Ich hatte ja schon angekündigt, dass wir uns heute Abend den Psalm 27 ansehen. Ich hoffe, ihr habt schon einmal hineingeschaut. Ich denke, es ist ein besonderer Psalm.
Ich möchte ihn zu Beginn lesen. Er stammt von David:
Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?
Der Herr ist meines Lebens Zuflucht; vor wem sollte ich erschrecken?
Wenn Übeltäter mir nahen, um mein Fleisch zu fressen, meine Bedränger und meine Feinde, so sind sie es, die straucheln und fallen.
Wenn sich ein Heer gegen mich lagert, so fürchtet sich mein Herz nicht. Wenn sich auch Krieg gegen mich erhebt, bin ich trotzdem vertrauensvoll.
Eins habe ich vom Herrn erbeten, danach trachte ich:
Zu wohnen im Haus des Herrn alle Tage meines Lebens,
um anzuschauen die Freundlichkeit des Herrn
und nachzudenken in seinem Tempel.
Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unheils,
er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes.
Auf einen Felsen wird er mich heben,
und nun wird mein Haupt sich erheben über meine Feinde rings um mich her.
Opfervoll Jubel will ich opfern in seinem Zelt,
ich will singen und spielen dem Herrn.
Höre, Herr, mit meiner Stimme rufe ich,
sei mir gnädig und erhöre mich!
Mein Herz erinnert sich:
Suchet mein Angesicht, dein Angesicht, Herr, suche ich.
Verwirf dein Angesicht nicht vor mir,
weise deinen Knecht nicht ab im Zorn.
Du bist meine Hilfe gewesen.
Gib mich nicht auf und verlass mich nicht, Gott meines Heils!
Sogar mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen,
aber der Herr nimmt mich auf.
Lehre mich, Herr, deinen Weg
und leite mich auf ebenem Pfad wegen meiner Feinde.
Gib mich nicht preis der Gier meiner Bedränger,
denn falsche Zeugen sind gegen mich aufgestanden,
und der Gewalt hart schnaubt.
Ach, wenn ich mir nicht sicher wäre,
das Gute des Herrn zu schauen im Land der Lebendigen!
Harre auf den Herrn, sei mutig, und dein Herz sei stark,
und harre auf den Herrn!
Die Erfahrung des Wartens und die Frage nach dem Sinn
Ich weiß nicht, wie ihr das empfindet. Ich habe hier mal etwas auf die Leinwand gemacht. Wer mit dem Computer umgeht, kennt das. Vielleicht sieht das dann so aus, vielleicht aber auch so. Und dann sitzt man vor seinem Computer und wartet. Man wird nervös, drückt noch einmal, und wieder nicht, und wieder nicht. Man wartet und wartet. Man überlegt schon: Muss ich jetzt den Computer ausschalten, neu starten? Lohnt es sich zu warten? Oder der Computerfachmann, der weiß es: Neustart – lohnt es sich zu warten?
Wir haben im letzten Vers das so gelesen: „Ach, wenn ich mir nicht sicher wäre, das Gute des Herrn zu schauen im Lande der Lebendigen! Harre auf den Herrn, sei mutig, und dein Herz sei stark; harre auf den Herrn!“ Also warte auf den Herrn. Christen warten, oder? Jetzt schon bald zweitausend Jahre. Wir warten und warten.
Ich weiß nicht, wer dieses Theaterstück kennt: „Warten auf Godot“. Du hast gesehen, das ist schon ein eigenartiges Theaterstück. Ein Stück, ich habe es also nur gesehen beziehungsweise am Computer mir angesehen, ich habe den Text gelesen. Samuel Beckett, „Warten auf Godot“. Samuel Beckett war ein irischer Schriftsteller, der aber hauptsächlich in Frankreich gelebt hat – von 1906 bis 1969. Er war zunächst völlig unauffällig, unbekannt, bis er dieses Theaterstück geschrieben hat.
Wenn man sich das ansieht und den Text liest, dann denkt man: Was soll das? Was soll das? Das Stück spielt nur mit diesen zwei Personen. Sie heißen Wladimir und Estragon, zwei Landstreicher, die sich irgendwo an der Landstraße treffen. Die beiden unterhalten sich während des ganzen Theaterstücks. Es wird einmal unterbrochen zu einem zweiten Akt, aber das Bühnenbild ist das Gleiche. Die beiden Personen sitzen genauso noch da, und sie unterhalten sich genauso weiter.
Sie unterhalten sich über das Leben, über die Vergänglichkeit des Lebens. Es ist alles so maßlos traurig. Der eine sagt: „Lass uns weitergehen.“ Der andere sagt: „Wir können nicht weitergehen.“ „Warum nicht?“ – „Wir warten auf Godot.“ Aber keiner von ihnen weiß, wer Godot ist. Die beiden unterhalten sich darüber und über die Unzuverlässigkeit von diesem Godot.
Ein völlig hoffnungsloses Stück. Man kann es sich schon vorstellen: Beckett hat dieses Theaterstück direkt nach dem Krieg geschrieben. 1953 ist es uraufgeführt worden. Man merkt bei ihm: Bei ihm ist alles zerstört, die gesamte Weltanschauung ist zerstört.
In dem Stück kommt im Grunde vor: Wofür lebe ich überhaupt? Was hat das für einen Sinn? Tag für Tag warten wir, aber auf was warten wir? Sie wissen noch nicht mal was, sie kennen noch nicht mal den, auf den sie warten. Sie wissen gar nicht, ob der existiert oder nicht existiert. Eigentlich eine völlig unsinnige Theateraufführung.
Mit diesem Stück ist Beckett weltberühmt geworden. Man kann sich fragen: Woher kommt das? Woher kommt es, dass einer durch solch ein nihilistisches Stück weltberühmt wird? Ich denke, dass gerade in dieser Zeit nach dem Krieg, nach dem Zweiten Weltkrieg, viele Menschen mit ihrer Weltanschauung, mit ihren Plänen, mit ihren Wünschen völlig am Ende waren.
Wenn ich an meinen Schwiegervater denke, war das genauso. Er war vorher katholisch gewesen, hatte den katholischen Glauben über Bord geworfen, war dann begeisterter Nationalsozialist, und dann bricht das alles zusammen. Er hat sich auch gefragt: Wofür lebe ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Er hat sich dann irgendeine Religion zusammengebaut, anthroposophisch, aber im Grunde wusste er nicht, wofür und wohin.
Wenn ich mich mit meinem Schwiegervater unterhielt, musste ich immer an dieses Stück denken. Eigentlich furchtbar traurig. Ich dachte oft: Warum versteht er nicht, was die Bibel sagt? Aber für manche Menschen ist das so. Sie warten nicht auf Godot – und wahrscheinlich ist es nicht ohne Bedeutung, dass er das so genannt hat. Im Grunde ein Pseudonym: Auf Gott warten.
Und wie viele Menschen bis heute sagen sich: Was soll das alles in dieser Welt? Man guckt in die Zeitung und sieht nur schlechte Nachrichten: Krieg, Naturkatastrophen, Streit, Mord, Korruption – was soll das?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, ich bin so in der Zeit, als die 68er ihre Hochblüte hatten. Während der Zeit habe ich studiert. Was haben wir diskutiert als Studenten? Und die anderen haben immer den Kopf geschüttelt über den frommen Platte, der so naiv war, das zu glauben, was in der Bibel steht.
Mein Professor hat mir gesagt: „Herr Platte, Sie müssen sich entscheiden. Entweder Sie machen weiter in der Werbung oder Sie behalten Ihren Glauben. Beides geht nicht.“ Und er sagte mir, er habe seinen Glauben über Bord geworfen. Ich habe ihn gefragt: „Warum?“ Er sagt: „In der Werbung muss man lügen, und Sie werden sich entscheiden müssen.“
Nun, ich habe mich entschieden. Ich habe Werbung gemacht – ehrliche Werbung, eben ohne Lügen. Warten – lohnt es sich, auf Gott zu warten?
Psalm 27 als Antwort auf die Frage nach Hoffnung
Als ich diesen Psalm gelesen habe, dachte ich, dieser Psalm 27 ist die Antwort auf Samuel Becketts Theaterstück „Warten auf Godot“. Die Bibel hat in der Regel schon weit vorher Antworten auf unsere Fragen. Das finde ich interessant.
Mir scheint, dass David diesen Psalm möglicherweise während der Zeit gedichtet hat, als er auf der Flucht vor Saul war. Vielleicht ist euch aufgefallen, dass er Situationen schildert, in denen Feinde hinter ihm her sind, ganze Heerscharen ihm nachjagen, und er sich dennoch an Gott klammert.
Wie wir in den vergangenen Stunden schon gesehen haben, habe ich diesen Psalm wieder in verschiedene Strophen oder Abschnitte unterteilt. Ich habe ihn überschrieben mit „Warum wir uns nicht fürchten müssen“.
Der Psalm beginnt mit einem Lobpreis: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten?“ Eigentlich müssen wir Christen sagen: Ja, das können wir nachsprechen, natürlich. Gott ist mein Heil, Jesus ist mein Licht, er ist das Licht der Welt.
Fürchtest du dich nicht? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Natürlich kennen wir Furcht, natürlich kennen wir Angst. Und Jesus sagte es selbst zu seinen Jüngern: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“
Dieser Psalm beschreibt, wie man Ängste und Zweifel besiegt – und zwar dadurch, dass man sich an den Herrn hält. David ist dafür immer wieder ein Beispiel.
In den Versen 2 bis 3 schildert David dann, was er persönlich erlebt hat. Darauf werden wir noch eingehen. Danach betet er in Vers 4, warum er betet und worum er betet. Er hat einen Herzenswunsch.
Die Verse 5 bis 10 schildern, was David aus Erfahrung weiß. In den Versen 11 bis 12 sagt er, dass er weiß, dass Gott ihn führen muss, weil er es nicht alleine kann.
Und die Verse 13 bis 14 zeigen, dass er überzeugt ist: Er wird am Ziel ankommen.
Vertrauen statt Furcht – Gottes Licht als Schutz
Schauen wir uns den ersten Vers an, der erklärt, warum wir uns nicht fürchten müssen. Dort steht: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Zuflucht, vor wem sollte ich erschrecken?“ Das weiß jeder von uns.
Wenn es dunkel ist, hat man mehr Angst als bei Helligkeit, oder? Als Kind ging man nur ungern in den dunklen Keller. Man war froh, wenn man das Licht anschalten konnte. Oder man weiß ganz genau: Wenn der Strom ausfällt, fühlt man sich unsicher und hat Angst. David weiß jedoch: Gott ist mein Licht.
Jesus sagt es in Johannes 8: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Das darf uns Trost sein. Ich muss mich nicht fürchten, weil der Herr Jesus mein Licht ist. Ihm darf ich nachfolgen.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern: Als ich Jugendlicher war, waren wir in der Schweiz auf einer Freizeit. Wir machten eine Abendwanderung, und dann brach die Nacht herein. Es war wirklich stockdunkel, kein Stern, kein Mond. Wir waren in einem unwirklichen Gebiet und verliefen uns natürlich. Unser Freizeitleiter hatte das Geschick, sich bei Wanderungen immer zu verlaufen.
Das war schon spannend. Wir Teilnehmer mussten uns alle an der Hand fassen, damit niemand verloren ging. Es war so dunkel, dass wir nicht einmal den Boden sehen konnten. So etwas habe ich nie wieder erlebt. Ich erinnere mich noch, wie wir um eine Wegecke kamen und in der Ferne das Licht vom Freizeitheim sahen.
Ich denke, das ist ein Bild für uns: In der Welt haben wir Angst, die Welt ist dunkel, und wir kennen keinen Ausweg. Aber der Herr Jesus ist unser Licht. Selbst wenn wir im Finstern wandeln, dürfen wir das Licht des Lebens haben.
Im gleichen Vers steht auch: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil.“ Er hilft auch, wenn ich verletzt bin. Das wird im Neuen Testament an verschiedenen Stellen über Jesus gesagt. In Lukas 2,30 sagt der alte Simeon: „Meine Augen haben dein Heil gesehen.“ Dabei meint er Jesus.
In Lukas 19,9 spricht Jesus zu Zachäus: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“
Im ersten Vers sagt David auch: „Der Herr ist meine Zuflucht, meines Lebens Zuflucht, vor wem sollte ich erschrecken?“ Ich finde es schön, dass David verschiedene Bilder benutzt, um uns etwas deutlich zu machen. Jeder von uns kann das nachvollziehen.
Ich erinnere mich, dass wir mit unserer Familie einmal am Rhein Urlaub gemacht haben und eine Burgentour unternahmen. Ich forderte damals meine Kinder auf, in der Bibel alle Stellen herauszusuchen, die ohne Konkordanz von Burg, Festung oder Zufluchtsort sprechen. Sie waren erstaunt, wie viel darüber steht.
Das war für uns besonders bei der Besichtigung all der Burgen am Rhein eine ganz plastische Sache. Jede Burg hat ihren Bergfried, den Ort, an den man sich zurückziehen kann.
Die Bibel sagt in Nahum 1,7: „Gut ist der Herr, er ist sein Zufluchtsort am Tag der Bedrängnis, und er kennt die, die sich bei ihm bergen.“ Und in Psalm 91,2 heißt es: „Ich sage zum Herrn: Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, ich vertraue auf dich!“
David hat das oft erlebt, wenn er in der Wüste war und sich auf die Bergfeste zurückzog. Die Bergfeste war offensichtlich eine Höhle in den Bergen Judas, südlich von Jerusalem.
Erfahrungen von Bedrohung und Vertrauen in Gott
Die Verse zwei bis drei schildern eine Situation, bei der ich beim Lesen dachte: Vielleicht geht es uns ähnlich. Für uns sind Krieg und Bedrohung zwar weit entfernt, doch trotzdem lesen wir jeden Tag davon in der Zeitung.
David sagt: „Wenn Übeltäter mir nahen, mein Fleisch zu fressen, meine Bedränger und meine Feinde, so sind sie es, die straucheln und fallen.“ Wer denkt dabei nicht an aktuelle Geschehnisse, wie etwa die ISIS, die zurzeit rund um Israel Terror verbreitet und Menschen willkürlich brutal tötet?
Wie mag es David ergangen sein, als er dort auf der Flucht vor Saul war und vielleicht aus seiner Höhle unten dieses Heerlager sah? Er sagt, wenn Übeltäter ihm nahen, fürchtet er sich nicht. Wenn seine Bedränger und Feinde kommen, sind es sie, die straucheln und fallen. Selbst wenn sich ein Heer gegen ihn lagert, fürchtet er sich nicht. Das finde ich erstaunlich.
Uns geht es oft schon so, wenn wir allein die Nachrichten lesen, dass wir schlecht schlafen können. Und wie viele Nöte und Stürme treffen uns, wenn wir an unsere Nachbarschaft denken – an Arbeitskollegen oder Nachbarn, die uns nichts Gutes wollen. Wie gehen wir damit um?
David sagt: Trotzdem bin ich vertrauensvoll. Warum kann er so vertrauensvoll sein? Warum hat er keine Angst? Warum ist er sich so sicher, dass seine Feinde straucheln und fallen? Weil er erlebt hat, was Gott ihm schon alles getan hat in seinem Leben.
Ich glaube, das ist eine wichtige Sache: Wenn wir in Bedrängnis sind, sollten wir uns daran erinnern, was Gott schon alles in unserem Leben getan hat, wie viel Hilfe wir erfahren haben und dass wir uns darauf wieder verlassen können.
Der Herzenswunsch nach Gemeinschaft mit Gott
Vers vier: Worum betet David? Er sagt: „Eins habe ich vom Herrn erbeten, danach trachte ich: zu wohnen im Haus des Herrn alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Freundlichkeit des Herrn und nachzudenken in seinem Tempel.“
Manche Übersetzungen fassen das etwas anders und sprechen davon, dass er sich auf die schönen Gottesdienste freut oder auf die Gebäude des Tempels. Sicherlich ist beides darin enthalten.
Was muss das für ihn gewesen sein? Zehn Jahre war er auf der Flucht. Während dieser ganzen Zeit konnte er keinen Gottesdienst besuchen, nicht zur Stiftshütte gehen. Er musste sich immer verborgen halten.
Wie geht es uns, wenn wir irgendwo im Urlaub sind oder unterwegs und keine Gemeinde haben, keinen Gottesdienst besuchen können? Merkt man diese Sehnsucht auch so wie David hier? Er sagt: „Einst habe ich vom Herrn erbeten, danach trachte ich.“ Das ist sein Herzenswunsch: Er möchte im Haus Gottes wohnen.
Nach dem Gesetz war das nicht möglich. Man konnte nicht in der Stiftshütte wohnen, und später im Tempel durften nur die Leviten oder Priester am Rand wohnen, nicht der König. Trotzdem wünscht er sich genau das: „Ich möchte da zu Hause sein.“
Ich selbst kann sagen, ich habe 32 Jahre das Vorrecht gehabt, im Gemeindehaus zu wohnen. Meine Frau und ich waren nebenberuflich Hausmeister. Unsere Kinder sind also im Gemeindehaus groß geworden. Für die Nachbarschaft waren wir die Gemeinde. Man musste den Kindern manchmal sagen: „Benehmt euch auch so.“ Und das hat schon etwas für sich.
Natürlich ist das Haus Gottes nicht das äußere Gebäude. Das wissen wir aus dem Neuen Testament. Das Haus Gottes sind alle, die gläubig geworden sind. Die Bibel nennt die Gläubigen den Tempel Gottes oder das Haus Gottes.
Aber da zu sein, wo man zusammenkommt, um den Herrn zu sehen, ihn zu loben und zu preisen – das ist etwas Besonderes. Ihr habt hier einen Blick in unseren Gemeindesaal, und ich muss sagen, ich bin sehr gerne dort. Man fühlt sich dort zuhause. Wenn man unterwegs war, freut man sich, wieder hinzukommen.
David sagt: „Ich möchte da sein, um die Freundlichkeit Gottes anzuschauen“ – oder nach der Lutherübersetzung: „die schönen Gottesdienste zu erleben.“ Hast du auch Sehnsucht danach? Sehnsucht nach der Gemeinschaft mit Gott und mit den Gläubigen? Den Wunsch, über Gott nachzudenken im Haus Gottes?
Natürlich kann man das auch zuhause tun, natürlich auch hier. Aber es ist schon etwas Besonderes, im Kreis der Gläubigen zu sein, miteinander über Gott nachzudenken und ihn zu loben und zu preisen.
Noch einmal: David hat zehn Jahre lang das nicht gekonnt. Könnt ihr euch vorstellen, welche Sehnsucht er hatte, als er dann König wurde und wieder beim Gottesdienst dabei sein konnte?
Eine der ersten Handlungen, die er als König vornahm, war die Bundeslade nach Jerusalem zu bringen. Die Bundeslade war zwischenzeitlich von den Philistern erobert worden und dann zurückgebracht worden. Unter Sauls Herrschaft war sie im Haus Obed-Edoms stationiert.
Seine erste Handlung war, diese Bundeslade nach Jerusalem zu bringen. Man merkt seine Sehnsucht: „Ich möchte in der Nähe Gottes sein. Ich möchte da sein, wo die Bundeslade ist.“ Die Bundeslade ist das Zeichen der Gegenwart Gottes oder, wie man sagen kann, der Thron Gottes.
Das war ihm ein großes Anliegen.
Gottes Schutz und Lob trotz Bedrängnis
In den Versen fünf bis zehn schildert er, was er aus Erfahrung weiß. Wir lesen in Vers 5: „Er, Gott, wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unheils, er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes, auf einen Felsen wird er mich heben.“ Damit sagt er: „Bei Gott bin ich geborgen.“ Er meint damit das Zelt, die Stiftshütte. Der Tempel war ja noch nicht gebaut; er wurde erst unter seinem Sohn Salomo errichtet.
Er sehnt sich danach, dort zu sein, wo die Stiftshütte war – in der Gegenwart Gottes. Und er weiß: Da bin ich bei Gott geborgen. Er wird mich verbergen, auf mich aufpassen und auf einen Felsen heben. Damit will er ausdrücken, dass die anderen nicht an ihn herankommen können. Bei Gott bin ich in Sicherheit.
In Vers 6 heißt es: „Und nun wird mein Haupt sich erheben über meine Feinde rings um mich her, Opfer voller Jubel will ich opfern in seinem Zelt, ich will singen und spielen dem Herrn.“ Trotz seiner Not, trotz der Bedrohung und seiner Ängste will er Gott loben und jubeln.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wir meinen in der Regel, dass man Gott nur loben, danken und preisen kann, wenn man einen Grund dazu hat. Doch ist euch schon einmal aufgefallen, dass die meisten Stellen über Jubeln und Preisen in der Bibel immer sagen: „Ich will loben, ich will danken.“ Loben und danken ist eine Willensentscheidung und nicht abhängig von den äußeren Umständen.
Deshalb kann David selbst in der Bedrohung, in der er lebt, dankbar sein, weil er es sich vornimmt. Er will Opfer voller Jubel bringen und Gott einfach danken. Vielleicht ist es gut, sich das einmal vorzunehmen: weniger zu bitten und mehr zu danken.
Vor einiger Zeit haben wir in unserem Hauskreis über unser Beten nachgedacht. Dabei fiel uns auf, dass Paulus in seinen Briefen immer zuerst dankt und erst danach bittet. Wir haben uns gesagt, wir wollen das mal üben. Die nächsten 14 Tage wollten wir, wenn wir beten, nur danken.
Nach den 14 Tagen waren alle einig: Das ist fast unmöglich. Probiert das mal aus – das ist schon erstaunlich. Wenn man sich vornimmt, Gott nur zu danken, beginnt man komischerweise, eine Bitte in den Dank hineinzuformulieren. So entstehen ganz verschrobene Sätze.
Bei David merken wir: Er dankt Gott, er lobt Gott. Ein dankendes und lobendes Herz gibt Zufriedenheit und Sicherheit, weil man die Größe Gottes erlebt.
Gebet und Bitte um Gottes Beistand
Vers sieben: Höre, Herr, mit meiner Stimme rufe ich, sei mir gnädig und erhöre mich.
Die Bitte kommt erst in Vers sieben. Davor hat er Gott gelobt und gejubelt. Erst hier beginnt er mit seiner Bitte. Er darf zu Gott rufen, weil er weiß, dass Gott hört.
In Vers acht erinnert er Gott an seine Zusagen: „Mein Herz erinnert sich, such mein Angesicht, dein Angesicht, Herr, suche ich.“ Er beruft sich auf Gottes Wort, und das dürfen wir in unseren Gebeten ebenfalls tun. Überall dort, wo Gott uns Zusagen gegeben hat, dürfen wir sie ihm vorhalten.
Ich erinnere mich gut: Vor einigen Jahren war ich auf einem Seminar mit Fred Colvin, einem amerikanischen Missionar in Österreich. Er sagte etwas, das mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist: „Jesus hat gesagt, ich will meine Gemeinde bauen, und du darfst ihn darauf festnageln.“ Er ermutigte dazu, im Gebet zu sagen: „Herr Jesus, du hast gesagt, ich will meine Gemeinde bauen. Bitte, tu es!“ Das hat mir enormen Mut gegeben. Nicht wir bauen Gemeinde, er baut Gemeinde, und es ist seine Gemeinde. Wir dürfen ihn auf seine Verheißung festnageln.
Herr Jesus, du hast gesagt – so wie David hier sagt: „Mein Herz erinnert sich, such mein Angesicht, dein Angesicht, Herr, suche ich.“ David weiß, dass Gott ihn nicht fallen lässt.
In Vers neun bittet er: „Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, weise deinen Knecht nicht ab im Zorn. Du bist meine Hilfe gewesen, gib mich nicht auf und verlass mich nicht, Gott meines Heils.“ Er ist sich sicher, bei Gott gut aufgehoben zu sein.
In Vers zehn schildert er: „Sogar mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, aber der Herr nimmt mich auf.“ Manche Übersetzungen verwenden hier die Möglichkeitsform: „Hätten mein Vater und meine Mutter mich verlassen, so nehme doch Gott mich auf.“ Doch ich denke, es kann durchaus so gesagt werden.
Überlege mal: David war auf der Flucht und seine Familie war nicht bei ihm. Er konnte seine Eltern nicht einfach besuchen, denn sonst hätte Saul ihn sofort gefangen genommen. Er war praktisch von seiner Familie abgeschnitten. Doch er weiß: „Ich bin bei Gott zuhause.“ Das ist wichtig.
Manchmal höre ich Lebensgeschichten von Menschen, die eine schwere Kindheit hatten, deren Vater und Mutter sie verlassen haben, und die trotzdem innerlich zufrieden sind.
Ich habe guten Kontakt zu einem Bruder, der die Stiftzücken gebaut hat, die ich fotografiert und in Büchern verarbeitet habe. Er ist in Schlesien groß geworden. Während des Krieges, auf der Flucht vor den Russen, musste er als Zwölfjähriger mit ansehen, wie Soldaten seine ganze Familie erschossen haben. Er blieb nur mit seinem Bruder übrig.
Er hat sich durch den kalten russischen Winter durchgeschlagen, bis er hier im Westen ankam. Er hatte keine Eltern mehr. Er kam in eine Pflegefamilie, deren Ehe zerbrach. Ich frage mich manchmal, wie ein Mensch so etwas aushält: kein Vater, keine Mutter, keine Verwandtschaft. Er wurde von seinem Bruder getrennt, der in eine andere Pflegefamilie kam. Sie haben sich nie wieder gesehen.
Doch dann kam er zum Glauben und sagt: „Gott ist mein Vater und die Gemeinde ist meine Familie.“
Hier erkennen wir bei David etwas Ähnliches. Er kann nicht zu seinen Eltern, er ist abgeschnitten, aber er weiß: „Ich bin bei Gott zu Hause.“
Gottes Führung und der sichere Weg
David weiß in den Versen 11 bis 12: Gott muss mich führen, denn ich kann den Weg allein nicht finden. Er bittet: Lehre mich deinen Weg und leite mich auf ebenem Pfad, wegen meiner Feinde.
„Gib mich nicht preis der Gier meiner Bedränger, denn falsche Zeugen sind gegen mich aufgestanden, und der, der Gewalttat schnaubt.“ Er verbittet Gott um Hilfe, den richtigen Weg zu finden. Wo soll er hinfliehen? Wo ist er sicher? Er unterschätzt seine Widersacher nicht, aber er weiß, dass er Gott hat, und kann mit seiner Not zu ihm kommen.
Dann folgt der Abschluss in den Versen 13-14: Ach, wenn ich mir nicht sicher wäre, das Gute des Herrn zu schauen im Land der Lebendigen! Harre auf den Herrn, sei mutig, und dein Herz sei stark, und harre auf den Herrn! David ist gewiss, dass er ans Ziel kommt.
David ist sicher, dass er bei Gott ankommen wird. Damit macht er auch uns Mut, auf Gottes Hilfe zu warten. Auf Gott zu warten ist nicht wie das Warten auf Godot. Auf Gott zu warten bedeutet ein sicheres Wissen. Ich darf wissen, dass ich am Ziel bei ihm ankomme.
Vielleicht kennt ihr diesen Ausspruch von Hudson Taylor: Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird, aber wir kennen den, der derselbe ist – gestern, heute und in Ewigkeit. Das möchte ich euch heute Abend für euer Leben mitgeben.
Wir wissen nicht, was der morgige Tag bringt, aber wir kennen Gott. Und wir wissen, dass er uns ans Ziel bringen wird. Das darf uns Mut machen. Amen.