Gedanken zum Weihnachtsabend und die Freude der Hirten
Ein wenig hätte ich schon gerne bei Ihnen zugesehen, wie Sie zuhause diesen Abend gefeiert haben. Die einen im Kreis ihrer Kinder, Eltern oder Großeltern, Freunde, die sie eingeladen haben, oder andere vielleicht besonders eindrücklich allein für sich.
Es ist schön, wenn man an diesem Abend auch Grüße bekommt, über die man sich freut. Ob es nun kleine Zeichen der Liebe sind, die man auspackt, oder nur ein Kärtchen oder ein Brief, den man liest – man spürt, da denkt jemand an mich. Der Brief ist für mich geschrieben, das Päckchen wurde für mich gepackt.
Ich denke, dass unter uns viele Leute sind, die sagen können: Ja, ich habe das so erlebt. Selbst wenn jemand unter uns wäre, der sagen müsste: An mich hat heute niemand gedacht, und mir hat niemand geschrieben – Recht hätten sie nicht. Denn in der Weihnachtsgeschichte steht so beherrschend, dass Jesus für uns geboren ist. Da kann heute Abend niemand leer ausgehen.
Ich wundere mich nur immer, warum unsere Freude an diesem Weihnachtsabend, selbst dort, wo sie schon ganz kräftig ist, noch lange nicht so stark ist wie bei den Hirten. Sie machen mir Eindruck, wie sie in Bewegung versetzt wurden, losrannten und dann auch wieder durch die Nacht zurückgingen, voll großer Freude. Denn sie haben begriffen: Für uns, für uns ist Jesus, der Heiland, geboren. Das geht uns an, wir sind die Beschenkten, und sie können die Freude gar nicht in Worte fassen.
Darum meine ich, das müsste uns heute Abend wieder ganz neu ergreifen und wichtig werden: Wie groß das Geschenk ist, das Gott uns tut, dass wir Jesus Christus, unseren Heiland – meinen Heiland – haben.
Die Bedeutung der Krippe: Jesu Armut als Geschenk
Da wollte ich gerade mit Ihnen noch einmal die Weihnachtsgeschichte durchgehen und Ihnen an vielen einzelnen Stellen zeigen, dass das alles geschehen ist – für Sie. Nur drei Stellen möchte ich jetzt herausgreifen, an denen ich es Ihnen zeigen will.
Das Erste: Für euch liegt Jesus in dieser kargen, armseligen, abgewetzten Futterkrippe. Wenn wir daran denken, dann bewegt das die Menschen oft so sehr, dass sie sich nicht mehr so gut verhalten. Man hat den Eindruck, Weihnachten ist das Fest der Wohltätigkeit. Das ist gut, wenn wir uns einmal an die Not in der Welt erinnern. Aber die meisten sehen nur das in der Weihnachtsgeschichte: „Ach, das arme Kind, das kein Bettchen hat. Ich möchte etwas tun für die armen Kinder in der Welt, die hungern und leiden.“
Nochmal: Es ist gut, wenn sie das tun, aber das ist nicht das, was uns eigentlich in der Weihnachtsgeschichte gesagt werden soll. Denn da steht ja wirklich drin, dass Jesus für uns die Armut wählt und als Kind in der Krippe liegt. Sie merken das Geschenk erst richtig in seiner Bedeutung und entdecken es erst, wenn sie das ein wenig umsetzen. Wie und warum wählt Jesus für mich die Armut und die Niedrigkeit? Was bedeutet das?
Da können Sie immer nur an den Weg Jesu zurückdenken, der den Thron des Vaters verlässt, den Glanz und all die Herrlichkeit und Macht ablegt und dann ganz, ganz tief hinuntersteigt. Wie die Bibel sagt, wird er unser Diener und unser Knecht. Was hat Jesus sonst dort in Bethlehem im Stall zu suchen? Nur das eine Ziel: Für Sie will er Diener sein, Ihr Knecht will er werden.
Und ganz unten, dort liegt er in Windeln gewickelt. Wir denken an diesem Heiligen Abend oft gar nicht daran, wenn wir das Fest feiern in einem solchen Reichtum, in einer solchen Zeit des Friedens, wie wir sie nun schon seit Jahrzehnten haben dürfen, dass es wirklich so ist. Das ist ja unser Fleisch und Blut, das Jesus da annimmt. Wir fühlen uns alle viel erhabener und stolzer, und dabei ist das alles so armselig in Windeln gepackt, so wie man uns einmal im Sarg wieder hinaustreckt aus dieser Welt.
Unser armes Fleisch und Blut nimmt er auf sich. Und es soll jeder wissen: Es gibt überhaupt niemanden, der tiefer steht als Jesus. Er will überall jetzt in diesen Weihnachtstagen der Diener und der Knecht sein, der die Lasten trägt und die Mühsal des Lebens teilt.
Wir werden in diesen Weihnachtstagen Menschen begegnen. Vielleicht sitzen einige von denen jetzt auch unter uns. An die will ich mich wenden, die sagen: „Mein Schmerz ist so groß, mein Leid ist so schwer, ich kann das gar nicht tragen.“ Da ist Jesus geboren, und er nahm das auf sich. Er wollte leiden, mitleiden, obwohl er es gar nicht nötig hat. Er will ihr Schicksal tragen, und er will sich unter ihre Angst herunterstellen, unter ihre Krankheit.
Die will er auf sich nehmen, und er will ihren Tod besiegen und ihre Einsamkeit teilen. Das Wunderbare, was dann da geschrieben steht in dieser Weihnachtsgeschichte, ist doch: Da, wo Jesus ist, ist lauter Himmel. Darum ist der Stall erfüllt mit Freude und mit Lobgesang, mit Glanz und mit Licht.
Und da, wo Jesus bei ihnen einkehrt – ganz gleich, wie das jetzt ist, so wie die Futterkrippe war, dreckig und schmutzig und gebraucht oder der Stall elend und armselig –, so ist ihr Leben, wo Jesus anklopft und einkehren will. Für sie wählt er diese Armut.
Für euch ist das geschehen, und sie erkennen dieses Geschenk nur, wenn sie das begreifen: Für euch ist es geschehen. Für Sie brauchen Sie heute Abend nicht meinen, damit seien Sie schon am Ziel der Weihnachtsgeschichte, wenn Sie nur Ihren Geldbeutel aufmachen. Es ist schön, wenn Sie etwas tun, aber das ist nicht der Sinn.
Heute Abend kriegen Sie ein Geschenk: Jesus will sich Ihnen schenken. Und darum wählt er diese Armut und diese Niedrigkeit.
Die entwürdigenden Umstände der Geburt und Jesu Macht
An einer zweiten Stelle möchte ich Ihnen zeigen, dass er für sie trägt – für die entwürdigenden Umstände der Geburt. Diese Umstände waren tatsächlich entwürdigend. Es reizt immer wieder manche, die über diese Weihnachtsgeschichte nachdenken, nur zu schimpfen – zu schimpfen über die Bösen und Mächtigen in der Welt.
Ach, wissen Sie, wenn Sie das tun wollen, kommen Sie eigentlich nie zu einem Ende mit dem Schimpfen. Und an Weihnachten ist das auch nicht der richtige Ort dafür. Manche verwandeln die Weihnachtspredigt in ein Schimpfen auf die politischen Machthaber, auf Augustus und die Steuerpolitik.
Einige könnten dann sagen, sie hätten ein gefundenes Fressen und behaupten: „Siehst du, in der Weihnachtsgeschichte ist schon etwas gegen die Volkszählung geschrieben.“ Gewiss nicht, ganz gewiss nicht! Denn Maria und Joseph tragen das alles willig. Ganz anders als die Leute, die heute in politische Schreie verfallen. Auf Maria und Joseph kann man sich da gewiss nicht berufen.
Sie gehen still ihres Weges. Man könnte fast sagen: Schau, sie kümmern sich gar nicht um Weltveränderung. Nein, sie lassen sich schieben, wie Schachfiguren auf dem Feld. Und keine Klage kommt über ihre Lippen. Wie machen die das nur? Ich hätte geschimpft, ich hätte losgewettert, ich hätte gebrüllt: „Jetzt reicht es, ich lasse mir das nicht mehr bieten! Wo ist das Sozialamt von Bethlehem? Die müssen sich doch mal kümmern!“
Heute würde sich kein Asylant so etwas gefallen lassen wie sie damals. Unheimlich, wie sie ganz still und lautlos in das letzte Notquartier gehen. Und das war ein schlimmes Loch, wo sie endlich noch Unterkunft finden.
Reizt das nicht zum Schimpfen? Wie Jesus da übel mitgespielt wird? Man könnte auf die Hausbesitzer schimpfen, die ihre Tür nicht öffnen. Nein! Die Weihnachtsgeschichte zeigt uns, dass Jesus das auf sich genommen hat, um dir etwas zu zeigen, was er dir schenkt.
Er ist nicht der arme Jesus, wie die Bibel immer wieder sagt. Dieser Jesus ist mächtig und stark. Er hat alle Macht im Himmel und auf Erden. Das hat er auch bewiesen, auch dort, wo er seine Macht verhüllt hatte: als er den Krankheiten gebot, als er vor dem toten jungen Mann stand, vor dem Grab des Lazarus und die Toten rief. Als er selbst aus dem Grab auferstanden ist, da merkten die Menschen: Das, was so schwach aussieht, ist gar nicht schwach.
Darum ist nicht das Letzte, was jemand in der politischen Tagesarbeit umsetzt, das Größte. Das Größte ist eigentlich das, was Gott in diesen Tagen tut – verborgen und unsichtbar, wenn das Reich Gottes gebaut wird.
Es war ja später so, dass von Augustus nicht mehr die Rede war. Seine Nachfolger versuchten mit blutigem Schwert, das Reich Christi auszurotten. Das Reich der Römer war mächtig, doch das Reich Jesus sieht immer so schwach und armselig aus.
Und das ist doch für uns geschehen, damit wir wissen: Jesus gehört die Macht und die Herrlichkeit, und sein Reich ist ohne Ende. Ich will ihn anbeten und ihm Lieder singen. Ich freue mich, dass er Macht hat. Ihm will ich vertrauen, an ihn will ich glauben, und ihm will ich nachfolgen.
Für uns ist das geschehen, für uns! Und deshalb wollen wir auch in diesen Weihnachtstagen nicht bloß süße Wiegenlieder singen – eia Susanna –, sondern herrliche Lieder, die verkünden, dass Jesus dem Tod die Macht wegnimmt und allen Jammer der Welt stillt.
Und wir wollen diese Lieder singen in den Trauerhäusern, an den Krankenbetten und denen, die in der Depression versinken, sagen: „Nein, schau auf Jesus! Er trägt dich durch dieses Leben hindurch. Er ist stark! An ihm brauchst du nicht zu zweifeln, ihm kannst du vertrauen, auch wenn du nichts siehst und nichts fühlst.“
Zu dir ist das geschehen, und darum trug Jesus die entwürdigenden Umstände. Ach, was ist das für eine große Freude für uns!
Die Botschaft der Engel und die Aufforderung zum Handeln
Noch das Letzte, was ich zeigen will: Es gäbe noch viele Details an der Weihnachtsgeschichte für euch, auch das schöne Singen der Engel.
Man möchte in dieser Weihnachtsnacht am liebsten lauschen und sich vorstellen, wie es damals war. Wenn unser Chor schon so schön singt und die Hausmusik bei Ihnen so schön klang, wie war es erst, als die Engel den Lobgesang anstimmten?
Aber die Hirten, das waren einfache, raue Gesellen. Sie waren nicht erschrocken, weil die Engel nicht schön gesungen hätten, sondern weil der Gesang einen gewaltigen Eindruck auf sie machte.
Und als die Engel die Botschaft verkündeten: „Euch ist der Heiland geboren“, sind die Hirten einfach losgerannt und sagten: „Der Sache wollen wir auf den Grund gehen.“ Dann liefen sie, bis sie zum Stall kamen. Dort standen sie vor der Krippe, wo das Kind lag.
Wissen Sie, dass die ganze Weihnachtsbotschaft nicht zum Träumen da ist? Manche Menschen sitzen an Weihnachten wirklich nur da und träumen. Sie merken nicht einmal im Gottesdienst, dass sie loslaufen müssen, um Jesus zu finden, ihren Heiland.
Für euch, für euch haben die Engel doch so gerufen, dass man losläuft und sagt: Ich will ihn finden. Und dann ist dieser Moment heute Abend nicht der Abschluss, sondern der Anfang dessen, was Jesus euch schenken will, wenn ihr vor ihm steht und sagt: Ich öffne dir mein Leben.
Das ist so, wie bei der schäbigen Futterkrippe und dem dreckigen Stall. Aber Jesus, komm du in mein Leben, als Herr und Retter, heilend.
Und du wirst damit fertig. Du kannst es umgestalten, du bringst deinen Lichtglanz mit. Du machst alles groß, du kannst mein Leben von Grund auf erneuern.
Das ist die Botschaft der Christnacht, und das ist der ganze Inhalt eines Christenlebens: Jesus aufnehmen, ihm glauben, ihn liebhaben und mit ihm leben.
Für euch ist Jesus gekommen, damit ihr ihn heute Abend findet, euren Heiland! Amen!