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Verspottet und hingerichtet

Lukas 23,32-46

I. Die Kreuzigung (32-34)

Nicht nur Jesus wurde gekreuzigt, sondern mit ihm noch zwei, die als Übeltäter bezeichnet werden. Es ist gut möglich, dass sie Komplizen des Barabbas gewesen sind. Zu dritt wurden sie also an den Hinrichtungsort geführt, der Schädelstätte genannt wurde. Dort wurde Jesus ans Kreuz geschlagen und mit ihm die beiden Übeltäter, einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken. Die Kreuzigung war eine "überaus grausame und furchtbare" Todesstrafe, die die Römer von den Karthagern übernommen hatten und nur bei Sklaven und gemeinen Verbrechern anwandten. Römische Bürger durften nicht gekreuzigt werden.

Das Bibellexikon beschreibt den Vorgang einer Kreuzigung folgendermassen: Bei der Annagelung wurden die Nägel zwischen den Knochen der Handgelenke hindurchgetrieben und verursachten unerträgliche Schmerzen der verletzten Nerven. Den Aufgehängten quälten furchtbarer Durst und rasende Kopfschmerzen, heftiges Fieber und Angstzustände. Die Hängelage verursachte Atemnot und der Verurteilte konnte dem Erstickungstod nur entgehen, indem er sich, gestützt auf den Nagel durch die Füße, vorübergehend aufrichtete. In abwechselndem Senken und Heben des Körpers, in Atemnot und Atemschöpfen, vollzog sich der Todeskampf. (1)

Wenn wir das hören, verstehen wir die Angst die Jesus in Gethsemane durchgemacht hatte, als er den Vater bat, wenn es möglich wäre, er ihm diesen Kelch wegnehmen solle. Und schon lange wusste Jesus was ihn erwarten würde, so sagte er zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden; was wollte ich lieber, als daß es schon brennte! / Aber ich muß mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollbracht ist! Lk.12,49-50. Nun ist es so weit. Die Stunde ist gekommen und Jesus muss diese schrecklichen Stunden durchleiden. Und in diesen furchtbaren Schmerzen denkt er nicht in Hass, sondern in Liebe an seine Peiniger, wenn er betet: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Lk.23,34a. Jesus erfleht Gnade für seine Peiniger. Er weiss, dass sie nicht wissen was sie tun. Sie sind sich dessen nicht bewusst, dass sie den Schöpfer des Himmels und der Erde ans Kreuz nageln. Das sagt auch später Petrus den Juden: Nun, liebe Brüder, ich weiß, daß ihr's aus Unwissenheit getan habt wie auch eure Oberen. Apg.3,17. Und Jesus bittet für sie, dass sein Vater ihnen diese Tat vergeben möge.

Anwendung

Hier sehen wir die praktische Anwendung von dem was Jesus die Jünger lehrte, wenn er sagte: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; / segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Lk.6,27-28. Wir sehen hier, dass Jesus nicht nur leere Sprüche gemacht hatte, sondern dass er sich selbst an das hält, was er lehrte. Sind wir selber bereit diese Feindesliebe zu praktizieren oder gehören wir zu denen, die sie lediglich propagieren? Auch Paulus wusste um diese Forderung unseres Herrn. Er selbst lebte danach. Den Korinthern sagte er: ... Man schmäht uns, so segnen wir; man verlästert uns, man verfolgt uns, so dulden wir's / man verlästert uns, so reden wir freundlich ... 1.Kor.4,12-13. Ich frage uns nochmals: Sind wir bereit diese Feindesliebe zu praktizieren oder gehören wir zu denen, die sie lediglich propagieren? Als Nachfolger Christi sind wir aufgefordert diese Nächstenliebe zu praktizieren. Jesus selber ist uns Vorbild darin.

II. Die Verspottung (35-39)

Nun steht das Volk da und beobachtet das ganze Geschehen. Eine Hinrichtung zog immer viele Menschen an, dies wäre heute nicht anders. Nun wird Jesus verspottet. Einen Wehrlosen zu verspotten ist ja nicht eine besonders rümliche Tat. Als ob es nicht genug gewesen wäre, dass sie Jesus kreuzigten, so müssen sie seiner nun Spotten er kann sich ja nicht wehren. Die Oberen sagen, um vermutlich auch das Volk zu stimmulieren: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Lk.23,35b. Die Oberen wissen also ganz genau, dass Jesus anderen Geholfen hat. Sie wissen um die Wunder die Jesus tat. Und nun spotten sie, so quasi, wenn er wirklich Gott ist und sein Helfen aus Gottes Kraft kam, dann könnte er jetzt doch den Beweis erbringen. Auch die römischen Soldaten stimmen in diesen Spott ein, vermutlich beeinflusst durch die Juden und die Aufschrift am Kreuz: Dies ist der Juden König.

Sie sagen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Lk.23,37. Aber Jesus half sich nicht selber. Er blieb am Kreuz hängen. Denn Jesus wollte nicht sich selber helfen, dann hätte er sich den Weg ans Kreuz sparen können. Jesus wollte uns helfen, er wollte für unsere Schuld als Opfer sterben, darum ist er nicht vom Kreuz gestiegen. Hätte Jesus wirklich nicht vom Kreuz steigen können? War Jesus den Menschen völlig ausgeliefert und wehrlos, so wie wenn jemand von uns gekreuzigt würde? Es gibt darüber viele Meinungen. Ich bin der Überzeugung, dass Jesus jederzeit hätte vom Kreuz steigen können. Folgendes führt mich zu dieser Überzeugung. Als Jesus von den Soldaten der Oberen des Volkes gefangen genommen wurde schlug einer seiner Jünger einem Soldaten das Ohr ab. Daraufhin sagte Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. / Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, daß er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? / Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, daß es so geschen muß? Mt.26,52-54.

Bereits bei seiner Gefangennahme macht Jesus deutlich, dass er in der Lage wäre sich zu wehren. Er hätte sofort zwölf Legionen Engel zur Hilfe gehabt. Die Aufgabe von Jesus bestand aber nicht darin seine Macht zu beweisen, sondern er wollte, dass die Schrift, d.h. Gottes Wort erfüllt würde. Wenn Jesus bei seiner Gefangennahme diese Möglichkeit der Hilfe gehabt hatte, so hatte er sie bestimmt auch während der Zeit, als er am Kreuz hing. Jesus konnte dieser Versuchung standhalten. Er hat darauf verzichtet seine Macht und Herrlichkeit zu demonstrieren. Aus Liebe zu uns ist er am Kreuz geblieben. Hier wird uns auch die Tiefe der Aussage deutlich in Philipper: Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Phil.2,8. Jesus war also gehorsam auch am Kreuz, als er die Möglichlichkeit zum Ungehorsam gehabt hat, indem ihm alle Macht zur Verfügung gestanden hätte, wenn er nur ein Wort gesagt hätte. Das ist die Liebe Gottes. Deutlicher kann man die Liebe Gottes nicht beschreiben als am Kreuz auf Golgatha. So schreibt Paulus: Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Rö.5,8. Und Johannes schreibt: Daran haben wir die Liebe erkannt, daß er sein Leben für uns gelassen hat;... 1.Joh.3,16.

Anwendung

Jesus hatte nicht sein persönliches Interesse vor Augen, sondern er wollte den Willen Gottes tun. Er wollte, dass die Schrift erfüllt werde. Der Massstab für das Handeln Jesu war, dass er die Schrift erfüllen wollte. D.h. er wollte Gottes Willen tun. Der Maßstab für unser halten sollte auch der sein, dass wir der Schrift entsprechend leben und den Willen Gottes tun. Dieses Verhalten zeichnet nämlich die Nachfolger Jesu aus, darum sagt er: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Joh.14,23. Es geht also nicht um eine Handlung die einmal gemacht haben, sondern es geht um eine Einstellung. Wollen wir das Wort Gottes ernst nehmen und halten. Oder sind wir schon davon weggekommen und erschöpft sich unser Christsein in einem Frömmigkeitsstil. Der Gemeinde in Ephesus wirft Jesus vor: Aber ich habe gegen dich, daß du die erste Liebe verläßt. Offb.2,4. Hast Du diese erste Liebe verlassen? Ist Dir Dein Wille wichtiger geworden als Gottes Wille? Jesus hat uns durch sein Leben und sterben gezeigt, was es heisst sich an Gottes Wort zu halten. Es bedeutet, dass wir auf vieles verzichten aus Liebe zu Gott.

Wir alle stehen in dieser Gefahr, die erste Liebe zu verlassen. Jesus fordert die Ephesöer und auch uns dann auf, indem er sagt: So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte - wenn du nicht Buße tust. Offb.2,5.

III. Der Schächer (40-43)

Auch die mit ihm gekreuzigt werden stimmen ein in das Gespött der Menge. Mt. u. Mk. machen deutlich, dass beide Jesus spotteten, bei Markus lesen wir: Auch die, welche mit ihm gekreuzigt worden waren, schmähten ihn. Mk.15,26b. Aber die Zeit ist lange, die sie am Kreuz waren. Und da beginnt der eine wieder und spricht: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Lk.23,39b. Er will erlöst werden, indem er Jesus anherrscht. Der andere scheint in dieser Zeit eine Wandlung durchgemacht zu haben. Was ihn dazu bewegte wird aus der Bibel nicht sichtbar. Jedoch weisst er nun jenen zurecht und sagt ihm: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? / Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nicht Unrechtes getan. Lk.23,40-41. Er hat offenbar erkannt, dass neben ihm der gekreuzigte Gott ist, darum weist er den anderen zurecht. Und er bittet Jesus darum, dass er seiner gedenke, wenn er in sein Reich komme. Und Jesus bestätigt ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Lk.23,43.

Jesus hat sich über diesem erbarmt. Er hat ihm sozusagen die Rettung zugesprochen. Aber täuschen wir uns nicht. Diese Rettung ist nicht so billig. Der Mann am Kreuz hat entscheidendes getan.

  1. Erkannte er seine eigene Schuld und gestand sie ein. Er akzeptierte, dass er zurecht diese Strafe erleidet.
  2. Er erkennt und anerkennt Jesus als den wahren Gott, welcher unschuldig am Kreuz stirbt.
  3. Er bittet Jesus darum, dass er ihm gnädig sei.
Evangelisation

Wie damals auf Golgata am Kreuz, so ist es auch heute möglich die Gnade Gottes zu erfahren. Gott erbarmt sich über uns nicht automatisch. Er bietet uns seine Liebe am Kreuz an. Aber wer will kann darüber spotten. Er kann es belächeln. Gott lässt auch dies bis heute noch zu. Wer in das Reich Gottes eingehen will, muss zuerst einsehen und eingestehen, dass er Schuld oder Sünde hat, für die er eine Strafe verdient. Er muss erkennen und anerkennen, dass Jesus für seine Sünde am Kreuz gestorben ist. Und er muss bei Jesus hilfe erbitten, denn wir lesen in der Apostelgeschichte: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden. Apg.2,21. Den Namen des Herrn rufen wir im Gebet an und wir tun das, was Petrus sagt:

Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Apg.2,58. Hast Du diesen Weg schon eingeschlagen? Es gibt keinen anderen Weg, der uns Menschen helfen könnte. Es gibt andere Wege die unser religiöses Bedürfnis bis zu einem gewissen Grad decken, aber es gibt keinen anderen Weg der uns für alle Ewigkeit erlöst.

IV. Sein Sterben (44-46)

Um die 6. Stunde, also um Mittag um 12 Uhr bis 15.oo Uhr kam eine Finsternis über das ganze Land. Die Sonne verlor ihren Schein. Dies muss eine nachhaltige Wirkung gehabt haben. So lesen wir bei Tertullian, der unseren Glauben verteidigte folgendes: Im selben Augenblick verschwand das Tageslicht, während die Sonne erst die Mitte ihrer Bahn erreicht hatte. Für eine Bloße Sonnenfinsternis mußte das natürlich halten, wer auch davon nicht wußte, daß es im Hinblick auf Christus vorausgesagt war; und doch habt ihr hiervon, als von einem Weltunglück, den Bericht in euren Archiven. (2) Nach Tertullian wurde diese Finsternis von vielen als sehr aussergewöhnliche Erscheinung beobachtet, so dass sie sogar Niederschlag in den Archiven der damaligen Zeit gefunden hatte. Die Bedeutung der Finsternis bei dem Tode Jesu könnte man aus der Warnung ersehen, mit der der Herr Abschied nahm vom Volk, indem er sagte: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. / Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet... Joh.12,35-36.

Ein Ausleger sagt dazu: Durch die Hand Israels erlosch "das Licht der Welt" für Israel, und höllische Finsternis wurde ihre Wohnung. Die Finsternis war ein Zeichen, mit dem Gott dem jüdischen Volk den Tod Seines Sohnes deutete. (3) Bereits in Joel lesen wir von der Finsternis: Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Joel 3,4. Und Petrus deutet diese Stelle in seiner Pfingstpredigt auf den Tod Jesu. Später wird sich dann diese Joelstelle noch vollumfänglich erfüllen. Ferner zerreisst der Vorhang im Tempel mitten entzwei. Dies muss für die Juden eine Katastrophe gewesen sein. Denn durch diesen Vorhang durfte nur jedes Jahr einmal der Hohepriester. Nun ist der Vorhang entzwei gerissen und der Untergang des Tempel ist angkündigt. Erinnern wir uns doch an ein Argument der Anklage, sie sagen: Wir haben gehört, daß er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist. Mk.14,58. Jesus musste nicht den ganzen Tempel zerstören, es reichte, dass der Vorhang im Heiligtum gerissen ist. Somit ist der Alte Bund aufgelöst und der Neue Bund wird mit der Auferstehung Jesu aufgerichtet. Ist das nicht wunderbar wie Gott alles klar und deutlich macht? Wer es sehen will kann es sehen.

Anwendung

Was beim Sterben Jesu auffällt ist, dass wie bei seiner Geburt, die ganze Schöpfung das Ereigniss kundtut. Bei seiner Geburt haben die Engel, die Sterne, Menschen usw. seine Geburt angekündigt und bestätigt. Bei seinem Sterben geben Himmel und Erde vielfältige Zeichen für das Besondere, was geschieht. Wer die Schrift kannte, wusste was vor sich ging. Wenn wir die Schrift kennen, wird uns die Wiederkunft des Herrn auch nicht entgehen und es wird auch Himmel und Erde von seinem Kommen zeugen.

Mit einem lauten Aufschrei: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! verschied Jesus. Nun hat er für uns das Ziel erreicht.

Schluß

Hören wir zum Schluss noch auf ein Wort aus dem Propheten Jesaja, der lange vor der Hinrichtung Jesu geschrieben hatte. Er schreibt:

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. / Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. / Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. / Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf ... Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des Herrn Plan wird durch seine Hand gelingen. Jes.53,4-7+10. Amen

_ (1) Fritz Rienecker: Lexikon zur Bibel, Sp. 813.

(2) Tertullian, Apol.21,19.

(3) Wuppertaler, S.531.