Die Verheißung des Gebets im Namen Jesu
Im Johannes-Evangelium, Kapitel 16, Vers 23, sagt Jesus: „Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er es euch geben.“ Mit diesem Wort wird uns eine große Tür geöffnet. Gebet ist nun wie ein Durchgehen durch sperrangelweit geöffnete Türen.
Vielleicht hat Friedrich von Bodelschwingh, der Gründer Bethels, dies am einfachsten und schönsten mit einer Kindheitserinnerung illustriert. Als kleiner Junge von drei Jahren war er neben seiner Schwester im Schlafzimmer eingeschlafen. Plötzlich wurden sie durch irgendetwas geweckt. Aufrecht saßen sie da und fürchteten sich.
„Komm“, sagte die Schwester, „komm, wir stehen schnell auf und gehen ins Wohnzimmer.“ Für den Jungen war das jedoch ein schreckliches Unterfangen. Man musste durch zwei stockfinstere Zimmer hindurchgehen, weshalb sie einen Moment zögerten. Doch als die Angst immer größer wurde, wagten sie es schließlich.
Hand in Hand pilgerten sie in ihren weißen Nachthemden durch die erste Stube und dann durch die zweite. Ihre Herzen klopften vor Angst und Erwartung. Doch als sich die letzte Tür öffnete, weil der Vater die rufenden Kinder gehört hatte, war auf einmal alles wieder gut.
„Unter der Hand des Vaters, die sich auf den Kopf legte, waren alle Ängste vergessen. Es blieb nur noch der Satz: ‚Vater, ich wollte nur zu dir.‘“ Bodelschwingh sagte wörtlich: „Beten heißt, sich aus der Weltangst aufzumachen und zum Vater zu gehen. Beten heißt sehen, wie sich die Tür auftut. Beten heißt, seinen Kopf neigen, damit der Vater seine Hand darauflegen kann. Beten heißt so sagen: Vater, ich wollte bloß zu dir.“
Zweifel und Herausforderungen im Vaterbegriff
Und wenn ich so nichts sagen kann, wenn ich Schwierigkeiten damit habe und mir das Wort Vater nicht über die Lippen kommt – was dann?
Es gibt Menschen unter uns, die mit Reinhold Schneider sagen: „Des Vaters Angesicht hat sich verdunkelt.“ Ich kann eigentlich nicht mehr Vater sagen. Die grausamen, unergründlichen Möglichkeiten der Quälerei, die in der Natur angelegt sind, überfordern meinen Glauben geradezu.
Zu vielen ist der liebe Vater durch Bomben erschlagen worden, andere sind auf der Flucht erfroren oder in brennenden Städten verbrannt. Vielen anderen wurde der liebe Vater durch Gemeinheiten getötet, vom Krebs zerfressen oder von Sorgenbergen erstickt.
Nur zu viele verstehen den Kellner in Hemingways Kurzgeschichte, der lange nach Mitternacht gähnend in das leer gewischte Lokal schaut. „Was war der Tag?“, fragt er sich. „Es war ein Nichts, und der Mensch war auch ein Nichts.“
Dann beginnt er zu beten: „Unser Nichts, der du bist im Nichts, Nichts ist dein Name, dein Nichtkommen, dein Nichtgeschehen, wie im Nichts, so im Nichts.“
Dieses abgrundtiefe Nichts ist kein seltener Gast. Es ist nicht nur im Kaffee, nicht nur in der Schule. Es kann uns am Arbeitsplatz, am Feierabend, am Sonntag begegnen – ja, sogar im schönsten Gottesdienst.
Die Ermutigung Jesu gegen Resignation
Aber Jesus stellt sich gegen die Resignation. Er kennt die belastenden Tiefs im Leben. Deshalb macht er deutlich, dass Christen nicht schweigen müssen, sondern vielmehr „Vater“ sagen dürfen.
Im Grunde ist der gesamte christliche Glaube nichts anderes als die von Jesus Christus vermittelte und bestätigte Erlaubnis, zu Gott „Vater“ zu sagen. Paulus schreibt: Ihr habt doch keinen knechtischen Geist empfangen, durch den ihr euch fürchten müsstet. Stattdessen habt ihr einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
Jesus hat diesen Begriff des Vaters mit Leben gefüllt. Sein erstes Wort, das wir von ihm kennen, lautet: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Sein letztes Wort war: „Ich befehle meinen Geist in deine Hände, Vater.“
Zwischen diesen beiden Worten erstreckt sich sein gesamtes Reden und Wirken, sein Sterben und Verstehen, seine Rettung und Erlösung.
Das Vaterunser als gelebtes Gebet
So können wir den Begriff „Vater“ mit all seiner Bedeutung annehmen und ihn in unserem Gebet verwenden.
Vater unser, der du bist im Himmel, dir gehören meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vater, dein Reich komme! Alle Mächtigen sind nur Schachfiguren auf deinem Brett.
Vater, dein Wille geschehe! Ich muss meinen Willen nicht mehr durchsetzen. Vater, gib uns unser täglich Brot heute. Meine Brötchen, meine Lohntüte, mein Arbeitsplatz sind dir nicht egal.
Vater, vergib uns unsere Schuld. Nichts soll mehr die Beziehung zwischen mir und dir belasten. Vater, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Den Teufel hast du endgültig zum Teufel gejagt.
Vater, dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Es stimmt, wenn ihr den Vater um etwas bittet, wird er es euch geben. Probiert es doch einmal aus – heute, jetzt!