Einleitung: Politische Wahlen und christliche Haltung zur Politik
Das wird jetzt schwierig, aber ich werde mich sehr bemühen. Generell können wir sagen: Aus aktuellem Anlass, in diesem Jahr, wird ja sehr viel gewählt. Der Bundestag wird neu gewählt, ebenso der Bundeskanzler. In vielen Bundesländern finden ebenfalls Neuwahlen statt.
In diesem Zusammenhang ist es allgemein interessant, wenn wir uns als Christen mit Politik auseinandersetzen oder uns Gedanken darüber machen, ob Politik überhaupt etwas für uns ist. Oder sollten wir uns am besten ganz weit davon zurückhalten?
In der christlichen Kirche gab es dazu verschiedene Positionen. Ein Beispiel ist die katholische Kirche des Mittelalters. Papst Innozenz III. hatte beispielsweise gesagt, Staat und Kirche seien eins und gehörten zusammen. Man könne sie gar nicht voneinander trennen. Allerdings stehe die Kirche über dem Staat, und der Staat müsse der Kirche gehorchen. Denn der Staat sei nur irdisch, die Kirche hingegen göttlich.
Das andere Extrem war die Weltverneinung mancher mennonitischer Kreise zur Zeit der Reformation. Einer ihrer Glaubenssätze war, sich vollkommen vom Staat fernzuhalten. Der Staat sei weltlich, und weil es weltlich ist, sollten Christen gar nichts damit zu tun haben, also sich möglichst vollständig fernhalten.
Das war auch einer der Gründe, warum die Mennoniten im 16. und 17. Jahrhundert nach Russland ausgewandert sind. Die damalige Zarin Katharina die Große hatte ihnen ein Privileg gewährt, dass sie keinen Wehrdienst leisten müssten. Nachdem dieses Privileg aufgehoben wurde, sind viele Mennoniten weiter ausgewandert – nach Kanada, in die USA, nach Südamerika, Paraguay, Uruguay und Brasilien. Dort hatten sie oft eigene Staaten aufgebaut, gerade aus diesem Grund.
Das war das treibende Motiv vieler Mennoniten damals: sich vom Staat fernhalten, kein Wehrdienst, keine aktive Wahl, keine passive Wahl – möglichst fernbleiben von staatlichen Angelegenheiten.
Heute sehen das nicht mehr alle Mennoniten genau so. Die Meinungen sind etwas aufgespalten. Aber das sind die großen Positionen, die in der Vergangenheit vertreten wurden.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie stellen wir uns dazu? Und dafür wollen wir in ein Gespräch hineinkommen.
Begegnung mit Otto: Skepsis gegenüber Politik
Ich möchte euch eben Otto vorstellen. Otto hat gerade seine Ausbildung als Maschinenschlosser abgeschlossen. Er hat auch einige Gründe für seine Auffassung gesammelt. Er meint, dass Politik für Christen nichts ist. Davon solle man die Finger lassen, denn das sei schlecht.
Otto ist manchmal etwas eigenartig gekleidet, aber gut. Er sagt: „Weißt du, Michael, mit der Politik ist das ja alles schlimm. Politik ist mir eigentlich total egal und total langweilig. Wenn ich da mal etwas höre, dann reden die über Paragraphen 275 und 298. Wer will denn davon überhaupt etwas wissen? Das interessiert mich alles gar nicht. Lass die mal da oben regieren, und ich habe meine Ruhe damit.“
Aber, lieber Otto, so einfach ist die Sache nun doch nicht. Wenn du nur die Zeitung liest und dir nur anschaust, was die da erzählen, vor allem die Schlagzeilen in der Bildzeitung, dann ist das natürlich ein bisschen langweilig. Dann denkst du dir auch: Was kann man da überhaupt verändern?
Wenn du aber mal ein bisschen tiefer hineinschaust, Otto, dann musst du dir sagen, dass das dein Leben ganz genau betrifft. Was die da beschließen, betrifft zum Beispiel, wer überhaupt wählen darf, wann man heiraten darf und wie man heiraten darf. Es betrifft auch, wer in seiner Ausbildung finanzielle Unterstützung bekommt.
Du willst doch bald mal zur Bibelschule gehen. Ob du da BAföG bekommst oder nicht, wird ja auch in der Politik entschieden. Oder die Verkehrsregeln: Wer hat Vorfahrt, wer nicht? Wo du anhalten musst, wie schnell du fahren darfst. Was mit den Verbrechern geschieht – zum Beispiel derjenige, der dir letzte Woche das Portemonnaie geraubt hat – das alles wird in der Politik entschieden.
Also so ganz langweilig ist das ja nun doch nicht, denn das hat ja mit deinem Leben ganz eng zu tun. Wenn du dich gar nicht für dein eigenes Leben interessierst, wenn du dich nicht für deine Zukunft interessierst und wenn du dich nicht für das Land interessierst, in dem du lebst, dann kannst du sagen, Politik sei langweilig oder Politik sei dir ganz egal. Aber sonst – also sonst, Otto, geht das wirklich nicht.
Ja, also Michael, ich glaube dir das eigentlich. Das stimmt ja. Ich möchte immer Vorfahrt haben, das stimmt. Und heiraten will ich auch noch, bevor ich in die Bibelschule gehe. Und Geld habe ich keines. Also da muss ich sagen, da muss ich mich doch ein bisschen mit Politik beschäftigen.
Weißt du denn, welche Partei man wählen muss, die das alles durchsetzt? Oder? Ja, eigentlich könnte ich ja sagen, vielleicht ist Politik ja interessant. Aber ich muss dir sagen, das ist mir alles zu mühsam. Ich halte mich am besten heraus, und die da oben werden schon sehen, wie das richtig geht. Die werden die Entscheidungen schon richtig treffen.
Verantwortung und Einfluss in der Politik
Na also, Otto, ich muss dir sagen: Ganz so einfach ist das nicht. Diese Einstellung klingt zwar bequem, aber, Otto, leider ist das totaler Unsinn, wenn du so etwas sagst. Denn das ist ja gar nicht möglich. Letztendlich bestimmst du die Politik mit, ob du das willst oder nicht.
Durch die Steuern, die du bezahlst – und das ist nicht nur die Lohnsteuer, sondern auch die Mehrwertsteuer, die von Jahr zu Jahr steigt, die Mineralölsteuer, die du beim Autofahren immer bezahlen musst, und die Kraftfahrzeugsteuer – unterstützt du die Parteien und die Politik, so wie es jetzt gerade läuft. Du bist also schon aktiv, egal was du machst.
Und wenn du nicht wählst, was passiert dann? Dann unterstützt du die kleinen radikalen Parteien, die ihre Wähler mobilisieren und bei denen alle mitmachen. Diese Parteien werden dann gewählt und kommen an die Macht, wenn du nichts tust. Durch alles, was du machst, bestimmst du die Politik mit.
Kaufst du dir einen neuen Laptop oder Computer, beeinflusst du damit die Arbeitslosenquote, weil das Gerät vielleicht in Japan oder den USA gefertigt wurde. Oder du beeinflusst die Wirtschaftspolitik. Wenn du deinen Müll kompostierst, beeinflusst du sogar die internationale Müllpolitik.
Oder wenn du deinen Umzug selbst machst oder deinem Nachbarn dabei hilfst, werden dadurch wieder ein paar Arbeitsplätze eingespart. Ganz so einfach ist das also nicht. Otto, wenn du meinst, dich aus der Politik heraushalten zu können, dann ist das eine totale Illusion. Du bist immer in der Politik dabei, egal was du machst.
Nun, Michael, das könnte ja sein. Ich kaufe auch Benzin, ja, das stimmt, und ich arbeite auch und bezahle Lohnsteuer. Aber wenn ich mich an die Gebote der Bibel halte, müsste mir das doch eigentlich genügen. Ich bin ja vor ein paar Jahren zum Glauben gekommen, und die Gebote sind doch von Gott so gemacht, dass, wenn ich mich daran halte, das ausreicht.
Denn die Gesetze in dem Staat sind ja nur von Menschen gemacht. An die müsste ich mich doch gar nicht halten. Wenn ich die zehn Gebote lese und mich danach richte, müsste das doch genügen.
Bibel und staatliche Gesetze: Gehorsam und Ausnahmen
Ich weiß nicht, was ihr jetzt Otto dazu sagen würdet oder wie er selbst dazu steht. Er ist eben etwas hartnäckig dabei. Aber ich müsste Otto sagen: Ganz so einfach ist das natürlich nicht.
Zwar steht in der Bibel wirklich nicht, dass man auf der Bundesstraße höchstens hundert fahren soll oder – wenn es nach den Grünen geht – vielleicht bald nur noch 70. In der Stadt darf man nur 50 fahren oder eben bald nur noch 30. Also das steht natürlich nicht in der Bibel.
Aber dass es auch Sünden gibt, wenn man die Ordnungen des Staates überschreitet, das finden wir ja tatsächlich in der Bibel. Denn die Bibel ist da ganz eindeutig.
Weißt du, Otto, wenn du mal nachliest im Römer 13, dann steht da nämlich: „Jeder Mensch unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt, denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersetzt sich den Anordnungen Gottes.“
Also, Otto, was ist? Wenn du den Geboten Gottes wieder gehorchen willst, dann musst du auch den Ordnungen des Staates gehorchen. Und staatliche Anordnungen, nach denen man sich richten soll, sind in jedem Land unterschiedlich, weil ja die Obrigkeit auch in jedem Land unterschiedlich ist.
Und Jesus selbst hat sich ja danach gerichtet. Als die Leute zu ihm gekommen sind und gesagt haben: „Sollen wir die Steuern bezahlen in unserem Land?“ Dann sagt er: „Ja, gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Der Kaiser fordert das, egal wie hoch das ist, die Steuern müssen abgegeben werden.
Oder er sagt dann sogar: „Wenn ein Soldat dich auffordert, eine Meile mit ihm zu gehen“ – und das durfte er ja damals in Israel – „dann gehe nicht nur eine, sondern gehe zwei Meilen mit ihm.“
Also ich weiß zwar nicht, was das für uns heute bedeutet, wenn der Staat sagt, ihr sollt 15 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen. Ob wir dann 30 bezahlen sollen, weiß ich nicht. Aber generell heißt das ja, dass Jesus gesagt hat, wir sollen uns nach der staatlichen Ordnung richten.
Oder wie ist es im Philemonbrief: Da gab es den Onesimus, der war Sklave. Und nun, Sklaverei ist ja nun wirklich nichts Tolles und auch nicht unbedingt nach dem Willen Gottes. Aber trotzdem, was tut Paulus? Er sagt nicht: „Sklavenbefreiung, kämpfe gegen deinen Sklavenherrn“, sondern er sagt: „Onesimus, geh zurück zu deinem Sklavenherrn und sei ihm wieder ein guter Sklave.“
Also dem Staat sich unterzuordnen, sagt Jesus. Wenn diese Gesetze den Ordnungen Gottes widersprechen, dann brauchst du ihnen nicht zu folgen. Also wenn jemand von dir fordert: „Geh hin und bringe da irgendeinen um in deiner Freizeit“, das musst du nicht tun, denn das widerspricht ja den Ordnungen Gottes ganz direkt. Also das nicht.
Trotzdem kann es manchmal sein, dass wir, wenn wir das tun, staatliche Gebote überschreiten und dann Strafen auf uns laden. Zum Beispiel in Daniel 6,17, wo Daniel, der den Ordnungen des Königs widersprochen hatte, freiwillig seine Strafe auf sich nimmt, in die Löwengrube hineinspringt und da ja nicht mal verletzt wird – was er vorher allerdings eigentlich nicht wissen konnte.
Da hat er die Ordnungen des Staates überschritten und hat nachher die Strafe auf sich genommen, obwohl er doch den Ordnungen Gottes gehorcht hat.
Da merken wir: Manchmal kann es so sein, dass wir bei einem ungerechten Staat die Ordnungen übertreten und sogar bestraft werden. Und trotzdem sagt Gott in dem Moment, man müsste das machen, gegen den Staat auftreten.
Zweifel und Vorurteile gegenüber Politikern
Also Michael, jetzt wirst du aber langsam kompliziert. So etwas – also, jetzt muss ich mich ja wirklich auch noch um Kultpolitik kümmern. Das geht ja gar nicht mehr. Ich habe keine Zeit dafür. Und vor allem ist es doch so: Alle Politiker sind doch Betrüger, und mit Betrügern soll man nichts zu tun haben. Das steht doch schon in der Bibel. Wenn da jemand ein Irrlehrer ist oder so, dann soll man ihn nicht mehr anschauen. Man soll an ihm vorbeigehen – und bei diesen Betrügern in der Politik genauso.
Jede Woche, wenn ich in der Zeitung lese, gibt es einen neuen Skandal. Die eine fliegt mit dem Flugzeug in die Schweiz, obwohl sie das gar nicht darf. Der andere lässt sich einen Bungalow bauen, obwohl er das auch nicht darf. Und der nächste wohnt in einer großen Villa und bezahlt nichts dafür. Das sind doch alles Betrüger. Also mit denen darf ich gar nichts zu tun haben.
Otto, ich muss dir dabei ja tatsächlich Recht geben: Das Vertrauen zu den Politikern ist manchmal ziemlich schwierig. Aber wie ist das denn generell im Leben? Da triffst du zum Beispiel einen Ausländer, und der schlägt dich zusammen. Danach sagst du, alle Ausländer sind blöd. Ja, das ist doch auch falsch, oder? So pauschal zu urteilen, ist nicht richtig.
Wenn in der Zeitung irgendetwas über Politiker steht, sind das doch oft Pauschalurteile wie: „Alle Ausländer sind blöd“, „Alle Amerikaner sind so und so“, „Alle Bayern sind so“, „Alle Österreicher sind…“ Ja, ich sage jetzt nichts über Österreicher, nicht, und auch nichts über Ostfriesen oder Schwaben. Aber ihr kennt ja solche Aussagen, die es gibt. Und die sind meistens nicht richtig. Also diese Aussagen und mit den Politikern auch nicht.
Wenn man jetzt sagt, da sind zwanzig Versager, kann man ja nicht auf alle schließen. Das sind doch nicht alle Politiker so. Ich kenne zum Beispiel manche Politiker, die ziemlich ehrlich sind. Und vor allem muss man sagen: Die meisten normalen Menschen, also die, die keine Politiker sind – und Otto, da muss man auch auf sich selbst achten: Wie ehrlich bist du eigentlich in deinem täglichen Alltag?
Wenn du jetzt die gleiche Möglichkeit hättest wie der Politiker, würdest du vielleicht auch mehr Fehler machen. Denn auf Politiker wird viel mehr geachtet. Politiker werden von den Medien ganz genau beobachtet. Wenn du deine Steuererklärung falsch machst, merkt das wahrscheinlich kaum jemand. Aber wenn ein Politiker das macht, schnüffelt jeder hinterher. Dann steht das in jeder Zeitung. Du denkst, die sind besonders schlimm, und machst vielleicht genau dasselbe.
Also ganz so müssen wir das nicht sehen. Das sind auch normale Menschen, die Fehler machen. Wenn du zum Beispiel in Aldi gehst und eine Tafel Schokolade mitnimmst, ist das Schlimmste, was dir passiert, dass du 50 Mark bezahlst und vielleicht eine Anzeige bekommst – heute nicht mal mehr. Aber stellt euch mal vor, der Bundeskanzler geht durch den Aldi und nimmt seine Schokolade mit. Dann steht das am nächsten Tag in jeder Zeitung, und jeder denkt, das ist ein toller Betrüger. Aber bei den einfachen Menschen steht das nicht in der Zeitung.
Außerdem hat ein Politiker viel mehr Möglichkeiten als du. Otto, du arbeitest ja noch in der Kantine und sammelst die Tabletts ein. Was kannst du da schon machen? Du kannst ein Tablett mit nach Hause nehmen, aber da bekommst du höchstens Ärger, und sonst passiert nicht viel. Aber wie ist das bei einem Politiker? Der hat 200, 300 Untergebene. Er hat einen Etat von 200 Millionen Mark. Da kann er natürlich viel mehr falsch machen als du mit deinen Tabletts.
Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass er mal einen Fehler macht. Und darüber hinaus bekommst du gar nicht so viele Angebote. Kommt mal jemand zu dir und sagt: „Komm her, ich gebe dir 200 Mark, wenn ich das Essen für die Hälfte bekomme?“ Nein, das passiert wirklich sehr selten. Aber in der Politik ist das gang und gäbe. Da kommt ein Politiker zum anderen und sagt: „Hier, ich gebe dir ein bisschen Cash, wenn das Gesetz dort durchkommt, oder wenn du in diesem Fall zustimmst, stimme ich in deinem Fall auch zu.“
Dann ist die Versuchung natürlich viel größer, falsch zu handeln. Die Politiker sind eigentlich nicht schlimmer als andere Menschen, sie sind nur in einer viel angespannten Situation. Und selbst wenn alle Politiker korrupt wären, würde das noch lange nicht heißen, dass ich mit meinem politischen Einsatz auch falsch handeln könnte.
Denn selbst wenn alle falsch sind – denken wir mal an die Bibel, an so korrupten Staaten wie Ägypten, wo Joseph hinkommt – trotzdem handelt er nach den Ordnungen Gottes, obwohl alle anderen sich nicht um die Ordnungen Gottes kümmern. Politiker müssen also keine Betrüger sein, selbst wenn viele es sind.
Glaube und Politik: Widerspruch oder Verbindung?
Nun, Michael, ich glaube, das könnte tatsächlich sein, denn mein Nachbar lässt auch immer sein Altöl in den Boden fließen. Das habe ich genau gesehen. Und überhaupt, was den Müll betrifft: Er hat seine Mülltonne abbestellt und wirft alles in unseren Garten. Aber nur weil er das macht, muss ich das ja noch lange nicht tun. Da hast du Recht, das stimmt ganz bestimmt.
Weißt du, Glaube und Politik widersprechen sich eigentlich. Das passt gar nicht zusammen. Entweder muss man sich als Christ um den Glauben kümmern und dafür sorgen, dass die armen Heiden endlich zum Glauben kommen, oder man kümmert sich eben um die Politik. Beides zusammen geht ja gar nicht, das kann man nicht tun.
Vielleicht denken manche hier bei euch und auch bei Otto tatsächlich so. Sie sagen sich: Wenn wir irgendwo in Indien ein paar verhungernde Kinder haben, die kurz vor dem Sterben sind, dann geben wir ihnen am besten noch die vier geistlichen Gesetze, damit sie sich vor dem Tod noch bekehren können. Aber Geld auszugeben, um ihnen etwas zu essen zu geben, das wäre ja verschwendet, oder? Vielleicht denken manche so, aber ganz so einfach ist das, glaube ich, nicht.
Wie sieht das denn bei anderen Berufen in deinem Leben aus? Wenn Politik nicht mit dem Christsein zusammenpasst, wie sieht es dann mit einem Banker oder einem Manager aus? Müssen wir nicht sagen, dass das eigentlich noch viel schlimmer ist? Das hat doch auch nichts mit Gott zu tun, oder? Diese Jobs müsste man doch noch viel früher ablehnen, denn schon Jesus warnt davor, dem Mammon, also dem Geld, nachzulaufen.
Was tut ein Manager oder ein Banker anderes, als immer nur Geld einzusammeln, zu zählen und dem Manager den nächsten Bericht zu schreiben? Immer heißt es: 50 mehr Umsatz, 100 mehr Gewinn in diesem Monat oder in diesem Jahr. Es geht doch nur ums Geld. Da dürfte ein Christ erst recht nicht mitmachen.
Oder wie sieht es mit einem Lehrer aus? Der muss sich doch nach einem atheistischen Lehrplan richten, oder? Da gibt doch ein atheistischer Minister vor, was man lernen muss. Du kannst also als Christ auch kein Lehrer mehr sein.
Oder als Journalist, der immer nur über Verbrechen berichten muss, über das, was die Leute falsch und schief machen. Da hilfst du nur anderen, informiert zu sein, was für schlechte Dinge man tun kann. Als Journalist kannst du eigentlich auch nicht arbeiten.
Oder als Supermarktangestellter kannst du auch nicht arbeiten. Denn in den Regalen sind Alkohol und pornografische Zeitschriften, die die Leute kaufen. Im Supermarkt kannst du also auch nichts verkaufen.
Wenn wir noch mehr Berufe durchgehen, wirst du merken, dass da gar nichts mehr übrig bleibt. Das Einzige, was du höchstens noch werden kannst, ist Lehrer an der Bibelschule.
Aber! Da merken wir schon sehr schnell: Gott müssen wir in jeden Lebensbereich mit einbeziehen, egal wo wir arbeiten. Ob wir mit Geld umgehen oder mit Lebensmitteln und Alkohol – überall kann Gott bei uns sein, da können wir mit Gott handeln.
Dafür sind doch die vielen Gebote und Ordnungen in der Bibel da, damit wir uns danach richten können. In der Bibel gibt es eine ganze Menge Gläubige, die sogar als Politiker gearbeitet haben.
Beispiele von Christen in der Politik
Otto, denk zum Beispiel mal an Joseph. Den kennst du doch, den hast du schon in der Kinderstunde kennengelernt. Im ersten Mose 41 steht ganz deutlich, wie er eine wichtige Rolle in der Politik spielte.
Ich will auch David erwähnen. Er war doch auch ein Politiker. Sogar Jesus wird als Sohn Davids bezeichnet, und es wird gesagt, dass er einmal so regieren wird wie David.
Oder denk an Mardochai. Viele kennen ihn nur am Rande, wegen Esther. Aber liest man ganz am Ende des Buches Esther, steht dort, dass er in die höchsten Etagen der Politik erhoben wurde, und zwar im Staat Persien damals.
Wie sieht es aus bei Sergius Paulus in Apostelgeschichte 13? Auch er konnte glauben und war ein hoher Politiker. Es wird nicht gesagt, dass er seine Politik aufgeben muss.
Auch in unserem Jahrhundert, Otto, gab es einige Leute, die als Politiker ganz deutlich und überzeugt Christen waren. Zum Beispiel Christoph Blumhardt. Er war Abgeordneter im württembergischen Landtag und hat dort als überzeugter Christ seine Meinung vertreten.
Dann gab es Abraham Kuiper, der als niederländischer Premierminister am Anfang dieses Jahrhunderts die Politik des ganzen Landes bestimmte. Nebenbei gründete er eine freie christliche Universität, unzählige Schulen und reformierte die Kirche mit.
Oder Ernst Sieber in der Schweiz, der als Nationalrat arbeitet und versucht, christliche Gedanken einzubringen.
Auch Jimmy Carter in den USA ist ein Beispiel. Er setzt sich gegen Abtreibung ein, steht für den Glauben ein und reist heute noch weltweit herum, um Menschen in der Dritten Welt zu helfen und den Glauben zu fördern.
Ja, das sind einige solcher Leute. Und es gibt kein Gebot in der Bibel, das sagt: „Du darfst nicht in die Politik gehen.“ Im Gegenteil, manchmal beruft Gott Menschen sogar in die Politik.
Otto bleibt skeptisch: Politik als unmöglicher Weg
Also so leicht lasse ich mich nun nicht überzeugen. Jetzt willst du wohl gleich, dass ich hier Bundeskanzler werde, oder? Das geht aber nicht, denn ich will etwas ganz anderes werden.
Bei den Politikern ist es sowieso so, dass sie eigentlich gar keine Christen wollen. Und selbst wenn wir zu ihnen gehen und sagen würden, wir wollen mitmachen und ihr müsst auf uns hören, dann machen sie nur die Tür zu und lachen uns aus. Dann bleibe ich lieber gleich zuhause. Mit so etwas beschäftige ich mich gar nicht, da braucht man sich gar keine Mühe machen.
Das ist ein klares Votum von Otto. Aber ich habe manchmal auch genauso gedacht wie er. Anfang dieses Jahres habe ich dann gelesen, was Politiker eigentlich so sagen. Da war ich ganz erstaunt. Zum Beispiel hat Bundeskanzler Kohl im letzten Jahr, wie es hier zitiert wurde, gesagt:
„Auch wer die Glaubenslehre der christlichen Kirche nicht teilt, wird ihre herausragende Rolle in einer politischen Ordnung, die auf dem Fundament allgemein verbindlicher Grundwerte ruht, anerkennen müssen.“
Auch wenn du das nicht ganz verstehst, lese ich noch zu Ende. Er sagte weiter:
„Es ist die Aufgabe der Kirchen in einer säkularisierten Welt, die Fragen nach dem Staat und der gesellschaftlich übersteigenden Wirklichkeit, nach der letzten Sinngebung menschlicher Existenz zu stellen. Auf diese Weise erinnern sie stets auch daran, dass irdische Macht Grenzen gesetzt sind, die niemand überschreiten darf. Es gibt grundlegende sittliche Gebote, die auch die staatlichen Institutionen verpflichten. Es ist nicht nur etwa das Recht, sondern es ist eine Pflicht der Kirchen, darauf immer wieder hinzuweisen.“
Na ja, er kennt ja nicht die einzelnen Christen, auch dich nicht. Er weiß nur, dass die Kirchen da sind und etwas über den Glauben sagen sollen. Und da sagt er ganz deutlich: Gebote des Staates ruhen auf der Ordnung Gottes. Die Christen in der Kirche sind verantwortlich, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, weil der Staat sonst zusammenbricht.
Dann habe ich hier noch ein Zitat, das vielleicht nicht so wichtig ist. Aber sogar Joschka Fischer, der Vorsitzende der Grünen im Bundestag, die ja nun gar nicht so christlich sind, sagt ganz deutlich:
„Ohne die Christen im Staat geht es nicht. Ohne die Christen und deren Ordnung kann man gar keine Gebote durchsetzen.“
Das ist wirklich erstaunlich. Zu sagen, Christen seien im Staat nicht gewollt, ist nicht so einfach. Sie wollen das schon, nur sie kennen dich nicht. Und vor allem genügt es natürlich nicht, nur Christ zu sein. Du musst dich auch ein bisschen auskennen. Du musst erst einmal studieren, mit den Leuten reden, sie kennenlernen und so weiter. Dann geht das schon.
In der Bibel gibt es zwar viel Konkurrenzkampf, und sie werden erst versuchen, dich fertigzumachen, weil ja jeder Bundeskanzler werden will. Aber die christlichen Werte kannst du vertreten. Als Grundlage für die Politik brauchen das die anderen auch, und sie hören darauf.
Weißt du, ich habe ein paar Leute kennengelernt, die das auch gemacht haben. Die Politiker haben immer wieder gesagt, warum es so wenige Christen gibt, die das wirklich vertreten.
Tja, also ich gehe jetzt bald in die Politik hinein. Ich gehe nicht mehr zu dir, wo du an der Bibelschule bist, sondern ich gehe jetzt in die Politik hinein.
Gibt es christliche Politik? Leitplanken für politisches Handeln
Aber weißt du, wie das eigentlich mit der Politik ist? Gibt es denn überhaupt christliche Politik? Gibt es Christen, die wirklich Politik machen können? Die Bibel gibt mir doch zwar Auskunft über mein eigenes Leben, über mein privates Leben. Aber was ich im Staat machen soll, darüber sagt die Bibel mir doch tatsächlich nichts, oder?
Ich weiß nicht, was ihr dem lieben Otto darauf antworten würdet, ob die Bibel tatsächlich nur etwas darüber sagt, ob ich meinem Nachbarn nicht das Auto stehlen soll, ob ich nicht Ehe brechen soll, ob ich nicht lügen soll – oder ob es da nicht auch Dinge gibt, die im Staat eine Rolle spielen.
Sicherlich stehen die Verkehrsregeln nicht in der Bibel. Es steht auch nicht darin, wie hoch die Mehrwertsteuer oder die Lohnsteuer sein soll. In einem Fachbereich muss man sich natürlich auskennen. Aber immer wieder gibt es Leitplanken, Grenzen, innerhalb derer man sich bewegen muss. Und diese Leitplanken gibt die Bibel.
Es gibt Maßstäbe für das tägliche Leben genauso wie für die offizielle Politik. So finden wir ganz genaue Angaben in der Bibel zum Beispiel über den Umgang mit Ausländern, über Korruption, über den Umgang mit der Natur, über Wirtschaftsfragen und so weiter.
Wenn ich jetzt gerade mal fragen darf – ich weiß nicht, wie viel Geduld ihr mit mir habt – aber interessiert es euch zum Beispiel, wenn ich nur ein Beispiel nehme, das ich ganz spannend finde: den Umgang mit Ausländern?
Vor kurzem habe ich in einer christlichen Zeitung gelesen – ich sage mal nicht, welche das ist. Es ist eine, die ich eigentlich ganz schätze, aber sie haben da etwas über Ausländer geschrieben. Und ich war erstaunt, denn obwohl sie Christen sind, haben sie die Bibel wohl nicht genau gelesen. In der Bibel steht nämlich etwas ganz anderes als das, was sie geschrieben haben.
Da steht in ihrer Zeitschrift: „In den letzten Jahrzehnten hat der deutsche Staat entgegen seiner Aufgabe annähernd zehn Millionen Nichtdeutsche in unser Land aufgenommen. Hierdurch hat er dem eigenen Volk ungeheure Lasten aufgelegt und Massenarbeitslosigkeit verursacht. Die Ansiedlung fremder Volksteile soll offensichtlich dazu beitragen, die von Gott eingerichtete Völkerordnung zu beseitigen, denn die bislang völkisch einheitlich geprägte Einwohnerschaft wird in unseren Zeiten durch eine internationale Bevölkerung ersetzt.“
Na, an die Neonazis erinnert das doch, oder? Und tatsächlich müssen wir sagen: Auch wenn es vielleicht keine Neonazis sind, sie sind ja überzeugte Christen, die das hier sagen. Aber bitte sehr, wo steht denn so etwas in der Bibel, meine Lieben und lieber Otto? In der Bibel finden wir so etwas nämlich gar nicht. Nirgends steht ein Wort davon.
Wenn wir in die Bibel hineinschauen, wie sehen wir das? Wir sehen viele positive Beispiele, wie Leute ihre Heimat verlassen haben und Flüchtlinge geworden sind. Und wie das sogar gerechtfertigt oder beauftragt von Gott worden ist. Denken wir an Abraham.
Ja, er musste seine Heimat verlassen, war Flüchtling im fremden Land. Und positiv: Er war gottergeben. Müssen wir als Ausländer Feinde sagen? Also: „Abraham, Ausländer raus, zurück, du darfst hier nichts zu suchen haben“? Oder wie sieht es mit Jakob aus, der nach Ägypten flieht wegen der Hungersnot? Wirtschaftlicher Flüchtling. Müssen wir sagen: „Hey, geh zurück nach Kanaan, verhunger dort, spielt keine Rolle“?
Oder wie sieht es politisch aus mit David, der zu den Philistern geht, weil er von Saul im eigenen Land verfolgt wird? Dann müssten wir sagen: „Auch hier, David, geh zurück, lass dich ruhig umbringen, spielt keine Rolle“? Oder Jesus, Maria und Joseph, die nach Ägypten gehen, weil der Engel ihnen das sagt – im Ausland Asyl suchen, nichts anderes als Asylsuchende. Müssen wir sagen: „Hier in Ägypten hast du nichts zu suchen, Ausländer raus, geh zurück, egal was mit deinem Kind passiert“?
Das sind einige Beispiele aus der Bibel, die ganz deutlich zeigen, wie die Bibel mit Ausländern umgeht. Und es gibt viele Gründe, die genannt werden.
Die neutestamentliche Gemeinde war tatsächlich multikulturell (Apostelgeschichte 6,1; Kolosser 3,11). Es wird darauf hingewiesen, dass es vor Gott keine Unterschiede gibt zwischen Mann und Frau, Reich und Arm, Juden und Griechen oder anderen. Alle waren zusammen vermischt.
Das römische Reich war multikulturell. Die wenigsten Juden lebten damals in Israel. Die meisten Juden lebten in der heutigen Türkei, in Italien, Nordafrika und so weiter. Das war alles vermischt, ganz anders als wir uns das heute vorstellen.
Natürlich kennt dieser Schreiber die Geschichte nicht, sonst müsste er wissen, dass die meisten Menschen, die heute in Deutschland wohnen, hier erst seit der Völkerwanderung sind oder Vertriebene wie Hugenotten oder ostpreußische Flüchtlinge. Eine „reine deutsche Bevölkerung“ gibt es nicht. Das gibt es nicht, sondern fast alle sind Flüchtlinge, die hierher gekommen sind. Die ursprüngliche Bevölkerung waren Kelten, die weiter nach Westen ausgewandert sind – heute sind das die Franzosen und Engländer.
Darüber hinaus finden wir in der Bibel – wer das gerne nachlesen will, dem kann ich das auch schriftlich geben – dass in Israel der Fremdling von Gott geschützt sein soll (5. Mose 14,29; 5. Mose 16,11). Er darf keinesfalls ungerecht behandelt werden (2. Mose 22,20).
Israel wird sogar aufgefordert, den Fremdling in Erinnerung an die eigene Fremdlingschaft in Ägypten zu lieben. Das heißt nicht nur zu dulden, sondern den Fremdling im eigenen Land zu lieben und ihm die gleichen Rechte zuzugestehen wie den anderen Israeliten (3. Mose 24,22).
Andererseits muss sich natürlich auch der Fremdling den staatlichen Ordnungen Israels unterwerfen. Es ist also nicht so, dass jeder einfach kommen und bleiben kann. Die Fremdlinge müssen sich an die staatlichen Ordnungen halten. Das ist die andere Seite.
Allerdings müssen sie nicht Juden werden (5. Mose 14,21). Sie können Fremdlinge bleiben und ihren Glauben weiterverfolgen, dürfen aber keinen Juden davon überzeugen, nicht Jude zu werden.
Hier müssen wir sagen, dass unser deutsches Grundgesetz gar nicht so schlecht ist. Es erlaubt im Prinzip nicht jedem, hierher zu kommen, nur weil er gerade Lust dazu hat. Es gibt enge Schranken.
Das Problem in Deutschland ist, dass die gesetzlichen Ordnungen, die es gibt, nicht eingehalten werden. Leute, die Verbrecher sind, werden nicht abgeschoben, obwohl es gesetzlich möglich wäre. Sie sind immer noch hier. Leute, die aus falschen Gründen hier sind, um ihre Machenschaften zu betreiben, kommen überhaupt erst rein.
Das ist gesetzlich eigentlich nicht legitim. Als Christen in der Politik müssten wir eher vertreten, dass diese Ordnungen, die im Grundgesetz stehen, durchgesetzt werden. Man muss sich daran halten und den Rechtsweg verfolgen.
Nicht sagen: „Diese armen Leute haben trotzdem noch ein Recht“ und so weiter. Sondern sagen: „Okay, diese haben sich nicht daran gehalten. Diese sind hier nicht richtig. Sie haben keinen legitimen Grund, hierher zu kommen, also werden wir sie nicht aufnehmen.“
Zweifel an christlichen Staaten und Realität der Politik
Nun, lieber Michael, du erzählst mir jetzt eine ganze Menge, und ich hoffe, dass ich das alles im Kopf behalte. Also, was die Politiker angeht: Ich glaube fast, da hast du Recht, besonders bei der christlichen Politik. Aber es gab doch nur christliche Staaten, oder? Ich meine, Israel – das waren doch die Juden, und die haben an Gott geglaubt. Aber heute? Die Politiker glauben doch gar nicht mehr an Gott. Und in der Verfassung haben sie doch sogar, habe ich gelesen, vor, das mit Gott wegzustreichen. Also so, dass alles von Gott gemacht worden ist, nicht?
Ja, Otto, da hast du Recht. Es wäre gut, wenn alle Christen im Staat wären. Aber wie sieht das denn in der Bibel aus? Ich habe ja schon verschiedene Leute genannt. Erst einmal: Wie ist das mit Paulus? Der hat ja im Römer 13 geschrieben – wie war das noch? Also ja, und wie war es zum Beispiel bei Joseph, der in Ägypten war? Er war doch auch in einem Staat, sogar Premierminister. War das ein christlicher Staat? Nein.
Und dann, wie ist es bei Mardochai in Persien, bei David bei den Philistern oder Daniel bei den Babyloniern und Persern? Waren das christliche Staaten? Nein, auch nicht. Also, wenn diese Politiker in Staaten tätig waren, die nicht christlich oder jüdisch waren, und Gott sie trotzdem gebraucht hat, dann können wir doch auch sagen: In einem Staat, der heute viel näher an Gottes Ordnungen ist als der römische, griechische oder persische Staat, können wir schon lange versuchen, christliche Überzeugungen zu vertreten.
Denn nirgends in der Politik wirst du gezwungen, gegen dein Gewissen Entscheidungen mitzutragen. Zwar gibt es Parteidisziplin, wo man gedrängt wird: „Du musst das tun, sonst drängen wir dich in die Ecke, lassen dich fallen oder du wirst nicht mehr gewählt.“ Aber du musst nicht mitmachen. Du kannst deine Überzeugungen vertreten.
Viel habe ich jetzt ja nicht mehr zu sagen, mir fällt fast nichts mehr ein. Ich glaube, ich muss mich da schon ein bisschen mehr darum kümmern. Aber eines möchte ich noch sagen: Weißt du, Politik – da kann man ganz schön viel machen. Viele Menschen haben mitzureden, es muss viel beachtet werden, und es dauert lange. Da kann man ja nie schnell etwas verändern. Ich bin ja schon fünfzig Jahre dabei, habe hier einen langen Bart, und trotzdem ist nichts passiert.
Und tatsächlich: Wer schon mal in der Politik war, hat das gemerkt. In der Politik dauert es wirklich lange. Die springen nicht von heute auf morgen von ihren Sesseln auf und sagen: „Toll, dass ihr kommt, jetzt machen wir eine andere Politik, jetzt verändern wir alles.“ Natürlich dauert das alles lange. Politik lässt sich nicht von heute auf morgen umkrempeln. Es dauert oft Jahre, bis sich etwas verändert.
Aber auch in anderen Lebensbereichen, lieber Otto, ist das so: Man setzt sich jahrelang ein, um ein Ziel zu erreichen. Sonst geht es nicht. Ohne jahrelanges Training wirst du nie Rechtsanwalt werden. Oder ohne Ausbildung kannst du nicht Fleischer, Metzger, Schreiner, Lehrer oder sonst etwas werden. Gar nichts erreicht man ohne jahrelange Ausbildung. Und da investierst du viel Zeit, ohne dass sich sofort etwas verändert oder du etwas tun kannst.
Auch die Möglichkeiten sollten nicht unterschätzt werden. Zum Beispiel lesen wir bei Paulus im 1. Timotheus 2,1, dass wir für die Obrigkeit beten sollen. Gott wird dann etwas im Staat verändern. Oder in Jeremia 29,7 steht, dass wir das Beste für die Stadt suchen sollen, uns für die Gegend und die Leute einsetzen, mit denen wir leben.
Zum Beispiel kannst du Briefe an die Medien schreiben. Neulich gab es so einen Politiker, der eine Aktion „Rote Karte“ gemacht hat. Da konnte man Karten bestellen und ausfüllen, zum Beispiel: „In dieser Sendung ist zu viel Sex drin“ oder „zu viel Gewalt im Fernsehen“. Dann schickt man die Karten ein. Stell dir vor, so ein Sender bekommt tausend oder vielleicht zehntausend Karten an einem Tag. Der wird tatsächlich etwas ändern. Denn die Medien achten sehr genau auf Einschaltquoten und Publikumsmeldungen. Da tut sich etwas.
Weißt du, Otto, ich habe das sogar schon gemacht. Mein Leserbrief wurde sogar mal im Radio vorgelesen als Antwort darauf. Da tut sich was. Die Leute hören darauf. Du kannst tatsächlich etwas verändern, auch wenn nicht immer alle begeistert sind. Aber je mehr Christen sich melden, desto mehr passiert.
Du kannst zum Beispiel dem Abgeordneten in deiner Gegend deine Meinung sagen. Der will ja wiedergewählt werden. Wenn du ihm sagst: „Wir sind schon ein paar Christen, und wenn Sie da nicht ein bisschen Druck machen, werden wir Sie bestimmt nicht wählen“, dann wird er sich das überlegen. Vielleicht kommt er sogar mal vorbei und redet mit euch.
Oder ihr könnt eine Unterschriftenliste machen, zum Beispiel gegen Abtreibung, wenn ihr dagegen seid. Ihr könnt mit anderen Christen darüber sprechen oder sogar eine eigene christliche Partei gründen, wie es schon einige gibt.
Es gibt auch öffentliche Diskussionen, an denen man teilnehmen kann. Zum Beispiel machen wir das hier in der Bibelschule: Es gibt ein Medienteam, das Radiosendungen vorbereitet. Da habe ich auch schon mitgemacht. Die Sendungen werden öffentlich im Radio ausgestrahlt. Auch so können wir Menschen erreichen, die darauf antworten. Das hat alles mit Gesellschaft und Politik zu tun.
Oder wir können unsere Nächstenliebe praktisch zeigen, wie es in Matthäus 25,34 und 1. Johannes 3,17 sowie ähnlichen Stellen steht. Dort werden Christen aufgefordert, auch in ihrer ungläubigen Umwelt durch ihre Taten zu zeigen, dass sie Christen sind.
Ja, Michael, du hast Recht: Ich werde Politiker. Ich gründe eine eigene Partei. Komm, lass uns gleich losgehen. Die Bibel steht ja voll mit allem, was wir wissen müssen.
Abschluss: Verantwortung und Engagement als Christen in der Politik
Also, jetzt war das vielleicht etwas zu viel für Otto, und deshalb muss ich ihm noch sagen:
Otto, bevor du jetzt wegläufst, denk daran, in der Politik ist es zwar gut, wenn man gläubig ist und die Ordnung der Bibel kennt. Aber man muss sich auch bei Fachleuten erkundigen und ein bisschen Fachwissen haben. Die Bibel ist ja kein geistliches Orakel.
Wenn es darum geht, ob ein Liter Benzin fünf Mark kosten soll, kannst du nicht einfach sagen: „Welche Zahl ich zuerst sehe, so viel soll der Liter Benzin kosten.“ Zum Beispiel, hier steht dreizehn. Nein, dreizehn Mark soll der Liter Benzin kosten. So geht das nicht, Otto. Du musst dich schon mehr nach den Fachentscheidungen richten.
Manchmal kann es sein, dass wir in unserem besten Wissen und Gewissen, in unserer Beziehung zu Gott, Entscheidungen treffen müssen, auch wenn wir nicht hundertprozentig sicher sind, ob sie richtig sind. Dann müssen wir immer wieder Gott darum fragen und zum Beispiel eben auch die Bibelstellen zum Thema Benzin nicht zu genau lesen.
Also, lieber Otto, ich glaube, dir ist jetzt schon ein bisschen klarer geworden, wie das ist.
Ja, ja, mir ist das ganz klar geworden.
Gesellschaftliche Verantwortung hat eigentlich jeder im Leben, ob er will oder nicht. Es kommt nur darauf an, ob du das wirklich wahrnimmst oder ob du einfach die Augen zumachst, die Ohren zu, den Mund zu und dann sagst: „Ich kümmere mich nicht mehr darum.“ Oder ob du sagst: „Tatsächlich beeinflusse ich durch alles, was ich tue, meine Umwelt.“
Im Neuen und im Alten Testament wird sowohl passives als auch aktives politisches Engagement von den Menschen gefordert. Das sollen sie tun, ganz klar. Es gibt viele Bibelstellen dazu.
In unserer modernen Gesellschaft kannst du dich dem gar nicht entziehen. In unserem Staat, zumindest in Deutschland, gibt es viele Möglichkeiten, in der Politik Einfluss zu nehmen. Der Staat fordert das sogar.
Du kannst das tun und gleichzeitig der Bibel gehorsam sein.
„Suchet der Stadt Bestes, in die ich euch geführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn wenn es ihr wohlergeht, wird es euch auch gut gehen.“ (Jeremia 29,7)
Wer noch weitere Bibelstellen möchte, ich habe hier einige notiert. Ich habe sie nicht alle vorgelesen, weil wir sonst noch mehr Zeit brauchen würden.
Was ich aber in jedem Fall hoffe, ist, dass euch durch Otto und diese Beteiligung klar geworden ist: Politik ist auch im Jahr 1998, wenn die Bundestagswahl ansteht, eine Sache der Christen.
Wir können nicht einfach sagen: „Lasst mal die anderen machen.“
Wir können auch nicht sagen: „Oh, die bösen Leute da, die sind sowieso alle Betrüger.“
Wir müssen unsere Verantwortung in der Umwelt wahrnehmen, auch in der politischen und gesellschaftlichen Umwelt. Dazu sollen wir stehen und anderen das zeigen.
Das kann in persönlichen Gesprächen sein, in einem kleinen Leserbrief, der ganz kurz sein kann, oder nur in einem Anruf. Schon merkt man das.
Oder eine Jugendgruppe, die im Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen eine Sendung gestaltet, oder ähnliches. Es gibt viele Möglichkeiten, andere Menschen zu erreichen und als Christen öffentlich präsent zu sein.
Dann brauchen wir nicht zu meckern und zu sagen: „Die machen ja alles falsch.“
Wenn wir nicht selbst unseren Einfluss so weit wie möglich nutzen, wie wir ihn haben, brauchen wir auch nichts zu sagen, wenn die anderen es nicht so machen, wie wir es uns wünschen.
Lasst uns also herausgefordert sein, auch in kleinen Bereichen. Ich sage ja nicht, dass jeder Politiker werden muss, wie eben Daniel, Joseph oder David.
Es gibt auch Christen, die Gott speziell zu einem solchen Beruf beruft. Das Wort „Beruf“ steckt ja schon drin: Jeder Beruf ist eigentlich eine Berufung von Gott.
Egal, ob ich Postbote bin, Verkäufer bei Aldi oder Ingenieur bei einer Firma – alles ist eine Berufung.
Genauso kann es sein, dass Gott Menschen in die Politik beruft, damit sie dort ein Zeugnis sind. Dann ist es an uns, sie zu unterstützen, auch in ihrem Bereich.
Wer noch mehr Fragen hat, wie das konkret möglich ist, was man tun kann oder was Christen schon tun, dem kann ich gerne noch ein paar Blätter zum Lesen geben oder etwas dazu sagen.
Wir wollen heute Abend abschließen und noch gemeinsam zum Abschluss beten.