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22.02.1987Lukas 14,15-24
Das Gleichnis vom Abendmahl als Bildgeschichte: Sie wird dadurch für den Zuhörer interessant, dass er selbst darin abgebildet ist; wie bei den Fotos, auf denen die eigene Erscheinung am meisten interessiert. Präsentiert werden in dem Gleichnis 1. Leute, die herzlich eingeladen sind, 2. Leute, die dringlich abgehalten sind, und 3. Leute, die schmerzlich ernüchtert sind. Viele wichtige Tätigkeiten und Termine halten Menschen von heute davon ab, dem Ruf zum Glauben und zur Gemeinde zu folgen. Die Mitteilung, dass das Fest am Ende auf jeden Fall stattfindet, nur mit andern Gästen, verleiht dem abschließenden Aufruf, der Einladung Jesu zum Teilhaben am Reich Gottes zu folgen, besonderes Gewicht. - "Jugo" in der Stiftskirche Stuttgart

Auf einem Schulausflug werden Bilder geschossen! Gruppenbild mit Dame vor MacDonald's. Weiberrat mit Rex auf dem Schillerdenkmal. Panikclub mit Otto unter den Wilhelmaaffen, einfach tierisch. Affen­geile Typen mit eingepuderten, eingefärbten oder eingeschnappten Gesichtern, richtige Schnappschüsse fürs Familienalbum oder Verbrecheralbum. Auf der Pinwand an der Penne werden sie zum Verkauf angeboten. Ein tolles Angebot von Quadratschädeln und Milchbirnen, ein einmaliges Sammelsurium von Helgas und Herberts, von Heinos und Himis. Interessanterweise suchen wir aber nur nach Schüssen, wo wir selber abgefaced sind. Auffallenderweise bestellen wir aber nur Fotos, wo wir selber in die Linse grinsen. Nur Bilder von uns sind interessant.

Nun bietet diese Bildgeschichte auch Bilder fürs Gruppenbild mit Ochse vor der Haustür. Hochzeitsgesellschaft mit Braut auf der Straße. Pennerclub mit Paul unter den Pinien, einfach zum Piepen. Absolut fertige Typen mit liegenden, gewellten oder aufrecht stehenden Haaren, einfach haarsträubende Pictures fürs Poesiealbum. Ein tolles Angebot von Charakterköpfen und Milchgesichtern, ein einmaliges Sammelsurium von Personen und Persönchen. Aber das ist die interessante und auffallende Frage: Sind auch wir hier drauf abgefaced? Grinsen auch wir hier in die Linse? Wenn nicht, können wir diese Bildgeschichte vergessen. Dann gehört die als Comics ins Kiosk und nicht auf die Kanzel. Nur Bilder von uns sind interessant. Also blicken wir scharf hin.

Das erste, was uns ins Auge sticht, sind ...

1. Leute, die herzlich eingeladen sind

Sie tigern zum Briefkasten und gehen die Post durch. Zettel, Karten, Umschläge, Briefe. Toujours la mome chose. Immer derselbe Mist. Aber diesmal fällt ein breites Kuvert auf. Büttenpapier und Siegellack. Die Finger zittern beim Aufreißen. Der Herr des Schlosses gibt sich die Ehre, alle Bürger zum Galaessen einzuladen. Den Leuten bleibt die Puste weg. Sie kennen Stadtherren, die zu Bürgerversammlungen einberufen und dort auf Applaus warten, aber einen Schlossherrn, der zum Dinner einlädt? Den Leuten gehen die Schnürsenkel auf. Sie kennen Landesherren, die zu Kundgebungen aufrufen und dort fähnchenschwenkende und Hurra-rufende Menschenmauern erhoffen, aber einen Schlossherren, der zur Mahlzeit ruft? Den Leuten verschiebt's das Toupet. Sie kennen Feldherren, die zu Paraden zusammenrufen und dort auf aufmarschierende und salutierende Kolonnen aus sind, aber ein Schlossherr, der zum Fest bittet? Das kann doch nicht wahr sein! Das darf doch nicht wahr sein! Das löst doch eine Vitalschwäche aus! Die Leute freuen sich unbändig an der schönen Post, Einladungen vermitteln warme Gefühle. Die Leute sind mächtig stolz auf diesen vornehmen Brief. Nicht Kreti und Pleti kann ihn bekommen. Die Leute sind sich der hohen Ehre bewusst. Der Herr will mit ihnen tafeln.

Also Leute sind auf dem Bild, die herzlich eingeladen sind. Sie wirken keineswegs fremd. Die haben wir schon einmal gesehen. Richtig, das ist unser Konterfei! Auch wir latschen zum Briefkasten und gehen die Post durch. Ein Zettel, o weh, der Nachbar heult sich wegen meiner Rockparty aus! Eine Karte, o weh, die Stadtbibliothek mahnt zum dritten und letzten Mal. Ein Umschlag, o Schreck, Flensburg läßt grüßen, 3 Punkte und 120 DM. Ein Brief, die Schulleitung fragt sicher wegen Begabtenförderung an, aber au weia, der Brief ist blau: Versetzung gefährdet. Toujours la mome chose. Immer der kalte Kaffee.

Aber diesmal ist andere Post dabei, Das Evangelium ist gute Nachricht. Das Evangelium ist schöne Post. Das Evangelium ist herzliche Einladung zum Fest: Der Himmelsherr gibt sich die Ehre, alle zum Abendmahl einzuladen. Uns müsste doch die Puste wegbleiben. Kein Stadtherr, der seine Glanzleistungen beklatscht haben will. Uns müßte doch der Schnürsenkel aufgehen. Kein Landesherr, der Hurra- und heilrufende Menschenmassen sehen will. Uns müsste doch das Toupet verrutschen. Kein Feldherr, der uniformierte Kolonnen im Stechschritt und Gleichschritt marschieren lassen will. Nein, ein Himmelsherr, der zum Fest bittet.

Freunde, eine Fete solls geben, dass das Herz lacht. Unser Gott deckt den Tisch. David wußte davon: "Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde." Er will nicht alleine tafeln und dich irgendwo am Katzentisch schmoren lassen, Gott bittet zu Tisch. Der Psalmist wusste davon: "Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist." Er will dich aus deiner Essecke herausholen, wo dir oft genug die Suppe versalzen wird. Und Gott sättigt bei Tisch. Der Sänger wußte davon: "Du tust deine Hand auf und sättigst alles". Er will für deinen Hunger nach Brot und für deinen Heißhunger nach Leben sorgen. Dieser Gott ist kein Geizkragen, sondern ein splendider Herr.

Was für finstere Gottesbilder haben wir uns ausgesponnen? Was für elende Schreckensbilder haben wir uns zurechtgemalt? Hier riecht es nicht nach Schwefel und Rauchdampf, sondern nach Spätzle und Saucendampf. Hier hält uns keiner kurz, sondern hier hält uns einer aus. Hier wird keiner vorgeladen, sondern jeder eingeladen. Gott lädt dich ein zu seinem Fest. Du gehörst zu den Leuten, die herzlich eingeladen sind. Deine Adresse ist goldrichtig.

Und nun blick wieder in die Bildgeschichte. Das zweite, was ins Auge sticht, sind aber ...

2. Leute, die dringend abgehalten sind

Als sie der Schlossboy zur Fete abholen will, da fingen sie alle an zu stottern. Der erste zeigt einen Grundbuchauszug: "Mein Geschäft platzt ans allen Nähten. Ich muss erweitern, aber wo? Nun wurde mir ein Land im Neuhaugehiet angeboten. Sofort habe ich zugeschlagen und blind gekauft. Heute kann ich es in Augenschein nehmen. Zu gerne wäre ich gekommen, aber wegen dem Geschäft klappt es nicht." Der zweite winkt mit einem Kaufvertrag. "Schon lange war ein neues Gespann fällig. Nun gab einer den Hof auf und verramschte seinen Kitt. Die Zugochsen waren ein einmaliges Sonderangebot. Heute muss ich die Biester abholen. Zu gerne wäre ich gekommen, aber wegen dem Betrieb geht es nicht." Der dritte wedelt mit dem Aufgebot: "Frisch verheiratet! Hochzeitsurlaub! Honigmond! Ich kann die bessere Hälfte nicht sitzenlassen, wenn nicht der erste Ehekrach inszeniert werden soll. Zu gerne wäre ich gekommen, aber wegen meiner Hübschen geht es nicht." Sie reiten also nicht die alte Schülertour, dass man sich wegen Kopfweh oder Bauchweh entschuldigt. Tatsächlich sind sie amtlich abgehalten, geschäftlich unterwegs, dienstlich verhindert.

Leute sind auf dem Bild, die dringend abgehalten sind. Sie wirken wieder keineswegs fremd. Die haben wir auch schon einmal gesehen. Richtig, das ist wieder unser Konterfei.

Einer zeigt ein Matheheft: "Mein Leistungkurs hat 45-Grad-Gefälle, eine spitze Leistung. Wenn ich nicht die Bremsen reinhaue, ist der Totalschaden perfekt. Ich kann mir nebenher nichts mehr leisten." Ein anderer winkt mit dem Führerschein: "Im dritten Anlauf geschafft. Nun muss 'ne heiße Kiste her: R4 mit Kat. Jetzt wird gedüst." Ein dritter wedelt mit den roten Ohren: "Total verknallt! Hitzestau und Fieberstürme! Hilde, Hilde über alles, über alles in der Welt."

Wir täuschen nichts vor. Wir schmieren niemand an. Wir sind abgehalten und aufgehalten. Lieber Gott, versteh doch, entschuldige bitte, nichts für ungut! Gruß an die Engel, später vielleicht, Tschüssle!

Aber liebe Freunde, darf der Leistungskurs uns vom richtigen Lebenskurs abhalten? Darf die heiße Kiste uns vom heißen Tisch fernhalten? Darf die süße Hilde alles versauern? Dort ist Gefahr im Verzug, wo wir zu allem kommen, aber nicht mehr an seinen Tisch. Dort liegt der Hund begraben, wo wir zu allem gehen, aber nicht mehr zu seinen Gottesdiensten. Dort tanzen die Puppen, wo wir nach allem sehen, aber ihm das Nachsehen geben. Deine Activities in allen Ehren, aber Ehre wem Ehre gebührt. Ob du deinen Tag nicht doch mit einer stillen Zeit beginnen solltest? Ob du am Dienstag oder Mittwoch nicht doch einen Jugendkreis oder Hauskreis besuchen solltest? Ob du am Sonntagmorgen nicht doch das Pofen verkürzen solltest, um mit andern Christen zusammen zu feiern? Ich kriegs nicht in den Kopf: Gott lädt dich ein und du lädst dich aus?!

Der Schlossboy kehrt nach Hause zurück und erstattet Fehlanzeige: "Mein Herr, die Leute sind dringlich abgehalten. Sie haben mir lauter Körbe aufgepackt. Soll ich den Tisch wieder abdecken?" Aber dieser Herr gibt ihm eine neue Adressenliste. "Geh auf die Straßen und Gassen! Geh an die Hecken und Zäune! Geh in die Bistros und Kneipen!"

Liebe Freunde, Gottes Veranstaltung fällt nicht ins Wasser. Seine Party wird nicht ersatzlos gestrichen. Die große Fete läuft ab, mit dir oder ohne dich.

Weil dem so ist, deshalb sticht noch ein letztes ins Auge, nämlich ...

3. Leute, die schrecklich ernüchtert sind

Von ferne können sie den Einzug der neuen Gäste beobachten. Ist das ein seltenes Bild: wie sie aus den letzten Parkecken und Notquartieren herbeistolpern, nicht wissend, ob sie wachen oder träumen. Wie sie verlegen und verschämt ihre Dreckstiefel abreiben, mit den Händen natürlich und ein bißchen Spucke. Wie sie sich genieren, der arme Tropf vor dem großen Lump und alle miteinander vor dem freundlichen Schloßherren. Ist das ein lustiges Bild: Wie sie sich umständlich setzen, nicht dort, wo die Ehrenplätze, sondern wo die vollen Schüsseln sind. Wie sie mit den Haxen gegen die Tischbeine stoßen, dass die Vasen wackeln und die Gläser klirren. Wie sie mit beiden Händen in die Schlachtplatten fahren, weil sie den feinen Bogen noch nicht raus haben. Ist das ein fröhliches Bild: Wie sie schmatzen und schmotzen. Wie sie schwätzen und schwitzen. Wie sie lachen und singen, aus rauhen Kehlen, vibrato und crescendo, falsch und ohne Takt, aber von Herzen: Das Lob dieses Herrn. Das Lob seiner Freundschaft. Das Lob seiner Gnade.

"Selig ist, wer das Brot isset im Reich Gottes." Glücklich ist, wer den Wein trinkt im Himmelreich. Glückselig ist, wer mit diesem Herrn tafelt. Willst du auch nur busy sein? Willst du auch nur von ferne zu­schauen? Willst du auch nur schrecklich ernüchtert deines Weges ziehen? Man kann sich doch anstecken lassen von jener weinenden, lachenden Seligkeit, die keine andere Ehre kennt als die: "Hab die Ehre, dabei sein zu dürfen." Du, dein Platz ist noch frei.

Amen.