Liebe Freunde, es gibt Menschen, die brauchen Gott nicht – den herrlichen Gott, von dem gerade der Liederkranz so ergreifend gesungen hat. Sie brauchen Gott einfach nicht.
Wir sollten jedoch nicht über sie die Nase rümpfen oder über sie lächeln. Brauchen sie wirklich Gott? Brauchen sie ihn? Es gibt doch auch bei mir Tage, an denen ich Gott nicht brauche.
Wir sollten nicht über solche Menschen lächeln, so wie man manchmal über Junggesellen lächelt, die sagen: „Ich brauche keine Frau.“ Man meint dann, das sei kein richtiger Mensch. Ähnlich verhält es sich mit Nichtsesshaften, über die man mitleidig sagt: „Die haben nicht einmal eine Wohnung und brauchen nicht einmal eine. Die wissen noch gar nicht, wie schön es ist, ein Zuhause zu haben.“
Es gibt ja auch Schwaben, die brauchen keinen Feierabend und keinen Urlaub. Ihnen ist es bloß wohl, wenn sie es schaffen können. Andere können das nicht verstehen, aber uns ist es wohl, wenn wir es schaffen können.
Normalen Menschen ist es wohl ohne Gott. Sollten wir uns einmal klar machen: Wir sind ganz normale Menschen, wenn wir Gott nicht brauchen.
Vom Nicht-Brauchen zum Erkennen der Notwendigkeit Gottes
Ich war lange Zeit junggesellig. Ich muss persönlich bekennen: Meine Freunde in der Studienzeit haben über mich gelächelt. Sie sagten, ich spinne, denn ich wüsste gar nicht, wie schön es ist, eine Freundin oder Braut zu haben.
Ich dachte hingegen, die armen Kerle seien gebunden. Als ich nach Amerika ging, war ich frei. Dort meinten sie sogar, ich sei nicht richtig „gewickelt“, weil ich offenbar keine Frau brauchte.
Bis eines Tages mir ein Mädchen über den Weg lief – meine verflossene Braut und jetzige Frau. Da dachte ich: Jeder Tag, an dem ich nicht mit ihr verheiratet bin, ist ein verlorener Tag.
Ich hatte das Gefühl nicht, dass ich unbedingt eine Frau brauchte. Ich sagte nicht: „Jetzt muss ich auf Brautschau gehen, damit ich endlich eine Frau bekomme.“ Aber dann trat jemand in mein Leben, und ich begriff, dass ich ohne diesen Menschen elendarm bliebe.
So geschieht es auch, dass Gott uns in unserem Leben ganz persönlich besucht. Im Buch Hiob heißt es, dass dies zwei- bis dreimal im Leben eines Menschen geschieht: Gott meldet sich zu Wort und fragt: „Bist du nicht arm ohne mich?“
Die Begegnung Jakobs mit Gott als Beispiel persönlicher Berufung
In diesem Bibelwort aus Jesaja 43 erzählt die Bibel keine Theorie, sondern eine Geschichte. Gleich zu Beginn heißt es: „Ich habe dich gerufen, du Jakob, du Israel.“ Hier wird an die Geschichte des jungen Jakob erinnert.
Jakob war ein ganz patenter, cleverer junger Mann. Er hat sich durchs Leben geschlagen. Es wird nirgends erzählt, dass er besonders fromm war, aber er hat sein Leben gemeistert. Er hat sogar seinem älteren Bruder das Erstgeburtsrecht, das ganze Erbe, in einem günstigen Augenblick abgeluchst. Ein kluger Bruder.
Als die Mutter sagte, es wäre auch ganz nett, wenn Jakob noch den Segen vom Vater bekommen würde, hatte er selbst kein großes Interesse daran. Was ist Segen? Brauche ich nicht, dachte er. Aber die Mutter sagte: „Komm, mach es mal. Der Vater will deinen älteren Bruder segnen.“ Nun gut, da hat er sich verstellt, als wäre er der ältere Bruder, und hat auch noch den Segen mitgenommen.
Doch dann musste er fliehen, denn der ältere Bruder Esau hegte einen Mordshass gegen ihn. So ging Jakob in die Fremde. Auf dem Weg dorthin schrie er nicht nach Gott: „Lieber Gott, geh mit mir!“ Er konnte sich arrangieren. Es machte ihm nichts aus, im Straßengraben zu schlafen, mit einem Stein als Kopfkissen.
Da begegnete ihm im Traum Gott und sagte: „Ich möchte mit dir sein.“ Jakob antwortete nicht etwa: „Ach, lieber Gott, das ist aber schön, ich brauche dich, ich brauche dich.“ Stattdessen sagte er: „Lieber Gott, wenn du mit mir gehst, den ganzen Weg, den ich gehe, und wenn du mich wieder zurückbringst und wenn du mich bewahrst auf dem Weg, dann sollst du mein Gott sein.“
Er wollte es erst einmal abwarten und sehen, was Gott bieten kann.
Jakobs Leben als Gottesstreiter und die Bedeutung seines neuen Namens
Und der Fremde hat sich dieser Jakob als talentierter Beduinenscheich großartig bewährt. Er hat seine Herden gehütet, obwohl er ein Fremdling war. Außerdem hat er die schönste Frau des Landes erobert – und dazu noch eine etwas hässliche Schwester.
Er bekam Kinder, wurde ein reicher Mann mit großen Herden und zog dann wieder nach Hause.
Da kommt ein merkwürdiger Bericht in der Bibel, als er ganz nahe an der Heimat war, am Jabok. Dort wurde er von einer Gestalt überfallen. Zuerst dachte er, es sei ein Räuber oder ein Dämon. Er wehrte sich und rang mit der Gestalt.
„Ich lasse mich nicht unterkriegen. Der will mich kaputtmachen, aber ich kämpfe bis zum Letzten“, dachte er. Als er merkte, dass ihm nichts geschehen würde, erkannte er plötzlich: Das ist nicht irgendeiner, der ihn fertig machen will, sondern jemand, der ihn unsagbar segnen könnte.
Daraufhin rief er: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“
In dieser Geschichte, die manche als dunkel ansehen, begriff Jakob, dass Gott – der heilige Gott – ihn entweder zerschmettern oder unaussprechlich segnen und begnaden kann. Und er wollte diesen Gott haben. Das war ein lichter Augenblick.
Der Gott, der ihm begegnet war, sagte zu ihm: „Du sollst von nun an nicht mehr Jakob heißen. Du sollst deinen alten Namen nicht mehr tragen, sondern ab heute den Namen Israel, der Mann, der mit Gott gerungen hat, Gottesstreiter.“
Wenn man heute jeden Abend im Fernsehen bei der Tagesschau den Namen Israel auf der Landkarte sieht, ist das derselbe Name der Nachkommen dieses einen Mannes.
Die alten Römer gibt es nicht mehr, die alten Griechen nicht mehr, die Hethiter, Assyrer und Babylonier gibt es nicht mehr. Aber es gibt dieses merkwürdige Völkchen, die Nachkommen dieses Gottesstreiters.
Jakob hatte vorher Gott nicht gebraucht, doch in dem einen Augenblick, als Gott ihn zum zweiten Mal stellte, merkte er: „Ich bleibe doch arm, wenn dieser Gott mich nicht segnet.“
So wurde er zum Stammvater eines Volkes, das viel mit Gott erlebt hat – viel Niederlagen, viele Siege – aber nie von Gott loskommt.
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“
Die persönliche Berufung und der Name als Zeichen der Zugehörigkeit
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich erlöst hat, Israel: Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.
Dieser Gottesname Israel ist dein Name, mein Gottesname, den darfst du tragen.
Ich weiß nicht, ob es hier noch evangelische Christen gibt, die nur nach dem uralten Konfirmationsbüchlein konfirmiert wurden. Dort lautete die erste Frage: „Was bist du?“ Die Antwort war: „Ich bin ein Christ.“
Dieser Name Jesu Christi, den wir tragen dürfen und tragen sollen, ist der Wille unseres Herrn Jesus Christus. Er möchte, dass wir nicht nur den Namen Rolf Schäffbuch oder Müller oder Meier tragen, sondern dass der Name Jesu Christi unser Name ist.
Darum geht es eigentlich bei der Taufe.
Es ist ganz falsch zu glauben, dass wir bei der Taufe unseren Vornamen bekommen. Den erhalten wir am ersten Lebenstag. Wenn unser Vater zum Standesamt oder Bürgermeisteramt geht, muss er unseren Namen angeben. Oft steht schon lange vor der Geburt fest, wie wir heißen werden. Wenn es ein Mädchen ist, heißt es vielleicht Solde, wenn ein Junge, dann Werner. Diesen Namen bekommen wir nicht bei der Taufe.
Bei der Taufe ist der Wille Gottes, dass der Name Gottes – des Vaters, des Sohnes Jesus Christus und des Heiligen Geistes – auf uns gelegt wird.
Ein kleines Mädchen, dem das im Kindergottesdienst klar gemacht wurde, konnte sich das eindrücklich merken. Als sie ein paar Tage später gefragt wurde, wie sie heiße, antwortete sie: „Ich heiße Gretel, Gottvater, Jesus Christus, Heiliger Geist.“
Ja, das stimmt, ich trage den Namen Gottes.
So wie mein Vater deutlich machte, dass ich den Namen Chefbuch tragen darf und zu den Chefbuchs gehöre, sorgt der alte Chefbuch für mich. Genauso will Gott deutlich machen: Ich sorge für dich, du darfst meinen Namen tragen.
Nicht nur so nebenbei, sondern wirklich. Du gehörst dazu, wirst versorgt, hier ist deine Heimat – so wie damals bei Jakob Israel.
Wenn ich den Namen Jesus Christus ausrufe, sagt Gott: „Dann meine ich dich damit, du trägst diesen Namen auch.“
Die Bedeutung des Namens Jesu Christi als Zeichen der Verbundenheit
Vor ein paar Monaten ist einer der großen Lehrer unserer württembergischen Kirche gestorben. Bei der Nachfeier hat eine seiner Schülerinnen erzählt, dass er oft in den Unterrichtsstunden bei jeder Klasse der Gemeindehelferinnen und Gemeindediakone, die er ausgebildet hat, an die Tafel das Zeichen des Kreuzes Jesu gemalt hat. Darüber zeichnete er einen Strahlenkranz des Auferstandenen.
Dann sagte er: „Jetzt schreibe ich meinen Namen auf den Kreuzesbalken, Karl Gutbrot, und ihr schreibt euren Namen in euer Heft. Lasst das nicht bloß eine symbolische Sache sein, sondern macht es fest und schreibt ein Datum dazu.“
Als ich das hörte, habe ich hinten in meine Bibel meinen Namen und das Datum, den 2. Juni 1983, hineingeschrieben. Ich möchte zu diesem Jesus Christus gehören. Ich möchte aufs Engste mit ihm verbunden sein. Ich möchte, dass es über mir gilt: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein, du gehörst mir.“
Gott will sich uns ganz persönlich zuwenden – auch Menschen, die vorher meinen, sie bräuchten Gott nicht. Plötzlich merken sie, dass sie arm wären, wenn sie diesen Gott nicht hätten. Das kann ich ihnen nicht klar machen, auch wenn ich predigen könnte wie Billy Graham.
Aber der lebendige Gott, dem das wichtig ist, kann es ihnen heute Abend klar machen.
Die Erfahrung der persönlichen Gottesnähe in der Not
Als ich vor 25 Jahren in Amerika war, durfte ich einmal einige evangelistische Vorträge in Mansfield, Ohio, halten. Dort hatte sich eine deutsch-jugoslawische Gemeinde versammelt. Die Mitglieder waren alle aus jugoslawischen Vernichtungslagern geflohen. Über Österreich waren sie weiter nach Amerika gereist und hatten sich in Mansfield niedergelassen.
Es waren arme Menschen, die noch mitten im Aufbau ihres Lebens standen. Der Schrecken der Vernichtungslager stand ihnen noch ins Gesicht geschrieben. Eins werde ich nicht vergessen: Wie dieser Chor gesungen hat. Nicht so schön wie der Liederkranz, aber es war echt.
Sie sangen: „Ich brauch dich, Herr, ich brauch dich, oh, ich brauch dich!“ Diesen Hunger kann Gott in unser Leben hineingeben, auch in das Leben von Menschen, die normalerweise Gott gar nicht brauchen.
„Oh Herr, ich brauch dich, ich bin froh, dass ich dir gehöre“, so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, der dich erlöst hat, Israel: „Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“
Gottes Zusage in Zeiten von Gefahr und Leid
Es geht weiter. Und wir denken, es geht weiter, wenn ich da bin, Gott. Dann kann dir nichts passieren: kein Autounfall, du wirst achtzig Jahre alt, wirst reich und bekommst keine schwere Krankheit. Du brauchst keine Angst zu haben, dass eine Untersuchung zeigt, dass du Krebs hast. Du wirst keine Schwermut bekommen, und deine Kinder werden gedeihen.
Nein, es heißt: „Und wenn du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein. Und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen; ich bin bei dir.“ Unser Gott hat uns nie versprochen, dass er wie eine große Sicherung im Sicherungskasten ist, die dafür sorgt, dass nichts Schlimmes passiert.
Wenn Jesus Christus den Weg ans Kreuz ging, nach dem Willen Gottes, und wenn er noch in der Sterbestunde erlebt hat, dass Gott so nahe ist, dass er sagen durfte: „Ich befehle meinen Leib und meine Seele in deine Hände, du bist da“, dann sollen wir damit rechnen, dass auch unser Weg mit Gott durch Wasser gehen kann, durch Feuer, durch Tage und Monate, vor denen uns graut.
„So durch das Wasser geht, will ich bei dir sein.“ Das heißt einmal in einem anderen Psalm: „Ich bin bei dir in der Not.“ Das Volk Israel musste durchs Rote Meer. Mose hat geschrien am Roten Meer: „Lieber Gott, wo bist du? Warum hilfst du nicht?“ Und Gott hat gesagt: „Jetzt geh!“ Sie haben erlebt, dass Gott dabei ist.
Die drei Männer im Feuerofen haben sich von Nebukadnezar in den glühenden Ofen werfen lassen. Nach einer Weile schaut er hinein und sagt: „Ich habe doch drei hineinwerfen lassen, wer ist der Vierte?“ Ich bin bei dir in der Not. Gott ist da.
Zeugnis von Gottes Treue in schwerer Krankheit und Tod
Ein Gemeindeglied wurde zur letzten Ruhe gebracht, das wir jahrelang begleitet hatten. Dieses Gemeindeglied war stark an Alkohol gebunden gewesen. Doch Gott hat sie von dieser Sucht, von dieser Gier erlöst, und sie war Gott dafür dankbar.
Bald darauf meldete sich jedoch eine schwere Krankheit: Krebs. Sie kam zu allen Bibelstunden und Gottesdiensten, als wolle sie sich voll mit Gottes Wort auftanken. Dann begann das schwere Leidenslager.
Viele Gemeindeglieder begleiteten sie in dieser Zeit. Sie sagte immer wieder zu mir: „Herr Chefbuch, ich habe nur manchmal Angst, ob mein Glaube durchhält, wenn es auf die letzte Strecke geht, wenn ich merke, dass es jetzt zu Ende geht.“
Der Augenblick kam. Ich wurde von einem Arzt angerufen, der Christ ist und im Krankenhaus in Schandorf arbeitet. Er berichtete: „Heute Nacht ist der Oberschenkelknochen durchgebrochen, nur durch einen Muskelzug, weil der Knochen brüchig geworden ist.“
Ich hatte Bedenken, was ich dieser Frau sagen sollte. Doch ich traf einen Menschen, der nur strahlte. Mitten in den Schmerzen sagte sie zu mir: „Herr Chefbuch, ich habe etwas erlebt, das ich nie für möglich gehalten hätte. Ich habe immer gedacht, Menschen seien ein bisschen überkandidelt, wenn sie sagen, Gott trägt uns. Aber ich kann Ihnen sagen: Jeden Augenblick trägt er mich. Sagen Sie es auch weiter: Er trägt.“
Da war der Krebs, da war der gebrochene Knochen und die Hoffnungslosigkeit, der Weg zum Tod. Doch sie sagte: „Ich bin bei dir in der Not.“
Gott bewährt es, dass wir ihm gehören. Wir gehören nicht der Krankheit, nicht unserem Körper. Wir gehören nicht den Ärzten, wir gehören nicht dem Tod – wir gehören unserem Gott.
Er hat seine Hand auf uns gelegt: „Du bist mein und du bleibst mein, ich lasse dich nicht los, du gehörst niemand anderem.“
Die Bedeutung persönlicher Treue und Bewährung im Glauben
Bewährung
Du bist mein! Ich habe Ihnen versprochen, heute Abend von einer Gestalt aus unserer württembergischen Kirchengeschichte zu erzählen. Oft erzählen wir von Männern – doch das ist eigentlich falsch. Wir müssten vielmehr von den vielen Müttern, Kinderschwestern und Patentanten berichten, denn sie haben die württembergische Kirchengeschichte mitgestaltet.
Was wären all die Männer, von denen wir berichten – Bengel, Oetinger und Bischof Wurm – ohne die Mütter und Ehefrauen? Eine der großen Mütter in Württemberg war Beate Paulus. Sie war die Enkeltochter des bekannten Pfarrers Flattich und die Tochter von Philipp Matthäus Hahn, dem Pfarrer von Echterdingen. Dieser hatte die großen astronomischen Uhren erfunden und die Wagen, von denen heute noch viele auf der Ebinger Alb leben. Er wollte etwas für die Menschen tun, nicht nur predigen.
Auch Philipp Matthäus Hahn war es wichtig, seinen Kindern einzuschärfen: Man marschiert ins Reich Gottes nicht in Kompaniestärke ein, nicht in Konfirmantengruppen. Es sind immer Einzelne, die das begreifen. „Du bist mein!“ Gott spricht nicht per „ihr“, sondern „du“. Er hilft einzelnen Menschen zu verstehen: Fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist meine persönliche Zuwendung.
Beate Paulus und ihr Einsatz für die religiöse Erziehung ihrer Kinder
Das hat Beate Hahn in ihre junge Ehe mitgenommen. Sie hat einen Sohn des Schöndorfer Hofrats Paulus geheiratet, einen Pfarrer – aber einen liberalen Pfarrer. Er glaubte gerade, dass Gott vielleicht die Welt geschaffen hat und dass es schön ist, anständig zu leben.
Sie hat darum gerungen, dass ihre Kinder – sie hat zwölf Kinder geboren, von denen drei gestorben sind – nicht in den Geist jener Zeit hineinkommen. Sechs Buben und drei Mädchen blieben am Leben. Sie wollte, dass ihre Kinder nicht mehr nur mit dem Denken leben, dass „Wer schafft, ist ein ausständiger Mensch“ und „Wer es zu was bringt, hat es im Leben zu etwas gebracht.“ Vielmehr wollte sie, dass ihre Kinder Gott finden.
Beate Hahn war Pfarrfrau, zunächst im hintersten Schwarzwald, dann in Ostelsheim bei Kalf und schließlich in Thalheim bei Tuttlingen. Es waren arme, magere Pfarreien in jenen Jahren nach den napoleonischen Kriegen. Dann kam das furchtbare Hungerjahr 1817. Sie sagte, sie möchte ihre Kinder zu frommen Lehrern ausbilden lassen.
Als ihr Mann meinte, sie sei verrückt, weil sie die Kinder nicht fortschicken könne – „Wo ist das Geld? Unsere Äcker tragen doch nichts“ – antwortete sie, sie wolle bei ihrem Gott dafür einstehen. Er habe ihr die Kinder anbefohlen. So wie die Mutter des Mose ihr Kind in ein Kästlein gab, damit es bewahrt bleibt, möchte sie ihre Kinder bewahren.
Eines Nachts träumte sie, oder besser gesagt, sie erkannte, dass es kein Traum war, sondern eine Bibelstelle, die in ihr nachklang. Es war eine Stelle aus dem Propheten Hesekiel, in der sie ins Wasser geführt wurde. Zuerst ging das Wasser nur bis zu den Knien, dann bis zu den Lenden, und schließlich drohte sie unterzugehen. Doch dann kam das Wort: „Ich will bei dir sein. So du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein.“
Sie hat diese Erfahrung gemacht, als keine Frucht mehr da war und zwölftausend Taler Schulden auf ihnen lasteten. Ihr Mann sagte: „Jetzt lebe doch von deinem Glauben, wenn du so aufs Geld haust!“ Daraufhin ging sie auf ihre Bühne, schloss die Bühnenfalltür und sprach die ganze Nacht mit Gott:
„Lieber Gott, du hast mir die Kinder anvertraut, nicht nur, damit sie irgendwie leben, sondern damit sie dich finden. Ich tue das nicht meinetwegen, ich mache nichts aus Ehrgeiz. Manche Leute sagen, bist du verrückt, müssen die alle höhere Schulen besuchen? Warum müssen sie so weit weg? Herr, ich möchte, dass sie dich finden und nicht einfach in ein Lotterleben hineingeraten.“
Am nächsten Morgen kam der Lindenwirt von Thalheim und sagte: „Frau Pfarrerin, brauchen Sie nicht Geld? Ich hätte Ihnen Geld. Ich bin bei dir in der Not.“
Viele Menschen hielten sie für verrückt, weil sie so darauf versessen war, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten. Im Jahr 1840 wurde klar, dass sie mit all ihren Kindern – der eine wurde Apotheker, der andere Lehrer, ein weiterer Pfarrer – die Anstalt Salon am Karlssee bei Ludwigsburg aufgebaut hatte. Diese Einrichtung war eine der ersten großen Kinderrettungsanstalten in Württemberg.
Dieser Impuls verbreitete sich im Land. In Wilhelmsdorf entstanden Kinderrettungshäuser, ebenso in Korntal, Lichtenstern und Greilsheim. Von Württemberg aus reichte dieser Einfluss bis nach Mietau in Estland und nach Norwegen. Der Salon wurde zum Beispiel für andere.
Man erkannte, dass man etwas für junge Menschen tun muss, damit sie den lebendigen Gott kennenlernen. So wurde deutlich, wozu der Kampf um ihre Kinder da war – dieses Festnageln Gottes: „Du hast mir doch gesagt, wenn ich durchs Wasser gehe, will ich bei dir sein, dass die Ströme mich nicht ersäufen. Jetzt mache es wahr!“
Gott hat es in ihrem Leben wahrgemacht. Und wir dürfen Gott auch darauf festhalten, dass er uns persönlich begleitet.
Gottes Verheißung der Erlösung und das Lösegeld Christi
Heute, am 9. Januar, heißt es: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
In diesem Wort taucht das Wort „erlösen“ gleich zweimal auf. Es heißt: Ich habe Kusch und Ägypten als Lösegeld für dich gegeben. Dieses Wort wurde erst durch Herrn Jesus erfüllt. Er sagt: Ich bin nicht gekommen, damit man mir dient, sondern damit ich euch diene und mein Leben als Lösegeld für viele gebe.
Das wird erst eine Bewährung sein. Wir erleben es unter uns, dass Menschen jeden Lebensfunken verlieren. Sie sehen keine Möglichkeit mehr, auch nur eine Stunde weiterzuleben. Sie geben sich im tiefen Dunkel selbst den Tod.
Aber es gibt auch Momente, in denen uns klar wird: Meine Sünden gehen über mein Haupt, sie sind mir zu viel geworden, ich kann vor Gott nicht bestehen. In solchen Situationen ist uns Jesus gegeben als das Lösegeld Gottes.
Er sagt: Du, ich habe etwas für dich getan, für deine Schuld. Du wirst nicht verstehen, warum, aber schau doch, ich habe es getan. Deshalb ist es so wichtig, wenn das Abendmahl angeboten wird, dass wir es auch annehmen und schmecken.
Es war für mich getan. So wahr ich dieses Brot esse und diesen Wein trinke, ist für mich etwas geschehen. Gott hat meine Schuld gesühnt.
Die Kraft des Kreuzes als Zeichen der Liebe Gottes
Der schwersten Belastungsprobe ausgesetzt, wenn in uns die Sinne verzagen, wenn der Feind das Leben verklagt und der Teufel sagt: „Du hast doch kein Lebensrecht mehr vor Gott.“ Doch, du bist mir, meinem Herrn Jesus, wert. Den habe ich für dich gegeben. Ich lasse dich nicht, fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst – so oft sie das Zeichen des Kreuzes sehen.
Denken Sie daran: Dieser Tatbestand, den Gott in Kraft gesetzt hat, ist kein Märchen. Gott hat sein Bestes als Lösegeld für uns gegeben. Wie gesagt: Schreiben Sie noch einmal Ihren Namen darauf. Ich möchte dazugehören. Ich möchte zu dem gehören, der mich erlöst hat, zu dem Heiland.
Ich bin der Heilige, dein Heiland, der dich nicht bloß geschaffen hat, sondern der will, dass du auch herrlich bist. Weil du so wertgeachtet in meinen Augen bist, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb.
Mich hat das einmal richtig gepackt, als mein alter Chef in Ulm, der Dekan Seifert, am Karfreitag, nachdem wir das Abendmahl als sechs Pfarrer und Vikare ausgeteilt hatten und dann vor dem Altar standen, uns dieses Wort mitgegeben hat: „Weil du so wertgeachtet in meinen Augen bist, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb“, spricht Gott.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie alle dazugehören – wir, die wir sonst Gott nicht brauchen. Und Gott hat noch so viel mit uns vor, dass wir ihm herrlich sind. Amen!
Schlusssegen und Gottes Zuspruch
Und nun wollen wir mit einem Wort des Segens schließen, das Gott über uns aussprechen möchte. Der Gott aller Gnade, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit, möge euch vollkommen vorbereiten, stärken, kräftigen, gründen und durch seine Macht bewahren zur ewigen Seligkeit.