Einführung: Gottes Wirken in Gegensätzen
Das ist schön, was uns Gott mit der Geschichte seiner Zeugen gegeben hat. Es ist wie ein wunderbares Bilderbuch der Lebensgeschichte, in dem das eigene Leben durchsichtig wird für das Handeln Gottes.
Heute Morgen wollen wir einen Bibelvers betrachten: Kolosser 1,24. Ich habe mich über das Thema gefreut, das hier gewählt wurde – dass Gott sich an Gegensätzen verherrlicht.
In unserer Welt ist das oft anders. Wenn Stuttgart ein Wahrzeichen hat, dann baut man einen großen Fernsehturm, etwas Großes und Auffälliges. Wenn Gott aber etwas Großes wirken will, dann tut er es oft durch etwas ganz Kleines.
Wenn er das Leben zeigen will, lässt er seinen Sohn sterben. Wenn er die größte Kraft der Welt zeigen will, dann nimmt er den Glauben – der wird im Gleichnis mit einem Senfkorn verglichen, das man fast nicht sieht. Doch gerade darin liegt eine weltüberwindende Kraft!
Das Leiden als Kennzeichen des Glaubens
Kolosser 1,24: Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch erleide. Ich erstatte an meinem Leib, was an den Leiden Christi noch fehlt – für seinen Leib, das ist die Gemeinde.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in unseren Gemeinden heute kaum noch über das Leiden gesprochen wird? Es gilt als Zeichen großen Glaubens, gesund zu sein. Vielleicht kennen Sie Christen, die sich in einer echten Glaubenskrise befinden. Sie sagen: „Ich habe gebetet, und Gott hat mich nicht geheilt – das kann ich nicht richtig glauben.“
Paulus spricht von der Gemeinde als einer Trägerin des Leidens. Er selbst, als ein Missionsbote, hat keine Erfolgsstatistik: so viele Bekehrte, so viele Versammlungen, so viele gegründete Gemeinden. Vielmehr ist der Beweis dafür, dass er ein Gottesbote ist und von Gott bevollmächtigt wurde, das Leiden.
Das ist ein völlig fremder Gedanke für uns. Für die jungen Leute ist er noch weiter entfernt, auch wenn sie ihn vielleicht noch aus der Generation vor ihnen kennen. Unsere Gemeinden sind von großer Not getrieben und fragen sich: Wie werden wir zu einer wachsenden Gemeinde? Was können wir tun, damit wir eine große Gemeinde werden? Das wollen wir ja auch um der Ehre Jesu willen. Aber wie macht man das?
Ich kenne eine Gemeinde in Deutschland, die ich für einen ganz bösen Irrweg halte. In jeder Veröffentlichung heißt es: „Wir sind eine große Gemeinde.“ Das ist ein Angeberei. Dort wird viel geredet: „Bei uns ist Leben!“ Paulus hätte das nie machen können.
Geistliche Gesetze im Gegensatz zur Welt
In der Welt ist es normal, dass der Allianz-Konzern an der Börse seine Fusion mit der Dresdner Bank präsentiert. Dabei muss er Zahlen vorlegen – große Erfolgszahlen. Andernfalls stürzt er ab, ähnlich wie der Neue Markt. Er muss der Wirtschaft zeigen, dass er wachsen kann. Erfolge müssen geplant werden.
Doch die geistlichen Gesetze Gottes unterscheiden sich ganz wesentlich vom Wachstum in der Welt.
Schauen Sie sich Jesus an: Er wurde ein Knecht. Wer von uns möchte ein Knecht für ihn sein? Vielleicht haben Sie schon einmal rebelliert und gesagt: „Ich muss immer alles aufräumen, was die anderen hinterlassen.“ Ich bin der Schuhabstreifer.
Jesus war der Geringste, weil er zugleich der Größte ist, vor dem sich eines Tages alle Knie beugen werden. Das ist das Geistliche der Gegensätze – so verherrlicht sich Gott.
Paulus als Beispiel für Gottes Wirken durch Schwäche
Zuerst möchte ich auf die Person des Missionars Paulus zu sprechen kommen. Vielleicht haben wir bereits ein Bild von Paulus, in dem wir ihn als einen starken Mann vorstellen. Er war jedoch sehr umstritten und umkämpft. Sie wissen, wie die Irrlehrer in der Gemeinde ihn herabgesetzt haben. Sie meinten, an ihm sei nichts, was irgendwie ins Auge fällt. Sie glaubten, er könne die Leute nicht begeistern oder mitreißen.
Wir wissen auch von seinen Erkrankungen und Schwächen, die Gott ihm nicht weggenommen hat. „Lasst euch an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Warum hat Gott die größte Missionsbewegung der Urchristengemeinde durch den Apostel Paulus gerade durch einen schwachen Menschen wirken lassen?
Paulus gründete in wenigen Jahren in fast jeder größeren Stadt des alten Römischen Reichs eine Gemeinde. Nicht er allein, sondern auch durch seine von ihm ausgebildeten Mitarbeiter. Am Ende seines Lebens, das nur zwanzig Jahre Wirksamkeit umfasste und durch lange Haftzeiten unterbrochen war, sehen wir eine blühende Christenheit im Römischen Reich. Dort beginnt bereits die Christenverfolgung. So groß war der Einfluss der Christen.
Gott hat diese große Bewegung durch einen schwachen Boten wirken lassen. Wir sollten uns niemals von diesem Schwachen abschrecken lassen, auch wenn er nicht ins Auge fällt und uns nicht mitreißt.
Im Buch Zephanja steht das Wort Gottes: „Ich will deine stolzen Prahler von dir tun, du wirst dich nicht mehr überheben auf meinem heiligen Berg. Ich will in dir übriglassen ein armes und geringes Volk.“ Das ist eine Art, wie Gott mit seiner Gemeinde vorgeht: keine Prahlerei mehr, sondern ein armes, geringes Volk.
Die Gefahr des Überhebens und die Kraft in der Schwäche
Paulus hat gesagt, es sei in seinem Leben eine große Versuchung gewesen, dass er sich überhebe. Sie kennen das: „Dass ich mich nicht überhebe.“ Ich weiß nicht, woher das Wort genau stammt, vielleicht kommt es von den Gewichthebern. Wenn die etwas hochstemmen, ihre Lasten, dann ist die Frage, wie viele Kilo sie auflegen. Man kann sich überheben, und dann fällt alles herunter.
Man kann sich auch in geistlichen Dingen überheben. Wie ist es dann mit unserer Stärke? Unsere Stärke ist immer ein Gnadengeschenk, das Jesus in uns Wohnung macht – gerade in Schwachen. „Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.“
Das können nur Leute erfahren, die an der Grenze ihrer Kraft sind. Überlegen Sie mal: Bei sich selbst waren es immer die großen Segenzeiten, in denen Sie an Ihre Grenzen gestoßen sind, wo Sie gescheitert sind, Niederlagen erlebt haben oder in Krankheit geführt wurden. Die gesunden, großen Wirkungszeiten waren oft gar nicht die geistlich reichsten Zeiten. Vielmehr haben Sie immer wieder in den Tiefen die Nähe unseres Herrn erlebt.
So hat Gott diesen Paulus benutzt – als einen schwachen, begrenzten Menschen –, um die größte Siegesbotschaft zu verkünden. Diese Botschaft wollen wir festhalten: die Siegesbotschaft des Sieges Jesu in der Welt. Was sind die Kaiser in Rom vor der Macht Jesu? Der Gegensatz war extrem.
Ein schwacher Bote kam nach Athen, und die Leute lächelten und sagten: „Was will dieser Lotterbube sagen?“ Die Philosophen schüttelten den Kopf. Eine Botschaft der Schwachheit! Die einen schüttelten den Kopf und sagten: „Töricht ist das.“ Die anderen wollten Wunder sehen – das kennen wir auch –, fühlbare Beweise des Wirkens Gottes. Doch Paulus hatte nur das Wort, das Zeugnis.
Und die großen Dinge geschahen: Einer Lydia hat Gott das Herz geöffnet. Das sind die Geheimnisse, wie Gottes Reich wächst. Ein kleiner Dienst an seinem Wort – ein extremer Gegensatz – oft schwach, jämmerlich und elend geht alles zu Ende. Aber genau durch diesen Dienst geschieht Großes.
Es ist mir jetzt wichtig, Ihnen heute Morgen das mitzuteilen, weil ich vermute, dass viele von Ihnen in so einer Haltung hierhergekommen sind: in diesen Tagen der Stille, der Sammlung, der Erfrischung. Man will es nach außen nicht zugeben, wo man die Krisen hat. Man hat kaum jemanden, mit dem man darüber sprechen kann. Selbst der Glaube brennt auf Sparflamme – Kleinmut, Zweifel, Ungeduld.
Das ist etwas, wo Jesus jetzt ganz besonders mächtig wirken will – durch unsere Schwäche hindurch, durch unsere Ohnmacht, auch dort, wo wir Versagen erleben oder Enttäuschung. In der Familie, im Zeugendienst haben wir oft Misserfolg. Der Hauskreis bricht auseinander, die Gemeinschaft wird kleiner. Aber unser Herr zieht sich nie zurück.
Er beruft schwache Menschen und sagt: „So wie du bist, stelle ich dich in meinen Dienst.“ Das ist das Kennzeichen all der biblischen Zeugen: Sie waren schwache Leute, die der Herr berufen hat.
Zerbrechlichkeit als Dienstmittel Gottes
Ich möchte es jetzt nicht an den biblischen Beispielen zeigen. Man kann es an David in den nächsten Tagen oder an Mose sehen, der ebenfalls gescheitert ist, zum Beispiel als er zu Pharao ging. Auch bei David und an vielen anderen Stellen lässt sich das zeigen.
Ich will es heute am Paulus verdeutlichen. Er spricht in seinen Briefen offen davon, dass er diesen Schatz in irdenen Gefäßen trägt. Diese irdenen Gefäße sind Tongefäße, die zerbrechlich sind, klirren, Scherben werden und zerspringen können. Wir sind zerbrechliche Gefäße, und doch sind wir Diener Jesu, durch die große Siege Gottes geschehen sollen.
Ich denke immer wieder, dass die Leidenszeit für Paulus die schwerste war, besonders die Zeit im Gefängnis. Dort versteht man natürlich, dass die Spötter in der Gemeinde und diejenigen, die ein anderes Evangelium vertreten haben, gesagt haben: „Wo ist denn dein Heiland, Paulus, wenn du dauernd Misserfolg hast? Wenn du in Haft bist, holt dich dein Heiland nicht aus diesen Ketten?“
Trotz der mehrjährigen Haft blieb Paulus ruhig und ungeduldig. Er sagte, das sei sein Bewährungsplatz, an dem er den Helfern etwas von der Siegeskraft Jesu spüren lasse. Dabei wird deutlich, wie klein das Arbeitsfeld des Paulus war und wie treu er an diesem kleinen Platz bleiben wollte, den der Herr ihm zugewiesen hatte.
In der Offenbarung, die ja einen großen Blick hat, bezeichnet sich Johannes, der Mitgenosse an der Trübsal. Das ist also in der Gemeinde schon typisch. Es ist kennzeichnend für die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten, dass sie viel vom Leiden mitträgt.
Mission als sichtbares Leiden und Siegesbewegung
Ich habe meine Tätigkeit besonders in der Mission ausgeübt und bin von Jugend an immer wieder beeindruckt davon, dass gerade in der Mission das sichtbar wird. Die Mission ist eigentlich die Siegesbewegung. Das Evangelium schreitet vorwärts und geht in die ganze Welt hinaus.
Heute dürfte ich gar nicht erst anfangen, sonst müsste ich Ihnen die Augen öffnen für die Wachstumsbewegung, die heute überall in der Welt zu beobachten ist. Das ist unglaublich. Ich war in Äthiopien und habe erlebt, wie Tausende von den Stämmen im Südwesten zum Glauben kommen. Zu Hause schrieb man mir, wenn ich weg bin, seien wieder Zehntausende zum Glauben gekommen.
Es sind weitere Völker, zu denen das Evangelium noch nie gelangt ist. Die Siegesbewegung ist da, aber sie geschieht durch zerbrechliche, schwache Boten. Das wird nicht im Fernsehen gezeigt. Manche sagen, das könne nicht wahr sein. Doch die großen Dinge der Welt kommen oft gar nicht zur Sprache.
Die Gemeinde Jesu – und wir gehören zur Gemeinde Jesu – geht durch viele Anfechtungen, durch Engpässe und Bedrängnisse. Bedrängnis heißt ja, jemand drückt von allen Seiten, und die Luft wird knapp. Es scheint oft so, als sei alles aus. Doch der Herr schafft Raum und schenkt Sieg.
Darum spricht Paulus hier auch von seinem Amt unter den Heiden: Er freut sich an den Leiden und erbringt an seinem Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt – für seinen Leib, das ist die Gemeinde. Nicht jeder von uns leidet in gleichem Maße, aber wir nehmen teil an den Leiden der Jesusgemeinde in der Welt. Besonders auch an den Gemeindegliedern, mit denen wir ganz besonders verbunden sind, die heute nicht unter uns sind, weil sie in einem schweren Leidenslager sind.
Das Zeugnis leidender Christen als Segen
Sie haben vielleicht auch schon bemerkt, dass in der Gemeinde ein ganz großer Segen ist. Oft geht man zu Besuchern und denkt: Was soll ich jetzt sagen? Es ist gut, wenn man eine Redegewandtheit hat und alte Sprüche parat. Doch wenn man überlegt: Was soll ich einem angefochtenen Menschen sagen? Wenn ich selbst in seiner Lage wäre, wäre ich ja verzweifelt, mit meiner kleinen Nervenkraft.
Dann kommt plötzlich von einem schwer leidenden Menschen ein herrliches Wort.
Wir haben eine Mitarbeiterin, deren Mutter gelähmt ist und schon seit vielen Jahren Leidenswege durchmacht. Jetzt ist die Situation so, dass man nichts mehr machen kann. Die Mutter wurde vom Krankenhaus wieder nach Hause gebracht. Seit Wochen liegt sie dort ohne jede Infusion, bekommt nur noch ein wenig Feuchtigkeit mit einem kleinen Löffel. Das Sterben setzt nicht ein, und sie ist bewusstlos.
Wie hält man das aus? Es ist ein großer Segen, dass aus der bewusstlosen Frau immer wieder Fetzen von herrlichen Liedversen kommen, die sie als Kind gelernt hat.
Es ist wunderbar, wenn so etwas im Unterbewusstsein verankert ist, sodass der Geist uns mit unaussprechlichem Seufzen vertritt. Das prägt uns alle, wenn wir miterleben, welchen Segen der Herr im Leiden seiner Gemeinde schenkt.
Leiden und Reich Gottes gehören zusammen
Das bekannteste Missionslied, „Die Sache ist dein, Herr Jesu Christ“, sagt das auf eine so besondere Weise: „Die Sache, an der wir stehen, nur weil es deine Sache ist, kann sie nicht untergehen, Herr. Jetzt führe uns, die Bitte lass uns an deinem Reich teilhaben.“
Aber das heißt auch, so führe uns zugleich zum Teil am Leiden und am Reich teilzuhaben. Ich kann an dieser Reich-Gottes-Geschichte nur teilhaben, wenn ich gleichzeitig auch die Leidensspur sehe. Und das ist heute natürlich ganz stark spürbar.
Es ist ganz wunderbar, wie Gott heute etwa in Algerien und in Rivkabil erstmals Bekehrungen gewirkt hat – Moslems oder in Marokko. In Mauretanien gibt es seit wenigen Monaten eine christliche Gemeinde. Wissen Sie, dass jeder dieser Jesuszeugen aus dem Islam solange er lebt, nach dem Koran mit dem Tod bedroht wird? Das ist eine Existenz, bei der man nicht weiß, wie man stirbt – um Jesu Willen.
Oder in Laos sind alle Kirchen geschlossen. Ich habe jetzt in diesen Tagen eine Statistik bekommen, dass es in China, wo es früher Millionen Christen gab, durch die Kulturrevolution, die alles ausgelöscht und alle Kirchen geschlossen hat, heute allein in der staatlich anerkannten, registrierten Gemeinde drei Selbstbewegungen gibt, die sich auf 25 Millionen Christen belaufen.
Das ist nach der Kulturrevolution von Mao passiert. Sie wissen doch, dass das rote Buch und die Mao-Demonstrationen im Kulturkampf alles vernichtet haben. Das ist ein Wunder vor unseren Augen.
Herr, warum? Warum haben wir das nicht bei uns in Europa und in Deutschland? Weil wir dem Leiden fliehen, weil wir der Schmach Jesu fliehen.
Die Gefahr der Anpassung an die moderne Erfolgswelt
Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Ich habe die große Sorge, dass wir das Evangelium an unsere moderne Erfolgswelt anpassen. Das geschieht, weil wir das Kreuz verschweigen. Weil die Kirche nicht mehr den Mut hat, Sünde zu bestrafen und den Menschen ins Gesicht den Ruf Gottes als Einladung zur Umkehr zu sagen. Nicht als Verdammen, sondern als Freudenruf des Evangeliums.
Wenn man an die großen Missionspioniere denkt – und ich möchte das am liebsten an diesen Missionsbeispielen deutlich machen – habe ich immer Angst, Sie mit meinen vielen Beispielen zu verwirren. Ich möchte Ihnen so viel zeigen. Der erste Missionar in Ostafrika war Ludwig Krapff. Er kam aus Derendingen; das Albrecht-Bengel-Haus dort liegt an der Ludwig-Krapff-Straße. Zu seiner Zeit gab es noch keine deutsche Missionsgesellschaft. Er ging mit der englischen Church Mission nach Ostafrika.
Er hatte den Traum, Äthiopien zu evangelisieren. Das ist ihm jedoch nicht gelungen. Sechs Jahre lang versuchte er, in dieses Land zu kommen. Es war eine große Demütigung. Er probierte alle Tricks, schloss sich Karawanen an. Seine Frau bekam ein Kind, das innerhalb einer Stunde starb. Die Treiber der Karawane wollten weiterziehen. Schließlich ging er nach Mombasa. Dort starben seine Frau und sein Kind an Malaria.
Ludwig Krapff hat uns Tagebücher hinterlassen, die ganze Kostbarkeiten sind. Sie wurden nachgedruckt, allein der Nachdruck in halber Größe kostet, glaube ich, noch 86,88 Mark. Auch in Englisch sind sie erschienen. Auf jeder Seite steht: „Ich habe permanenten Misserfolg.“ Am Ende seines Lebens schrieb er, er hätte keinen Menschen zu Jesus geführt. Doch immer fügte er hinzu: „Aber der Herr wird aus meinen Niederlagen ganz große Siege machen.“
Das ist erstaunlich, wenn man die Biografie von Krapff liest. Er sagte immer, das komme nicht aus seiner Vernunft oder Erfahrung, sondern aus dem Heiligtum des Evangeliums. Er habe im Wort gelesen, dass das die Segenswege Gottes sind, weil Gott sich an Gegensätzen verherrlicht.
Endlich schickte die Missionsgesellschaft ihm zwei, dann drei Helfer. Der erste zweifelte an der anglikanischen Kirche und blieb daheim. Der zweite kehrte in Aden um. Der dritte war ein Schwabe namens Pfefferle, der bis zum Grab kam. Krapff freute sich darüber. Nach wenigen Wochen schaufelte er das Grab und legte Pfefferle hinein. Er schrieb daheim: „Da sieht es sauber aus, da sieht es sauber aus.“
Und doch blieb er bei seinem Satz: „Afrika muss durch die Mission erobert werden.“ Das habe er nicht im Heiligtum der Vernunft gelernt, wohl aber im Heiligtum des Herrn. Eine Stimme sagte zu ihm: „Fürchte dich nicht! Es geht durch Sterben zum Leben, durch den Untergang zum Auferstehen, durch die Zerstörung allen menschlichen Unternehmens zur Aufrichtung des Reiches Christi. Statt dich durch die Niederlage deiner Mannschaft mutlos machen zu lassen, greife du die Sache selbst an. Verlass dich nicht mehr auf menschliche Hilfe, sondern allein auf den lebendigen Gott. Es ist ihm nicht schwer, durch viel oder wenig zu helfen. Glaube, liebe, kämpfe und werde nicht müde und nicht matt, dann wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen.“
So etwas muss man aufbauen. Krapff sagte, man stelle sich daheim die Missionare immer so geheiligt vor. Aber bei ihnen draußen seien die Anfechtungen noch viel schlimmer. Er wollte in der Heimat zurufen: „Ihr habt ja immer noch die Freunde. Ihr seid nicht so isoliert wie wir.“
Es geht um diesen Glauben, der sich allein an das Wort Gottes hält, ihm vertraut und dort die Siege von ihm erwartet. Er sagte auch einmal: „Zweifel und Misserfolg, Scheitern und Misserfolg machen mich nur umso gewisser. Wenn es vom Herrn gewollt war, dann gehe ich den Weg. Wenn es seinem Wort entspricht, lasse ich mich nicht durch den Misserfolg und das Scheitern irritieren.“
Leiden als Geheimnis und Ansporn zum Glauben
Und das ist jetzt wichtig: Wenn Paulus so oft davon spricht – man findet das in all seinen Briefen –, wie er vom Leiden redet, dass gerade das ein Geheimnis ist, wie Gott seine Gemeinde führt, dann bedeutet das, dass die Schwierigkeiten auch ihr Gutes haben. Sie wollen uns ja nicht letztlich stoppen, wenn sie im Heilsplan Gottes enthalten sind. Vielmehr sollen sie uns nicht untätig machen, sondern uns zu einem gesteigerten Glauben anregen. Sie wollen überwunden werden und in uns alle Glaubenskräfte aktivieren, damit wir dem Herrn vertrauen.
Wie heißt es im Schreiben an die Gemeinde von Philadelphia? In Offenbarung 3 heißt es: Der aufschließt und niemand schließt zu. Das macht er. Und gerade dort, wo alles verloren scheint.
Wie sagt Paulus: „Ich rede mit Freimut, obwohl ich Gedenke.“ Freimut bedeutet, dass ich unerschrocken rede. Die Anfechtung darf mich nicht lähmen oder niederdrücken. Das größte Glaubenszeugnis können also angefochtene, leidende Menschen geben – gerade durch ihr Leben.
In Kolosser 4 bittet Paulus: „Betet für mich, der ich sein Bote in Ketten bin.“ Das erscheint eigentlich unsinnig, denn er müsste als Missionsbote frei sein. Aber Gott kann es so wirken lassen, dass durch die Ketten das Zeugnis umso mächtiger klingt.
Das war das erste, was ich klar machen wollte: Der extreme Gegensatz der Frohbotschaft des Evangeliums, der Siegesbotschaft Jesu, wurde durch die Jahrhunderte hindurch immer von schwachen Menschen verkündet. Keine Strahlemänner, sondern angefochtene, hart geschlagene Boten.
Es war schön, dass der Bruder Schäfer das vorhin so gesagt hat. Friedrich Hensler hat mich darauf gebracht und gebeten, dass man das heute mal wieder an Lebensbildern zeigen sollte. Man hat zwar immer die Namenerinnerung, dass Johannes Calvin ganz schwer leidend war. Aber man weiß nicht, dass gerade das ein Geheimnis seines Wirkens war – der Reformator und viele andere solche Gestalten.
Glauben Sie, die Korrekte in Brüm hätte so eine Ausstrahlung gehabt, wenn sie nicht im KZ gewesen wäre? Das ist interessant: Der Glaube war gereift, war gestählt.
Mir war auch interessant, dass fast alle Lieder aus der Anfechtung kommen – fast alle Lieder. Und wie schwer es ist, diesen Weg zu gehen.
Aber wenn Sie es einmal in Ihrem Leben immer wieder verfolgen, möchte ich, dass Sie wissen, woher das kommt und warum solche Lieder mich so ansprechen. Zum Beispiel das Lied: „Ich stehe in meines Herren Hand.“ Oder warum sind die Lieder von Paul Gerhardt so gewaltig? Oder warum sind andere Zeugnisse so ermutigend?
Die paradoxe Freude am Leiden
Aber jetzt sagt Paulus, und das ist das Nächste: „Ich freue mich, ich freue mich am Leiden.“ Das ist ja extrem. Ich freue mich am Leiden? Nein, eigentlich freue ich mich ja nicht. Schmerzen sind das Schlimmste, was es gibt. Schmerzen sind das Schlimmste. Deshalb weiß ich auch nicht, ob Todesangst das Schlimmste ist, denn den Tod kann man sich nicht vorstellen; den Tod hat man ja noch nie erlebt. Aber Schmerzen, davor hat man Angst.
Das ist ja auch die Angst: Ich will nicht pflegebedürftig werden, ich will nicht abhängig sein von anderen Leuten. Davor haben wir Angst. Das ist das Schlimmste, was uns widerfahren kann – Schmerzen, Leiden. Jetzt, wie soll ich mich daran freuen können? Wir sind ja doch ganz normale, empfindsame Menschen und wollen auch natürlich bleiben.
Es gibt ja auch bei den Gottlosen in der Welt eine Art, das Leiden zu ertragen. Die alten Griechen hatten schon die stoische Gelassenheit. Stoisch heißt, ich ergebe mich ins Leiden. „Tja, das muss man tragen.“ Ich hatte so einen Englischlehrer, bei dem im Luftangriff die ganze Familie im Keller umgekommen ist. Über sein Gesicht kam kein Lachen mehr. Der hat nie darüber gesprochen – das ist stoisch. Ertragen, Schwere ertragen.
Aber dann gibt es auch das Schwere im Selbstmord, wenn einer sagt: „So, jetzt stürze ich mich hinein.“ Das ist auch keine christliche Haltung. Was ist es dann? Es geht um das Jesusleiden, an dem ich mich freue. Das ist noch etwas anderes als nur unsere Krankheitsleiden, die wir haben. Es ist das, was die Gemeinde noch erstatten muss, was heißt, was noch fehlt. Was ist denn das? „Ich erstatte, was noch fehlt.“
Diese Gemeinde ist ein Fremdkörper in der Welt. Der Gemeinde Jesu wird widersprochen, im Evangelium wird widersprochen, weil in dieser Welt der Fürst dieser Welt, der Teufel, herrscht! Darum hat die Gemeinde ein ganz besonderes Leiden: Verachtung, Spott und Feindschaft.
Das Evangelium ist nichts, was in der Welt auf dem Marktplatz der Welt geehrt wird. Da werden zwar Vertreter von den Kirchen geehrt, aber Jesus wird nie geehrt. Jesus wird bis heute in unserer Gesellschaft mit Füßen getreten, das Kreuz Jesu wird mit Füßen getreten, die Botschaft der Vergebung der Sünden wird mit Füßen getreten. Und das Leiden meint jetzt Paulus.
Verstehen Sie, worum es jetzt geht? „Ich freue mich, wenn ich am Widerspruch gegen das Evangelium leiden darf.“ Und das erleben Sie ganz besonders, wenn Sie etwa mit ungläubigen Menschen über das Evangelium reden oder wenn Sie in Ihrer Familie ein Zeugnis von Jesus geben. Dann schlägt Ihnen Feindschaft entgegen. Oft haben Sie es schon an den eigenen Kindern zu ertragen, diese Jesusfeindschaft, dieses Leiden um Jesu willen.
Paulus hat der Gemeinde in Philippi gesagt: Es ist euer Vorrecht, auch für Jesus zu leiden, als Gemeinde. Und es ist in der Geschichte immer so gewesen, dass dort, wo der Widerstand, die Feindschaft gegen das Evangelium ganz stark herauskam, auch ganz besonders Jesus seine Siege gegeben hat – gerade im Widerstand. Die Verfolgung war immer der Samen der Erweckung. Ganz merkwürdig.
Das Allerschlimmste ist die Verwischung, wie es heute bei uns ist. Jeder ist christlich, und es ist gar nicht mehr klar, wie Jesus befreit. Das Leben mit Jesus wird nicht mehr sichtbar. Aber wenn der Widerstand kommt, auch der Widerspruch in einer Gemeinde, ist es ein Zeichen, dass irgendetwas im Aufbrechen ist.
Also freue ich mich immer wieder, wenn es da auch Widerspruch gibt. Erinnere mich, wie ich in meine Stuttgarter Gemeinde gekommen bin, und auf einmal ging es los. Zuerst waren alle ganz friedlich, na ja, dann kam ein paar Mal „Wollmann, auf einmal, ja, also was Sie da predigen, da kann ich nicht mitmachen.“ Das ist ein gutes Zeichen. Der, der so kritisiert hat, hat ein halbes Jahr später einen Bibellesezettel von Eidlingen gekauft. Ist doch schön.
Also den Widerspruch finde ich toll, wenn einer mal rauskommt. Nur die Schläfrigkeit und der geistliche Tod sind das Schlimmste. Das Leiden, der Widerspruch, das ist gut. Paulus hat sich gefreut am Leiden. Warum? Weil der griechische Mensch damals, der Grieche – so redet er ja –, die Griechen, das waren nicht nur die, die bloß im Peloponnes wohnen, sondern die in der antiken Kultur des Hellenismus lebten.
Der griechische Mensch hat das Gute und das Schöne gesucht. Das war einer, der die Menschlichkeit verehrte und der gar nicht begriffen hat, dass man verloren gehen kann. Und Paulus sagt: Wenn es zum Widerstand kommt, zur Feindschaft, super, super, dann bricht etwas auf. „Freut euch, wenn ihr leidet, freut euch am Widerspruch.“
Paulus hat überall, wo er hinkam, große Erregung ausgelöst. Denken Sie an Thessaloniki: Sie wurden aus der Synagoge rausgeschmissen. Ja, das war der Samen der Erweckung. Oder in Ephesus, wo die Leute sich im Theater versammelten und brüllten: „Groß ist die Diana der Epheser!“ Das war Erweckung.
Also wir wollen dem Widerspruch nicht ausweichen. Für Paulus war Leiden das Markenzeichen. So wie die schönen Stofftiere von Steiff einen steifen Knopf im Ohr haben, hat der echte Jesuszeuge Leidensmerkmale. Er hat oft von den Gemeinden Widerspruch erlitten, die haben ihm widersprochen. Und dann hat Paulus gesagt: „Hinfort mache mir keiner mehr Mühe!“ und hat auf seine Autorität verwiesen.
Was war seine Autorität? Er hat nicht gesagt: „Ich habe so viele Gemeinden gegründet, ich habe das Rabbinerstudium gemacht und ich habe das und das, ich habe den theologischen Grad.“ Sondern: „Hinfort macht mir keiner mehr die Mühe, meine Autorität, ich trage die Wundmale Jesu, fertig.“ Ich bin in die Leidensgemeinschaft hineingerissen. Das ist echt bei mir, es ist nicht nur ein Spruch, sondern damit stehe ich.
Und darum freut er sich am Leiden. Also wir dürfen ganz ehrlich sein, und das war mir jetzt wichtig: Dass sich niemand verzwingen muss. Das ist ganz schrecklich. Wenn Sie morgen leiden, ist das ganz schlimm. Wenn wir eine Krankheit haben, ist das schlimm. Aber wir wollen suchen, ganz besonders nach dem Jesusleiden.
Das Leiden in der heutigen Zeit und im persönlichen Glauben
In Russland haben die Christen Heimweh im echten Sinn – nach der Verfolgung und dem Kreuzestod. Die Situation der Christen heute in Russland ist viel, viel schwieriger. Alles ist verwischt, es gibt viele Sekten und Unsicherheiten. Damals, als der Staat noch klar antichristlich war, fiel es den Christen viel leichter, ihr Zeugnis des Glaubens zu geben. Das hört man immer wieder aus Russland.
Deshalb sollten wir uns am Leiden freuen und auch darauf achten, wo der Widerstand gegen das Evangelium laut wird. Die Welt hat ihre Superstars – Fußballspieler, Schönheitsköniginnen und so weiter. Die Gemeinde Jesu aber hat vor allem Vorbilder im echten Zeugnis, Menschen, die Fremdkörper in dieser Welt sind.
Man sollte immer vorsichtig sein, wenn über gläubige Menschen Schlechtes gesagt wird. Das meiste davon stimmt gar nicht. Seien Sie vorsichtig. Ein Beispiel ist Oetinger: Damals wurde dem großen Prälaten in Württemberg, in Weinsberg, sein Amt weggenommen. Es gab üble Nachrede, und Oetinger war völlig verzweifelt. Man verbreitete eine schreckliche Nachrede, dass seine Frau ein Verhältnis mit dem Hauslehrer gehabt habe und Zwillinge geboren habe, die aber Kinder von ihm gewesen seien. Es wurde eine riesige Untersuchung durchgeführt. Wissen Sie, das ist ein Zeichen dieser Welt.
Oetinger litt sehr unter dieser Not, weil er sagte, dass dies gegen das Evangelium sei – gerade dort, wo Erwägung und Gerechtigkeit sein sollten. Wir sollten aufpassen und solche Situationen richtig deuten können. Wenn so etwas läuft, ist es oft eine Kampagne. Es kommen Anfechtungen, die aber gerade auch Zeichen sind, die zur Gemeinde Jesu dazugehören – ebenso wie körperliche Leiden.
Wir sollten nicht auf Erfolg schauen, nicht auf Superstars oder geistliche Superstars. Gesegnete Gottesboten müssen nicht sympathisch aussehen, verstehen Sie? Sie müssen auch nicht schön aussehen. Sie können geschlagene Boten sein.
2. Korinther 4, damit die Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Die Gemeinschaft mit dem Leiden als wichtige Einsicht
Das schafft noch die Gemeinschaft mit dem Leiden. Mein nächster Punkt, mein dritter Punkt, schafft eine wichtige Einsicht – eine ganz wichtige Einsicht.
Es gab lange Zeiten in der Christenheit, und es gibt sie auch heute wieder, in denen man über das Leiden nicht spricht. Man redet immer nur davon, man will ankommen, man will ankommen mit dem Evangelium. Das sieht evangelistisch aus, ist aber gar nicht echt.
Im neuesten Idea-Magazin gibt es ein erschütterndes Beispiel von einer Gemeinschaftsbewegung, die bis zum Schluss des Dritten Reiches in einer ganz blöden Verflechtung mit der Nazi-Ideologie stand. Ich will gar keine Vorwürfe machen, aber der Leiter sagte: „Aber sie wollten doch das Evangelium sagen.“ Vorsicht! Nicht, dass wir verwechselt werden mit dieser Welt!
Die heutige Welt ist in manchem Punkt besser als die Nazi-Welt, aber sie hat genauso viele antichristliche Zeichen. Da muss man aufpassen, dass sich die Gemeinde Jesu nicht mit der Welt und mit dem Denken dieser Welt vermischt, weil wir vom Herrn ein Wort in die Welt zu sagen haben. Wir können uns nicht mit der Welt vermischen.
Unser Umgang mit dem Geld muss ein anderer sein. Das ist eine ganz große Frage. Auch können wir nicht einfach Fernsehprogramme konsumieren, wie es die Welt tut. Wir können uns auch in den heutigen Praktiken des Ehelebens nicht einfach anpassen. Das ist nicht nur eine Sache der jungen Leute, sondern gilt auch für die ältere Generation, die oft der jungen Generation vorlebt.
Die Ordnungen Gottes sind heilsam und wichtig, und wir dürfen nicht verwechselt werden. Auch wenn wir dadurch Anstoß erregen, ist das gut. Ich habe mich riesig gefreut, als eine der letzten Sachen in meiner Gemeinde geschah: Zwei Leute, die seit Jahren zusammenlebten, kamen plötzlich und sagten: „Wir wollen heiraten.“ Sie haben es gar nicht gewagt, es vorher zu sagen. Sie kamen von irgendwoher, aus einem Umfeld, in dem das gar nicht gewohnt war. Wir haben auch nie darüber gepredigt, aber der Geist Gottes hat es ihnen gesagt: Es ist nicht recht.
Die Gemeinde Jesu hat ihren eigenen Weg aus dem Wort Gottes, den sie geht – völlig klar. Und da wollen wir uns nicht an die Welt anbieten oder anpassen. Dann können wir sagen: Wir haben das Evangelium gesagt. Wir wollen nicht weltförmig werden, sondern in der Spur Jesu bleiben. Jesus hat die Feindschaft dieser Welt ausgehalten.
Zeugnis von Paul Schneider und die Konsequenz für heute
Paul Schneider im Dritten Reich ist mir ganz besonders wichtig. Man fragt sich oft, warum er die Nazis im Konzentrationslager so provoziert hat, dass sie ihn schließlich umgebracht haben. Paul Schneider war ja nur ein Verkünder des Evangeliums. Dennoch haben seine Mitstudenten aus der Bekennenden Kirche immer gesagt, dass er das Wort Gottes konsequent gelebt hat.
Als Andrich sagte, er wolle das noch einmal tolerieren, hat Schneider Nein gesagt. Bei der Beerdigung eines Parteimitglieds, am Grab, sagte der Redner, der Verstorbene sei in den himmlischen Sturmbann Kurt Wessels versetzt worden – Kurt Wessel war ein Gründer der SA. Die Fahne wurde gehisst, die Reihen schlossen sich. Schneider ging noch einmal hin und sagte: Im Himmel gibt es, soweit er weiß, keinen Sturmbann der SA mehr. Mehr hat er nicht gesagt, aber das war seine Pflicht als Zeuge Jesu. Das war der Grund für seine Verhaftung.
Wenn man das noch einmal liest, möchte man es auch in unserer heutigen Zeit leben: keine Kompromisse eingehen und das Leben deutlich gestalten. Schneider schrieb 1934, dass die Kirche mit dem Spannungsverhältnis zur Welt eigentlich in ihren Normalzustand zurückkehrt. Das heißt, die Kirche oder die Gemeinde Jesu, wie ich lieber sage, lebt immer in einem Spannungsverhältnis mit der Welt, mit der Denkweise der Welt und mit allem, was diese Welt ausmacht.
Gott mache uns, seine kleine Herde, bereit für die Entscheidungsstunde, in der es gilt, seinen Namen nicht zu verleugnen.
In seiner letzten Predigt, die er in seiner Gemeinde gehalten hat, bevor er ins KZ gebracht wurde, sagte er zur Gemeinde: Täusche dich nicht, du kannst an Jesu Herrlichkeit und Sieg nicht anders Anteil haben, als indem du das heilige Kreuz um Jesu Willen auf dich nimmst und mit ihm den Leidens- und Sterbensweg gehst. Freut euch, dass ihr mit Christus leidet, auf dass ihr auch zur Zeit der Offenbarung seine Herrlichkeit, Freude und Wohnung haben mögt. Dieses Wort stammt aus 1. Petrus 4.
Das gilt nicht nur in der Nazizeit, sondern auch heute. Geh du diesen Weg, auch wenn er dich in mancher Einsamkeit führen wird.
Beispiel aus dem Alltag: Kinder und der Weg Jesu
Ich habe einmal in einem Gottesdienst von einer meiner Töchter erzählt, ohne es näher auszuführen. Sie hatte in der Schule plötzlich von der Lehrerin erfahren, dass am Nachmittag Fasnacht gefeiert wird. In der Predigt habe ich das Thema nicht weiter vertieft, weil ich niemandem, der vielleicht ein sensibles Gewissen hat, wehtun wollte. Trotzdem ist es ein wichtiges Thema, über das wir sprechen sollten.
Meine Tochter kam völlig verheult nach Hause, weil sie wusste, dass wir das nicht wollen und es bei uns nicht erlaubt ist. Die Lehrer hatten gesagt, wenn ein Kind nicht teilnehmen möchte, müsse es trotzdem mitmachen, weil alle anderen dabei sind. Sie wollte gar nicht mitmachen, aber ihre Kameraden haben sie unter Druck gesetzt. Übrigens ist es das Schlimmste, was ein Lehrer tun kann: ein Kind so unter Druck zu setzen.
In der Predigt hatte ich diese Situation zwar erwähnt, aber den Anlass nicht genannt, um keinen Ärger zu provozieren. Meine Tochter hätte sich einfach dem Konflikt stellen sollen. Ich hätte ihr gesagt: „Wir beten einfach, wir legen es vor Jesus, und jetzt musst du den Weg Jesu auch mal gehen.“
Wissen Sie, was dann passiert ist? Sie hat ihre beste Freundin gefunden, die ebenfalls nicht mitgemacht hat. Gemeinsam haben sie die Fasnacht fast gefeiert – also in ihrer eigenen Weise.
Nach dem Gottesdienst kam ein bekannter Zeuge Jesu auf mich zu und hat mir Mut gemacht. Er sagte, er möchte dem Kind Mut zusprechen, denn er selbst sei im Leben oft allein im Gehorsam gegenüber Jesus gestanden. Es habe ihm Freude gemacht, dass jemand wach ist, und er wolle ein Zeichen der Ermutigung setzen. Mut müsse man einüben. Das Leiden sei oft gar nicht spektakulär, aber wir können unsere Kinder nicht davor bewahren. Wir müssen ihnen sagen: „Wenn unser Gewissen gefangen ist, ist das oft ein Kampf.“
Ich weiß, wie schwer das sein kann, und ich kann nicht alle Probleme beantworten, die in Familien entstehen. Jeder leidet und hat seine Schwierigkeiten. Aber was mich sehr gefreut hat, war, wie dieser Mann aus der Gemeinde kam und sagte: „Ich möchte dem jungen Mädchen eine Ermutigung für diesen Leidensweg geben, den sie hier gehen muss.“
Leiden als unauflöslicher Teil des Leibes Christi
Und das Letzte, was ich noch sagen möchte: Leiden gehört unauflöslich zum Leib Christi, zu seinem Leib, zur Gemeinde.
Das Leiden ist ungleich verteilt, wie ich bereits sagte. Viele erleben es nicht. Doch wir müssen immer wieder betonen, dass es in der Gemeinde Jesu in Portionen vorhanden ist. Wenn es in Ihrer Gemeinde oder zu Hause nicht spürbar ist, dann nehmen Sie teil an den Leiden in anderen Teilen der Welt.
In diesem Jahr wurden bereits mehrere christliche Prediger der Untergrundgemeinden in Nordkorea erschossen. Nehmen Sie teil am Leiden dieser Christen in der Verborgenheit. Nehmen Sie teil an den Tausenden, die in den letzten Monaten auf den Molukken ermordet wurden. Nehmen Sie teil an denen, die in Nordnigeria erschlagen wurden.
Ich sage immer: Wir wollen nicht demonstrieren. Ich halte diesen Weg für falsch. Auch viele evangelikale Christen machen es oft als Demonstration. Ich selbst habe noch nie an das Parlament geschrieben. Einmal, als ich noch bei „Licht im Osten“ war, haben wir einen vertraulichen Brief an Heinemann geschrieben. Wir wussten, dass er ein bekennender Bibelchrist war. Gemeinsam mit 50 Persönlichkeiten unter der Führung von Dietz Felbinger haben wir den Brief verfasst, ohne etwas in der Presse zu veröffentlichen.
Als Dietz Felbinger damals nach Russland zum Ministerpräsidenten reiste, führte er eine sehr gute Unterhaltung mit ihm. Das halte ich für viel wirksamer. Ein politischer Christ kann Staatsmännern in den betroffenen Ländern ganz offen im Vier-Augen-Gespräch sagen, dass ihr Handeln nicht recht ist.
Wir wollen aber nicht um die Freiheit ringen oder betteln. Wir wissen, dass es ein schmaler Weg ist. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass die Gemeinde ein Fremdkörper in der Welt ist, ein Fremdkörper, der überhaupt nicht hineinpasst. So wie Jesus in die Welt gesandt wurde – wie er es im hohenpriesterlichen Gebet sagte –, so sendet er uns. Er sprach: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“
Dabei kommt es zwangsläufig zu Widerspruch gegen das Evangelium. Es kann gar nicht anders sein. Wir werden keine Anerkennung bei den gottlosen Menschen gewinnen. Gar nicht. Dennoch wollen wir uns bemühen, Liebe zu üben. Natürlich leiden wir darunter.
Mission heute: Herausforderungen und Leiden
Wir haben über zweihundert Missionare in siebenunddreißig Ländern in unserem Werk Christliche Fachkräfte International. Ich werde bereits am Montag im Norden Mosambiks sein. Dort haben die Christen einen sehr schweren Stand. Sie stehen ganz verlassen und allein da.
In dieser Region gibt es nur einen Arzt, der allein für 350 Menschen zuständig ist. In der Nachbarprovinz sind es 250 Menschen. Wir überlegen, wie wir dort einen Gesundheitsdienst aufbauen können. Leider finden wir hier keine Krankenschwester. Verstehen Sie das? Mission ist schwer.
Morgen beginnt die ESMA-Konferenz der Bibelschule Wiedenest, bei der ich die Bibelarbeiten habe. Ich möchte den jungen Leuten sagen: Mission ist nicht etwas, das man im weißen Hemd macht oder am Pult stehend. Mission bedeutet, ganz allein zu stehen und am Leben zu verzagen. Es ist sehr schwer. Körperliche Gebrechen kommen hinzu, und wenn man eine Familie hat, kommen auch Sorgen um die Kinder dazu.
Dazu kommen die großen politischen Unruhen. Wir haben drei Krankenschwestern im Kriegsgebiet im Südsudan. Unsere Mitarbeiterin Martina Riedl berichtete neulich, dass Rebellen gekommen sind, das ganze Dorf abgebrannt wurde und ihre schwarze afrikanische Mitarbeiterin erschossen wurde. Sie musste 15 Stunden und 45 Kilometer zu Fuß zurücklegen, bis ein Hubschrauber sie abholen konnte.
Wissen Sie, das ist Mission heute: Leiden, nur weil man den Menschen dort helfen will – ganz schlicht mit einfachster Basisgesundheitsversorgung. Es ist wichtig, dass wir davon wissen und es mittragen, dass wir mitleiden. Mission ist keine große Erfolgsstory, sondern ein schweres Kämpfen und Ringen. Dahinter stehen die Menschen, die auch Leidensbereitschaft zeigen und bereit sind, ihr Leben dafür einzusetzen. Das ist heute das Einzige, was in der Mission Eindruck macht.
Wir hatten eine Mitarbeiterin aus Würzburg, die in Angola in der Stadt Huambo war. Während des Bürgerkriegs ließ sie sich nicht evakuieren. Zwölf Monate war sie offiziell verschollen. Die Behörden hatten einen Aktenstapel und versuchten alles, um die Verbindung zu ihr herzustellen. Sie sagte: „Ich habe keine Familie, ich bin Single, ich kann das machen.“
Man wird in der Stadt niemanden finden, der bei den Afrikanern so anerkannt ist wie diese Frau. Sie sagte: „Wir haben es erlebt.“ Sie hat alles verloren, wurde beschossen und erlebte viel Leid. Es ist etwas Herrliches, wenn man mit den Christen leidet und eine echte Leidensgemeinschaft bildet.
Eine andere Mitarbeiterin, eine Schweizerin, wurde evakuiert. Sie sagte: „Ich werde damit nie fertig, wie ich vom Hubschrauber aus gesehen habe, dass ich die anderen dort unten im Krieg sitzen lasse, während ich gerettet werde.“
Das Mitleiden ist das Schönste, wenn wir an der Mission mit den Menschen in ihrer Not mitleiden.
Paulus’ Haltung und das Zeugnis der Demut
Paulus hat sich immer wieder zum Knecht gemacht. Auch wenn er evangelisiert hat, um Menschen zu gewinnen, hat er nie von oben herab gesprochen, sondern sich ganz unten positioniert. Es kommt am besten an, wenn man Menschen nicht ihre Fehler vorhält, sondern ihnen bezeugt, wie Gott uns aus dem Sumpf der Sünde herausgeholt hat.
Mir ist Gnade widerfahren. Wie sagt Paulus? Er war der Spitzenreiter der Sünder, der Schlimmste, und doch hat ihn der Herr herausgeholt. Wenn Paulus an sein Volk Israel dachte, sagte er: „Ich will verbannt sein, wenn ich nur mein Volk erlösen kann.“ Er wollte alles hergeben für seine Brüder um Jesu Willen.
Deshalb ist es herrlich, wenn wir heute wieder das entdecken. Ich wollte Ihnen heute nichts Schweres bringen oder bieten, sondern nur darauf hinweisen, worauf man heute achten muss. Man bekommt so viele Nachrichten, und man muss sie geistlich verstehen.
Ich freue mich, wenn Sie gesund sind, und ich freue mich mit Ihnen, wenn Sie keine Schmerzen haben. Darum war es schön, dass wir uns an der Sonne erfreuen konnten. Aber wir wollen auch das andere mit aufnehmen. Wir wollen diejenigen stärken und zurüsten, die jetzt im Ofen des Elends sind oder die im Test zerrieben werden.
Der dümmste Satz, den man heute hören kann, ist: „Ich zweifle auch an Gott.“ Nein, gerade in der schwersten Anfechtung darf man nie an der Vatergüte Gottes zweifeln, auch wenn es noch so schwierig ist. Jetzt wollen wir dafür beten, dass der Herr daraus einen Segensweg macht. Wir wollen, dass aus diesem Leid große Frucht hervorgeht. So hat es der Herr immer wieder gemacht – das ist ein Geheimnis. Und das wollen wir lernen!
Schlussgebet: Vertrauen auf Gottes Wege
Amen! Lieber Herr, wir sind so sehr Bürger dieser Welt mit Leib und Seele, dass es uns immer wieder schwerfällt, deine extremen Gegensätze zu begreifen. Dennoch wollen wir daran festhalten und uns von niemandem abbringen lassen, dass du Segenswege hast und Gedanken der Liebe.
Du legst uns auch nichts auf den Rücken, was zu schwer ist, als dass wir es nicht tragen könnten. Wir wollen bei dir bleiben in deiner Kreuzesnachfolge und erleben, dass du dein Reich bei uns und in der Welt aufrechterhältst.
Darum gebrauche uns, wie wir sind, mit dem, was wir haben. Wir wollen, dass die Menschen um uns herum deiner Herrlichkeit begegnen. Wir wünschen uns, dass Gemeinden und Gemeinschaften, aus denen wir kommen, dein Reich wieder aufgerichtet wird. Dass Menschen dort zum Glauben kommen und dass dies auch jetzt geschieht in deiner verfolgten und leidenden Gemeinde.
Herr, wir freuen uns an diesem herrlichen Tag, an der wunderschönen Umgebung dieses Hauses und an der Liebe, mit der uns hier schöne Tage bereitet werden. Danke, Herr! Doch wir wollen darüber hinaus wachsen und reifen an den Gesetzen, den Grundgesetzen deines Evangeliums.
Danke, dass dein Wort unumstößlich festmacht, dass nichts vergeblich ist und dass deine Wege immer Segenswege sind. Amen!