber den Philippern hat. Aber ich habe den Eindruck, dass es jetzt in Vers 8 noch einmal richtig aus Paulus herausbricht.
Vers 8: „Gott weiß, wie sehr ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe von Jesus Christus.“ Hier haben wir einen Mann, der über seine Gefühle redet – und zwar öffentlich, unter Freunden. Kann man das? Paulus sehnt sich nach den Philippern. Er hat ein Verlangen nach Gemeinschaft mit ihnen.
Das hatte Paulus übrigens auch zu anderen Gemeinden. Er schreibt das zum Beispiel an die Thessalonicher. Er schreibt das auch an Timotheus, zu dem er ebenfalls eine sehr besondere Beziehung hatte. In 2. Timotheus 1,4 schreibt Paulus: „Und wenn ich daran zurückdenke, wie du bei unserem Abschied geweint hast, sehne ich mich danach, dich wiederzusehen. Was wäre das für eine Freude!“
Paulus weiß, wie man seine Zuneigung gegenüber anderen Menschen zum Ausdruck bringt. „Ich sehne mich nach euch.“ Aber dem noch nicht genug, setzt er noch einen drauf: „Ich sehne mich nach euch mit der herzlichen Liebe von Jesus Christus.“
Im Griechischen steht hier gar nicht das Wort „Liebe“. Wörtlich heißt es „mit dem Herzen Jesu Christi“. Was ist hier für „Herz“ verwendet? Das übliche Wort wäre „Kardia“, das kennen wir ja aus der Medizin, zum Beispiel Kardiologie – da geht es um das Herz. Das ist das übliche Wort für Herz, auch in der Bibel. Das Wort „Kardia“ kann Emotionen beinhalten, aber auch viele andere Aspekte.
Paulus verwendet hier nicht „Kardia“. Er verwendet ein Wort, das fast ausschließlich den Sitz der Emotionen meint. Er möchte deutlich machen: Ich liebe euch mit ganz viel Emotionen, mit vielen Gefühlen, mit einer tiefen emotionalen Liebe. So sehnt er sich nach den Philippern.
Wir müssen verstehen: Diese Liebe hat Paulus nicht aus sich selbst produziert. Wer war Paulus? Paulus war ein Verfolger der Gemeinde. Er hatte so viel Hass in sich. Und jetzt diese Worte – was ist da passiert?
Als Jesus auf dem Weg nach Damaskus kam, wurde Jesu Liebe in Paulus’ Herz ausgegossen. Dieser Paulus sagt in Galater 2,20: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ In Paulus lebt nicht mehr Paulus. Das ist der Schlüssel. In Paulus lebt Christus, und deswegen kann er die Philipper auch mit einer Liebe lieben, die von Jesus kommt. Er kann sie mit Jesu Liebe lieben.
Genau dieses Wort wird auch von Jesus verwendet, zum Beispiel in Matthäus 9,36: „Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt.“ Das ist das Wort aus unserem Text. Jesus wird innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und verschmachtet sind, wie Schafe ohne Hirten.
Mit dieser Liebe liebt Paulus seine Freunde in Philippi. Ich denke aber, das sollte eigentlich ein Merkmal von christlichen Beziehungen generell sein, nicht nur unter besten Freunden. Denn Paulus sagt in Römer 12,10 zu allen Christen: „Liebt einander mit aufrichtiger Zuneigung.“ Gut übersetzt. Liebt einander mit aufrichtiger Zuneigung!
Natürlich gibt es immer Menschen, die uns in der Gemeinde besonders am Herzen liegen. Aber wir sollen alle Geschwister mit einer ganz ehrlichen, aufrichtigen Zuneigung lieben.
Ich durfte das am letzten Sonntagnachmittag erfahren – eine ganz, ganz tolle Erfahrung. Ich war in Köln in einer anderen Gemeinde predigen, im Kölner Norden, eine kleine Hausgemeinde, absolut international. Sie hatten sich im Wohnzimmer versammelt, und folgende Nationen waren vertreten: Libanon, Türkei, Brasilien, Griechenland, Italien und Deutschland. Das war ein Fest der Kulturen, kann ich euch sagen.
Um 14 Uhr ging der Gottesdienst los. Dann wurden auf dem Bildschirm ein paar Lieder gezeigt, und wir haben Lobpreis zusammen gemacht – auf Deutsch. Danach hatte ich eine Stunde Zeit zum Predigen. Im Anschluss wurde gegessen.
Diese herzliche Verbundenheit unter den Geschwistern aus ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen hat mich so umgehauen. Ich bin erst um 18 Uhr gefahren, weil wir einfach zusammen gegessen und Gemeinschaft gehabt haben. Ich dachte: So muss das in der ersten Gemeinde gewesen sein – kleiner Rahmen in den Häusern, herzliche Gemeinschaft, so viel Zuneigung zueinander.
Es war für mich eine besondere Erfahrung. Aber ich kann euch auch sagen: Ich erlebe das auch hier in unserer Gemeinde. Ich erlebe das hier am Sonntag in den Kontakten, ich erlebe es in unserer Kleingruppe. Ich habe gerade noch mit Nikolai gesprochen. Ich habe gesagt: „Schön, dass du hier bist.“ Und er sagte: „Hier bin ich zuhause.“
Ich freue mich, wenn Geschwister das so empfinden, dass hier herzliche Zuneigung gelebt wird. Aber nicht alle empfinden das so. Das mag verschiedene Gründe haben. Ich möchte einfach mal bei jedem selbst ansetzen: Hast du ein herzliches Verlangen danach, Glaubensgeschwister zu sehen? Trägst du sie in deinem Herzen? Hast du wirklich ein aufrichtiges Anliegen für ihr Wohlergehen?
Schaut mal: Das Gegenteil von Liebe hat schon Elie Wiesel gesagt, ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit.
Bist du deinen Geschwistern gegenüber gleichgültig? Kann es sein, dass die Realität hier manchmal eher so aussieht: Du kommst rein und denkst: „Oh nein, der schon wieder.“ Jetzt mal ganz ehrlich: Hattest du schon mal so einen Gedanken? Oder denkst du: „Das Gerede von der kann ich nicht mehr hören, warum textet der mich immer so zu?“ Wir haben mit solchen Gedanken manchmal zu kämpfen – auch am Sonntag.
Wir brauchen als Gemeinde eine herzliche Liebe füreinander. Diese Liebe können wir nicht aus uns selbst produzieren. Der Schlüssel ist nicht: „Ja, stimmt, ich habe mich jetzt dabei ertappt, jetzt bemühe ich mich einfach ein bisschen mehr.“ Das funktioniert nicht.
Der Schlüssel ist: Es muss Jesu Liebe sein, die durch uns fließt. Wir müssen vielmehr beten: Jesus, ich will nicht leben. Hier soll nicht ich am Sonntag herumlaufen, sondern du durch mich. Dann können wir anderen mit einer solchen herzlichen Liebe begegnen.
Der Herr möchte uns mit seinem Geist dabei helfen. Wenn es dir momentan schwerfällt, andere Menschen zu lieben, dann bete dafür, dass Christus in deinem Leben noch mehr Gestalt gewinnt. Dann wird es aus dir herausfließen.
Dafür kannst du gerne beten. Zum Gebet kommen wir jetzt auch.
Das ist der letzte Punkt meiner Predigt: das Gebet für die Freunde. Die Verse neun bis elf – bereits in Vers vier hat Paulus gesagt: „Ich freue mich, ich tue das Gebet für euch mit Freude.“ Für Paulus war das Gebet keine Last, sondern eine Lust, eine Freude und kein Frust.
So schreibt er dann in den Versen neun bis elf:
„Und ich bete auch darum, dass eure Liebe immer reicher an Erkenntnis und Verständnis wird, damit ihr euch für das entscheidet, worauf es ankommt und am Tag des Christus rein und tadellos vor ihm steht, erfüllt mit dem, was aus der Gerechtigkeit gewachsen ist, die Jesus Christus euch geschenkt hat. So wird Gott geehrt und gelobt.“
In diesem Gebetsbericht müssen wir uns drei Dinge vor Augen halten. Drei Punkte möchte ich anhand des Gebets von Paulus beleuchten. Dabei möchte ich bewusst von hinten beginnen, also ganz am Ende, bei Vers elf.
Dort sehen wir das Endziel des Gebets. Paulus schreibt: „So wird Gott geehrt und gelobt.“ Bei seinen Gebeten geht es Paulus immer darum, dass Gott groß herauskommt. Es geht darum, dass Gott verherrlicht wird. Das sollten wir uns von Paulus abschauen. Wie oft beten wir vielleicht egoistisch? Im Gebet soll es immer um die Ehre Gottes gehen. „Herr, es geht um dich, nicht um mich“ – ist das unser Leitmotiv im Gebet? Die Ehre Gottes, seine Anbetung.
Wir sehen aber auch von Vers 10b bis einschließlich 11a – also in der Mitte des Textes –, dass Paulus beim Beten eine langfristige Perspektive hat. Er schreibt: „Und am Tag des Christus rein und tadellos vor ihm steht, erfüllt mit dem, was aus der Gerechtigkeit gewachsen ist, die Jesus Christus euch geschenkt hat.“
Das heißt: Wir halten fest, dass das, wofür Paulus betet – wir schauen uns gleich noch an, was das genau ist –, auf jeden Fall dazu beitragen soll, dass die Philipper irgendwann, wenn sie vor Gott stehen, rein, tadellos und erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit sind. Das bedeutet: mit den praktischen Folgen ihrer Rechtfertigung in Jesus Christus.
Mich begeistert daran, dass Paulus so eine langfristige Perspektive hat. Kann es sein, dass wir in unseren Gebeten oft nur das Diesseits im Blick haben? Das ist nicht verkehrt. Wir dürfen beten: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Das ist diesseits, wir dürfen so beten: „Herr, meine Prüfung nächste Woche“ – das ist diesseits und kurzfristig.
Aber ich finde es immer wieder spannend, von Paulus zu lernen, wofür er betet. Er betet mit einer langfristigen Perspektive. Wenn er Menschen sieht, dann sieht er: Dieser Mensch wird irgendwann vor Jesus stehen. Und er möchte mit seinem Gebet dazu beitragen, dass dieser Mensch dann die Worte von Jesus hört: „Gut gemacht, du treuer Knecht!“
Mit dieser langfristigen Perspektive betet Paulus. Ich möchte uns ermutigen, füreinander auch mal mit dieser langfristigen Perspektive zu beten. Wenn wir einander sehen, sollten wir uns bewusst machen: Irgendwann wird dieser Bruder vor dem Herrn stehen. Und ich möchte dafür beten, dass er sein Leben jetzt so lebt, dass er die wunderbaren Worte von Jesus hören kann.
Kommen wir nun zum eigentlichen Inhalt des Gebets, das sind die Verse neun bis zehn: „Und ich bete auch darum, dass eure Liebe immer reicher an Erkenntnis und Verständnis wird, damit ihr euch für das entscheidet, worauf es wirklich ankommt.“
Es ist interessant, wofür Paulus betet: Er betet für die Philipper, dass ihre Liebe wächst. Habt ihr schon mal dafür gebetet, dass die Liebe in den Geschwistern wächst, dass die Liebe in unserem Leben wächst?
Liebe wird hier nicht näher beschrieben. Es ist definitiv die Nächstenliebe, aber weil Paulus das nicht beschränkt, würde ich auch sagen: Es ist sicherlich die Liebe zu Gott, es geht um Liebe im umfassenden Sinn.
Damit ist nicht gesagt, dass die Philipper keine Liebe haben. Das wird in Kapitel zwei deutlich, dort wird sie vorausgesetzt – sie haben ganz viel Liebe. Aber sie sollen darin wachsen, denn Christsein ist immer auf Wachstum ausgelegt. Wir sind ja nie fertig, wir sind nie an dem Punkt, an dem wir sagen müssen: „Jetzt bin ich so weit.“
Das sagt Paulus auch in Kapitel drei: „Nicht, dass ich schon ergriffen habe oder vollkommen bin.“ Somit müssen wir immer wachsen.
Christsein ist auf Wachstum angelegt, und Paulus greift hier das Herzensanliegen auf: Es geht im Christsein um die Liebe. „Wachst in der Liebe“ – das ist das, was Paulus ihnen weitergibt, wofür er für sie betet.
Aber Liebe braucht auch Leitlinien. Wenn Liebe keine Leitlinien hat, ist sie schwammig – und das ist Liebe heute mehr denn je. Deswegen sagt Paulus: „Ich bete dafür, dass eure Liebe wächst, aber sie soll angereichert werden mit zwei Zutaten.“
Diese Zutaten werden hier im Text genannt: Erkenntnis und Verständnis.
Was ist damit gemeint? Wenn Paulus von Erkenntnis spricht, kann das grundsätzlich Verschiedenes bedeuten. Im Kontext des Philipperbriefs geht es um die Erkenntnis Jesu Christi. Darum geht es Paulus.
Das muss erklärt werden: Bei der Erkenntnis Jesu Christi, die auch in Kapitel drei, Vers zehn erwähnt wird, geht es letztendlich darum, Christus noch mehr auf eine viel intimere Art und Weise zu kennen. Es ist Beziehung, es ist nicht einfach nur etwas über Christus zu wissen. Es geht nicht um reines Kopfwissen, sondern um mehr als Kopfwissen.
Dafür betet Paulus: dass ihr ein immer tieferes Verständnis davon bekommt, wer Jesus ist und was er für euch getan hat.
Wann hast du das letzte Mal dafür gebetet, dass du Christus immer mehr erkennst, dass du immer tiefer in der Beziehung zu ihm verwurzelt wirst, dass dir immer klarer wird, wer Jesus ist? Das müssen wir als Christen immer mehr verstehen.
Die zweite Zutat der Liebe ist Verständnis. So ist es hier in der Neuen Evangelistischen Übersetzung übersetzt. Ich denke, besser wäre „Urteilsvermögen“, denn dieses Wort wird sonst kaum im Neuen Testament erwähnt, aber sehr häufig im Buch der Sprüche.
Das sollte uns aufhorchen lassen, denn es geht hier um praktisches Urteilsvermögen, also die Fähigkeit, in ganz bestimmten konkreten Situationen eine Entscheidung zu treffen, die moralisch richtig ist und Gott gefällt.
Im Buch der Sprüche wird das gerade im Zusammenhang mit Versuchungen erwähnt. Da gibt es, wie Luther sagt, „die bösen Buben, die da schnelle Kasse machen wollen“, und „die fremde Frau, die zum Ehebruch lockt“. Gerade in solchen Punkten brauchen wir Urteilsvermögen, ein moralisches Urteilsvermögen.
Das ist es, was Paulus hier nennt. Mit diesen beiden Aspekten soll die Liebe angereichert werden: mit Erkenntnis und mit Urteilsvermögen.
Aber warum ist das wichtig? Vers 10 sagt: „Damit ihr euch für das entscheidet, worauf es ankommt.“
Ich glaube, der Gedankengang von Paulus ist folgender: Im Leben eines Christen gibt es unzählige Entscheidungen, bei denen man nicht klar zwischen richtig und falsch unterscheiden kann.
Im Christsein geht es ja auch nicht immer nur um die Frage richtig oder falsch. Da könnte man immer so einen schönen Haken dran machen: „Ich lebe richtig“ oder „Ich lebe falsch.“
Es geht um viel mehr. Es gibt da noch andere Kategorien, und diese Kategorie bezeichnet Paulus mit „dem, worauf es ankommt“. Es geht um mehr.
Das heißt, Paulus betet – um den Gedanken noch einmal zu Ende zu führen – für eine brennende, überfließende Liebe. Wenn diese Liebe einhergeht mit Erkenntnis, also mit einer engeren Beziehung zu Jesus Christus, und mit einem moralischen Urteilsvermögen, dann kann man unterscheiden zwischen dem, was gerade noch vertretbar ist, und dem, was wirklich gut ist.
Man kann unterscheiden zwischen dem, was nur Mittelmaß ist, und dem, was Gott am meisten verherrlicht. Und das ist das, worauf es ankommt – das ist es, was Paulus meint.
Das heißt: Paulus betet hier für das Ende aller Mittelmäßigkeit. Es geht um einen Abschied von Mittelmäßigkeit. Sie sollen erkennen, worauf es wirklich ankommt.
Nicht nur richtig oder falsch, sondern es geht auch nicht darum, mittelmäßig Christ zu sein. Sie sollen erkennen, worum es wirklich geht.
Paulus sagt in Kapitel drei, er hat erkannt – oder er sagt, er ist noch dabei zu erkennen –, dass alles, was ihm früher wichtig war, erachtet er als Dreck. Für ihn gibt es nur Jesus Christus.
Das sollte unser Leben bestimmen: Dieser Gedanke, es geht nur um Jesus, um keine andere Person.
Aber kann es sein, dass wir uns als Christen, als Mitglieder dieser Gemeinde, so schnell mit dem zufrieden geben, was einfach mittelmäßig ist? „Machen doch alle Christen so.“
Mittelmäßigkeit ist nie gut.
Stell dir vor, du bist heute Mittag bei jemandem zu Gast und der Gastgeber fragt dich: „Und wie war das Essen?“ Du sagst: „Mittelmäßig.“ Das ist kein Kompliment, oder? Es ist eigentlich eine Beleidigung.
Aber warum geben wir uns als Christen so oft mit Mittelmäßigkeit zufrieden? „Ja, machen halt alle.“
Paulus sagt: „Ich bete dafür, dass eure Liebe immer stärker wird, ihr Jesus immer mehr erkennt, ihr gute Entscheidungen treffen könnt, damit ihr euch für das entscheidet, was eben nicht nur mittelmäßig ist, sondern worauf es wirklich ankommt.“
Also geht es Paulus eigentlich um ein Gebet für Erweckung für die Philipper.
Mittelmäßigkeit ist doch nicht wirklich unser Ziel, oder? Das ist doch nicht das, was du wirklich willst.
Aber das hängt von sehr konkreten Entscheidungen ab. Ich möchte zwei Bereiche praktisch aufführen.
Bei diesen Bereichen geht es nicht so sehr um richtig oder falsch, sondern um Mittelmaß oder über dem Durchschnitt.
Was haben wir in den letzten sechs Monaten gelesen? Einfach mal so alles.
Man braucht vielleicht ein bisschen Zeit, um das zu reflektieren. Vielleicht haben einige gar nichts gelesen.
Vermutlich haben wir Zeit gefunden, Zeitungen zu lesen, Zeitschriften, ein paar Krimis, einen Roman, vielleicht auch ein Wirtschaftsmagazin.
Wir finden jeden Tag Zeit, um auf dutzenden Nachrichtenseiten im Internet zu surfen. Wir lesen das alles, weil wir auf dem Laufenden sein wollen.
Aber haben wir auch Zeit gefunden, wirklich die Bibel zu studieren? Einfach aus Liebe zu Jesus Christus. Nicht weil wir müssen, nicht weil wir einen Haken hinter den Andachtsplan setzen mussten, sondern weil wir es wollen.
Wie viel Zeit hast du damit verbracht, christliche Literatur zu lesen, die dir wirklich im Glauben weiterhilft?
Ich möchte an dieser Stelle auf unseren Büchertisch hinweisen. Dort gibt es viele gute Sachen.
Sind wir in unseren Lesegewohnheiten dem verpflichtet, worauf es wirklich ankommt? Nicht nur richtig oder falsch, sondern was das Beste ist.
Inwiefern achten wir bei der Verwendung unserer Zeit darauf, worauf es wirklich ankommt?
Viele von uns werden in den nächsten Wochen sehr viel Zeit finden, sich sämtliche WM-Spiele anzuschauen.
Ich rede hier nicht von richtig oder falsch, aber das ist ein Fakt: Viele werden sehr viel Zeit damit verbringen, viele WM-Spiele zu sehen.
Aber nehmen wir uns auch mal die Zeit, Beziehungen für das Evangelium zu bauen? Nehmen wir uns die Zeit, unser Gebetsleben zu vertiefen, mal anzuhalten und für Leute zu ringen?
Paulus betet und sagt: „Ich bete mit Freude.“ Können wir das von uns sagen? Beten wir mit Freude füreinander?
Inwiefern achten wir darauf? Das ist nur eine Frage – aber eine sehr persönliche.
Inwiefern achten wir bei der Verwendung unserer Zeit auf das, worauf es wirklich ankommt?
Das ist die Frage, mit der ich euch entlassen möchte.
Paulus’ Gebet für seine Freunde in Philippi ist ein Gebet für Erweckung. Er sagt in Vers 10: „Damit ihr euch für das entscheidet, worauf es wirklich ankommt.“
Lasst uns beten, dass wir wirklich sagen: „Herr, ich möchte in meinem Leben einen Unterschied machen. Ich will mich endlich verabschieden von 0815-Christsein, von Mittelmaß. Fülle du mich neu mit deiner Liebe und lass diese Liebe überfließen, sodass ich wirklich Entscheidungen treffe, die dir bestmöglich gefallen.“
Aber bete nicht nur für dich persönlich. Bete auch für deine Freunde und für die anderen Menschen hier in der Gemeinde:
„Herr, hilf uns, dass unsere Liebe brennender wird und wir uns für das entscheiden, worauf es wirklich ankommt.“ Amen.