Einführung in die Herausforderung des Textes und Ermutigung zum Hinhören
Ja, wir haben den Predigttext gehört. Was für ein seltsamer Text, was für ein schwieriger Text.
Eine Predigtserie, die damit beginnt und in diesem Buch noch sechs weitere Sonntage fortgesetzt werden soll, mag bei dem einen oder anderen Fragen aufwerfen. Immerhin stammen diese Prophetenbücher aus einer ganz anderen Zeit. Zudem zeugen sie oft von Gottes Zorn und seinem kommenden Gericht. Inwieweit ist das für uns heute überhaupt noch relevant?
Der Apostel Petrus macht uns Mut. Er ermutigt uns, diese Predigten zu hören und gut darauf zu achten, was der Prophet uns zu sagen hat. Im zweiten Brief, den Petrus schreibt, im ersten Kapitel, erklärt Petrus zu Beginn, wie er selbst mit Jesus durchs Land gezogen ist. Er hat Jesus persönlich erlebt und war mit ihm oben auf einem Berg, dem Berg der Verklärung. Dort hat er gehört, wie Gott selbst gesprochen hat.
Nachdem er Jesus von Angesicht zu Angesicht gesehen und Gottes Wort direkt mit seinen eigenen Ohren gehört hatte, sagt Petrus, dass er noch eine zuverlässigere und wichtigere Quelle göttlicher Offenbarung kennt.
In 2. Petrus 1,19 heißt es:
„Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“
Es ist mein Wunsch, dass wir achtgeben auf das prophetische Wort, dass wir hören, was Gott uns zu sagen hat, und so auf dieses helle Licht schauen.
Die kleinen Propheten und der historische Kontext des Propheten Micha
Der Prophet Micha gehört zu einer besonderen Kategorie von Büchern im Alten Testament, die sich ganz am Ende des Alten Testaments befinden. Diese Bücher lesen wir wahrscheinlich nicht so oft. Es handelt sich um die sogenannten kleinen Propheten. Davon gibt es insgesamt zwölf.
Man nennt sie kleine Propheten nicht, weil sie besonders klein oder niedlich wären, und auch nicht, weil sie im Vergleich zu den großen Propheten unwichtig wären. Sie sind klein, einfach weil die Bücher kürzer sind. Diese Kürze ist manchmal sehr hilfreich. Wie es der Volksmund so schön sagt: In der Kürze liegt die Würze. Die Botschaft kommt direkt auf den Punkt.
Ihre Botschaft ist klarer und unmittelbarer zu verstehen als bei einem langen Buch wie Jesaja, das 66 Kapitel umfasst. Ein Nachteil der kleinen Propheten ist jedoch, dass sie schwer zu finden sind. Deshalb ist die Seitenzahl in der Bibel oft sehr hilfreich. Es lohnt sich, diese Seitenzahl in den ausliegenden Bibeln zu suchen. Wenn man seine eigene Bibel mitgebracht hat, kann die Seitenzahl dort abweichen.
Die kleinen Propheten befinden sich im hintersten Teil des Alten Testaments, ziemlich in der Mitte der zwölf kleinen Propheten. Micha ist der sechste von zwölf.
Ein paar Worte zum historischen Hintergrund des kleinen Propheten Micha: In Kapitel 1, Vers 1, erklärt Micha selbst, zu welcher Zeit er seinen Prophetendienst tat. Dort heißt es: Dies ist das Wort des Herrn, das an Micha aus Moreschet erging zur Zeit von Jotam, Ahas und Hiskia, Könige von Juda. Micha sah die Herrschaft über Samaria und Jerusalem.
Diese drei Könige regierten ungefähr zwischen 751 und 687 vor Christus. Damit sehen wir schon, dass das, was Micha anspricht, lange nach der Blütezeit Israels liegt.
Die Blütezeit Israels ist den meisten von uns bekannt. Sie war zur Zeit von König David und König Salomo, als Israel noch ein vereintes Königreich war, an dem Ort, den Gott verheißen hatte. Unter Salomo wurde der Tempel gebaut, die Gegenwart Gottes zog sichtbar in den Tempel ein, das Land war reich und groß und lebte in Frieden.
Nach dem Tod Salomos kam es zur Reichsteilung. Das Reich zerfiel in ein Nordreich, in dem die zehn Stämme lebten, und ein Südreich, Juda, mit der Hauptstadt Jerusalem, wo der Tempel stand.
Im Nordreich entwickelte sich im Laufe der Zeit eine neue Hauptstadt, Samaria. Die sprachliche Situation ist etwas verwirrend: Was vorher Israel war, wird nun hauptsächlich auf den Norden bezogen. Das Königreich Israel sind die zehn Stämme im Norden.
Wenn wir von Israel hören, müssen wir also immer an das Nordreich denken. Juda ist das Südreich. Manchmal werden die Begriffe auch als Samaria für das Nordreich und Jerusalem für das Südreich verwendet. Die Bezeichnungen wechseln also ein wenig.
Das ist die Zeit, in der Micha lebte und wirkte. In Vers 1 sehen wir auch, dass sich Michas Prophetie anders als die meisten anderen Prophetien nicht nur an eines der beiden Reiche richtet. Er spricht sowohl Samaria, die Hauptstadt des Nordreichs, als auch Jerusalem, die Hauptstadt des Südreichs, an.
Die politische und religiöse Lage der Reiche Israel und Juda zur Zeit Michas
Nun müssen wir wissen, dass das Nordreich in dieser Zeit komplett im Niedergang war. In der Geschichte Israels, die man in den Königsbüchern und auch in den Chronikbüchern nachlesen kann, liest man in den Königsbüchern von den Königen des Nordreichs Israel. Jeder einzelne König wird dort als ein schlechter König beschrieben, der nicht tat, was Gott wohlgefiel. Es gab seit zweihundert Jahren nur schlechte Könige.
Das Volk hatte sich von Gott abgewandt. Der Gottesdienst fand nicht mehr im Tempel in Jerusalem statt. Stattdessen suchte man sich andere Orte, und man lebte den Glauben anders und nicht mehr konsequent. Das Nordreich befand sich im kompletten Niedergang.
Mit dem Südreich Juda sah es ein wenig anders aus. Wenn wir die Geschichte des Südreichs lesen, dann finden wir dort sowohl schlechte Könige als auch einigermaßen gute Könige. Es gab sogar einige richtig gute Könige. Das hilft uns, die Zeit einzuordnen, denn die Ereignisse werden an den Königen von Juda festgemacht.
So war Jotham, unter dessen Regierungszeit Micha zu prophezeien begann, wahrscheinlich um das Jahr 735. Jotham war einer der Könige, die im 2. Buch der Könige beschrieben werden. In Kapitel 15 wird er als ein König dargestellt, der tat, was dem Herrn wohlgefiel. Er war also kein schlechter, sondern ein relativ guter König.
Allerdings finden wir dort eine Einschränkung. Im 2. Könige 15,35 heißt es, dass nur die Höhen nicht entfernt wurden, denn das Volk opferte und räucherte noch auf den Höhen. Die Höhen, also Opferhöhen, waren eigentlich eine heidnische Praxis. Die Opfer, die eigentlich nur im Tempel in Jerusalem stattfinden sollten, fanden also auch anderswo statt. Die heidnische Götzendienstpraxis war nicht komplett ausgerottet – das hatte Jotham nicht geschafft.
Auf ihn folgte dann König Ahas. Ahas war einer der schlimmsten Könige in der Geschichte Judas. Er wird beschrieben als ein König, der nicht tat, was dem Herrn wohlgefiel. Es wird berichtet, dass er Kinder opferte. Er war ein brutaler König, der sich vollständig dem Götzendienst hingab. Er ließ sogar den Tempel, der nach Gottes Anweisung gebaut worden war, umbauen. Ahas war also ein ganz schlimmer König.
Während der Regierungszeit von König Ahas fand der Großteil des Prophetendienstes von Micha statt. In diese Situation hinein kommen vor allem die Prophetien, mit denen wir uns heute und auch in den nächsten Wochen beschäftigen wollen.
Im Jahr 715 kam König Hiskia an die Macht. Hiskia war ein sehr guter König, einer der besten Könige. Er tat, was dem Herrn wohlgefiel, und reformierte das Land sowie den Gottesdienst. Aus anderen Büchern wissen wir, dass er das teilweise auch deshalb tat, weil er den Propheten Micha gehört hatte. Das heißt, Michas Prophetien brachten etwas Gutes hervor.
Aber so weit kommen wir heute noch nicht. Wir sind heute erst einmal nur in Kapitel 1.
Die Botschaft des Propheten Micha als Wort des Herrn
In Kapitel 1, Vers 1 sehen wir bereits, dass Micha, der Prophet, aus der Stadt Moresched stammt. Diese Stadt liegt in der Nähe von Lachisch. Micha hat keine eigene Botschaft, die er verkündet. Stattdessen gibt er einfach das Wort des Herrn weiter. Dieses Wort kommt zu ihm, und er gibt es weiter.
Das bedeutet, dass wir uns bei allem, was wir jetzt bedenken wollen, klar machen müssen: Was wir hören, ist nur mittelbar das Prophetenwort. Letztendlich ist es das Wort des Herrn. Das ist auch der erste Punkt, den wir bedenken sollten. Gott spricht, und wir sollten hören. Alle Völker sollten auf ihn hören.
So heißt es in Vers 2: „Höret alle Völker, merkt auf, Land und alles, was darinnen ist, denn Gott, der Herr, hat mit euch zu reden, ja, der Herr aus seinem heiligen Tempel.“ Hier spricht also Gott, der in Vers 1 schon gesagt hat, dass diese Prophetien für Samaria und Jerusalem sind. Jetzt sagt er: „Hey, alle Völker, hört mal zu! Ich habe euch etwas zu sagen. Es geht zwar um diese beiden Städte, aber das betrifft euch alle.“ Höret alle Völker!
Man merkt, dass es relevant für uns ist, denn zu allen Völkern gehören auch wir heute. Gott hat uns etwas zu sagen. Das ist Ausdruck der besonderen Beziehung, die Gott zu uns Menschen hat. Der allmächtige Gott, der Schöpfer aller Dinge, spricht zu uns, spricht uns an. Ein kleiner Herrscher, wie etwa Frau Merkel, würde uns nicht einfach anrufen und sagen: „Hey, ich habe euch etwas zu sagen.“ Aber Gott spricht uns an.
Mehr noch: Er kommt zu uns, zu den Menschen. Das macht er in Vers 3 und 4 deutlich: „Denn siehe, der Herr wird herausgehen aus seiner Wohnung und herabfahren und treten auf die Höhe der Erde, dass die Berge unter ihm schmelzen und die Täler sich spalten, gleich wie Wachs vor dem Feuer zerschmilzt, wie die Wasser, die talwärts stürzen.“
Das ist poetische Sprache. Sinnbildlich kommt der Allmächtige aus dem Himmel und zu uns Menschen. Er tritt auf die Erde. Der Schöpfer kommt in seine Schöpfung. Das kann die Schöpfung kaum aushalten. Er kommt, um mit uns, seinen Geschöpfen, zu reden.
Es ist ganz wichtig, dass wir das verstehen, wenn wir jetzt in den Propheten Micha einsteigen. Wenn Gott mit uns redet, dann ist das immer Ausdruck seiner großen Liebe und Barmherzigkeit. Gott könnte sich einfach abwenden, aber er redet. Gott könnte uns unserem eigenen Schicksal überlassen, aber er kommt zu uns.
Hier zeigt sich die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, auch und gerade dann, wenn schwierige Dinge angesprochen werden müssen. Wir erleben das in diesen Tagen in der Ukraine. Das große Verlangen aller Beteiligten ist doch, dass die Gespräche weitergehen, dass sie nicht aufhören. Wenn man nicht mehr miteinander redet, wird es schwierig.
Aber Gott spricht. Ich hoffe, wir alle erkennen, was für ein großes Privileg es ist, dass unser Gott mit uns redet, dass er uns anspricht.
Und ich möchte fragen: Bist du begierig, zu hören, was Gott zu sagen hat? Ich möchte ermutigen, unsere Bibeln zu lesen, gerade auch die etwas schwierigeren Stellen und die kleinen Propheten. Mit der Erwartungshaltung, dass unser Herr, unser Gott, der liebende König, mit uns reden will. Dass er uns etwas zu sagen hat und es gut für uns ist, zu hören, was er uns sagen will.
Die Verantwortung der Eltern und die Bedeutung des Hörens
Vielleicht darf ich heute ganz gezielt einmal die Eltern ansprechen. Eure Berufung im Leben eurer Kinder ähnelt sehr der Berufung des Propheten Micha. Gott hat euch eure Kinder anvertraut, damit ihr als Eltern ihnen Gottes Worte weitergebt.
Das ist euer biblischer Auftrag, den ihr sicherlich kennt. Das bedeutet, ihr sollt euren Kindern Gottes Wort sagen und sie lehren, dass es gut ist zuzuhören, wenn Gottes Wort verkündet wird. Das gilt natürlich letztendlich für uns alle.
Ich möchte uns alle ermutigen, jeden Sonntag und wann immer Gottes Wort gelehrt wird, aufmerksam zuzuhören. Hört genau hin, was Gott uns zu sagen hat.
Letztendlich habe ich ja keinen anderen Auftrag als der Prophet. Ich weiß, ich bin kein Prophet und habe auch keinen anderen Auftrag. Meine Aufgabe ist es eigentlich nur, Gott das Mikrofon zu geben, damit Gottes Wort möglichst gut hörbar und verständlich zu euch kommt.
Wen interessiert schon, was ich zu sagen habe? Das sollte euch nicht so sehr interessieren. Wichtig ist, was Gott zu sagen hat.
Also: Höret, höret alle Völker, merkt auf, Land und alles, was darin ist, denn Gott, der Herr, hat mit euch zu reden.
Die Anklage gegen das Volk und die Warnung vor dem Gericht Gottes
Ab Vers 5 sehen wir dann, worüber Gott mit uns reden möchte. Er spricht zu allen Völkern, weil es etwas gibt, das angesprochen werden muss. Er erklärt, warum er zu den Menschen kommt. Das geschieht alles um Jakobs Übertretung willen und wegen der Sünden des Hauses Israel.
Doch was ist die Übertretung Jakobs? Ist es nicht Samaria? Und was sind die Opferhöhen Judas? Sind es nicht Jerusalem? Wenn Gott hier Jakob anspricht, dann wird uns klar, dass er zunächst das ganze Volk Gottes meint. Abraham, Isaak und Jakob sind die Stammväter, wobei Jakob später auch Israel genannt wird.
Dann spricht Gott ganz konkret Samaria an, die Hauptstadt des Nordreichs. Diese Stadt ist völlig untreu geworden und lebt ganz anders, als Gott es will. Gottes Wille ist nie ein beliebiger Wunsch, den man ignorieren kann. Sein Wille ist vollkommen. Als unser Schöpfer und liebender Herr will Gott unser Bestes. Er zeigt uns, wie wir ein wirklich gutes Leben führen können. Das Nordreich aber ignoriert dies. Die Menschen dort leben anders, sie gehen auf einen Weg ins Chaos, ohne es zu merken.
Es gibt keinen echten Gottesdienst mehr, die Sünde herrscht. In den Versen 6 und 7 werden wir später noch sehen, dass in Samaria alles den Bach herunterging. Aber auch in Jerusalem lief vieles aus dem Ruder. Der vorgeschriebene Gottesdienst im Tempel fand kaum noch statt. Es gab diese Opferhöhen sogar in Jerusalem, wie hier deutlich wird.
Auch im Tempel zur Zeit von Ahas vermischte sich die religiöse Praxis des Judentums mit allerlei anderem. Gott wurde nicht mehr wirklich angebetet. Noch viel schlimmer: Das Leben der Juden unterschied sich kaum noch vom Leben der Menschen um sie herum. Dabei sollten sie doch die Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes in der ganzen Schöpfung widerspiegeln. Doch das taten sie nicht.
Vielleicht hilft eine kurze Illustration: Das wäre ein bisschen so, als würden wir heute in unseren Gottesdiensten ein paar Gebete sprechen und eine Bibellesung hören. Dann lesen wir vielleicht ein nettes Gedicht, schauen kurz einen Film, zünden ein paar Wunderkerzen an und lesen vielleicht auch noch etwas aus dem Koran. Wir mischen alles Mögliche zusammen, was man sich vorstellen kann. Danach gehen wir nach Hause und leben natürlich überhaupt nicht anders als die Menschen um uns herum. So ungefähr war das damals.
Möge der Herr uns davor bewahren, dass wir uns in der Verwirrung verlieren. Denn ich glaube, wenn wir uns in unserem Land umschauen, dann sind wir davon vielerorts gar nicht so weit entfernt.
Der Prophet Micha hat uns etwas zu sagen. Gott hat uns etwas zu sagen.
Die Ankündigung des Gerichts über Samaria und Juda
Und nun spricht Gott und macht deutlich: Es ist genug. Alle Völker sollen hören, was er zu sagen hat, damit jeder weiß, was geschehen wird und warum es geschehen wird. Das bringt uns zu unserem zweiten Punkt.
Gott warnt vor dem kommenden Gericht (Verse 6 und 7). Er spricht zuerst das Nordreich Israel an und die Hauptstadt Samaria: „Ich will Samaria zu Steinhaufen im Felde machen, die man für die Weinberge nimmt, und will seine Steine ins Tal schleifen und es bis auf den Grund bloßlegen. Alle seine Götzen sollen zerbrochen und all sein Hurenlohn soll mit Feuer verbrannt werden. Und ich will all seine Götzenbilder zerstören, denn sie sind von Hurenlohn zusammengebracht und sollen auch wieder zu Hurenlohn werden.“
Gott verkündet hier das kommende Gericht über Samaria. Er tut das, damit niemand sich fragen muss, ob Gott vielleicht nicht stark genug war, um das Volk Israel zu verteidigen. Er macht ganz deutlich: Nein, nein, was geschehen wird, das geschieht, weil ich eingreife. Es ist jetzt Zeit, dass dieses untreue, lästerliche Volk gerichtet wird.
So kam es dann auch, genau wie angekündigt: Im Jahr 722 kamen die Assyrer ganz aus dem Norden, zogen nach Israel und zerstörten Samaria komplett. Das Nordreich wurde vernichtet, es war vollständig zerstört.
Doch Micha spricht nicht nur das Nordreich an, sondern auch das Südreich, seine eigenen Landsleute in Juda. Am Ende von Vers 9 erklärt er, dass die feindlichen Truppen der Assyrer weiterkommen werden, bis vor die Tore Jerusalems. Dabei marschieren die Assyrer, und das geschieht alles gar nicht lange danach.
Sie ziehen von hier aus, gehen diesen Weg entlang und kommen ins Land hinein. Hier sind viele kleine Ortschaften, die in den Versen 10 bis 15 erwähnt werden. Wir haben das in der Textlesung gehört. Ich lese es jetzt nicht noch einmal vor, denn es ist schwer zu verstehen, was das eigentlich soll. Die Formulierungen sind seltsam.
Das liegt daran, dass es poetische Sprache ist. Micha benutzt Wortspiele. Er nimmt die Ortsnamen im Hebräischen und verbindet sie mit ähnlich klingenden hebräischen Wörtern oder Formulierungen, um jeweils Schlimmes anzudeuten.
Ich habe mir überlegt, wie man das machen könnte, wenn Micha nicht aus Moraschet käme, sondern aus München – nur um das kurz zu veranschaulichen: In Freising werden alle Menschen gefangen genommen, Erding wird dem Erdboden gleichgemacht, in Lochhausen – hier unser Lochhausener – werden die Häuser Löcher haben, Starnberg wird plattgemacht, in Rosenheim werden keine Rosen mehr wachsen, und in Marktschwaben werden die Schwaben auf dem Markt als Sklaven verkauft. So ungefähr.
Das klingt eigentlich ganz witzig, und es klang damals auch witzig. Das Problem ist nur: Es war todernst. Micha verkündet Gottes bevorstehendes Gericht, und genau so kam es. Zwischen 705 und 701 griffen die Assyrer diese Städte an und zogen weiter bis vor die Tore Jerusalems.
In Vers 16 macht Micha deutlich, was das mit den Menschen tun sollte. Es sollte sie zur Trauer führen. Diese seltsamen Formulierungen wie „Lass dir die Haare abscheren, geh kahl um deiner verzerrten Kinder willen, ja, mach dich kahl wie ein Geier, denn sie sind gefangen, von dir weggeführt“ sind ein Aufruf zu Trauer und Buße.
Das ist die angemessene Reaktion auf die Sünde des Volkes und die Konsequenz ihrer Sünden. Ich denke, wir tun gut daran, uns zu fragen: Sind wir wirklich so anders? Brauchen wir keine Warnung vor Gottes Gericht?
Die bleibende Bedeutung der Warnung und der Aufruf zur Umkehr
Gottes Wort macht uns ganz deutlich, dass das, was hier beschrieben wird, nur ein blasses Vorspiel ist. Ja, Gott hat gerichtet, aber das ist alles geschehen, um uns ein Vorbild zu sein, damit wir etwas erkennen.
Wir sollten uns nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern wissen, dass unser Gott ein echtes Interesse daran hat, wie wir leben. Er möchte, dass wir mit ihm leben, dass wir auf ihn vertrauen und keine falschen politischen Allianzen schmieden. Er möchte, dass wir in Anbetung zu ihm leben und uns nicht den Dingen dieser Welt hingeben.
All das ist geschrieben, um uns deutlich zu machen: Menschen, gebt Acht, Gott wird kommen. Jesus warnt immer wieder davor. Er sagt, der Herr wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.
Wenn wir heute keine Kindersegnung gehabt hätten, hätten wir eine zweite Schriftlesung aus 2. Petrus 3,3-10 gehabt. Vielleicht möge man das heute Nachmittag mal nachlesen – eine Warnung an uns und ein Auftrag an uns in Anbetracht dessen, was uns noch bevorsteht.
Ich möchte dich ganz einfach fragen: Bist du bereit? Und ich möchte dir sagen, zucke nicht zusammen in Anbetracht dieser Worte. Es ist Ausdruck der Liebe Gottes, es ist Ausdruck seiner großen Barmherzigkeit, dass er uns warnt. Er lässt uns nicht einfach ins Verderben laufen, sondern ruft uns auf, aus der Geschichte zu lernen.
Er ist ein Gott voller Liebe und Barmherzigkeit.
Gottes tiefe Trauer über das untreue Volk
Und auch das zeigt sich in unserem Text, und das ist der dritte Punkt, den ich uns deutlich machen möchte: Gott ist zu Tränen gerührt.
In den Versen acht und neun sehen wir, dass Gott voller Liebe um sein Volk weint. Was der Prophet Micha hier schreibt, ist das Wort des Herrn: „Darüber muss ich klagen und heulen. Ich muss barfuß und bloß dahergehen, ich muss klagen wie die Schakale und jammern wie die Strauße, denn unheilbar ist die Plage des Herrn, sie kommt bis nach Juda.“
Der Prophet Micha gibt uns hier einen ganz tiefen Einblick in das Herz Gottes und in seine tiefe Liebe zu seinen untreuen Kindern. Gott hat keine Freude daran, dass Rebellen gerichtet werden. Er möchte nicht, dass irgendjemand verloren geht. Er weint über die Sünden seines Volkes, das trotz aller seiner Warnungen – und es gab Warnung um Warnung um Warnung – nicht von seinen bösen Wegen umgekehrt ist.
Gott ist ein liebender Vater, der sich nichts sehnlicher wünscht, als dass seine Kinder umkehren, Buße tun und sich ihm zuwenden.
Vielleicht noch ein Wort an die Eltern unter uns – das sage ich als Vater ganz bewusst: Ich weiß, dass unsere Kleinen uns manchmal zum Weißglut treiben können. Der Ungehorsam, der dann einsetzt – der ist ja schon von Anfang an da, denn so werden sie geboren. Am Anfang ist es noch ein bisschen leichter zu handeln, da kann man im Notfall mit dem Schnuller noch etwas machen.
Wenn die Kinder dann aber knapp zwei Jahre alt sind, beginnt eine Phase, in der alle Grenzen ausgetestet werden. Sie tun oft genau das Gegenteil von dem, was ihr wollt.
Ich möchte euch ermutigen: Ja, ihr werdet immer mal wieder eingreifen müssen, ihr werdet immer wieder Grenzen ziehen und vielleicht auch mal disziplinieren müssen – auf irgendeine Weise. Aber tut das immer so, wie Gott es hier tut – mit einem herzvollen, vollen Liebe zu euren Kindern.
Wenn ihr eingreift, lasst euch von der Vaterliebe Gottes motivieren. So werdet ihr euren Kindern nicht nur helfen, im Gehorsam zu wachsen, sondern ihr werdet sie auch über Gott lehren.
Hoffnung für Juda und die Wirkung von Michas Prophetie
Für das Nordreich Samaria war es jetzt zu spät. Doch für das Südreich Juda gab es noch Hoffnung. Das klingt am Ende von Vers neun durch: „Die Plage des Herrn, die kommt bis nach Juda, sein Schlagreich bis an meines Volkes Tor, bis hin nach Jerusalem.“
Doch dann geschah etwas: König Ahas stirbt, und König Hiskia wird der neue Herrscher. Die Worte des Propheten Micha und das, was durch die Assyrer geschieht, bringen Hiskia dazu, zu erkennen, dass sein Volk auf falschen Wegen ist. Er ruft das Volk zur Umkehr auf. Juda kehrt um, der Götzendienst wird abgeschafft, und der Gottesdienst im Tempel wird wieder eingesetzt. Das Volk erlebt eine große Wandlung, eine Reformation, eine neue Hinwendung zu Gott.
Dann geschieht etwas Außerordentliches: Das Weltreich Assyrien zieht sich durch ein Wunder zurück. Die Geschichte kann man im zweiten Buch Könige und in der zweiten Chronik nachlesen. Durch dieses Wunder bleibt Juda verschont.
Die warnenden Worte des Propheten Micha waren nicht nur eine Ankündigung von Gericht. Sie waren auch ein Instrument in Gottes Hand, um eine Veränderung hervorzubringen. Im Fall von Juda dauerte es nicht sehr lange.
Im Jahr 586 war Juda längst wieder zum Götzendienst zurückgekehrt, hatte sich von Gott abgewandt und vertraute nicht mehr auf Gott, sondern auf Allianzen mit anderen Mächten. Dann wurden sie durch ein anderes Weltreich, die Babylonier, besiegt. Die Babylonier kamen von Osten und marschierten ein.
Das Königreich Juda wurde zerstört, und die Menschen wurden ins babylonische Exil geführt. Doch es gibt Hoffnung, denn Gott sagt zu seinem Volk: „Ihr werdet nicht für immer verloren gehen. Ich werde mich erbarmen.“
Gott macht immer wieder durch jeden der Propheten deutlich: „Ihr braucht mehr als nur ein bisschen Reformation. Ihr braucht einen Retter. Ihr braucht einen besseren König als Hiskia. Ihr braucht einen König, der euch für alle Zeit mit Gott versöhnt.“
Die Erfüllung in Jesus Christus und die Perspektive der Erlösung
Und so kam Gott 586 Jahre später oder etwa 580 Jahre nach der Geburt Christi – die vielleicht ja schon nicht ganz um das Jahr null herum war – zu uns Menschen in Jesus Christus. Wieder kommt das Wort Gottes zu uns Menschen, Gott selbst kommt zu uns.
Jesus lebt so, wie wir leben sollen. Er führt ein vorbildliches Leben, ein von Gott dem Vater gesegnetes Leben im völligen Gehorsam. Gleichzeitig erlebt er die Freiheit und Freude, die damit einhergehen.
Auch das lebendige Wort Gottes warnt uns Menschen vor dem kommenden Gericht. Jesus macht immer wieder deutlich, dass wir umkehren sollen. Er fordert uns auf: Tut Buße und glaubt, wendet euch Gott zu. Dabei zeigt Jesus uns auch die Barmherzigkeit Gottes, die Liebe Gottes zu den Verlorenen.
Jesus steht vor den Toren Jerusalems auf einem Berg. Er schaut auf die Stadt und klingt dabei ganz ähnlich wie der Prophet Micha: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die, die zu dir gesandt werden. Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel! Und ihr habt nicht gewollt.“
Doch Jesus bleibt nicht stehen. Er sagt nicht nur: Dann laufen halt die Tränen, oder es kommt halt das Gericht. Nein, er geht noch weiter. Er geht nach Jerusalem, lässt sich dort verhaften und schließlich an ein Kreuz schlagen.
Er nimmt dort Gottes Zorn, der uns galt, auf sich. Er lässt sein Leben für Menschen wie die Menschen damals unter König Ahas, für Menschen wie dich und mich. Er stirbt, der eine Gerechte, für uns Ungerechte. Er gibt sein Leben als Lösegeld. Er kauft uns frei, jeden, der sich im Glauben ihm zuwendet.
Am dritten Tag ist er dann auferstanden von den Toten. Wir haben das an Ostern bedacht. Er hat Tod und Sünde ein für alle Mal besiegt.
Er gibt uns eine Perspektive, die weit über die Rückkehr aus dem babylonischen Exil hinausgeht. Eine Perspektive hin zu einem Land, zu einer Stadt, wo wir mit Gott leben werden – für alle Zeit, ohne Feinde, in ständiger Anbetung, mit frohen Herzen und ohne Leid.
Das ist das, was Gott tut, weil er uns liebt.
Schlussappell: Gottes Wort hören, Gericht ernst nehmen und Liebe leben
Hört alle Völker, merkt auf, ihr Inseln und alles, was darin ist, denn Gott, der Herr, hat mit euch zu reden.
Gott warnt uns vor dem kommenden Gericht. Er ruft uns dazu auf, uns ihm zuzuwenden und unser Leben für ihn zu leben.
Ich möchte uns einladen: Seht die Tränen des Propheten Micha und erkennt, wie sehr Gott dich liebt und wie sehr er sich wünscht, dass du dich ihm zuwendest. Höre auf Gottes Wort, höre auf die Bibel und vertraue auf das, was Gott dir zu sagen hat.
Lieber Christ, siehst du die Tränen des Propheten Micha? Siehst du, wie er über die Verlorenen weint? Weißt du, was das alles mit Gott macht? Er kommt und stirbt stellvertretend für uns.
Wie ist das mit uns? Wie ist das mit dir? Bist du zu Tränen gerührt, wenn du die Verlorenen draußen in der Welt siehst? Wozu motiviert dich das?
Als der Feind, als die Assyrer auf Samaria zogen, saßen viele in Juda selbstgerecht da und sagten: „Ha, die haben es auch verdient, dass Gott ihnen mal richtig zeigt, wo es langgeht.“ Doch das ist nicht die Herzenshaltung Gottes.
Er möchte uns Mut machen, nicht verächtlich auf die Sünder um uns herum zu schauen, sondern zuerst auf unsere eigenen Herzen. Diese sollen immer wieder reformiert werden. Dann sollen wir mit Tränen in den Augen auf die schauen, die Rettung brauchen, denn das Gericht des Herrn kommt.
Ich möchte schließen mit den Worten des Apostels Paulus aus 2. Korinther 5,20. Und ich hoffe, wir können alle mit einstimmen:
So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott, denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.
Weil Gott uns liebt, spricht er, warnt er uns, weint er über uns und kam, um uns zu retten. Lasst uns diesen Gott anbeten.
Großer Gott, wir haben heute schon gesungen: Dir sei Ehre, wir haben gesungen: Du hast Erbarmen, wir haben gesungen: Groß ist unser Gott, wir haben gesungen: Sprich, o Herr.
Ich bete, dass das, was wir gesungen haben, auch wirklich tief aus unseren Herzen kam. Und wenn es das nicht tat, dann bitte ich dich, dass diese Worte mehr und mehr zu den Worten unseres Herzens werden.
Danke, Herr, dass du gesprochen hast und dass dein Wort lebendig und kräftig ist. Danke, dass du dein ganzes Wort gebrauchen willst, um uns etwas über dich zu lehren, über uns und darüber, wie wir mit dir versöhnt leben können.
Herr, tu das, wirke du mächtig und gib uns Herzen, die das gleiche Verlangen haben: zu sehen, wie Menschen umkehren, gerettet werden, frei und froh werden in dir.
Danke, dass deine Liebe keine Grenzen kennt, und danke, dass wir wissen dürfen, dass die, die dich lieben, eines Tages die Herrlichkeit erleben werden, wie wenn die Sonne aufgeht.
So wollen wir das bekennen zu deiner Ehre in einem letzten Lied. Amen.