Begrüßung und Einstimmung auf das Weihnachtsfest
Es ist schön, wenn man sich nach dem Feiern im Familienkreis an diesem Abend noch einmal hier versammelt. Viele haben sich gefragt, ob es weiße Weihnachten geben wird. Jetzt ist der Schnee sogar in Stuttgart ein Stück weit liegen geblieben.
Das Wichtigste ist jedoch, dass wir die Liebe Gottes an diesem Weihnachtsfest entdecken. Seht, welch eine Liebe uns der Vater erwiesen hat, dass wir Gottes Kinder genannt werden dürfen. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Ich darf Sie heute Abend begrüßen und einladen, mit einzustimmen in das Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“, Nummer 36. Wir wollen gleich ohne Intonation in die Orgel einstimmen. Gesungen werden die Verse 1 und 2 sowie der siebte Vers des Liedes 36.
Hallo! Wir wollen beten: Du unser Heiland, Jesus Christus, wir wollen Dich anbeten in Deiner Christnacht und Dir danken, dass Du Mensch geworden bist, um uns die große Liebe des ewigen Vaters zu zeigen. Danke, dass Du unser menschliches Fleisch und Blut auf Dich genommen hast, um uns aus unseren Gebundenheiten zu lösen.
Ach Herr, das bewegt uns heute Abend, wie unser Leben oft so voll ist von bösen und unreinen Dingen. Dafür danken wir Dir, dass Du uns freimachen kannst und die Tür zum Paradies öffnest. Wir freuen uns, dass Du der Herr und König bist und alle Macht im Himmel und auf Erden hast.
Wir bitten Dich, zu uns zu sprechen und uns das Geheimnis Deiner Geburt ganz neu groß zu machen. Wir wollen Dir jetzt in der Stille alles sagen, was uns bewegt.
Gelobet seist Du, Jesus Christus, dass Du Mensch geboren bist! Amen!
Lesung und gemeinsames Singen der Weihnachtsgeschichte
Nun singen wir gemeinsam zur Begleitung des Klaviers das Lied 54, ein Weihnachtslied, das aus einem französischen Lied stammt. Das Lied heißt „54 Hört der Engel helle Lieder“.
Ich lese nun die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2 in Ihren Bibeln auf Seite 70:
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Diese Volkszählung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe. Es war eine Zählung, eine Steuerschätzung nach dem Grundbesitz. Jeder musste in seiner Stadt gezählt werden. Darum musste jeder dorthin kommen, wo er noch seinen elterlichen Grundbesitz hatte.
So machte sich auch Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazaret, in das jüdische Land zur Stadt Davids auf, die Bethlehem heißt. Denn er war aus dem Hause und Geschlechte Davids, damit er sich schätzen ließe.
Mit ihm ging Maria, sein vertrautes Weib, die schwanger war. Als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Sie gebar ihren ersten Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Ihnen steht das Sepp und zwei Gehüter aus, durch unsere schwachen Hände baut ein Haus. Zerbrochen ist der Stab, der Sinn, die dunkle Macht, du kommst zu uns in Kapiton.
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden. Sie hüteten des Nachts ihre Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie. Sie fürchteten sich sehr.
Der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Und als Zeichen werdet ihr finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Und alsbald war bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
Sie kamen eilends und fanden Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kind gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Nun singen wir miteinander „Kommt, und lasst uns Christum ehren!“ (Lied 39). In diesem Lied zeigt Paul Gerhardt so schön, dass die Freude am Kommen Jesu uns mutig macht, jetzt auch den eigenen Kummer und alle Angriffe des Todes und des Teufels wegzuwerfen.
Wir singen die Verse 1 bis 3 und stimmen gleich wieder in die Orgelbegleitung ein.
Eindrücke von einer Reise nach Rumänien und die Botschaft des Evangeliums
Ich war in diesen Tagen in Rumänien und habe dort mit Freunden verschiedene Gemeinden besucht sowie Gottesdienste erlebt. Es war für mich sehr beeindruckend, was ich dort gehört und gesehen habe. In mir ist alles durcheinander wie in einer Waschmaschine, so viele Eindrücke haben mich erreicht.
Zum Beispiel waren wir an einem Abend in einem Gottesdienst. In einem Raum, vielleicht so groß wie dieser hier, versammelten sich etwa 700 bis 800 Menschen, vorwiegend junge Leute. In dieser Gemeinde gab es keine Heizung; die Wärme kam allein von den Personen, die dort waren. An den Wänden lief Wasser herunter. Wir waren vier Stunden in diesem Raum, und es war einfach beeindruckend.
In der Gegend, in der wir waren, sterben Kinder an Hungersnot, ebenso erwachsene Menschen an Hunger. Man muss sich vorstellen: Eine Frau, die ihr Leben lang in der Kolchose gearbeitet hat und täglich 90 Kühe von Hand gemolken hat, erhält dort eine Rente von jämmerlichen vierzig Mark. Dabei kostet das Brot in Rumänien bereits zwei Mark. Es war unglaublich viel, was ich dort gesehen und gehört habe.
Besonders hat mich das Evangelium von unserem Herrn Jesus Christus angesprochen. Ich habe eine Predigt gehört, in der erklärt wurde, wie Jesus Mensch wurde, wie er „in eine Grippe kam“, wie er zum Lamm wurde – dem Lamm der Sünde, das die Sünde der Welt auf sich nimmt – und wie er unter Wölfe kam.
Ich muss es Ihnen so sagen: Wenn ich dieses Jahr und auch mein eigenes Leben betrachte, dann bin ich wirklich ein Wolf. Wir sind Wölfe; wir haben eine andere Art als Jesus. Wir sind keine Lämmer. Aber er will uns verändern und uns zu Lämmern machen – das war auch die Botschaft dort.
Ich habe mich sehr gefreut über die vielen Menschen, die ich gesehen habe. Keiner von ihnen klagte über seine Not. Ich habe Kinder mit viel fröhlicheren Augen gesehen, als man sie hier oft sieht. Ich bin sehr glücklich und reich beschenkt wieder nach Hause gekommen, auch wenn in mir noch vieles durcheinander ist.
Auf meiner Heimfahrt habe ich am Straßenrand bei einem kleinen Laden ein Spielzeug gefunden: vier pickende Hühner mit Körnern in der Mitte. Wenn man das dreht, picken die Hühner – man hört es richtig. Für mich war das das Bild der Christen dort in Rumänien. Sie picken und picken jeden Tag, und das, was sie aufnehmen, ist wirklich das, was ihnen Gott schenkt.
Auf dieses Spielzeug habe ich hinten einen Bibelvers geschrieben, der mir dort besonders deutlich wurde – auch für unser Weihnachten hier: „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater der Lichter, bei welchem keine Änderung ist, noch ein Wechsel von Licht und Schatten“ (Jakobus 1,17).
Das wollte ich Ihnen einfach sagen. Es hat mich sehr bewegt. Wir sind hier unglaublich reich, und ich wünsche es Ihnen und mir, dass wir zu Lämmern werden. In uns steckt eine Wolfsart, die reißt, krallt und manchmal heult wie ein Wolf.
Wir singen vom Lied 27: Lobt Gott, ihr Christen, die ersten beiden Verse sowie die beiden letzten, die Verse fünf und sechs – also die Verse 1, 2, 5 und 6.
Die Bedeutung der Geburt Jesu und der Mittelpunkt der Zeitrechnung
Das ist schon ein ganz besonderes Weihnachtsfest. Man spricht ja immer vom Jahrtausendwechsel, aber dabei wird oft übersehen, dass das Ursprüngliche der zweitausendste Geburtstag Jesu ist. Ganz gleich, wie man rechnet – unsere Zeitrechnung geht von der Geburt Jesu aus.
Überall auf der Welt orientieren sich die Menschen an diesem großen Ereignis. Es mag einige geben, die aus ideologischen oder religiösen Gründen das Wort von der Geburt Jesu nicht in den Mund nehmen. Dann sagen sie stattdessen „so und so viele Jahre nach der Zeitrechnung“. Oder in Asien spricht man gern vom Kilojahr, also vom tausendfachen Jahr. Doch immer geht es auf das Datum der Geburt Jesu zurück.
Alle Menschen bringen damit zum Ausdruck: Das ist die Mitte der Zeit. Das ist das Ereignis, auf das alles zuläuft, von dem wir herkommen und das in unserem Denken die Mitte bildet.
In unserer Zeitgeschichte gibt es viele denkwürdige Ereignisse, die für unser Leben sehr wichtig sind. Stellen Sie sich zum Beispiel die Erfindung der Elektrizität vor – sie ist für uns entscheidend und bedeutend. Oder die Erfindung des Motors und der Beginn der Industrialisierung: Diese Ereignisse haben unser ganzes Leben völlig auf den Kopf gestellt. Auch die Entdeckung Amerikas war ein Ereignis von großem Ausmaß.
Doch die Zeit rechnen wir nicht von diesen Daten her, sondern von der Geburt Jesu.
Die Armut der Geburt Jesu als göttlicher Plan
Die Mitte der Zeit
Zeitgenossen, die wenig mit Jesus anfangen können, ist das oft gleichgültig, und sie kümmern sich nicht darum. Hat das Geschehen der Geburt Jesu wirklich auch heute noch Bedeutung für uns? Warum ist diese Geburt für uns Menschen, die ins neue Jahrtausend eintreten und 2000 Jahre zurückblicken, noch wichtig?
Ich möchte drei Dinge aus der Weihnachtsgeschichte herausgreifen, die sofort ins Auge springen.
Zuerst die ganz außergewöhnliche Armut dieses Notquartiers, in dem Jesus zur Welt gebracht wird. Es steht nicht ausdrücklich, ob es ein Stall war. Es ist von der Herberge, vom Haus die Rede, wahrscheinlich von einem Haus mit nur einem Raum. Das ergibt sich aus dem griechischen Wort „Kataluma“. Jesus wurde offenbar in dem Teil des Hauses geboren, in dem sonst die Tiere untergebracht waren. Darum ist es gar nicht so ungewöhnlich, dass Maler später einen Stall darstellten. Sie feierten ihre Feste in ganz anderen Räumen.
Wenn wir heute unsere Weihnachtsfeier in den Familien haben, schmücken wir unsere Wohnungen. Die Hausfrauen bemühen sich tüchtig, damit alles schön und festlich wird. Das steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu diesem elenden, armen Notquartier.
Natürlich kennen wir in der Welt viel Not. Es wird uns ständig mit Bildern und Fotos gezeigt: Obdachlose, Flüchtlingselend, arme Menschen, die um ihr Leben bangen. Aber die Armut bei der Geburt Jesu ist noch etwas ganz Besonderes. Denn sie kam nicht zufällig, sondern das steht ganz klar im Evangelium: Das wollte Gott so. Es war Gottes Plan, Absicht und Methode, dass Jesus so geboren wird.
Wenn der Kaiser sein Gesetz erlässt und die Menschen sich auf den Weg machen, um sich in die Steuerlisten einzutragen, dann ist das letztlich nicht nur menschliches Handeln. Gott benutzt diese Ereignisse, um seinen Plan zu verwirklichen. Jesus musste, so wie es die Schrift voraussagt, in Bethlehem geboren werden. Dort kommt Jesus unter elenden Umständen zur Welt.
Was hat das für uns zu bedeuten? Warum gerade in dieser Armut? An vielen Stellen in der Bibel findet man, dass Gott das Niedrige zieht. Das zieht sich durch das ganze Leben Jesu. Hat Jesus das Schöne nicht gesehen? Doch, aber er blickt hinter die Kulissen dieser Welt. Er sieht das Verlorene, die Kranken, die Verzweifelten, die Belasteten.
Wenn wir uns heute Abend festlich zusammenfinden, dürfen wir nicht vergessen, dass Jesus mit uns über unsere Nöte reden will. Über unsere Belastungen, über das, was bei uns schiefgelaufen ist, und über das, was zwischen uns und Gott zerbrochen ist. Er kommt als Heiland und Retter. Darum ist Gottes Sohn Mensch geworden: Weil Gott einkehren will in das Elend und die Not dieser Welt. Weil er Menschen suchen will, dort wo sie nicht mehr weiterkommen, wo sie stecken geblieben sind.
Es ist immer eine Art von uns, dass wir das weit von uns schieben. Ich habe oft gehört, dass Menschen sagen: „Ich kann das nicht mehr hören, wenn du immer wieder anfängst mit der Schuld und den unbereinigten Dingen.“ Aber genau dort liegt die Not. Dort will Jesus mit uns reden.
Das Licht der Geburt und die Bedeutung des Glaubens
Und jetzt noch etwas anderes zur Weihnachtsgeschichte: Zunächst einmal die Armut und das Elend, und dann das strahlend helle Licht draußen auf dem Hirtenfeld. Man hat es heute Mittag in diesem Krippenspiel mit den Kindern wieder erlebt, wie die Hirten dasaßen, müde und verdrossen. Sie hatten wirklich schreckliche Arbeitsbedingungen. Ich kann mir vorstellen, dass in den Köpfen dieser Männer die Frage umging: Gibt es überhaupt noch soziale Gerechtigkeit? Hat unser Leben noch eine Hoffnung? Und wie löst sie all das, was bei uns so notvoll in unserem Leben ist?
Plötzlich strahlende Helle – das ist nicht bloß ein Schein des Lichtes, das aufleuchtet. Es steht ja: „Die Klarheit des Herrn umleuchtet sie, der Morgenglanz der Ewigkeit, das Licht, das Gott umgibt.“ Ja, was hat das für uns zu bedeuten? Ist uns das eigentlich klar, wenn wir Weihnachten feiern? Wir sind umgeben von der ewigen Welt Gottes. Es ist nicht einmal ein Papier dazwischen. Die Gegenwart Gottes ist so nah, zum Greifen nah.
Ach, wir haben oft diskutiert, wo Gott ist und wo man Gott finden kann. Das war ja so dumm, so oberflächlich, so kleinkariert, wo wir doch alle genau wissen, dass die Welt Gottes uns umgibt, auch wenn wir sie nicht sehen können. Ja, wenn wir immer denken, dass das, was wir mit unseren Augen sehen können, das Wichtige sei, dann sehen wir doch so wenig von den realen Dingen dieser Welt.
In der Weihnachtsgeschichte wird auf einmal kurz der Vorrang des Sichtbaren weggeschoben, und diese Hirten werden gewürdigt. Sie dürfen hineinhören in den vollendeten Lobgesang der himmlischen Chöre. Wissen Sie, dass die ewige Welt Gottes so ganz nah um uns herum ist? Das ist eine ganz herrliche Mitteilung in der Weihnachtsgeschichte. Und doch konnten die Hirten mit den Augen gar nicht viel erkennen.
Für den Glauben sind die Augen ein denkbar schlechtes Instrument. Beim Glauben brauchen wir ein anderes Organ. Das war schon bei den Hirten auf dem Hirtenfeld so: Sie brauchen die Ohren, denn die Engel rufen ihnen diese Botschaft zu. Die muss man hören, denn der Glaube kommt aus dem Hören des Wortes Gottes: „Euch ist heute der Heiland geboren, der Retter.“ Was soll das bedeuten?
Auch unser Denken kreist sicher, wie bei den Hirten, oft nur um die ganz alltäglichen Dinge: um die schwierigen Arbeitsbedingungen, um den Stress der Arbeit, um Geldprobleme, Wirtschaftsprobleme, Probleme am Arbeitsplatz. Wenn ein Retter da ist, dann sagen wir oft: „Dann muss er das lösen können.“ Wo ist die Macht Gottes?
Und wieder können Sie es im ganzen Evangelium lesen: Jesus will vor allem anderen zuerst der Retter der einen Not sein, die die allerschlimmste ist. Es ist schon tragisch, dass wir in unserem Denken diese Not so weit wegschieben: die Not unseres Lebens, dass wir alle das Ebenbild Gottes, das Gott in uns geschaffen hat, zerstört haben. Unser Leben ist belastet, unsere Beziehungen – in der Ehe, in der Familie, mit unseren Freunden und Kollegen – sind belastet. Unsere Gedanken sind beschwert, und wir können all das, was wir eigentlich wollen, gar nicht leben.
Jesus ist der Retter, der ein Leben neu machen will. Die größte Veränderung ist, dass endlich das Problem gelöst wird. Doch kein Mensch hat von sich aus das Wohlgefallen Gottes finden können. Jetzt ist es durch Jesus möglich: Es gibt Erneuerung, Veränderung. Wer in Christus ist, der ist eine neue Schöpfung. Das Wunder soll doch geschehen – jetzt!
Über dieser herrlichen Lichterscheinung, über dieser Gegenwart des ewigen Gottes, erleben die Hirten diese Nachricht: Es gibt einen Neuanfang, neues Leben. Und das kann man dann im Evangelium lesen, wie befreiend und beglückend es ist, wenn man dieses neue Leben antritt. Wie das Veränderungen um uns herum gibt, wie da plötzlich neue Gemeinschaft entsteht, wenn die Herrschaft Jesu, das Gottesreich, in unserem Leben zur Entfaltung und Wirkung kommt.
Es war das: „Euch ist ein Heiland geboren, Christus, der Herr.“ Man kann es oft gar nicht mehr hören, wenn so viel vom Christkind gesprochen wird. Es kann so blöd sein wie das vom Weihnachtsmann. Wir wissen: Christus ist nicht bloß das Kind, sondern der König und der Herr. Er will Herr deines Lebens sein, dein Leben führen und bestimmen. Und wie beglückend ist das, wenn er die Herrschaft in unserem Leben übernimmt!
Die kritische Haltung der Hirten und die Einladung zur Prüfung des Glaubens
Aber noch das Letzte: Warum ist die Geburt Jesu so wichtig? Natürlich können wir heute feiern. Ludwig Hofacker klagt in seiner Weihnachtspredigt darüber, dass zu seiner Zeit, vor 180 Jahren, so viele Menschen alles nur oberflächlich an sich vorbeigehen ließen.
Die Hirten waren andere Menschen. Sie waren gründlich und kritisch. Sie sagten: „Wir wollen das jetzt einmal prüfen, ob das wahr ist.“ Dann machten sie sich auf den Weg und wollten genau sehen, was dort geschehen war.
Ich bitte Sie, schließen Sie diesen herrlichen Abend der Christnacht nicht einfach ab, indem Sie nach Hause gehen, die Kerzen ausblasen und sagen: „Ich will die Kraft Jesu in meinem Leben erfahren.“ Über das Elend, die Not, die Traurigkeit und über das, was bei mir zerbrochen ist, wollen Sie das prüfen.
Und was haben die Hirten gemacht? Sie knieten nieder und beteten das Kind an. Für diese rauen und harten Männer war es zunächst ungewöhnlich, vor einem Kind niederzuknien. Doch dieses kleine, schwache Kind ist stärker als alle Mächte dieser Welt.
Niemand sonst kann sie bewahren, wenn sie durch das Todestal ziehen. Niemand anderes kann sie lösen aus den schweren Belastungen von Schuld und Schande. Niemand anderes kann ihnen Mut und Hoffnung geben.
Gedanken zum Alter und zur ewigen Bestimmung
Ich habe in diesen Tagen einen alten Mann im Pflegeheim besucht. Ich fragte ihn, was seine Gedanken zum Weihnachtsfest sind. Er hat eine Perspektive, die junge Leute oft weniger haben, besonders wenn ihnen die Begegnung fehlt. Er erzählte, wie schwer es ist, dort im Altenheim zu sein. Darf ich so offen sagen: Wenn man den Herrn Generaldirektor und den Herrn Professor Doktor plötzlich wieder in Windeln packen muss, ist das schon eine Not mit unserem Menschenleben.
Es ist gut, dass das in der Weihnachtsgeschichte erwähnt wird – dass unser Menschenleben so erbärmlich schwach sein kann, und zwar nicht nur bei den Babys. Dann sagte mir dieser alte Mann: Wenn man so alt werden muss, fällt alles weg von unserer Größe, von unserem Stolz, von dem, was wir geleistet haben. Da fragt niemand mehr danach. Wir sind plötzlich ganz erbärmlich schwache Leute. Es war eine Klage eines alten Menschen.
Dann dürfen wir das andere sagen: Darum ist der Sohn Gottes Mensch geworden, damit das aufleuchtet. Wir haben eine ewige Bestimmung. Wir sind gerufen, dieses neue Leben zu ergreifen. Auch wenn mein Leib zerfällt, kann mich doch niemand aus den Händen Jesu reißen. Das ist so wichtig, dass wir jetzt das Allerwichtigste finden in dieser Christnacht: das Kind in der Krippe, Christus, der Herr.
Und dann machen wir es wie Paul Gerhardt: „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen.“ Dieser Mann, der so viele Enttäuschungen erlebt hat und so von Schwermut gezeichnet war, hat entdeckt, dass es nur einen einzigen Freudengrund gibt: dass ich in Christus die Hoffnung habe, das Leben und die Zuversicht. Da habe ich meinen Freispruch und meine Würde.
Und da begegnen wir dem ewigen Gott in seiner großen Gnade und Liebe. Eigentlich müsste man ja vor Gott erschrecken, so wie die Hirten erschrocken sind in diesem Lichtglanz. Doch es heißt: „Nein, fürchtet euch nicht!“ Eine wunderbare Liebesgeschichte Gottes: Gott sucht sie! Sie sind gesucht und geliebt, und Jesus will seine Macht und Größe in ihrem Leben machtvoll demonstrieren. Suchen Sie ihn! Amen!
Gemeinsames Singen und Abschlussgebet
Und wir wollen jetzt von diesem Lied „Ich stehe an deiner Krippe hier“ vom Lied Nummer siebenunddreißig die Verse eins bis vier singen. Lied siebenunddreißig, Verse eins bis vier.
Nein, auch das nicht. Wir wollen beten.
Lieber Heiland, Jesus Christus, wir danken dir für so viel Liebes und Schönes, auch für das, was wir bisher im Feiern miteinander in dieser Nacht erleben konnten.
Und doch wollen wir dir begegnen. Wir möchten dich bitten, dass du uns immer tiefer ansprichst, bis wir begreifen, was du bei uns retten willst und was du als Heiland heilen kannst.
Wir danken dir, dass du uns suchst in unserer Tiefe, in unserem Elend, in unserer Traurigkeit und Einsamkeit. Du bringst uns die Freude und das Leben.
Wir wollen jetzt ganz besonders für die beten, die angefochten sind, die Kranken, die Alten und die Leidenden. Lass sie deine Liebe und deine Güte ganz besonders groß erfahren, damit sie sich darin bergen können.
Wir wollen auch bitten für alle, die Not leiden in der Welt, nicht nur für deine Gemeinde, die heute die Christnacht feiert, sondern auch für die Verfolgten und die in Bedrängnis, in äußerer Not und Armut. Dort kannst du überwältigend deine Herrlichkeit sichtbar machen.
Darum bitten wir dich, Herr: Lass uns gemeinsam beten.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Hinweise zu weiteren Veranstaltungen und Schlusssegen
Bleiben Sie bitte noch einen Moment stehen. Eine Übersicht über unsere kommenden Veranstaltungen, die wir am letzten Sonntag verteilt haben, können wir vielleicht am Ausgang unseren Begrüßungspersonen noch einmal anbieten. Den Notizzettel für alle, die ihn noch nicht haben, möchten wir ebenfalls bereithalten. Darauf finden Sie auch die Gottesdienste zum Jahresende, ebenso während der Festtage. Wir laden Sie herzlich dazu ein.
Nach dem Segen wollen wir gleich das Lied „Oh du fröhliche“ singen, Lied 44, und zwar die ersten drei Verse. Anschließend möchte ich für das Opfer danken, das Sie kürzlich eingelegt haben.
Ich habe Ihnen von den Kindern erzählt, die wegen des schrecklichen Hungers aus Nordkorea nach China geflohen sind. Wir konnten dieses Geld bereits weiterleiten. Nun erreichte uns eine dringende Bitte von einem Kinderheim in Pjöngjang, das Christen aufgebaut haben – vornehmlich chinesische Christen, die leichter nach Nordkorea gelangen können. Dieses Land ist für Christen ansonsten völlig verschlossen.
Wir selbst waren mit unserer Aktion „Hilfe für Brüder“ daran beteiligt. Der Rohbau des Heims wird momentan, aufgrund der großen Hungersnot in Nordkorea, von etwa tausend Kindern bewohnt. Diese benötigen dringend Matratzen und Bettwäsche, die nun aus China dorthin gebracht werden können.
Dafür wollen wir heute Abend unser Opfer geben und es in den nächsten Tagen weiterleiten. In einem Land, in dem eine so schrecklich dunkle Unterdrückung herrscht und Christen keinerlei Raum zur Entfaltung haben, freuen wir uns, dass dieser Liebesdienst durch chinesische Menschen möglich ist – in Jesu Namen.
Nun gehen Sie in diese Christnacht, in der Jesus bei Ihnen Wohnung machen will und seine Hand auf Sie legt. Ob Sie miteinander feiern oder allein sind: Jesus möchte bei Ihnen einkehren und Sie segnen.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.