Ich möchte heute über ein eher technisches Thema sprechen. Es ist ein Thema, über das man als Ältester nicht so leicht reden kann. Tatsächlich habe ich schon einmal in einer anderen Gemeinde darüber gesprochen. Dabei muss ich mich entschuldigen, denn am Anfang der Predigt konnte es so wirken, als würde ich mich in die Angelegenheiten eines fremden Staates einmischen.
Ich möchte mit euch noch einmal zurückgehen zum Titusbrief. Auf Kreta, um das kurz zu wiederholen, hatten sich verschiedene Gemeinden gebildet. Wahrscheinlich waren diese Gemeinden noch relativ jung, und die Situation war schwierig. Das hatte verschiedene Gründe.
Der kulturelle Hintergrund erschwerte ein normales Gemeindeleben und die gesunde Entwicklung junger Gläubiger erheblich. Wir haben in Titus 1 gelesen: Kreter sind immer Lügner. Das bedeutet, dass sie nicht immer die Wahrheit sagten, wenn es für sie von Vorteil war. Zudem werden Kreter als wilde Tiere beschrieben – sehr emotional und ungebremst. Man musste also immer vorsichtig sein, was man ihnen sagte und wie man ihnen begegnete, denn es konnte schnell zu einem emotionalen Ausbruch kommen.
Außerdem waren sie faul. Das sind alles kulturelle und familiäre Voraussetzungen, die es nicht gerade fördern, dass Menschen so werden, wie Gott sie haben möchte, und die ein funktionierendes Gemeindeleben erschweren.
Stellt euch eine Gemeinde vor, die nur aus solchen Menschen besteht – das ist nicht einfach. Sie waren wenig geprägt von den Maßstäben Gottes, sondern eher von ihrem familiären und kulturellen Hintergrund.
Herausforderungen der Gemeinden auf Kreta
Verschärfend kam noch hinzu, wie man in Kapitel 1 von Titus, Verse 10 bis 16, sieht, dass zusätzlich Leute in die Kirche gekommen sind, die sich in den letzten Jahren dort eingefunden hatten. Diese Personen versuchten, genau diese Schwächen auszunutzen, um irgendwie Profit daraus zu schlagen.
Sie brachten eigene Lehren mit, die ungefähr so lauteten: Ihr könnt so bleiben, wie ihr seid, ergänzt durch einige jüdische Regeln. Ich weiß nicht genau, wie sie das miteinander verknüpft haben. Dadurch wurde es umso schwieriger, diesen Einflüssen entgegenzuwirken und gleichzeitig die Geschwister und die Gemeinden weiterzubringen und zu stabilisieren.
Ganz praktisch ging es natürlich darum, wie Paulus es im großen Abschnitt von Kapitel 2, Vers 1 bis Kapitel 3, Vers 2 beschreibt. Es ging im Prinzip darum, genau diese praktischen Dinge zu lernen: Wie verhalte ich mich als älterer Mann? Wie soll ich als ältere Frau sein? Was soll ich den jüngeren Frauen beibringen? Wie sollen sie sich verhalten? Wie sollen junge Männer sich verhalten? Wie ist es mit Christen am Arbeitsplatz? Wie ist es mit Christen in der Gesellschaft?
Beim letzten Mal, als wir über Titus gesprochen haben, haben wir viel über gute Werke gesprochen. So etwas wäre den typischen Kretern wahrscheinlich nicht eingefallen, überhaupt darüber nachzudenken – zumindest nicht bevor sie sich bekehrt hatten und bevor jemand wie Titus da war, der versucht hat, ihnen das beizubringen.
Titus' Auftrag und die Situation vor Ort
Titus war ein Kreter und hatte eine große Aufgabe. Er war nicht unbedingt in einer einzelnen Gemeinde tätig, sondern es gab in verschiedenen Städten jeweils eine Gemeinde. Sein Auftrag war es, dort Stabilität zu schaffen, gesundes Wachstum zu fördern, gesunde praktische Lehrer zu unterstützen und die Gemeinden vor negativen Einflüssen von außen zu bewahren. Das war seine Aufgabe.
Vielleicht noch einmal für diejenigen, die die Bibel studieren: Im ersten Abschnitt, Titus 1,10-16, geht es um diese Einflüsse von außen. Paulus charakterisiert die Menschen, die diesen Einfluss brachten, auf eine sehr interessante Weise. Ich lese Vers 16 vor: „Sie geben vor, Gott zu kennen, verleugnen ihn aber in ihren Werken und sind abscheulich, ungehorsam und für jedes gute Werk untauglich.“
Das ist ein ziemlich hartes Urteil. Diese Menschen sind abscheulich und ungehorsam, also aufrührerisch. Wahrscheinlich waren das nicht nur Leute innerhalb der Gemeinde, sondern auch Menschen, die von außen kamen. Sie lehren aufrührerisch, nicht nur in der Gemeinde, sondern auch in der Gesellschaft und im politischen Zusammenhang. Außerdem sind sie unfähig, gute Werke zu tun.
Interessant ist der Gegensatz zu dem, wie der zweite große Abschnitt endet, nämlich in Kapitel 3, Vers 1-2. Ich lese das noch einmal vor: Titus bekommt den Auftrag, die Gläubigen daran zu erinnern, den Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein. Das ist das genaue Gegenteil von aufrührerisch zu sein. Sie sollen Gehorsam leisten und zu jedem guten Werk bereit sein.
In Kapitel 1, Vers 16 heißt es, sie seien für gute Werke untauglich. In Kapitel 3, Vers 1-2 sollen sie aber zu jedem guten Werk bereit sein. Außerdem sollen sie nicht streitsüchtig sein, sondern allen Menschen milde und sanftmütig begegnen. Zusammengefasst bedeutet das, sie sollen positiv in der Gesellschaft und ihrer Umgebung leben. Während die Störer abscheulich sind, fordert Paulus die Gläubigen zu einem gegenteiligen Verhalten auf.
Paulus stellt also einen direkten Gegensatz dar zwischen den negativen Einflüssen, die in die Gemeinden hineinkamen (Kapitel 1), und dem, was Titus den Geschwistern beibringen soll (Kapitel 2, Vers 1-3). Beide Abschnitte enden mit ähnlichen Gedanken, aber in scharfem Gegensatz zueinander.
Es gab also viel Handlungsbedarf für Titus. Er musste sicherstellen, dass Streit und schlechte Einflüsse nicht dauerhaft Fuß fassen konnten in den Gemeinden. Ich lese noch zwei Verse aus Titus 3 vor: Dort heißt es, einen sektiererischen Menschen soll man nach ein- oder zweimaliger Zurechtweisung abweisen, weil man weiß, dass ein solcher Mensch verkehrt handelt und sündigt. Dabei verurteilt er sich selbst.
Titus sollte also darauf achten, dass solche Menschen, die Streit und Spaltung in die Gemeinden bringen, keinen dauerhaften Einfluss gewinnen. Er sollte sie warnen, ein- oder zweimal zurechtweisen und, wenn sie sich nicht besserten, ihnen klarmachen, dass sie in der Gemeinde nicht willkommen sind. Das war eine wichtige Aufgabe, die Titus hatte: in diesen Gemeinden dafür zu sorgen, dass Menschen mit schlechtem Einfluss, die Streit und Spaltung bringen, nicht Fuß fassen konnten.
Die Bedeutung gesunder Lehre und praktischer Ermahnung
Im zweiten Bereich, in dem großer Handlungsbedarf bestand und klare Aufträge vorlagen, lese ich noch einmal aus Titus 1: Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt, was zur gesunden Lehre passt. Bring ihnen diese praktischen Dinge bei, die ich vorhin schon aufgezählt habe. Das sollte er wirklich mit großem Nachdruck tun.
Noch einmal zwei Verse dazu, Kapitel 2, Vers 15: Dies rede und ermahne und überführe mit allem Nachdruck. Er hat den Auftrag, diesen Gemeinden unterwegs zu sein und ihnen diese ganz praktischen Dinge zu vermitteln. Ihr müsst anders sein, als eure Eltern waren. Ihr müsst anders sein als eure Arbeitskollegen und Freunde. Gott hat einen neuen Maßstab für euer Leben. Das sollte er mit Nachdruck lehren. Das war sein Auftrag.
Und noch einmal Kapitel 3, Vers 8: Das Wort ist gewiss, und ich will, dass du auf diesen Dingen festbestehst, damit die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen, zum Beispiel gute Werke zu betreiben. Ich will, dass du auf diesen Dingen festbestehst. Das war sein Auftrag.
Er war mit einer gewissen Autorität dort, natürlich durch dieses apostolische Team, das Missions-Team. Rund um Paulus herum waren diese Gemeinden wahrscheinlich entstanden. Er war mit einer gewissen Autorität da, als einer der Mitgründer dieser Missionsbewegung, dieser Gemeindebewegung auf Kreta. Darum hatte er ein Stück weit natürlich Autorität in den Gemeinden und das Ohr der Geschwister.
Die Herausforderung der dauerhaften Gemeindeleitung
Aber jetzt gibt es eine spannende Frage. Titus hatte viel zu tun, nicht nur auf Kreta, auch wenn dort mehrere Gemeinden entstanden waren. Die Mission ging weiter, und es gab Aufträge, in verschiedenen Gebieten Gemeinden zu festigen und neue Gemeinden zu gründen. Zwei, drei Jahre später finden wir ihn in Jugoslawien, in Dalmatien. Er konnte nicht für immer auf Kreta bleiben.
Dieses Missionsteam hatte nicht genug Leute, um einen Missionar überall zu lassen, wo eine neue Gemeinde entstand, sodass er auch dauerhaft für Ordnung sorgen konnte. Ja, Titus sollte erst einmal abgelöst werden. Kapitel 3, Vers 12 schreibt Paulus: „Wenn ich Artemas oder Tychikus zu dir sende, so befiehl ihnen, sich zu mir nach Nikopolis zu begeben, denn ich habe beschlossen, dort zu überwintern.“
Also gab es vorerst noch einen Nachfolger, aber auch das war mit Sicherheit nicht als Dauerlösung gedacht. Wie sollte es dauerhaft weitergehen in diesen Gemeinden? Was war das Ziel, auf das Titus zusteuern sollte?
Das ist ein Abschnitt, den ich, als ich letztes Jahr angefangen habe, über Titus zu predigen, irgendwann mal Anfang des Jahres, übersprungen habe. Und das war Absicht. Ich wollte, dass wir erst einmal miteinander nach und nach entdecken, dass wir uns nicht so gut verstanden haben. Ich habe versucht, zusammenzufassen, was eigentlich die Herausforderung ist und worum es eigentlich geht, was es zu tun gibt, bevor wir über das Thema reden, das in diesem Abschnitt steht, nämlich Titus 1,5-9, über das ich heute sprechen möchte.
Die Suche nach geeigneten Ältesten auf Kreta
Das Thema heute ist Älteste. Deshalb habe ich gesagt, dass es nicht so leicht ist, über dieses Thema zu sprechen, solange man selbst noch Ältester ist – aber jetzt.
Auf Kreta war es sicher eher eine Herausforderung, überhaupt geeignete Älteste zu finden. Ihr könnt es euch vorstellen, wenn ihr noch einmal kurz überlegt, was ich gerade über die Kultur gesagt habe. Parallel zum Titusbrief wurde der erste Timotheusbrief nach Ephesus geschrieben. Ephesus war eine etablierte Gemeinde, wahrscheinlich auch etwas größer als die meisten einzelnen Gemeinden hier auf Kreta.
Man hat den Eindruck, dass dort eher das Thema war, Kriterien aufzustellen, um zu verhindern, dass falsche Leute Älteste werden, also solche, die das vielleicht gerne wollen. Das passiert ja auch. Hier auf Kreta ist, glaube ich, eher das Thema, dass man überhaupt geeignete Älteste findet. Paulus schreibt einiges darüber, wie man sie findet und welche Kriterien gelten. Darüber möchte ich heute kurz sprechen.
Vielleicht noch ein paar einleitende Bemerkungen dazu. Ich lese mal Vers 5: Paulus schreibt an Titus: „Deswegen ließ ich dich auf Kreta zurück, damit du das, was noch mangelt, in Ordnung bringst und in jeder Stadt Älteste anstellst, wie ich dir geboten habe.“
Das waren also die zwei Ziele, warum Titus überhaupt auf Kreta blieb: Zum einen gab es noch einiges in Ordnung zu bringen – das sieht man im Titusbrief. Zum anderen ging es um eine dauerhafte Lösung, wie die Gemeinden geführt werden sollten. In jeder Stadt, also sicher in jeder Stadt, in der es eine Gemeinde gab, sollten Älteste berufen werden.
Es ist ganz interessant, dass Paulus von dem Begriff „Stadt“ ausgeht und nicht vom Begriff „Gemeinde“. In jeder Stadt, das heißt in jeder Gemeinde, sollten Älteste berufen werden. Das war eine seiner wesentlichen Aufgaben zu der Zeit, als er noch auf Kreta war.
Die Notwendigkeit von Leitung in Gemeinden
Warum? Es ist einfach so, dass jede Gruppe ab einer gewissen Größe, selbst schon kleine Gruppen meistens, eine gewisse Art von Führung braucht. Es gibt eine Gruppendynamik, die dazu führt, dass, wenn keine Führung definiert wird, irgendjemand die Führung ergreift – offiziell oder inoffiziell.
Wenn das nicht von vornherein geregelt wird, wer die Gruppe führen soll, dann übernehmen vielleicht am Ende Leute die Führung, die man dort gar nicht haben möchte. Oder wenn das Kräfteverhältnis in der Gruppe so ausgewogen ist, dass sich keiner als Führer oder eine Gruppe als Führung herauskristallisieren kann, dann entsteht Anarchie. Das gibt es auch ab und zu auf dieser Welt.
Beides ist nicht gut: Es ist nicht gut, wenn man die falschen Führer hat, und es ist auch nicht gut, wenn Anarchie herrscht. Deshalb hat Paulus dem Titus einen ganz klaren Auftrag gegeben: Wir brauchen Älteste. Bevor Titus weggeht, brauchen wir letzten Endes Älteste in jeder dieser Gemeinden, die für die Gemeinde verantwortlich sind, aber auch ein Stück weit in den Augen Gottes für die Stadt, in der die Gemeinde ist.
Darum spricht Paulus davon, dass in jeder Stadt Älteste eingesetzt werden sollen. Es gab Handlungsbedarf – nicht nur für Titus, sondern auch für zukünftige Älteste. Dieser Handlungsbedarf war derselbe. Deshalb mussten sie bestimmte Fähigkeiten haben.
Ich lese mal den letzten halben Satz vom Ende dieses Abschnitts: „Damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen“ (Titus 2,1). Paulus sagt zu Titus: „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt.“ Das hat er zu Titus gesagt, in dem Zeitraum, in dem er noch da ist.
Für die Zukunft sollen die Ältesten ausgesucht werden, die fähig sind, mit der gesunden Lehre zu ermahnen. Er gibt also quasi den Staffelstab seiner momentanen Aufgaben an eine Ältestenschaft weiter.
Zweitens sollten sie fähig sein, die Widersprechenden zu überführen. Das hatten wir auch gesehen: Es war ein Auftrag von Titus, in Kapitel 1, Verse 10 bis 16, und auch ganz am Ende vom dritten Kapitel, den unguten Einfluss von falschen Leuten einzudämmen und sie notfalls aus der Gemeinde wegzuhalten.
Genau dieser Staffelstab sollte an eine Ältestenschaft übergehen, wenn Titus nicht mehr da ist. Es gab also gewisse Aufgaben, und dazu waren natürlich auch gewisse Fähigkeiten notwendig.
Formen der Gemeindeleitung im Neuen Testament
Aber wahrscheinlich muss man heutzutage doch noch zwei, drei Sätze dazu sagen. Im Neuen Testament gibt es im Prinzip, zumindest dort, wo es explizit erwähnt wird, zwei Formen von Gemeinden beziehungsweise zwei Formen der Gemeindeführung.
Die eine Form ist diejenige, die ganz am Anfang meistens bei der Gemeindeentwicklung steht. Dabei hat der Missionar oder das missionarische Team die Gemeinde gegründet und führt diese auch noch. Es gibt einzelne Fälle, in denen Gemeinden in solche Krisen geraten sind, dass dieser Zustand nachträglich wiederhergestellt wurde. Ein Beispiel dafür ist Ephesus, als Titus nochmals hingeschickt wurde.
Das missionarische Team, heute würde man sagen die Missionsgesellschaft oder das Team von Missionaren, hat entschieden, dass die Selbständigkeit nicht funktioniert hat oder nur eine Weile funktioniert hat und dass man wieder eingreifen muss. Das ist also eine Form von Gemeindeleitung, die wir im Neuen Testament finden: die Leitung geht letzten Endes von den Missionaren aus.
Die Gemeindeform und Leitungsform, die dauerhaft im Neuen Testament beobachtet wird, wenn Gemeinden wirklich selbständig werden, ist, dass sie von einer Gruppe von Ältesten oder auch Aufsehern geleitet werden. Es handelt sich um eine Gruppe von Männern, die mal Älteste, mal Aufseher genannt werden. In Titus 1 werden sogar beide Begriffe für dieselbe Gruppe verwendet, ebenso wie in Apostelgeschichte 20.
Diese Ältesten besitzen eine gewisse Reife und Autorität. Ihre Aufgabe ist es, als Aufseher zu wirken. Das heißt, sie übernehmen genau die Aufgaben, die wir gerade gesehen haben.
Für uns heute ist das nicht mehr selbstverständlich. Wenn junge Leute irgendwo hingehen, um zu arbeiten oder zu studieren und sich eine Gemeinde suchen, treffen sie in der evangelikalen Welt zu 98 Prozent auf Gemeinden, die von einem Pastor geleitet werden und nicht von einer Gruppe von Ältesten.
In der Bibel gibt es diese Form eigentlich nicht in dieser Weise. Es gibt auch eine Mischform, in der es sowohl eine Gruppe von Ältesten als auch einen Pastor gibt. Dabei wird in der Praxis meistens die geistliche Leitung vom Pastor ausgeübt, während die Ältesten eher die organisatorische Ebene übernehmen.
Jemand hat einmal in einem Vortrag zu diesem Thema gesagt – ich glaube, es war Markus –, dass eine Gemeinde, die von Ältesten geführt wird, nach wie vor ein Qualitätskriterium für eine neutestamentliche Gemeinde ist. Das habe ich mir eingeprägt.
Vielleicht können sich diejenigen, die mal woanders hingehen und sich eine neue Gemeinde suchen müssen, das merken: Eine Gemeinde, die wirklich von der Ältestenschaft geleitet wird, ist ein Qualitätskriterium für eine neutestamentliche Gemeinde.
Gottes Vorstellung von Gemeindeleitung
Okay, aber worum geht es eigentlich heute? Das war eine lange Einleitung. Gott hat eine genaue Vorstellung davon, wem er seine Gemeinde anvertraut. Das sage ich jetzt so, und das ist eigentlich selbstverständlich, oder? Aber manchmal ist uns das nicht ganz klar.
Gott hat eine genaue Vorstellung davon, wem er seine Gemeinde, seine Herde, seine Leute anvertrauen möchte. Darum schreibt er und lässt es schreiben. Sowohl in 1. Timotheus 3 als auch hier in Titus 1 lässt er einiges darüber schreiben, wie er sich das vorstellt. Das möchte ich heute mit euch einfach ganz kurz durchgehen, weil es zum Titusbrief gehört. Wenn ich versuche, den Titusbrief zu lehren, dann muss ich euch etwas darüber sagen.
Es gibt vier Gruppen von Kriterien hier in diesem Text, und ich werde euch sagen, wie ich diese Gruppen verstehe. Wenn ihr das anders seht, könnt ihr mit mir hinterher diskutieren.
Der erste Bereich betrifft, glaube ich, schwerpunktmäßig den Ruf des Ältesten. Was hat er eigentlich für einen Ruf? Hat er eine Chance, Gott zu repräsentieren, oder ist sein Ruf durch irgendetwas geschädigt? Hier werden wir ganz kurz sehen, was zum Beispiel über seine Familie gesagt wird. Etwas, das notwendig ist, ist, dass er durch einen schlechten Ruf – sei es ein persönlicher oder ein schlechter Ruf seiner Familie – nicht für dieses Amt disqualifiziert ist. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass er durch persönliche Charaktereigenschaften oder sein Verhalten nicht für dieses Amt disqualifiziert ist. Das ist etwas anderes. Welche Eigenschaften muss er haben, um für dieses Amt qualifiziert zu sein?
Der dritte Bereich ist... und es wird hier nur ganz kurz angerissen, tatsächlich im Zusammenhang mit der speziellen Situation auf Kreta: Es gibt auch Dinge, die er können muss. Gott legt hier offensichtlich viel mehr Wert darauf, wie er sein soll, also auf seinen Charakter.
Ganz zum Schluss sagt Paulus auch noch zwei oder drei Punkte, was er können muss, wozu er fähig sein muss, um diese Gemeinde mitzuleiten.
Das ist natürlich alles ein bisschen relativ, weil im Neuen Testament die Leitung immer als Gruppe funktioniert. Eine Gruppe von Ältesten kann einzelne Schwächen ausgleichen, aber natürlich nur bis zu einem gewissen Maß. Irgendwo ist man dann wirklich nicht qualifiziert oder disqualifiziert.
Kriterien für den Ruf und die Familie des Ältesten
Schauen wir uns diese vier Dinge kurz an. Ich lese aus Kapitel 1, Vers 6:
Wenn jemand untadelig ist – das heißt nicht vollkommen, sondern dass keine ernsthaften Vorwürfe gegen ihn im Raum stehen –, dann können wir das Thema nicht einfach beiseitelegen, denn niemand ist vollkommen.
Wenn keine ernsthaften Vorwürfe gegen ihn bestehen, wenn ein Mann eine Frau hat und treue Kinder, dann ist das ein wichtiges Kriterium. Ich glaube, hier ist „treu“ die richtige Übersetzung. Die Kinder müssen nicht unbedingt wiedergeboren oder gläubig im engeren Sinn sein, aber sie dürfen nicht eines ausschweifenden Lebens beschuldigt werden oder zügellos sein.
Denn der Aufseher Gottes muss untadelig sein, als Gottesverwalter.
Dieser Abschnitt beginnt also damit, dass er untadelig sein muss, das heißt, es dürfen keine ernsthaften Vorwürfe gegen ihn im Raum stehen. Er endet damit, dass er untadelig sein muss als Gottesverwalter. Das ist eine ganz wesentliche Gruppe von Kriterien.
Paulus nennt hier vor allem das Familienleben. Er muss treu sein als Ehemann. Natürlich gibt es sicher einzelne Fälle, in denen ein Ältester nicht verheiratet ist. Das ist nicht der Normalfall, und daher führt Paulus das hier nicht weiter aus. Er muss treu sein im Bereich der Partnerschaft.
Wenn er keine Frau hat, muss er keusch leben und darf sich nicht auf irgendwelche Frauen einlassen – weder innerhalb noch außerhalb der Gemeinde. Wenn er verheiratet ist, muss er seiner Frau treu sein, also einer Frau.
Dann folgt ein Kriterium, das uns vielleicht wundert: Er muss Kinder haben, die treu sind. Auch gegen diese darf kein Vorwurf im Raum stehen.
Als individualistische Menschen in einer westlichen Gesellschaft sagen wir spontan: Das ist doch unfair! Was kann der arme Mann für seine Kinder? Er kann doch selbst treu sein dem Herrn gegenüber. Damals hatten Familien wahrscheinlich mehr Kinder als heute. Wenn zwei Kinder über die Stränge schlagen und einen schlechten Ruf bekommen, soll der Vater dauerhaft dafür bestraft werden?
Vielleicht ist dieses Kriterium in unserer Gesellschaft nicht ganz so streng zu verstehen, und man muss immer schauen, wie die Gesellschaft darauf reagiert. Aber Paulus sagt, es hat etwas mit dem Ruf zu tun. Wenn der Ruf der Familie ruiniert ist, kann der Mann Gott nicht als Leiter einer Gemeinde für die ganze Stadt repräsentieren. Das wird nicht funktionieren.
Auch bei uns ist es so: In einer anonymen Großstadt mag das anders sein, aber wenn du eine Gemeinde auf dem Dorf hast, funktioniert es nicht. Auch wenn du persönlich okay bist, aber der Ruf deiner Familie durch deine Kinder beschädigt ist, kannst du die Gemeinde und Gott nicht in dieser Weise repräsentieren.
Das ist der erste Bereich. Für uns mag das etwas fremd sein, aber es ist Gott wichtig. Es müssen Leute sein, die innerhalb und außerhalb der Gemeinde einen guten Ruf haben. Denn sie sind nicht nur für die Schafe verantwortlich, sondern auch für die Repräsentation der Gemeinde und Gottes nach außen.
Darum muss ihr Ruf in Ordnung sein – ebenso wie der Ruf ihrer Familie. Das gehört zu „untadelig“ dazu: Es dürfen keine Vorwürfe gegen ihn im Raum stehen.
Das ist der erste Bereich, an dem sich Titus orientieren sollte, wenn er überlegt, wer Älteste in den einzelnen Gemeinden werden können.
Persönliche Eigenschaften, die disqualifizieren
Zweiter Bereich: Noch mehr Dinge, die ihn disqualifizieren
Hier verwendet Paulus fünf Begriffe, die sich meiner Meinung nach in drei Gruppen einteilen lassen. Ich werde diese drei Gruppen kurz vorstellen.
Im ersten Kapitel, Vers 7, zweite Hälfte, heißt es, dass der Älteste nicht eigenmächtig sein darf. Anders ausgedrückt: Er muss teamfähig sein. Eigenmächtig bedeutet, dass jemand etwas sieht und es einfach durchsetzt, ohne Rücksprache mit anderen. Wahrscheinlich waren die Führer auf Kreta so. Sie waren rücksichtslos und setzten ihre Vorstellungen durch, wie wilde Tiere. Sie fragten nicht nach der Meinung anderer, sondern waren überzeugt, dass ihr Weg der richtige ist, um voranzukommen. Deshalb handelten sie ohne Absprache.
Das ist der erste Punkt: Führung in der Gemeinde Gottes funktioniert als Team. Wer eigenmächtig ist und nicht teamfähig, ist nicht geeignet. Gott sucht nicht die besten Manager oder die stärksten Führer, sondern Menschen, die geeignet sind, seine Herde zu führen und seine Gemeinde zu repräsentieren. Dabei ist es wichtig, dass niemand eigenmächtig sein darf und nur sein eigenes Ding durchzieht. Ein Ältester muss in der Lage sein, Führung im Rahmen eines Teams auszuüben. Er muss sich sagen lassen können, nachfragen und ein Gespür dafür entwickeln, wann er um Rat fragen muss und wann er spontan entscheiden kann.
Das ist ein großer Lernschritt und wahrscheinlich ein großes Problem auf Kreta, jemanden zu finden, der Führungseigenschaften hat und trotzdem nicht eigenmächtig ist. Aber auch heute ist das nicht einfach.
Der zweite Bereich von Eigenschaften, die disqualifizieren, betrifft drei Begriffe, die Paulus verwendet, um die Wichtigkeit dieses Punktes zu betonen. Er sagt, der Älteste darf nicht jähzornig sein, darf kein Alkoholproblem haben (bei Paulus steht: „nicht dem Wein ergeben“) und darf kein Schläger sein.
Gott möchte, dass seine Gemeinde vor Menschen geschützt wird, die zu wenig Selbstbeherrschung haben, jähzornig sind, ein Alkoholproblem haben und deshalb keine Selbstbeherrschung besitzen. Ebenso sollen keine Menschen in der Führung sein, die verbal oder körperlich schlagen. Gott will seine Gemeinde schützen vor körperlichem, geistigem und seelischem Missbrauch.
Das ist Gott sehr wichtig. Leider sehen wir in verschiedenen Führungsbereichen dieser Welt, und manchmal auch in Gemeinden, dass Führer vor allem ihr eigenes Image im Blick haben. Sie beherrschen sich nicht, wollen sich selbst voranbringen und missbrauchen die Menschen, für die sie eigentlich verantwortlich sind.
Hier geht es nicht um sexuellen Missbrauch, auch wenn dieses Wort heute oft verwendet wird und schrecklich ist. Paulus meint hier körperlichen Missbrauch, also kein Schläger, sowie verbalen und emotionalen Missbrauch. Mit diesen drei Ausdrücken macht Gott klar: Das darf in der Führung seiner Herde nicht vorkommen. Das disqualifiziert jemanden hundertprozentig.
Natürlich kann jeder mal in einer Krise ausrasten, aber es darf nicht die Grundeigenschaft eines Führers sein. Es ist schön, dass Gott darauf achtet. Er sucht nicht die stärksten und besten Führer der Welt, sondern Menschen, die sich beherrschen können und die ihre Herde nicht missbrauchen oder unterdrücken.
Das dritte Merkmal, das disqualifiziert, steht am Ende von Vers 7: „Ungutem nachgehen“ oder „schändlichem Gewinn nachgehen“. Das bedeutet, Älteste dürfen keine persönlichen, vor allem keine finanziellen Interessen verfolgen. Sie dürfen sich nicht an den Geschwistern bereichern wollen.
Das ist ein Grund, warum Religion und religiöse Gruppen oft verachtet werden. Viele Sektenführer und leider auch manche Führer in christlichen Bewegungen wurden irgendwann überführt, dass sie finanzielle Interessen hatten und in ihrer eigenen Tasche gewirtschaftet haben.
Gott sagt das schon ganz am Anfang, bevor große christliche Bewegungen entstanden sind und bevor Menschen prominente Positionen in Gemeinden hatten. Er macht klar: Wer finanzielle Interessen verfolgt oder sich auf andere Weise bereichern will, ist disqualifiziert, Ältester zu werden.
Das ist Gott sehr wichtig, nicht nur um seine Gemeinde und die Geschwister vor Ausbeutung zu schützen, sondern auch weil er von Anfang an wusste, dass solche Dinge den Ruf der Gemeinde und damit seinen Ruf in der Welt maximal schädigen.
Zusammenfassend gilt: Führer in der Gemeinde, Älteste, dürfen nicht eigenmächtig sein. Sie müssen teamfähig sein und dürfen nicht einfach immer ihren Willen durchsetzen. Sie müssen selbstbeherrscht sein und dürfen die Gemeinde nicht missbrauchen. Außerdem dürfen sie keine persönlichen Ambitionen haben, sich zu bereichern. Das disqualifiziert sie.
Eigenschaften, die Älteste qualifizieren
Aber was qualifiziert nun? Welche Eigenschaften wünscht Gott in der Führung seiner Gemeinde? Paulus nennt hier sechs Begriffe, die sich in der Leitung der Gemeinde auswirken sollen. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um drei Begriffspaare, also nicht sechs einzelne Begriffe, sondern dreimal zwei Begriffe. Diese drei Gruppen möchte ich kurz mit euch durchgehen.
Wir sind jetzt in Vers 8. Zuvor wurde beschrieben, was ein Ältester nicht sein darf. Nun folgt, was er sein muss. Das beginnt sehr spannend. Die ersten beiden Begriffe lauten: Er muss gastfreundlich sein und das Gute lieben.
Gastfreundlichkeit ist der erste Begriff, der einem einfällt, wenn man über die Qualifikation für die Ältestenschaft nachdenkt. Für mich persönlich wäre das vielleicht nicht an erster Stelle, aber hier ist es wichtig: Ein Ältester muss gastfreundlich sein. Wörtlich bedeutet das griechische Wort für gastfreundlich, dass er den Fremden oder das Fremde lieben muss. Er muss also das Fremde lieben und das Gute lieben. Das ist ein Wortspiel, denn beide Begriffe klingen ähnlich.
Damit öffnet Paulus einen Gedanken, über den wir nachdenken können. Gastfreundschaft ist im Neuen Testament eine allgemeine Anforderung an Christen. Meist bedeutet das, jemanden aufzunehmen, der Hilfe braucht. Jemand ist auf der Reise und braucht Unterkunft. Hotels gab es damals kaum, eher waren es Räuber, vor denen man sich fürchten musste. Deshalb nimmt man solche Menschen auf. Jemand wird verfolgt, kann nicht nach Hause, wird gesucht. Man versteckt ihn. Jemand hat Not in der Familie, ist gläubig, wird aber von den Angehörigen abgelehnt. Man nimmt ihn auf, weil er Hilfe braucht.
Das ist der Kern von Gastfreundschaft im Neuen Testament. Nicht: Ich bin gastfreundlich, weil ich gerne viele Leute einlade und stolz darauf bin. Das ist nicht der Sinn von Gastfreundschaft im Neuen Testament.
Doch in diesem Zusammenhang geht es wohl noch etwas weiter. Älteste sollen darin Vorbilder sein. Aber es geht auch darum, dass sie ein offenes Haus haben, transparent sind in ihrem Umgang mit Frau und Kindern. Die Geschwister sollen sehen können, wie sie leben. So wird sichtbar, ob sie wirklich Vorbilder sind. Gleichzeitig sollen sie Menschen einladen, um Anteil zu nehmen.
Das ist die erste positive Anforderung: Älteste sollen Anteil nehmen an den persönlichen Umständen der Menschen, für die sie verantwortlich sind. In der damaligen Männerkultur wird weniger betont, dass man Hausbesuche macht, um herauszufinden, wie es den Leuten geht. Gastfreundschaft spielt eine große Rolle. Man lädt Menschen zu sich ein, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihre Situation besser zu verstehen, zu sehen, wie man helfen kann und für sie beten soll.
In vielen Fällen ist es einfacher, jemanden einzuladen, als einen Hausbesuch zu machen. Besonders wenn einzelne Familienmitglieder gläubig sind, andere nicht, und die ungläubige Verwandtschaft dabei ist. Das erste positive Kriterium lautet also: Älteste sollen offen, transparent und gastfreundlich sein, das Fremde liebend.
Zum zweiten Begriff gehört, dass sie das Gute lieben sollen. Das ist eine schöne Kombination, weil gastfreundlich auch heißt, das Fremde zu lieben. Älteste sollen das Fremde lieben und das Gute lieben. Oft sind wir durch unsere Erziehung und Kultur so geprägt, dass uns das Vertraute gut und richtig erscheint, während das Fremde zunächst fremd oder sogar schlecht wirkt.
Das ist das Problem mit Traditionen: Das Fremde wirkt uns oft negativ, zumindest emotional. Hier sagt Gott durch Paulus, dass Älteste über ihrer persönlichen Kultur stehen müssen. Sie sollen offen sein für Menschen aus anderer Kultur, mit anderer Erziehung oder aus einer anderen sozialen Schicht. Es gibt verschiedene Ebenen.
Das Kriterium für sie muss sein, dass sie das Gute lieben, nicht nur das Vertraute. Wenn sie entdecken, dass etwas in ihrer eigenen Kultur nicht gut ist, müssen sie bereit sein, es in Frage zu stellen und abzulehnen. Wenn sie erkennen, dass etwas in einer anderen Kultur besser funktioniert und gut ist, sollen sie das annehmen und gut finden.
Das ist sehr wichtig. Damals war es in einer multikulturellen Gesellschaft, besonders in den Städten, ähnlich wie heute. Älteste sollen über ihrer eigenen Kultur stehen. Das ist eine Anforderung, die aus den ersten beiden Begriffen herauskommt.
Sie sollen das Gute lieben, auch das Gute, das gelehrt wird – zum Beispiel ab Kapitel 2. In Verbindung mit Gastfreundschaft und dem Fremde lieben sollen Älteste einen Blick für das Gute haben. Sie dürfen nicht gefangen sein in ihrer eigenen Erziehung und Kultur.
Das ist besonders wichtig für Älteste in Städten, in Kulturen, die von vielen verschiedenen Schichten und Nationalitäten geprägt sind. Es ist eine wichtige Anforderung für Älteste.
Weitere Qualifikationen: Besonnenheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit
Vielleicht funktioniert es nicht bei jedem gleich gut, vielleicht braucht man tatsächlich das Team. Aber ein Ältestenteam soll so sein, dass es Verhaltensweisen nicht ablehnt, nur weil sie einem fremd vorkommen. Das ist das erste Begriffspaar.
Das zweite Begriffspaar lautet: Sie sollen besonnen und gerecht sein. Darüber muss ich wahrscheinlich nicht viel sagen, denn im Kapitel 2 ging es sehr viel um Besonnenheit. Wir können das gerne noch einmal lesen, falls ihr euch nicht mehr erinnert.
Alle Gruppen, die angesprochen wurden, bekommen eigentlich die Anforderung, besonnen zu sein. Besonnen heißt, ich denke erst nach, was gut ist und welche Folgen mein Handeln hat. Dann rede und handle ich, oder? Das ist besonnen: erst denken, dann reden; erst denken, dann handeln.
Ich finde es aber besonders interessant, wie Paulus das mit dem zweiten Begriff kombiniert. Er sagt: „und gerecht“. Weißt du, du kannst sehr besonnen sein und die Folgen deines Redens und Handelns gut überlegen, aber dennoch mit dem Ziel, dir selbst möglichst großen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Das ist ja auch besonnen, oder? Ich überlege mir sehr genau, was ich tue, damit ich nie in einem schlechten Licht dastehe und damit alles läuft. Für mich ist das gut.
Wir haben einen guten Freund, der früher sehr viel Brettspiele gespielt hat, heute aber nicht mehr. Wenn Leute mitgespielt haben, die das Spiel erst lernen mussten, hat er ihnen immer Tipps gegeben. Diese Tipps waren zwar gut für die anderen, aber auch immer gut für ihn. Das hat er wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Aber auch das ist eine Form von Besonnenheit. Ich überlege, welchen Rat ich jemandem gebe, habe dabei aber immer meinen eigenen Vorteil im Blick – oder den Vorteil meiner Familie oder meiner besten Freunde.
In Deutschland ist das vielleicht weniger ausgeprägt, aber wenn du in den Mittelmeerraum kommst, ist der Clan, die Großfamilie, einfach sehr wichtig. Wenn man jemanden aus der Großfamilie ausschließen muss, kann es passieren, dass 30 Verwandte mit ihm die Gemeinde verlassen, weil dieser Familienzusammenhalt so groß ist – dieses erweiterte Ich.
Ich finde es schön, dass Paulus sagt, ein Kriterium für Älteste ist, dass sie besonnen und gerecht sind. Sie sollen wirklich objektive Entscheidungen treffen, objektiven Rat geben und sich auch korrigieren lassen. Sie sollen Rücksprache halten und besonnen sowie gerecht sein – dass beides zusammenkommt. Und das ist gut.
Hier bei mir steht „heilig“ oder „fromm“ und „enthaltsam“. Enthaltsam hatten wir zum Beispiel schon bei den negativen Kriterien, etwa „nicht gewinnsüchtig“, also wirklich bescheiden. Aber ich finde es schön, dass hier das Wort „heilig“ mit dazu kombiniert wird.
Älteste sind nicht einfach selbstlos, weil sie sich bemühen, selbstlos zu sein, weil es in ihren Genen steckt oder weil sie so erzogen wurden. Sie sind selbstlos, weil sie es für Gott sein wollen. Weil sie das, was sie tun, als Dienst in der Gemeinde verstehen – auch in der Führung und Verantwortung für eine Gemeinde. Sie tun es wirklich für Gott.
Das ist ein Kriterium für Älteste: dass sie das, was sie tun, wirklich für Gott tun. Dass sie heilig, fromm, enthaltsam, besonnen und gerecht sind. Ich finde es schön, dass Gott solche Leute möchte, um uns zu führen.
Die Liebe zum Wort Gottes als Grundlage
Ja, und dann kommt Vers neun: Er muss dem zuverlässigen Wort nach der Lehre anhängen. Er muss wirklich Interesse daran haben, das Wort Gottes richtig zu verstehen.
Was bedeutete das damals? Damals musstest du die Evangelien lesen, die Apostelgeschichte, falls Lukas sie schon geschrieben hatte – vielleicht war er gerade dabei. Du musstest die ersten Briefe lesen und Interesse daran haben, was Gott gesagt hat. Natürlich war es auch notwendig, sich mit dem Alten Testament zu beschäftigen.
Paulus sagt, solche Leute braucht es: Menschen, die lesen, denken und wirklich herausfinden wollen, was Gott sagt. Denn das ist die Grundlage der Gemeinde. Es ist die Grundlage dafür, wie ein reifer Mensch entscheidet und wohin der Weg führt. Sie müssen das Wort Gottes und die Lehre Gottes lieben, damit sie fähig sind, mit der gesunden Lehre zu ermahnen.
Das war damals auf Kreta so notwendig und ist es auch heute noch. Es geht darum, Menschen nicht einfach zu sagen: „Ich bin der Älteste hier in der Gemeinde, ich sage dir, was du tun sollst.“ Sondern es geht darum, sagen zu können: „Schau mal, wie verstehst du diesen Vers im Zusammenhang mit deiner momentanen Lebenssituation?“ So sollen Menschen mit der zuverlässigen Lehre ermahnt werden.
Das ist eine Herausforderung für Älteste. Natürlich müssen sie auch Widersprechende führen, und davon gab es damals eine ganze Menge. Es ist notwendig, dass Älteste das können und tun. Manchmal brauchen sie sich dabei gegenseitig, weil es nicht einfach ist, das auf eine gute Weise zu machen.
Sie müssen das gesunde Wort in einer guten Weise anwenden. Darum habe ich mit euch irgendwann in der Vergangenheit das ganze Kapitel zwei gelesen, weil dort steht, was gesunde Lehre ist.
Hier wird Titus gesagt, er soll Älteste aussuchen, die fähig sind, genau das zu lernen. Sie sollen den alten Männern beibringen, wie sie sein sollen, den alten Frauen, wie sie sein sollen, den jungen Frauen, was sie von den Alten lernen sollen, und den jungen Männern ein Vorbild sein.
Die Ältesten müssen es genauso können wie Titus. Das ist eine Herausforderung.
Ermutigung und Abschluss
Okay, das Thema für heute lautet: Gott möchte Führung, aber Gott möchte gute Führung. Gute Führung ist wichtig für den Ruf der Gemeinde, gut für die Geschwister und gut für eine klare Ausrichtung.
Meine Gotteskriterien sind nicht immer populär in der Gesellschaft. Wenn ihr Brüder kennt, die so sind, die diese Fähigkeiten haben – eure Ältesten, unsere Ältesten oder Leute, die vielleicht Älteste werden sollen –, dann möchte ich euch zwei Dinge ins Herz legen.
Das Erste ist: Freut euch, denn es gibt nicht so viele solche Menschen. Das Zweite ist: Unterstützt sie so gut ihr könnt, denn sie sind es wert. Gott hat sie berufen, und sie haben eine schwere Aufgabe. Es ist nicht leicht, so zu sein und all das zu tun, was mit dieser Verantwortung zusammenhängt.
Legt ihnen so wenig wie möglich Steine in den Weg. Unterstützt sie. Wenn ihr solche Leute kennt, die auch nur halbwegs diese Kriterien erfüllen, dann freut euch und unterstützt sie so gut ihr könnt.
Gott möchte Führung in seiner Gemeinde, und er möchte gute Führung in seiner Gemeinde. Ich freue mich total darüber, welche Kriterien er hat und welche nicht. Es ist gut, wenn wir mit ihm zusammenarbeiten. Amen.