Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode fünfundachtzig: Wein als Zeichen
Das Zeichen in Kana und seine Bedeutung
Gestern gab es einen dreifachen Nachschlag zur Hochzeit in Kana. Und heute gibt es noch einen.
Dazu möchte ich euer Augenmerk zuerst einmal auf ein Wort richten, das wir in Johannes 2,11 finden. Dort heißt es: „Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus zu Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“
Mir geht es um das Wort „Zeichen“. Was Johannes damit beschreibt, ist ein Wunder. Das ist klar. Aber statt einfach das Wort „Wunder“ zu verwenden, benutzt er im Griechischen bewusst das Wort „Zeichen“. Und das aus einem guten Grund.
Die Wunder Jesu waren nämlich mehr als bloße Wunder. Ein Wunder zeigt nur, dass der Wundertäter übernatürliche Fähigkeiten besitzt. Bezeichnet man ein Wunder aber als Zeichen, dann will man damit ausdrücken, dass es eine geistliche Bedeutung gibt, auf die das Wunder hinweist.
Ein Zeichen will etwas zeigen. Vielleicht trifft das nicht auf alle Wunder zu, die Jesus getan hat. Aber es gibt Wunder, die definitiv zeichenhaft sind, weil man sie eigentlich gar nicht gebraucht hätte.
Das Wasser-zu-Wein-Wunder als geistliches Symbol
Unser Wasser-zu-Wein-Wunder ist wirklich ein besonderes Wunder. Ja, es war nett von Jesus, dass er sich darum gekümmert hat. Aber mal ehrlich: Die Welt wäre nicht untergegangen, wenn das Hochzeitsfest früher beendet worden wäre. Ein bisschen wirkt das Ganze doch wie ein Trick eines Illusionisten, oder? Es erinnert ein wenig an eine Zaubershow. Natürlich ist es das nicht.
Wenn Johannes von einem Zeichen spricht, wissen wir, dass es nicht reicht, nur festzustellen, dass Jesus Wasser in Wein verwandeln kann. Seine Wunder wollen mehr. Sie wollen auf geistliche Zusammenhänge hinweisen, die sich dem erschließen, der über das Wunder nachdenkt.
Manchmal sind die Zusammenhänge recht offensichtlich. Wenn Jesus sich nach der Speisung der Fünftausend in einer längeren Ansprache als „das Brot des Lebens“ bezeichnet, wenn er die Idee, Licht der Welt zu sein, mit der Heilung eines Blinden verbindet, oder wenn er sich als Auferstehung und Leben vorstellt, kurz bevor er Lazarus von den Toten auferweckt. Wenn er das tut, dann sehen wir das Zeichen und verstehen, worauf er hinweist. Das ist dann einfach nicht schwer zu verstehen.
Der wahre Weinstock als Hinweis auf Jesu Funktion
Bei unserem Wunder hier in Kana haben wir leider keinen direkten Bezug zu einem Ich-bin-Wort. Es sei denn, wir greifen vor und denken an Johannes 15,1, wo es heißt: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner.“
Wisst ihr, was an Weinstöcken interessant ist? Sie machen aus Wasser Wein. Jedenfalls hätte man das damals so gesehen. Ein Weinberg war dazu da, Wein zu produzieren, deswegen heißt er ja Weinberg. Der einzelne Weinstock nimmt Wasser auf und verwandelt es in Trauben. Von dort ist es ein ganz kleiner Schritt zum Wein.
In gewisser Weise tut jeder Weinstock genau das, was Jesus auf der Hochzeit zu Kana tat: Er verwandelt Wasser in Wein. Wenn Jesus also von sich als dem „wahren Weinstock“ spricht, dann könnte man das erste Zeichen in Kana als einen Hinweis auf diese Funktion sehen, die Jesus im Leben von Menschen haben möchte. Eben genau wie er Brot des Lebens, Licht der Welt oder Auferstehung und Leben sein will.
Die Bedeutung der Wasserkrüge und rituelle Reinheit
Und noch etwas fällt auf: Johannes fügt ein Detail in seine Erzählung ein, das auf den ersten Blick unnötig erscheint. In Johannes 2,6 heißt es: Es waren aber sechs steinerne Wasserkrüge dort aufgestellt, nach der Reinigungssitte der Juden, wovon jeder zwei oder drei Maß fasste.
Merkt man, wie detailliert hier die Größe, das Material und vor allem der übliche Verwendungszweck der Wasserkrüge beschrieben wird? So genau hätten wir das für unser Wasser-in-Wein-Wunder gar nicht gebraucht. Aber jetzt wissen wir, dass es üblich war, in jüdischen Häusern Wasserkrüge bereitzuhalten, um die von den Rabbis geforderten zeremoniellen Waschungen vorzunehmen.
So lesen wir in Markus 7,3-4: Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie sich nicht sorgfältig die Hände gewaschen haben, indem sie die Überlieferung der Ältesten festhalten. Und vom Markt kommend essen sie nicht, wenn sie sich nicht gewaschen haben, und vieles andere gibt es, was sie zu halten übernommen haben, Waschungen der Becher und Krüge und Kupfergefäße.
Obwohl es im mosaischen Gesetz auch Waschungen gab, hatten diese Reinigungssitten nichts mit Gottes Gesetz und auch nichts mit Hygiene zu tun. Es waren Überlieferungen der Ältesten, menschliche Gebote – aber eben Gebote, von denen man dachte, dass sie einen rein machen können, rein vor Gott.
Für uns klingt das total merkwürdig, weil wir so daran gewöhnt sind, auf unser Herz zu schauen. Reinheit ist für uns eine Sache des Denkens, des Verhaltens oder des Gewissens. Doch ein ganz wichtiger Punkt ist: Dort, wo authentische Beziehung zu Gott in Religion umschlägt, werden Riten wichtig.
Und so war es hier. Die Wasserkrüge nach der Reinigungssitte der Juden stehen für den Versuch von Menschen, durch Rituale und eigene Anstrengungen mit Gott ins Reine zu kommen – was natürlich nicht klappen kann, weil man an der falschen Stelle ansetzt.
So heißt es in Lukas 11,39: Der Herr aber sprach zu ihm: Nun ihr Pharisäer, ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schale, euer Inneres aber ist voller Raub und Bosheit.
Was müssten sie ändern? Die Antwort lautet: ihr Herz. Sie reinigen sich äußerlich mit Wasser, aber ihnen fehlt die Veränderung im Herzen.
Wein als Symbol für Freude und innere Erneuerung
Und genau an dieser Stelle passt unser Wasser-zu-Wein-Wunder perfekt, denn Wein steht in der Bibel als ein Bild für Freude.
Genau genommen wirkt Wein auf mein Herz. Wasser kann äußerlich Schmutz abwaschen, aber Wein verändert mein Herz. Er macht mich fröhlich – um es kurz zu sagen.
Die Bibel ist gegen Trunkenheit und Sauftouren, aber nicht gegen Alkohol an sich. Doch zurück zu unserem Zeichen: Zu viel Duschen macht mich sauber, verändert aber nicht mein Denken. Zu viel Wein tut das schon, und deshalb eignet sich Wein als Zeichen.
Wenn ich mir Wein als Zeichen auf der Hochzeit zu Kana anschaue, dann ist er für mich einerseits ein Hinweis auf die Freude, die Gott mir schenken will. Aber Wein ist noch mehr: Er ist ein Hinweis auf die verändernde Kraft des wahren Weinstocks. Dieser nimmt meine hilflosen Versuche, mich selbst zu reinigen, und ersetzt sie durch ein von ihm verändertes und erneuertes Herz.
Wein ist ein Zeichen für die verwandelnde Kraft des Evangeliums – eine Kraft, die mein Innerstes umkrempelt.
Die Botschaft des Evangeliums im Gegensatz zu religiösen Geboten
Das Christentum ist keine Religion mit neuen Geboten, nach dem Motto: Früher war es das mosaische Gesetz, heute ist es die Bergpredigt. Streng dich an, du kannst es schaffen.
Nein, das Christentum ist die Begegnung mit dem lebendigen Gott, dem Gott, der alle meine Versuche, mich selbst zu retten, durch ein Wunder ersetzt – ein Wunder, das er in mir wirken will.
An die Stelle von Selbstgerechtigkeit, im Bild das Wasser in den Reinigungsgefäßen, tritt sein Wein – Gottes Geschenk der Wiedergeburt und Erneuerung.
Was könntest du jetzt tun? Nimm dir doch, wie letzte Woche, 15 Minuten Zeit, um den Gottesdienst am kommenden Sonntag vorzubereiten.
Das war's für heute. Heute Abend beantwortet Mike Winger auf seinem YouTube-Kanal um 22 Uhr wieder Fragen zur Bibel. Der Link ist im Skript.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
