Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle sind versorgt? Sehr gut.
Zurzeit habe ich manchmal den Eindruck, dass sich die aktuelle politische Diskussion in Deutschland ziemlich präzise nach dem Ablauf unserer Predigtreihe richtet. In dieser Woche, am Donnerstag – Sie haben es mitbekommen – begann in Düsseldorf die Neuauflage des sogenannten Mannesmann-Prozesses.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten, unter anderem dem Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, vor, damals die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone genutzt zu haben, um Managern und früheren Vorständen Abfindungen in Höhe von fast sechzig Millionen Euro zuzuschieben. Der juristische Vorwurf lautet Veruntreuung beziehungsweise Beihilfe zur Veruntreuung.
Die ethische Frage, die damit verbunden ist und die heftig diskutiert wird, lautet immer wieder: Was dürfen Manager und Vorstände? Vor welcher Instanz müssen sie sich verantworten? Wo sind die moralischen Eckpfeiler, an denen sich ihr Tun ausrichten und mit deren Hilfe es bewertet werden sollte?
Dazu passt die andere Diskussion: Wie können Konzerne, die einerseits große Gewinne schreiben, gleichzeitig Massen von Arbeitern entlassen und dadurch auch noch den Aktienkurs verbessern? Wem ist das Management mehr verantwortlich – den Aktionären oder den Arbeitern und Angestellten? Was sind die moralischen Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern?
Das wird auch immer wieder im Zusammenhang diskutiert: Was sind ihre Rechte, was aber auch ihre Pflichten? Und über allem steht immer wieder die große Sorge: Wie wird sich das soziale Klima in unserem Land weiterentwickeln?
Die Frankfurter Rundschau schrieb kürzlich: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Deutschland größer, oben steigen die Einkommen, unten fallen die Arbeitsplätze weg. Die Zeitung berichtete am 23. Oktober auf Seite 1, dass im Airbus-Werk in Hamburg tausend Arbeitsplätze abgebaut werden sollen und bei der Telekom 74.000. Gleichzeitig wird bekannt, dass sich selbst die Vorstände, trotz rückläufiger Geschäftszahlen, hohe Gehaltssteigerungen genehmigen.
So hörten wir von der Führungsmannschaft des TUI-Konzerns hier aus der Nachbarschaft in Hannover, dass die führenden Leute im vergangenen Jahr über 26 Prozent mehr Gehalt bekamen, obwohl die Aktien fast um 23 Prozent nach unten gingen. Das sind heiße Debatten.
Dazu kommt die ganze Frage um das sogenannte Unterschicht-Problem, das ja neu aufgebrochen ist. Wer das Neue Testament kennt, weiß, dass es dort keinen Hauch von Klassenkampf gibt. Das gibt es nicht im Neuen Testament.
Aber doch ist die Frage immer wieder zu stellen: Wie sollen wir uns hier als Christen positionieren? Was ist unsere Verantwortung? Das ist ja nicht nur ein fernes Thema, sondern die meisten von uns sind an irgendeiner Stelle in diesem Spannungsfeld höchstpersönlich mit drin – als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber, als Angestellter oder als Chef und im übertragenen Sinne auch als Schüler oder als Lehrer.
Obwohl Schüler und Studenten eher nicht so sehr Arbeitnehmer, sondern eher Unternehmer sind, da sie in ihre eigene Ausbildung investieren und noch große Freiheiten genießen.
Aber mancher Angestellte geht jeden Morgen mit Magenkrämpfen zur Arbeit, weil er nicht weiß, was heute wieder auf ihn zukommt, wo er heute wieder an die Wand gedrückt wird oder wie er heute die vielen Aufgaben schaffen soll, die vor ihm stehen.
Einer macht sich nachts Sorgen und fragt sich, wie er mehr Aufträge hereinkriegt, wie er seine Leute alle beschäftigen kann. Und wenn es hart auf hart kommt, darf ich dann als Christ auch Angestellte entlassen, wenn sonst die ganze Firma draufgeht?
Wie sollen wir uns als Nachfolger Christi in diesem Spannungsfeld verhalten? Was ist richtig, was ist falsch? Was ist Ermessenssache, wo muss diskutiert werden?
Und immer wieder läuft es auf die eine Frage hinaus, und die lautet: Was will der lebendige Gott von mir?
Grundlegende Prinzipien für das Arbeitsleben im Glauben
Ohne Umschweife geht Paulus auch dieses brisante Thema an. Er behandelt es so, wie er alle anderen heiklen Fragen angeht: Er bietet keine Patentlösung für jeden Einzelfall, sondern zeigt uns grundlegende Prinzipien auf. Diese Prinzipien sollen wir dann auf unsere spezielle Situation anwenden. So geht Paulus vor.
Und sehen Sie, das ist erst einmal ermutigend: Gott kümmert sich um unsere Alltagssituation. Er kümmert sich um Ihren Arbeitsplatz, um Ihre Verantwortung als Chef oder als Angestellter. Wir können Gottes Wort und Gottes Absichten nur dann richtig verstehen, wenn wir den größeren Zusammenhang erkennen, in dem Paulus dieses Thema behandelt.
Sie erinnern sich an den Kontext: Es beginnt eigentlich in Epheser 5,18, wo Paulus deutlich sagt: "Lasst euch erfüllen vom Heiligen Geist!" Es soll nach Gottes Willen so sein, dass euer Leben immer mehr von Gottes Geist und Gottes Wort geprägt wird. Das soll euch immer stärker bestimmen, auch in der Art, wie ihr euren Alltag gestaltet.
Das wird dann dazu führen, sagt Paulus in Vers 21, dass ihr euch einander unterordnet. "Ordnet euch einander unter", sagt er. Das ist die Auswirkung der Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Geisterfüllung führt also zur gegenseitigen Unterordnung.
Paulus hat dann durchgespielt, was das bedeutet. Darüber haben wir hier ausführlich miteinander gearbeitet: die gegenseitige Unterordnung von Frau und Mann (Epheser 5,22-31), die gegenseitige Unterordnung von Kindern und Eltern (Epheser 6,1-4). Heute geht es um die gegenseitige Unterordnung von Sklaven und Herren.
Immer wieder macht Paulus deutlich: Vor Gott sind alle gleich viel wert. Er sagt an anderer Stelle in Galater 3,28: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau, sondern ihr seid allesamt eins in Christus." Da hat keiner dem anderen an Wertigkeit etwas voraus. Jeder ist in Gottes Augen genauso wertgeschätzt wie der andere – der Mann wie die Frau, das Kind wie die Eltern, der Sklave wie der Herr.
Gleichzeitig macht Paulus aber auch klar, dass es unterschiedliche Aufgaben gibt. Der Mann hat eine andere Aufgabe als die Frau, die Kinder eine andere als die Eltern, und der Sklave eine andere als der Herr.
Wir haben gesehen, wie der Zeitgeist diese Unterschiede niederbügeln will und versucht, sie zu zerstören. Besonders beim Verhältnis von Mann und Frau ist es das Konzept des Gender Mainstreaming, das besagt, Mann und Frau seien prinzipiell gar nicht unterschiedlich. Das sei alles nur anerzogen durch die Gesellschaft.
Gottes Schöpfungsplan aber sträubt sich gegen jede Form von Gleichmacherei. Er ist in seiner Struktur dadurch gekennzeichnet, dass es ein Zusammenspiel von Autorität und Unterordnung gibt. Sonst hätten wir Anarchie. Die Praxis zeigt, dass Anarchie nicht funktioniert und für alle schädlich ist, wenn es keine Ordnung mehr gibt.
Wir brauchen also das Zusammenspiel von Autorität und Unterordnung. Diese Autorität hat aber nichts mit Willkür zu tun und auch nichts mit Unterdrückung. Sie beruht nicht auf einer inneren Überlegenheit dessen, der sie ausübt, oder auf einer höheren Wertigkeit, die er besitzt. Sie beruht auf seiner Aufgabe. Die Autorität gründet sich auf seiner Funktion: Er soll Haushalter sein über eine bestimmte Aufgabe, so wie Gott sie ihm zugedacht hat.
Darum ist solche Autorität auch niemals totalitär oder diktatorisch. Der Mann darf mit der Frau nicht machen, was er will. Die Eltern dürfen ihre Kinder nicht nach Belieben herumstossen. Und der Arbeitgeber hat kein Recht, seine Arbeiter und Angestellten auszunutzen oder als Rechtlose zu behandeln.
Nein, es ist ganz anders: Alle Beteiligten sind an einen gemeinsamen Maßstab gebunden. Sie sind an den Maßstab gebunden, den der lebendige Gott uns in der Bibel offenbart hat. Daran sind alle gebunden. Und alle werden zur Rechenschaft gezogen. Alle werden sich einmal vor Gott dafür verantworten müssen, wie sie mit ihrer speziellen Aufgabe umgegangen sind – alle ausnahmslos.
Darum heißt es ja auch in unserem Predigttext am Ende, in Vers 9, an die Herren gerichtet: "Euer und ihr Herr ist im Himmel." Das ist die letzte Instanz.
Das bedeutet für uns, dass wir alle Rechenschaft ablegen müssen – auch für unsere Arbeit als Angestellte, als Arbeiter, als Chef oder als Unternehmer. Deshalb müssen wir unbedingt wissen, was der lebendige Gott von uns will, wie wir arbeiten sollen und was seine Maßstäbe sind.
Deshalb ist es so gut, dass Gott uns durch Paulus diesen Text gegeben hat. Hier können wir lernen, wie Gott sich die Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgestellt hat.
Die Rolle der Sklaven im biblischen Kontext
Paulus sagt: „Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens als dem Herrn Christus, nicht nur mit Dienst vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi.“ Das griechische Wort, das hier verwendet wird, ist „Doulos“, was sowohl „Knecht“ als auch „Sklave“ bedeutet. Paulus fordert die Sklaven auf, als Sklaven Christi den Willen Gottes von Herzen zu tun. Sie sollen ihre Arbeit mit gutem Willen verrichten, als dem Herrn und nicht den Menschen. Denn jeder, der Gutes tut, wird es vom Herrn empfangen, egal ob er Sklave oder Freier ist.
Auch die Herren werden aufgefordert, ihren Sklaven gegenüber das Gleiche zu tun und mit Drohungen zurückhaltend zu sein. Sie sollen bedenken, dass sowohl sie als auch ihre Sklaven einen gemeinsamen Herrn im Himmel haben, bei dem kein Ansehen der Person gilt.
Auf den ersten Blick mag der moderne Leser stutzen, wenn von Sklaven die Rede ist. Wir denken sofort an Sklavenhandel, an mit Füßen getretene Menschenrechte und an die lange Unterdrückung der Farbigen in Amerika. Viele haben gefragt, ob das Neue Testament nicht ein flammendes Manifest gegen die Sklaverei sein müsste. Doch um diese Zeilen richtig zu verstehen und um zu begreifen, wie sie heute noch zu uns sprechen und uns im Alltag helfen können, müssen wir zunächst klären, was es zur Zeit des Paulus überhaupt bedeutete, ein Sklave zu sein.
Im Griechischen lautet das Wort „Doulos“. Im Neuen Testament wird es oft mit „Knecht“ oder „Sklave“ übersetzt. Im Lateinischen heißt es „Servus“. Das ist einer der ersten Sätze, die man übersetzt: „Cornelius Servus“ – Cornelius ist ein Sklave.
Versetzen wir uns in die Situation im ersten Jahrhundert. Bei Paulus beginnt es mit dem privaten Haushalt: Zuerst die Eheleute, dann die Kinder und schließlich die Sklaven. Damals gab es viele Sklaven. Viele Familienbetriebe wurden von ihnen geführt, wahrscheinlich nahmen sie sogar die Mehrzahl der Geschäfte und Handwerke wahr. Man kann sagen, es war eine Blütezeit des Mittelstandes.
Viele Sklaven waren Teil eines größeren Haushalts. Sie arbeiteten auf den Feldern, kümmerten sich um die Herden. War der Herr Kaufmann, unterstützten die Sklaven ihn bei seinen Geschäften. Der Haushaltsvorstand war oft zugleich der Chef und Arbeitgeber der Sklaven und Angestellten.
Man schätzt, dass es im römischen Reich etwa sechzig Millionen Sklaven gab. Sie gehörten selbstverständlich zum Aufbau der damaligen Wirtschaft dazu. Damals sprach man nicht von einem Sklavenproblem, wie wir es heute rückblickend tun.
Unter diesen Sklaven gab es auch Gebildete, Ärzte, Lehrer und Verwaltungsleute. Ihr Kennzeichen war die abhängige Beschäftigung, aber vor allem, dass sie im Besitz ihrer Herren waren.
In der Gemeinde kamen diese Menschen aus allen sozialen Gruppen zusammen zum Gottesdienst. Man kann sich vorstellen, wie die Frage aufkam: Wie sollen sie miteinander umgehen? Wie soll das funktionieren? Und wie sollen sie sich von Montag bis Samstag am Arbeitsplatz verhalten? Wie sollen sich die frommen Herren gegenüber gläubigen oder nichtgläubigen Sklaven verhalten? Und umgekehrt, wie sollen gläubige Sklaven sich gegenüber gläubigen Herren verhalten? Was, wenn die Herren nicht gläubig waren und nicht zur Gemeinde gehörten? Da tauchten schwierige Fragen auf.
Das politische Umfeld war problematisch. Obwohl das römische Rechtssystem an vielen Stellen zivilisiert war, konnte es einem Sklaven sehr schlecht gehen. Die meisten Sklaven waren weitgehend rechtlos und wurden oft wie Gebrauchsgegenstände behandelt. Viele Römer hielten es für unter ihrer Würde, selbst mit den Händen zu arbeiten, und dafür hatten sie die Sklaven.
Der Sklavenmarkt funktionierte wie unser Arbeitsamt, nur wesentlich flexibler. Menschen konnten gekauft und verkauft werden, man ging mit ihnen um wie mit Tieren oder Gegenständen. Je nach Charakter des Herrn war das oft herzlos und unbarmherzig.
Prinius der Ältere ist eine Ausnahme, wenn er sich einmal tief betrübt über den Tod einiger seiner Sklaven zeigt. In der Regel zählte ein Sklavenleben nicht viel.
Es gibt interessante Zeugnisse aus dem ersten Jahrhundert. Ein römischer Zeitzeuge teilte landwirtschaftliche Werkzeuge in drei Klassen ein: stumme Werkzeuge, also tote Gegenstände; lautgebende Werkzeuge, das waren Tiere, die grunzen, bellen, quieken oder quaken; und sprechende Werkzeuge – das waren die Sklaven. So wurde das unterschieden. Demnach unterschied ein Sklave sich von einem Tier oder einer Hacke oder Sense nur durch seine Fähigkeit zu sprechen.
Schon im vierten Jahrhundert vor Christus hatte ein kultivierter Mann wie Aristoteles gesagt: „Ein Sklave ist ein lebendiges Werkzeug, so wie ein Werkzeug ein lebloser Sklave ist.“ Ein Sklave ist in meiner Hand wie ein Hammer, ein Meißel oder eine Hacke.
Paulus’ Zeitgenosse, der Staatsmann Cato, sagte: „Alte Sklaven soll man auf den Müll werfen, und wenn ein Sklave krank ist, gibt ihm nichts mehr zu essen, weil sich das nicht lohnt. Kranke Sklaven sind nichts weiter als nutzlose Werkzeuge.“ So Cato.
Augustus soll einen Sklaven gekreuzigt haben, weil dieser aus Versehen seine Lieblingswachtel getötet hatte.
Wenn wir die Situation der Sklaven zur Zeit des Neuen Testaments betrachten, müssen wir genau hinsehen. Das ergibt ein differenziertes Bild: Einerseits waren sie rechtlos, und die Herren konnten die Todesstrafe an ihnen vollziehen, ohne Prozess oder rechtliche Absicherung. Andererseits erhielten die Sklaven im römischen System nach und nach mehr Rechte, verglichen mit den späteren farbigen Sklaven in England und Amerika.
Manchen Sklaven ging es sogar gut. Sie lebten wie Angestellte im Haushalt. Wären sie entlassen worden, wären sie arbeitslos gewesen, was viele nicht wollten. Mit der Zeit bekamen sie das Recht zu heiraten und Familien zu gründen. Manche konnten auch freikommen. Oft übten sie dann den Beruf aus, den sie bei ihrem Herrn gelernt hatten. Von manchen Sklaven erfahren wir, dass sie später erfolgreicher wurden als die Herrenhäuser, aus denen sie kamen.
Sklaverei im Alten Testament und biblische Kritik an Missbrauch
Noch ein letzter Hinweis: Im Alten Testament war die Situation noch einmal anders.
Jahrhunderte zuvor, im Umgang mit Sklaven, konnte zum Beispiel ein Dieb, wenn er nicht in der Lage war, seine Schulden zu bezahlen, so lange als Sklave festgehalten werden, bis er seine Schulden abgearbeitet hatte. Das war besser, als ihn ins Gefängnis zu stecken. So lernte er gleich etwas.
Von manchen heidnischen Völkern durften die Israeliten Menschen versklaven. Allerdings mussten sie diese Sklaven gut behandeln. Wenn sie ihre Sklaven verletzten, hatten diese manchmal Anspruch darauf, wegen ihrer Verletzung die Freiheit wiederzuerlangen.
Was die hebräischen Sklaven betrifft, mussten alle Sklaven im fünfzigsten Jahr freigelassen werden, damit sie zu ihren Familien zurückkehren konnten. Ein Israelit durfte selbst nicht länger als sechs Jahre als Sklave in den Diensten eines anderen Israeliten sein – nicht länger als sechs Jahre.
In 2. Mose 21,2 heißt es: „Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, so soll er dir sechs Jahre dienen, im siebten Jahr aber soll er freigelassen werden, ohne Lösegeld.“ Es gab also eine klare rechtliche Regelung und einen sozialen Schutz.
Zudem gab es die Möglichkeit, dass der Sklave freiwillig bleiben konnte. Das ist ein bemerkenswerter Vers: 2. Mose 21,5 spricht davon, dass der Sklave sagt: „Ich habe meinen Herrn lieb, und mein Weib und mein Kind, die ich hier gewonnen habe, ich will gar nicht frei werden.“ Dann bringt ihn sein Herr vor Gott, stellt ihn an die Tür oder den Pfosten und durchbohrt mit einem Pfriemen sein Ohr. So bleibt er sein Sklave für immer.
Das war also die frühe Form des Piercings. So konnte der Sklave freiwillig sagen, dass er bei diesem Herrn bleiben will, und als Zeichen bekam er diesen Pfriemen durchs Ohr.
Man kann also sagen, nicht jede Form von Sklavendienst wird in der Bibel verdammt. Allerdings müssen wir sehen: Wo diese Struktur missbraucht wird, um Menschen niederträchtig auszunutzen – und das ist leider oft in der Geschichte geschehen –, hat die Bibel eindeutig Widerspruch eingelegt.
Deshalb ist es auch kein Wunder, dass es in späteren Jahren bekennende evangelikale Christen waren, die sich an vorderster Front für die Abschaffung der menschenfeindlichen Sklaverei eingesetzt haben.
An vorderster Front stand William Wilberforce, ein bekennender bibeltreuer Christ, der 1789 seine erste Rede gegen die Sklaverei hielt und sich in der Politik massiv dafür einsetzte, den Sklavenhandel abzuschaffen.
Ebenfalls im achtzehnten Jahrhundert, schon vor Wilberforce, war es John Wesley, der sich nachhaltig für Reformen im Gefängniswesen einsetzte und auch für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte.
Im ersten Jahrhundert, als Paulus noch schrieb – und wir müssen diese Differenzierung im Blick haben – war die Situation noch gemischter. Es gab schon genug zu kritisieren und zu beklagen.
Trotzdem setzt sich das Neue Testament in erster Linie nicht mit politischen Strukturen auseinander. Es geht primär nicht darum, menschliche Systeme zu verbessern. Warum? Weil das nicht genug wäre.
Die entscheidende Problemzone ist nicht die politische Struktur. Auch nicht das Wirtschaftssystem. Die entscheidende Problemzone ist das menschliche Herz.
Selbst relativ gute Strukturen können von bösen Menschen missbraucht werden. Dort, wo Jesus Christus Menschenherzen verändert, können diese selbst unter einem schlimmen System harmonisch und gerecht miteinander leben.
Der kritische Punkt, an dem die Veränderung ansetzen muss – und darauf weist das Neue Testament immer wieder hin – ist das menschliche Herz.
Darum konnte etwa die Erweckung in England, die Gott durch George Whitefield und John Wesley ausgelöst hat, auch zu einer so breiten Veränderung des politischen Lebens führen.
Wenn man bedenkt: Zeitgleich im achtzehnten Jahrhundert führte die Französische Revolution zu brutaler Gewalt und neuem Blutvergießen.
Aber in England, wo viele Menschen in ihrem Herzen durch Jesus Christus und seine Vergebung verändert wurden, gab es auch viele gute Reformen und eine friedliche Veränderung.
Der Theologe Klaus Bockmühl hat dazu Folgendes geschrieben: „In der Geschichte der Christenheit finden sich zahlreiche Beispiele für die gesellschaftliche Relevanz wirklich gelebten Glaubens. Das Leben John Wesleys ist ein besonders markantes Beispiel für den Weg, der den Christen gewiesen ist.“
Einer der bekanntesten englischen Profanhistoriker, selbst kein Christ, urteilt, die wesley’sche Erweckung habe England die blutigen Wirren einer französischen Revolution erspart. Sie habe tatsächlich die Geschichte des Landes dermaßen beeinflusst, dass eine große historische Untersuchung ohne zu übertreiben unter dem Titel ‚England vor und nach Wesley‘ erscheinen konnte.
Dann zählt er auf, was alles durch diese Erweckungsbewegung verändert wurde: Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei, Gefängnisreform, Abschaffung der Kinderarbeit in den Fabriken, die ersten Sozialgesetze sowie die Anfänge von Volks- und Schulbildung.
Aber alles begann mit der Hinwendung des Einzelnen zu Jesus Christus.
Persönliche Verantwortung und praktische Anwendung im Arbeitsleben
Nun müssen wir ganz ehrlich sehen: Nicht zu allen Zeiten ist es den Christen geschenkt, so großen Einfluss zu erzielen wie im England des achtzehnten Jahrhunderts. Das ist bedauerlich, aber immer gilt dieser Grundsatz: Die Veränderung beginnt in den Herzen. Denn dort drinnen sitzt das menschliche Grundproblem, nicht in den äußeren Umständen, seien sie nun sozialer, politischer oder wirtschaftlicher Natur.
Darum konzentriert sich Paulus hier auf die persönliche Verantwortung. Was er im Namen Jesu den damaligen Sklaven und Herren ins Stammbuch schreibt, gilt im Grundsatz unserer Generation ganz genauso – seien wir nun Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, Mitarbeiter oder Chefs. Es geht immer um diesen Grundsatz: Ordnet euch einander unter als Menschen, die vom Heiligen Geist geprägt werden.
Wie schon bei den vorherigen Paaren – Frauen und Männer, Kinder und Eltern – wendet Paulus sich nun zunächst an die vermeintlich Schwächeren. Er wendet sich zuerst an die Frauen, dann an die Kinder und hier jetzt erst an die Sklaven, also an die, deren Aufgabe in der willigen Unterordnung besteht. Und schon das ist sensationell: Paulus erwähnt die Sklaven in dieser offiziellen Haustafel. Dass er den Sklaven einen offiziellen Platz zuordnet und ihre Rechte und Pflichten ausführlich entfaltet, ist absolut sensationell in dem zeitgeschichtlichen Umfeld, in dem er schreibt.
Was sagt er nun über die Unterordnung der Arbeitnehmer? Gleich zu Vers 5 sagt er: „Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern.“ Paulus macht also von Anfang an klar, dass es sich bei ihrer Stellung nicht um ein ewiges Schicksal handelt, das Gott verordnet hat, sondern um eine vorübergehende Dienstanweisung in dieser Welt. Die Herren sind irdisch, eure irdischen Herren, sagt Paulus. Im Gegensatz dazu steht der Herr im Himmel, der in Vers 9 erwähnt wird. Aber hier, in Vers 5, geht es nur um die irdischen Herren. Sie sind vorübergehend; es ist jetzt eure Platzanweisung.
Wenn man diese vier Verse liest, also Vers 5 bis 8, fällt auf: Der eigentliche Arbeitgeber, vor dem sich jeder Sklave verantworten muss, ist nicht sein weltlicher Chef, sondern der Herr Jesus Christus selbst. Paulus schreibt: „Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern in Einfalt eures Herzens als dem Herrn Christus.“ In Vers 6 heißt es weiter: „Nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen.“ Und in Vers 7: „Tut euren Dienst oder eure Arbeit mit gutem Willen als dem Herrn und nicht den Menschen.“ Schließlich in Vers 8: „Denn ihr wisst, dass, was jemand Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen, sei er Sklave oder Freier.“
Das ist die erste Beobachtung, die wir festhalten: Was Paulus den Sklaven sagt, ist von Anfang bis Ende christozentrisch bestimmt. Es geht um den Herrn Jesus Christus. Er ist der eigentliche Arbeitgeber, vor dem sich der Sklave verantworten muss.
Was heißt das? Damit öffnet Paulus den Sklaven eine völlig neue Perspektive. Er sagt ihm nämlich: Was du tagtäglich im Schweiß deines Angesichts tust, hat eine Bedeutung für die ewige Welt. Machen Sie sich mal klar, was das heißt: Paulus sagt, was du tagtäglich tust – auf deiner Galeere, in dem Haus, wo du schleppen musst, oder wenn du dich mit den schwer erziehbaren Kindern deines Herrn als Lehrer herumquälen musst – das tust du im Angesicht der Ewigkeit.
Das ist das Erste, was wir festhalten: Paulus sagt, deine Arbeit ist Gottesdienst. Halten Sie dies fest, das ist das Erste: Paulus sagt, deine Arbeit ist Gottesdienst. Damit macht er ganz klar, welches Motiv uns bei unserer Arbeit leiten soll.
Was für eine großartige Wahrheit war das, die den Sklaven hier gesagt wurde: Du bist nicht in erster Linie ein Sklave deines weltlichen Herrn. Nicht das macht deine Identität aus. „Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren“ – aber du bist, und da steht, ich sagte es schon, dasselbe Wort in Vers 6 – ein Sklave Christi. Er ist dein Chef, ihm gehört dein Leben in Wirklichkeit. Wenn du Christ bist, bist du sein Doulos. Und dieser Doulos war unter den Christen ein Ehrentitel. Mit diesem Doulos stellte Paulus sich vor. Am Anfang des Römerbriefes sagt Paulus: „Paulus, ein Doulos Jesu Christi.“ Paulus, ein Sklave Christi – das ist ein Ehrentitel.
Dieser Ehrentitel wird jetzt auch den Sklaven, die Christen geworden waren, zugestanden: „Ihr seid Sklaven Christi, er ist euer Herr.“ Darum bestimmt er auch euer persönliches Leben, auch dein Arbeitsleben. Und das heißt, wenn du morgen zur Arbeit gehst, ist der Herr Jesus dabei. Er ist an deiner Seite und gibt dir die Kraft, deine Arbeit zu tun. Wenn er dich an diesen Platz gestellt hat – in deinem Büro, in deiner Schulklasse, in deiner Fabrik, in deinem Pflegeheim oder wo auch immer – und wenn er dich dort stehen lässt, dann darfst du an dieser Stelle ihm dienen.
Ob du Essen kochst, das Haus putzt, Kinder unterrichtest oder Erwachsene, Wäsche wäschst, Patienten behandelst, Klienten vertrittst, Kranke pflegst, Versicherungen verkaufst, Computerprogramme konzipierst, Busse fährst oder Firmen gründest – er ist da, er ist dein Herr.
Überlegen Sie, was das für einen Sklaven bedeutet und was es für uns morgen früh bedeutet, wenn der Montag wieder losgeht. Jetzt fragt man sich natürlich: Wie kann ich meinem Herrn an meinem Arbeitsplatz dienen? Ich kann ihm dienen, indem ich Gutes meinem Nächsten tue. Vor allem aber kann ich ihm dienen, indem ich ein gutes Zeugnis für Jesus Christus in meiner Arbeit erkennbar werden lasse.
An anderer Stelle sagt Paulus in Titus 2, Verse 9 und 10: „Den Sklaven sage, dass sie sich ihren Herren in allen Dingen unterordnen, ihnen gefällig sein, nicht widersprechen, nicht veruntreuen, sondern sich in allem als gut und treu erweisen.“ Warum? „Damit sie der Lehre Gottes, unseres Heilands, Ehre machen in allen Stücken.“ Das ist es. Wir sollen ein Zeugnis sein in der Art, wie wir unsere Arbeit tun. Wir sollen ein Zeugnis sein in der Art, wie wir uns als Schüler oder Studenten in unserer Klasse oder in unserem Kurs bewähren. Darum geht es.
Also, wenn Sie morgen früh wieder an Ihrem Arbeitsplatz sind und denken: Ich bekomme wenig Dank, wenig Feedback, die Leute, mit denen ich zu tun habe, danken es mir gar nicht, dann denken Sie an diesen Vers. Nehmen Sie sich diesen Gottesdienstzettel mit, schlagen Sie Ihre Bibel auf und sagen Sie sich: Ich tue das für Jesus, und er sieht es. Nicht nur, wenn ich am Sonntag meine Kindergottesdienstgruppe unterrichte, tue ich das für Jesus, sondern auch, wenn ich am Montag wieder in meinem Alltag stehe. Paulus sagt: Du tust es für Jesus, du dienst dem Herrn.
Was gibt es als größeren Trost? Was könnte man als größere Freude an dieser Stelle sagen? Wenn wir später aus dem Gottesdienst rausgehen, steht über der Tür der Satz: Der Gottesdienst geht weiter.
Wissen Sie, die Reformatoren waren die Ersten, die den Begriff Gottesdienst ausdrücklich für die Arbeitswelt gebraucht haben. Sie sagten: Der Gottesdienst steht auf vier Beinen. Der wichtigste Gottesdienst ist der Glaube. Die zweite Form des Gottesdienstes sind die guten Werke, die wir aus Liebe zu Christus tun. Die dritte Form des Gottesdienstes ist die Versammlung, zu der wir uns am Sonntag treffen, um Gott zu ehren. Und die vierte Form des Gottesdienstes ist die Arbeit im Alltag.
Deshalb waren die Reformatoren auch die Ersten, die vom Beruf gesprochen haben – etwas, das wir heute kaum noch wissen. Denn sie sagten: Du, Christ, in deiner Arbeit, wenn du dort stehst, dann bist du von Gott dorthin berufen. Wenn du als Schreiner arbeitest, dann ist das dein Beruf. Wenn du als Straßenmannschaffender arbeitest, dann ist es dein Beruf. Wenn du als Minenarbeiter deine Arbeit tust, dann ist es dein Beruf, weil Gott dich dorthin berufen hat. Daher kommt überhaupt erst der Begriff Beruf.
Das hängt hier zusammen mit unserem Text: Das ist Gottesdienst. Wenn ich meine Arbeit als Gottesdienst verstehe, frage ich natürlich auch nach dem Willen Gottes. Ich frage nach den Geboten Gottes für meine Arbeit. Ich frage, wie ich meinem Nächsten dienen kann in meiner Arbeit. Und ich frage auch, welchen Plan Gott mit meiner Arbeit hat.
Manchmal will Gott ja auch, dass ich eine andere Arbeitsstelle bekomme. Es kann auch mal passieren, dass jemand die Seiten wechselt. Paulus schreibt das in 1. Korinther 7, Vers 21: „Bist du als Knecht berufen, als Sklave berufen, dann sorge dich nicht. Doch wenn du frei werden kannst, so nutze es umso lieber.“ Damals gab es unter bestimmten Bedingungen rechtliche Möglichkeiten, für Sklaven frei zu werden.
Paulus sagt: Okay, wenn du die Chance bekommst, versuche es, nutze deine Möglichkeiten. Aber mach dir keine Sorgen, wenn du Sklave bleibst. Das ist auch nicht schlimm, denn du bist in erster Linie ein Diener des Herrn Jesus Christus. Darum ist jede Arbeit, die du guten Gewissens als Christ wahrnimmst, zuerst und zuletzt Gottesdienst.
Das ist das Erste. Das ist umstürzend, wenn wir ernst nehmen, was die Heilige Schrift sagt. Wenn ich so an meine Arbeit morgen rangehe, dass ich sie als Gottesdienst betrachte, dann wird das auch meine Haltung gegenüber meinen Mitarbeitenden und gegenüber meinen Vorgesetzten bestimmen – und natürlich meine Arbeitsmoral.
Das ist das Zweite, was Paulus hier sagt: Deine Arbeit soll aufrichtig sein. Erstens: Deine Arbeit ist Gottesdienst. Zweitens: Deine Arbeit soll aufrichtig sein.
Aufrichtigkeit und Einsatz im Arbeitsalltag
Sehen Sie mal in Vers 5, da spricht Paulus von der Einfalt des Herzens. Wir sollen unsere Arbeit eindeutig und ehrlich machen, ohne Hintergedanken und ohne faule Tricks. Außerdem sollen wir nicht vor unseren Chefs schauspielern.
In Vers 6 heißt es, wir sollen nicht nur Dienst nach Vorschrift tun, um den Menschen zu gefallen. Wenn der Chef hinschaut, geben wir uns Mühe, und sobald er weg ist, setzen wir uns hin und trinken die zehnte Tasse Kaffee. Nein, Paulus sagt, du sollst aufrichtig in deiner Arbeit sein. Nicht schauspielern, sondern — sehen Sie weiter am Ende von Vers 6 — du sollst sie von Herzen tun.
In Vers 7 fordert Paulus: Tut eure Arbeit mit gutem Willen, das heißt mit ehrlicher Anstrengung. Hängt euch rein! Praktisch bedeutet das zunächst in Vers 5: Seid gehorsam, auch den irdischen Herren, ordnet euch an eurem Arbeitsplatz unter, sofern das mit Gottes Gebot vereinbar ist. Wenn von dir verlangt wird, dass du betrügst oder lügst, dann kannst du dich natürlich nicht unterordnen. Aber ansonsten ordne dich ein.
Das ist nichts Ehrenrühriges, nichts mit Duckmäusertum, Servilität oder Liebedienerei zu tun, wenn man sich an seinem Arbeitsplatz einordnet. Es geht einfach um eine vernünftige, effektive Verteilung der Aufgaben. Paulus sagt, das soll geschehen mit Furcht und Zittern. Das bedeutet nicht, dass man Angst vor dem Chef haben soll. Im Neuen Testament wird das immer auch auf Gott bezogen. Wir sollen es mit Ehrfurcht tun.
Gott ist sowieso der eigentliche Adressat unseres Gehorsams. Ihm gegenüber sollen wir vor allem Ehrfurcht haben. Daraus erwächst eine respektvolle Haltung, ein aufrichtiger Respekt gegenüber den Menschen, auch gegenüber unseren Vorgesetzten.
Wie gesagt, Paulus betont, du solltest es in Einfalt tun, nicht als Show, nicht heucheln. Du solltest es tun, weil du zuerst Christus dienst, weil er sowieso in dein Herz schaut und sieht, ob du die Arbeit ehrlich meinst oder nicht. Du solltest dein Bestes geben, von Herzen.
Das heißt, Christen sollen in ihrem Fach gute Arbeit leisten. Wir sollen Qualität abliefern, eifrig sein und vorangehen. Luther hat sinngemäß gesagt: Eine Magd, die sich bekehrt hat, fegt dann auch unterhalb der Fußmatte und in der Ecke, wo es keiner sieht. Das ist Qualität.
Darum ist es das Beste, was einem Arbeitgeber passieren kann, wenn er einen Christen als Arbeitnehmer bekommt. Ich fand neulich ein hochinteressantes Zitat von einem chinesischen Biophysiker, Professor Changlin Zhang. Er wurde in Europa Christ und sagte in einem Vortrag, dass nicht die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes stärker vorangetrieben wird als durch den reformatorischen Glauben — also den Glauben an einen lebendigen Gott, der uns als Christen beruft und an unseren Platz stellt.
Er brachte Beispiele: Diese Kraft habe sowohl Großbritannien als auch Nordamerika stark gemacht. Er nannte sogar die Schweiz als Beispiel. Trotz ihres Mangels an Rohstoffen und schwierigen Transportwegen hätte die Schweiz eine ähnliche Entwicklung wie Nepal oder Tibet nehmen können, hätte es dort nicht die Reformation mit all ihren Auswirkungen gegeben.
Er sagt, die Qualitäten der Christen seien Ehrlichkeit, Fleiß und Zufriedenheit. Das ist die These dieses chinesischen Biophysikers: Die Überlegenheit des Westens, die lange Jahre galt, sei im Kern durch die Folgewirkung des Christentums entstanden.
Denken Sie an viele Christen in Russland, deren Arbeitgeber sie eigentlich ablehnten wegen ihrer atheistischen Weltanschauung. Trotzdem sagten sie: Die Christen besaufen sich nicht und machen ihre Arbeit ordentlich. Das hat ihnen immer wieder Respekt eingebracht.
Paulus sagt: So sollen wir arbeiten. Diese Haltung soll prinzipiell jedem Arbeitgeber gegenüber gelten, nicht nur gegenüber Mitchristen.
Petrus schreibt das auch in 1. Petrus 2,18: „Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Ehrfurcht euren Herren unter.“ Und jetzt kommt es: Nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den widerspenstigen. Also auch denen, die es euch nicht leicht machen, sollt ihr euch grundsätzlich unterordnen.
Halten wir fest, welche große Bedeutung so ein Sklavenleben plötzlich bekommt. Ich darf täglich für Christus arbeiten. Mein Alltag ist hineingenommen in seinen großen Plan. Ob ich Vokabeln lerne, Fußböden schrubbe oder an einer anderen Stelle stehe — er ist da, und ich arbeite für ihn.
Die Verheissung der Belohnung für treue Arbeit
Und dann ein letzter Aspekt: Nachdem Paulus das Motiv beschrieben hat – deine Arbeit ist Gottesdienst – und nachdem er die Haltung gezeigt hat, in der wir arbeiten sollen – du sollst aufrichtig arbeiten, mit Einsatz, mit Hinnahme, mit Qualität – hat Paulus am Ende noch eine weitere Ermutigung parat.
Er sagt drittens: Deine Arbeit wird belohnt. Das ist überraschend. In Vers 8 heißt es: „Denn ihr wisst, was ein jeder Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen, er sei Sklave oder Freier.“ Paulus sagt also: Du kannst ganz beruhigt sein, der Herr wird deine Arbeit nicht unbelohnt lassen.
Wir haben oft den Eindruck, unsere Arbeit wird nicht gewürdigt. Es kommt zu wenig dabei heraus, der ganze Aufwand lohnt sich nicht, keiner dankt es uns. Und Paulus sagt: Hör zu, wenn dein Arbeitsmotiv in Ordnung ist und du Gott dienen willst, wenn deine Arbeitshaltung stimmt und du aufrichtig und fleißig bist, dann wird auch dein Arbeitslohn am Ende nicht ausbleiben.
Uns geht es ja oft wie diesem älteren Missionsehepaar. Sie hatten viele Jahre in Afrika einen treuen Dienst getan. Nach 40 Jahren kamen sie auf einem Schiff nach Hause. Zufällig fuhr auf diesem Schiff auch der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt mit. Er kam gerade von einem mehrwöchigen Jagdaufenthalt zurück.
Das Schiff kam im New Yorker Hafen an. Roosevelt wurde von einer Menge jubelnder Menschen begrüßt, von Reportern umringt. Doch es war nicht ein einziger da, der das Missionarsehepaar zu Hause willkommen geheißen hätte.
Dann fuhren sie mit dem Taxi ins Hotel, und der Mann sagte mit trauriger Stimme zu seiner Frau: „Ist das nicht ungerecht? Wir haben 40 Jahre unseres Lebens hingegeben, um in Afrika Menschen zu Jesus Christus zu rufen, und keiner schert sich um unsere Heimkehr. Dieser Präsident war mal für ein paar Wochen in Afrika, um ein paar Tiere totzuschießen, und alle Welt belohnt ihn mit einem großen Empfang.“
Abends machten die beiden dann ihre Andacht und beteten. Da wurde es wieder hell. So wird erzählt, als ob der Herr selbst sie getröstet hätte und ihnen Folgendes in Erinnerung rief: „Bist ihr eigentlich verwundert, warum ihr noch nicht mit einem großen Bahnhof zu eurer Heimkehr belohnt worden seid, meine Kinder? Es liegt schlichtweg daran, dass ihr noch gar nicht zu Hause seid. Das ist der Grund. Ihr seid noch nicht zu Hause.“
Aber es könnte auch uns manchmal zu lange dauern mit der Belohnung. Wir hätten es manchmal lieber schneller, früher und direkter – das schnelle Erfolgserlebnis. Und manchmal ist Gott, wenn er sieht, dass es jetzt nötig ist, so gnädig und großzügig, dass er uns sogar das schnelle Erfolgserlebnis gibt. Aber wir haben keinen Anspruch darauf.
So tröstet der Herr uns: Er sagt, mach deine Arbeit getrost weiter, diene dem Herrn Jesus Christus damit, mit allem, was du tust, versuche ihn darin zu ehren. Dann kannst du ganz getrost sein: Was ein jeder Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen zu seiner Zeit. Der Herr wird es dir lohnen – auf seine Weise.
In einem alten Lied heißt es: „Himmlische Gaben, wer mag sie ermessen, werden die Knechte des Königs empfangen.“ Keinem Getreuen wird jemals vergessen, was er aus Liebe zu Jesus getan hat.
Hier setzt jetzt der Vorwurf der Marxisten ein, die sagen, ihr vertröstet die Leute auf den Himmel, und damit macht ihr sie zu einer leichten Beute und spielt sie ihren Ausbeutern in die Hände.
Wir antworten den Marxisten: Wenn es keinen Himmel gäbe, dann hättet ihr Recht. Aber Jesus hat sich dafür verbürgt, dass er uns holen wird und dass er uns belohnen wird. Im Übrigen seht ihr Marxisten an den Veränderungen, die durch Jesus Christus ausgelöst werden, was der Glaube bewirkt.
Vor allem hat der Herr versprochen, dass er uns holen und belohnen wird. Wer mit Jesus lebt und weiß: „Auf mich wartet ein Himmel und die Ewigkeit“, der hat erst recht den Mut, schon jetzt für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten.
Aber er wird selbst an der Ungerechtigkeit nicht kaputtgehen. Er wird selbst, wenn die Strukturen und die schlechten Einflüsse vermeintlich obsiegen, daran nicht verzweifeln und nicht scheitern. Denn er sieht weit, weit über diese Welt hinaus.
Ich denke, das hat uns keiner so gut demonstriert wie die Christen unter den farbigen Sklaven. Jenen, denen es mehrheitlich so viel schlechter ging als vielen Sklaven im römischen Reich. Sie haben immer wieder gesungen von diesem Lohn, von dem Paulus in Vers 8 redet.
Sie haben immer wieder voller Freude und Gewissheit gesagt: „My Lord, I'm on my journey home.“ Ich bin auf der Reise nach Hause, und ich weiß, der Herr ist bei mir, und sein Lohn wird auf mich warten.
Zusammenfassung und Ausblick
Drei mutmachende und wegweisende Richtlinien hat Paulus uns heute für unsere Arbeit gegeben. Er hat uns gezeigt, wie wir unsere Arbeit mit Gottes Augen sehen können. Nächsten Sonntag werden wir dann speziell die Frage stellen: Was ist die besondere Aufgabe der Arbeitgeber? Was ist die Aufgabe der Herren?
Heute hat Paulus gesagt, worauf die Sklaven, also die Arbeitnehmer, achten sollen. Er hat drei Dinge betont.
Erstens: Deine Arbeit ist Gottesdienst. Vergiss das nicht! Morgen früh, Montag, um sieben Uhr fünfundvierzig, beginnt dein Gottesdienst. Du stehst also auch morgen wieder zum Gottesdienst auf, nur etwas früher als am Sonntag.
Zweitens: Deine Arbeit soll aufrichtig sein. Lies den Text noch einmal! Jedes Wort ist wichtig. Tue deine Arbeit mit gutem Willen, in Einfalt, nicht um den Menschen zu gefallen, sondern Gott.
Drittens: Paulus sagt, deine Arbeit wird belohnt werden. Mit dieser Perspektive können wir uns morgen früh getrost in die neue Woche stürzen. Wir dürfen den Platz einnehmen, den der Herr uns zugedacht hat.
Ihm sei alle Ehre. Amen.