Ganz herzlichen Dank für die Klarheit deines Wortes, auch hier im Galaterbrief. Du möchtest uns nicht zerschlagen, sondern zur Freiheit führen.
Du bist unser Retter und Heiland. Gib uns, dass wir diese Worte auch praktisch verstehen und die Freude erleben, wie wir in deinem Geist neue, mutige Schritte gehen dürfen. Amen!
Bedeutung der Briefschlüsse und persönliche Betonung Paulus'
Beim Kolosserbrief habe ich bereits erwähnt, dass es eine Gefahr ist, die Schlussworte eines Briefes immer zu übergehen. Dabei sind diese Abschnitte eigentlich sehr interessant. Besonders die kurzen Bemerkungen, die hier oft noch zusammenkommen, ähneln den PS, die man am Ende eines Briefes hinzufügt. Sie enthalten häufig wichtige Dinge, die noch angemerkt werden wollen.
Zum Beispiel schreibt Paulus: „Seht, mit wie großen Buchstaben ich euch schreibe, mit eigener Hand! Die, die Ansehen haben wollen nach dem Fleisch, zwingen euch zur Beschneidung, nur damit sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden. Denn auch sie selbst, die sich beschneiden lassen, halten das Gesetz nicht, sondern sie wollen, dass ihr euch beschneiden lasst, damit sie sich dessen rühmen können. Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen, als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern eine neue Kreatur. Und alle, die sich nach diesem Maßstab richten, Friede und Barmherzigkeit über sie und über das Haus, über das Israel Gottes. Hinfort mache mir niemand weiter Mühe, denn ich trage die Mahlzeichen Jesu an meinem Leibe. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist, liebe Brüder, Amen.“
Warum schreibt Paulus mit großen Buchstaben? Das wissen wir nicht genau. Man muss hier manchmal rätseln. Es gab Theologen, die in dieser Frage immer sehr extreme Ideen entwickelt haben. Einige behaupteten sogar, Paulus sei so krank gewesen, dass er nur noch große Buchstaben schreiben konnte. Diese Diagnose ist jedoch etwas weit hergeholt.
Ich würde den Auslegern folgen, die einfach sagen, Paulus wollte persönlich noch etwas hinzufügen. Er hat dem Schreiber, dem er das Diktat übergeben hatte – wie es früher oft üblich war –, die Feder aus der Hand genommen und selbst einige Worte geschrieben. Dabei sagt er: „Ich mache es in Fraktur“, wie wir heute sagen, „ich mache es fettgedruckt, ich schreibe es euch noch einmal ganz groß.“ Denn das, was er im Galaterbrief niedergelegt hat, ist für ihn der Angelpunkt des Glaubens, der Dreh- und Angelpunkt.
Manche Menschen, die das Evangelium des Neuen Testaments nach ihrer eigenen Ideologie lesen, haben sich über Paulus sehr beschwert. Sie sagen, er sei der Verfälscher dessen, was Jesus gelehrt hat. Doch hier muss man sich entscheiden: Paulus lehrt von Christus eine ganz entscheidende Grundlage unseres Glaubens.
Auseinandersetzungen um das Evangelium und die Gefahr von Kompromissen
Ich schreibe mit eigener Hand. Nun sagt Paulus noch einmal etwas zu den Gegnern, mit denen er sich auseinandersetzt. Es handelt sich also nicht um Gegner, wie wir sie als Feinde kennen, weil wir uns irgendwo gestritten haben. Solche Streitigkeiten gibt es auch unter Christen, und hier ist eigentlich eindeutig: Wir sollten uns mit unserem Bruder versöhnen, wenn es ein Problem gibt.
Es sind auch die Streitereien, die in Familien oft sehr schmerzhaft sind und manchmal sogar weit über das Grab hinausgehen. Auch Streitigkeiten ums Erbe sind hier nicht gemeint. Vielmehr geht es um Streitigkeiten, die von den ersten Christen an unvermeidlich waren – über das, was das Evangelium wirklich ist und über die Kraft des Evangeliums.
Ich darf noch einmal betonen: Alle Briefe des Paulus sind in großen, schweren und heftigen Lehrauseinandersetzungen geschrieben. Sogar im Johannesbrief, der so stark von der Bruderliebe spricht, heißt es, dass man Leute, die falsch lehren, nicht mehr grüßen soll. So ist der Text des Neuen Testaments.
Lehrauseinandersetzungen kommen wir nicht aus dem Weg. Es stellt sich immer die Frage, ob es sich lohnt, sich darauf einzulassen. Wir haben gelernt, dass es Auseinandersetzungen gibt, die nicht im Zentrum unseres Glaubens stehen. Dazu zähle ich in meinem Leben immer die Diskussion um die Tauflehre. Jeder soll seiner Überzeugung gewiss sein. Es gibt verschiedene Erkenntnisse und unterschiedliche Wege. Auch über die Form der Gemeinde gibt es verschiedene Auffassungen.
Aber was das Erlösungswerk Jesu betrifft – und darum geht es hier – da duldet Paulus keine Kompromisse mit anderen Lehren. Die Erlösung ist der entscheidende Punkt, durch den ich gerettet werde. Andere Dinge haben nicht dieselbe Heilsbedeutung.
Auch die Organisationsform spielt im Neuen Testament keine beherrschende Rolle. Paulus hat den Gemeinden sehr freigestellt, wie sie sich organisieren, solange es effektiv und sinnvoll geschieht. Wichtig ist, dass es geistlich und brüderlich zugeht und dass die Gaben zur Entfaltung kommen.
Die Versuchung des Ansehens und die Gefahr des Kompromisses
Worum geht es hier? Es geht um Menschen, die Ansehen nach dem Fleisch haben wollen – das heißt, nach ihrer menschlichen Art und Weise. Für Christen ist das eine sehr gefährliche Schwelle.
Wenn ich darüber spreche, werden Sie merken, dass das Thema mit vielen aktuellen Bezügen verbunden ist. Das Verlangen nach Ansehen steckt in jedem von uns sehr stark. Wir können über Demut predigen, doch wer ist wirklich frei vom Hochmut? Sobald ich ein Amt innehabe und handeln muss, insbesondere wenn es darum geht zuzuhören, schleichen sich oft falsche Motive ein.
Das Verlangen nach Ansehen nach unserer natürlichen, menschlichen Art ist wichtig zu verstehen. Ich habe Ihnen neulich gesagt, dass die schlimmste Last, die man tragen kann, Schande ist. Für einen Politiker ist es sicher das Schwerste, Fehler zuzugeben und wenn etwas, das man verbergen wollte, ans Licht kommt.
Das Triumphgeheul der anderen ist deshalb so groß, weil man immer froh ist, wenn die eigenen dunklen Geheimnisse, die „Leichen im Keller“, nicht aufgedeckt werden. Diese sind oft noch gut versteckt und liegen unter einer dünnen Erdschicht begraben. In unserem Leben gibt es sehr viel Schmutz.
Was an Enthüllungsjournalismus betrieben wird, ist mir in schrecklichster Erinnerung geblieben – fast ein Urtrauma. Ich war Schüler, als in Stuttgart der Fall Bürgler bekannt wurde. Es war ein großer Kreditfall bei der damaligen Landesschirokasse. Die Frage war, warum die Schirokasse diesen Kredit gewährt hatte. Im Gerichtsverfahren kam heraus, dass einer der Direktoren der städtischen Schirokasse als junger Mann ein Mädchen, das von ihm schwanger war, ermordet hatte.
Damals gab es eine Jugendamnestie, und der Fall wurde offiziell gelöscht. Mich hat es erschüttert, dass dies plötzlich wieder breitgetreten wurde, obwohl der junge Mann eine Staatsamnestie erhalten hatte und ein neues Leben begonnen hatte. Im Alter holte ihn die Vergangenheit wieder ein, und er wurde bloßgestellt.
Schande zu tragen ist das Allerschwerste. Wer durch die Medien und die Zeitung geschmiert wird, hat es sehr schwer. Ich verstehe, dass auch Christen sehr ums Ansehen kämpfen. Das ist eine Versuchung, weil sie sagen: Wir wollen doch die Sache des Evangeliums voranbringen.
Ein Unternehmen wie Evangelisation oder Mission steht immer unter der Versuchung, bei den Menschen gut anzukommen und erfolgreich zu sein. Da muss es einen Charmeur geben, eine Künstlerin oder einen Artist, der das Evangelium rüberbringt. Man will nicht jemanden haben, der vielleicht nicht so beeindruckend ist, sondern jemanden, der Ansehen hat.
Das ist eine fleischliche Versuchung. Jeder von uns spürt sie, besonders wenn er anderen gegenübertritt, die das Evangelium ablehnen. Man denkt: Wenn ich doch imposanter wäre, mehr ausstrahlen könnte oder mehr Schönheit hätte, die den anderen beeindruckt – wir wollen Ansehen haben.
Damals ging es darum, dass Paulus seinen Gegnern unterstellt, sie wollten Ansehen haben. Für ihn war die Sache damit schon entschieden und charakterisiert. Keiner von uns ist ganz frei davon. Wir brauchen Ansehen, Ehre und Würde. Aber es gibt eine falsche Wendung, bei der ich um dieses Ziel alles verliere.
Es gibt eine Anpassung an die Welt, an die nichtchristliche oder antichristliche Welt, bei der ich alles vom Evangelium verliere und keine Botschaft mehr habe. Man kann darüber streiten, wenn man zeitgenössische Ereignisse betrachtet.
Wer noch von den Eltern da ist, erinnert sich vielleicht an das Kirchenjubiläum von Ludwig Hofacker. Bis 1937 waren wir eine Gemeinde zusammen mit der Leonhardsgemeinde. Dort war der berüchtigte Pfarrer Schneider, der aktivste, jüngste und flotteste aller Pfarrer. Er hatte großen Einfluss, auch im Gemeindebezirk, weil er sehr nett auf Menschen zuging.
Er war aber auch ein fanatischer Hitlerjünger, der sogar bei einem Gottesdienst die Hakenkreuzfahne an den Altar gehängt hat. Das war eine Gratwanderung der Anpassung, die wir heute klar als falsch ansehen.
Heute machen wir faule Kompromisse, nur weil wir meinen, den Menschen auf eine bestimmte Weise begegnen zu müssen. Die Ludwig-Hofacker-Kirchengemeinde und die Kirchengemeinderäte standen schon 1933 bei der Bekennenden Kirche, obwohl sie in einer Kirchengemeinde waren. Es gab Spannungen, Verhaftungen durch die Gestapo und so weiter.
All das spielte sich auf engem Raum ab. Es waren Leute, die versuchten, eine Brücke zu bauen. Sie sagten, das sei Volksmission, sie wollten nur versuchen, Menschen zu gewinnen, und gingen deshalb ideologisch auf sie zu. Dabei merkten sie nicht, wie sie auf diese Weise das Evangelium auf das Hässlichste verrieten.
Sie meinten, sie bauen eine Brücke. Das ist heute sehr schlimm geworden. Die Kraft des Evangeliums, wie es im Lied gesagt wurde, ist weitgehend verloren gegangen, weil man dachte, man könne alles abstreichen, was Menschen anstößt oder ein Ärgernis ist. Dann ginge es nur noch um das Wesentliche.
Aber was ist das Wesentliche? Was ist der Kern des Evangeliums, das ich verkünden will? Wir sollten uns prüfen, ob es uns nur ums Ansehen geht.
Damals war es die starke jüdische Synagoge, die Druck ausübte. Paulus hat durch sein eigenes Leben eine Grunderkenntnis gewonnen: Ich werde nicht durch Gesetzesvorschriften vor Gott gerecht, sondern durch den Opfertod Jesu, der sein Leben für mich gibt.
Deshalb sagt er: Heidenvölker, die nicht aus der jüdischen Tradition kommen, brauchen all diese jüdischen Rituale nicht. Es wäre ein Schritt des Friedens gewesen zu sagen: Herr, mach es doch auch! Es kann doch nicht schaden.
Das steht ja die ganze Zeit im Galaterbrief. Deshalb ist Paulus an dieser Stelle so hart. Er sagt: Ich will nicht einmal um des Ansehens willen, um den Anstoß abzumildern, Kompromisse machen.
Ich habe überlegt, wie ich Ihnen das anschaulich zeigen kann. In unserem neuen Buch haben wir von Paul Schneider erzählt. In seiner letzten Predigt, bevor er in Buchenwald ermordet wurde, sagte er, wie wichtig es für ihn war, vor der Hitlerfahne nicht die Mütze abzunehmen.
Er hätte es tun können, aber für ihn war es ganz entscheidend: Wenn ich den Weg mit Jesus gehe, möchte ich falsche Dinge nicht dulden – auch wenn es mein Leben kostet.
Er sprach davon, dass die Kreuzesnachfolge der einzige Weg zur Herrlichkeit sei, indem man an der Schmach Jesu teilhat. Er hat erkannt: Da muss ich durch.
Die Realität des Leidens in der Nachfolge Christi
Jetzt gibt es ein Problem: Mir hat schon jemand vor dieser Bibelstunde angedeutet, dass ich eine fromme Erziehung genossen habe. Dabei wurde mir als Kind womöglich noch mit dem Stock eingebläut, dass man leiden müsse. Ich weiß es nicht genau, aber deshalb kann ich diesen Gedanken vom Leiden müssen nicht mehr hören.
So etwas darf man niemals jemandem zwangsweise einbläuen. Man muss vielmehr wach sein. Um einen herum gibt es Menschen, die den Kreuzesweg gehen. Es gibt Christen in anderen Ländern, die diesen Weg bewusst beschreiten.
Wenn wir hören, wie diese Menschen diesen Weg gehen, dann ist das nicht einfach ein Opfer, sondern ein Weg des Gehorsams. Auf diesem Weg darf man keine faulen Kompromisse mehr eingehen. Niemand wird dazu gezwungen.
Ich spreche hier nicht als Betroffener. Mir geht es wahnsinnig gut, ich habe so viel Freude, und alles ist wunderschön. Dennoch wollen wir den klaren Blick nicht vergessen: Der Normalfall kann auch für Christen oft sein, dass sie um Jesu Willen sehr unbequeme Wege gehen müssen.
Wenn Sie reich werden wollen, wenn Sie Ehre oder Anerkennung von der Welt suchen, dann müssen Sie oft andere Wege gehen als die, die Ihnen das Evangelium zeigt. An vielen Stellen werden Sie feststellen, dass Ansehen, Ehre, Macht und Reichtum zwar seltene Ausnahmen sein können, die man vielleicht auch in der Kreuzesnachfolge findet, aber sie sind nicht die Regel.
Deshalb ist es wichtig, dass wir Menschen, die sich für den Glauben an Christus entscheiden, nichts Falsches versprechen. Auch dürfen wir ihnen nicht versprechen, dass sie immer gesund sein werden – das kann ja niemand.
Ich verstehe heute überhaupt nicht, wie es so etwas geben kann, besonders in großen Bewegungen. Wie kann man so einen Unsinn verbreiten? Man darf den Menschen nicht versprechen, dass sie immer Glück haben werden.
Das Wohlstandsevangelium ist eine betrügerische Lehre. Leider sind weite Teile der charismatischen Pfingstbewegung in ein schreckliches Denken abgeglitten. In Amerika gibt es schlimme Beispiele, und auch in Lateinamerika hört man, dass, wenn du an Christus glaubst, dein Konto immer voll mit Geld ist – all so ein Quatsch.
Stattdessen müssen wir den Menschen sagen, dass sie auch das Unbequeme lieben müssen. Das fängt zum Beispiel schon an, wenn sie jemanden begleiten, der heiß gebetet hat, dass er geheilt wird, und der Herr ihn nicht heilt.
Dann sagen wir: Gott kann auch auf diesem schweren Weg einen ganz besonderen Segen geben. So haben wir in der Gemeinde viel miteinander erlitten und ertragen – von Eltern, die ihre Kinder verloren haben, und von vielen anderen Nöten.
Das sind Kreuzeswege. Natürlich kann man immer den Weg des Kompromisses um des Ansehens willen gehen, aber das ist nicht der Weg, den Christus uns zeigt.
Die Entscheidung des Paulus und die Konsequenzen der Nachfolge
Wo ist das bei Paulus deutlich geworden? Bei seiner Bekehrung.
Manchen Menschen muss dabei bewusst werden: Ich bekehre mich nicht zu Christus, weil ich eine Karriere machen will, sondern weil ich mein Leben mit dem verachteten Jesus teilen will. So war es auch bei Paulus. Als er nach Damaskus kam und dort erzählte, was ihm in diesem Erlebnis widerfahren war – als der auferstandene Christus ihn stellte –, begann die Verfolgung.
Für Paulus war das immer klar. Für andere war es das nicht. Bei mir hat es nie Verfolgung gegeben. Dennoch finde ich es sehr wichtig, dass wir Gemeinschaft mit den Verfolgten haben. Wir sollten mit ihnen fühlen, was sie empfinden, und ihnen alle Hilfe geben, die wir leisten können.
Ich erwähne jetzt, dass eine Initiative gestartet wurde, bei der wir mit Parlamentariern versuchen wollen, die Christenverfolgung aufzuheben. Doch das kann nicht unser Ziel sein, wenn der Herr das erlaubt hat.
Adschid Fernando, der Evangelist von Jugend für Christus in Sri Lanka, sagt, wenn er mit westlichen Leuten zusammenkommt und ihnen erzählt, was ihn im Blick auf die christliche Gemeinde bedrückt, dann beten diese anschließend immer: „Lieber Herr, nimm Adschids Last weg.“
Sie haben gar nicht begriffen, dass Gott ihm diese Last auf die Seele gelegt hat, damit er zu seinem Christsein dazugehört und die Nöte und Leiden der Gemeinde Jesu mitträgt. Das sollten wir immer im Bewusstsein haben: Wir mitempfinden, dass Christen um des Namens Jesu willen leiden.
Paulus hat für sein Leben eine ganz klare Entscheidung getroffen: „Ich suche keine Anerkennung und keine Ehre mehr.“ Was ihm einst Gewinn war, hat er für Schaden erachtet. Wörtlich steht dort „Kot“, also Ausscheidung. So wenig bedeutet ihm das, um Christus zu gewinnen.
Paulus zeigt uns das. Ich sage noch einmal: Es hat jetzt gar keinen Bezug darauf, dass Sie nach Hause gehen und denken, Gott gönne Ihnen nicht immer die Freude – so wie es vielleicht Kinder aus frommen Häusern meinen. Doch Gott gönnt uns gerade die Freude, oft auch im Leiden, damit wir nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden.
Das Kreuz ist das große Ärgernis. Ich rede hier nicht über das Kreuz an sich, sondern darüber, was an der Kreuzesbotschaft die Leute ärgert: Dass ich mir das Himmelreich nicht als Humanist durch meine Leistungen erkaufen kann. Dass ich nicht als Idealist, durch das Streben nach guten Dingen, fromm oder gut werden kann, sondern dass es nur durch das unverdiente Opfer des Todes Jesu möglich ist.
Das ist ein Ärgernis und ein Anstoß – und das darf man nicht verschweigen. In der Rundfunkverkündigung hat man längst an diesem Punkt kapituliert. Man darf ja nicht mehr sagen, was an Karfreitag wirklich wichtig ist. Über Asyl oder anderes kann man sprechen, aber das, was im Kreuz wirklich verhandelt wird – die Schuld des Menschen und die Unfähigkeit, diese Schuld zu büßen – das wird vergessen.
Paulus sagt, das löst Verfolgung aus, zumindest Spott oder Verachtung. Er will an seiner Botschaft über das Kreuz keine Zweideutigkeit lassen. Er will keine Brücken bauen, nur um den Anstoß abzumildern.
Diese Stelle steht in Philipper 3: „Ich achte alles für Kot, damit ich Christus gewinne. Was mir Gewinn war, habe ich für Schaden erachtet.“
Das Kreuz als Anstoss und die Notwendigkeit der Nachfolge
Noch einmal ein paar Beispiele aus der Bibel.
Kurz vor der Hinrichtung Jesu, als er nach Jerusalem kam, gab es einen ganz denkwürdigen Augenblick. Da kamen Griechen, also Hellenisten, zu Jesus. Die Jünger sagten zu Jesus: „Jetzt kommen sie.“ Das war eigentlich eine Stunde des Durchbruchs. Die Hellenisten waren die Gebildeten und damals die Weltbürger. Sie interessierten sich für Jesus. Jesus wurde sonst oft abgelehnt, und das mit ihm war eine eher kümmerliche Angelegenheit. Doch jetzt kamen sie.
Was hat Jesus gesagt? „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und nicht erstirbt, bringt es keine Frucht.“ Er ging den Weg des Kreuzes. Jesus machte keine Show, um die Hellenisten zu gewinnen.
In Johannes 12 steht diese wichtige Stelle, die man gut nachlesen kann. Sie ist in der Kombination sehr scharf. In Johannes 12,20 kommen die Griechen, und Philippus aus Bethsaida sagt: „Herr, wir wollen Jesus gerne sehen.“ Doch in Vers 24 antwortet Jesus: „Das Weizenkorn muss in die Erde fallen, und ich muss mein Leben hergeben.“ Danach sind die Griechen wieder weg.
Das Evangelium verbreitet einen Anstoß, ein Ärgernis. Wie kann man zum Glauben kommen? Nur wenn der Heilige Geist den Menschen die Augen öffnet für ihre eigene Verlorenheit. Deshalb sagt Paulus: Es geht gar nicht um die Frage, ob beschnitten oder unbeschnitten. Für uns ist das keine Frage mehr. Bei uns geht es vielleicht um ganz andere Fragen, bei denen man meint, man könne den Anstoß des Evangeliums etwas mildern.
Aber Paulus sagt: „Ich bin der Welt gekreuzigt, und die Welt ist mir gekreuzigt.“ Das heißt auf Deutsch ganz schlicht: „Herr Paulus, ich habe keine Karriere mehr. Ich weiß, dass ich in der Welt kein Lob erwarten kann.“ Heute würde man einfach sagen: Gerhard Ellermann hat gerade so schön erzählt, dass in Amerika in der Zeitung auch Gebet und Ähnliches vorkommt. Das ist in Amerika etwas anderes. In unserer abendländischen Welt ist es undenkbar, dass eine weltliche Presse versteht, worum es im biblischen Evangelium wirklich geht.
Ich glaube, ich habe einfach keine Hoffnung mehr. Wer meint, das Evangelium irgendwie „rüberbringen“ zu können, sollte sich das gut überlegen. Lasst uns doch die Finger davonlassen. Der Herr wird seine Gemeinde auch ohne unsere Anerkennung bauen.
Wir brauchen keine Anerkennung, um irgendwann etwas zu sagen. „Mir ist die Welt gekreuzigt“ – das heißt mit dem Erkennen, dass ich allein durch Christus gerecht werde, ist mir nur noch eins wichtig: Ich will Christus ergreifen. Und wenn ich Christus ergreife, habe ich das Leben.
Lebensbilder als Beispiele für Kreuzesnachfolge
Jetzt spreche ich mal wieder an Beispielen, um es deutlicher zu machen: Lebensbilder. Zinzendorf ist vielleicht immer das leuchtendste Beispiel.
Er war preußischer Generalfeldmarschall, der Stiefvater und Vater eines Ministers – eine wirklich tolle Familie. Übrigens wurden die Vorfahren aus Glaubensgründen aus Österreich vertrieben. Es war dem Zinzendorf schon in die Wiege gelegt.
Er wuchs bei der Großmutter auf, der Freifrau von Geersdorf, im irrsinnigen Reichtum des Reichsadels. Auf seiner Kavaliersreise mit siebzehn Jahren gab ihm die Oma eine Kutsche mit Dienerschaft und Geld für anderthalb Jahre mit, damit er sich in der Welt umsehen und sie kennenlernen konnte.
Er kam nach Düsseldorf und sah dort das Bild von Domenico Feti, das den gekreuzigten Jesus zeigt. Darunter stand: „Ich tat das für dich, was tust du für mich?“ Dieses Bild ist heute in der Bayerischen Gemäldeaustellung in Würzburg zu sehen.
Zinzendorf schrieb in sein Tagebuch: „Ich bat den Herrn, mich notfalls mit Gewalt in sein Leiden zu reißen.“ So erkennt man einen jungen Mann, der alles hat – Dienerschaft, Reichtum –, der danach nach Paris geht mit dem Kardinal Louvigny. Dort wird er in die besten Salons eingeladen, wo ein erotisches Leben herrscht. Die Damen laden morgens die Herren ein, die Kavaliere stehen vor einer großen Spiegellandschaft und legen ihre Dessous an. Die Männer schauen zu, und Herr Zinzendorf ist der beste Tänzer von Paris.
Trotz dieses Lebens will er mit dem Heiland leiden. Lesen Sie das gern noch einmal in den Biografien nach. Er sucht nicht das Leiden, sondern er kann die Welt nur so bestehen.
Als er die böhmischen Flüchtlinge aufnahm, wurde er von August dem Starken aus seiner Herrschaft vertrieben. Ich weiß nicht genau wie, aber über zehn Jahre war Zinzendorf heimatlos.
Er, der seine ganze Jugend nur in der Senfte von Dienern getragen wurde, der nie richtig laufen gelernt hatte und seine Füße kaum benutzen konnte, ging zu Fuß. Der „närrische Graf“, der nichts lieber wollte als predigen, erhielt nur in Württemberg eine Predigtlizenz.
Zinzendorf war ein genialer Jurist und ein grandioser Denker, der um Christi willen das Leiden auf sich nahm. Er wurde Missionsbegründer, gründete mit den böhmischen Flüchtlingen Herrn Huth und ging den Weg des Leidens.
Darum ist mir jetzt so wichtig: Das heißt nie, dass wir das Leiden suchen sollen. Es gibt ja einen Drang zum Martyrium, den Paulus nie gemeint hat. Aber wir sollten wach sein, wenn wir im Gehorsam für Christus leiden müssen, damit wir keinen faulen, linsengerechten Kompromiss im Glauben eingehen. Darum geht es.
Nehmen wir ein anderes Leben: der berühmte Kirchenführer John Mott, Leiter des Weltbundes für christliche Studenten. Als junger Mann mit genialer Begabung begegnete er auf einer Tagung Charles Studd, dem späteren Afrikamissionar, der diese Mission begründete.
Charles Studd predigte ganz schlicht: „Suchst du große Dinge für dein Leben, trachte nicht danach. Trachte vielmehr nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, dann wird dir das Übrige zufallen.“
John Mott verpflichtete sich in dieser Stunde: „Ich will nur ein ganz geringer Missionsbote sein.“ Und das blieb er bis zum Schluss. Er war ein genialer Leiter der Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 und mehr. Wenn man seine Biografie liest, sieht man Menschen, die erkannt haben, dass sie durch den Weg des Segens wie Christus gewinnen.
John Mott lehnte alle anderen Karrieren ab. Schon in jungen Jahren erhielt er Angebote als Professor, aber er lehnte alles ab. Christus machte sein Leben reich.
Das heißt jetzt nicht, dass Sie irgendwo etwas Verrücktes tun sollen. Aber Sie sollten wach sein, wenn in Ihrem Lebensweg wirklich das Martyrium verlangt wird und Konsequenzen um der Wahrheit willen gefordert sind.
Er sagt: „Ich will mich nur noch rühmen des Kreuzes Christi, dass Christus mich angenommen hat und ich seine Vergebung empfangen habe. Darum kann mich die Welt nicht mehr locken.“
Kann sie uns nicht doch locken? Sind wir nicht längst korrupt im Wohlstand? Geht es uns nicht auch ums lange Leben? Erleiden wir nicht Schiffbruch im Glauben, wenn Gott nicht alle unsere Gebete erfüllt?
Oder können wir entdecken, was Paulus gesagt hat, in der Nachfolge Jesu? Wie Paul Schneider sagte: „Der schönste Platz auf dem Weg zur Herrlichkeit ist in der Nachfolge Jesu unterm Kreuz.“
Er sagte das schon vor seiner Verhaftung in Dickenschied, wo er genau wusste, was es kosten würde.
Warnung vor faulen Kompromissen und die Kraft der Urgemeinde
Es gibt viele erschütternde Beispiele von faulen Kompromissen. Schon in der Bibel steht: "Demas hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen." Was hat er gewonnen? Geld, Ehre, Macht? Warum hat er die Gemeinde nicht gesucht?
Für die ersten Christen war der Kaiserkult sehr früh ein Problem. Sie sagten: "Nein, wir machen da nicht mit bei den Weihrauchkörnern." Man könnte auch sagen: "Was ist dabei, wenn man vor dem Götzenbild ein paar Weihrauchkörner streut?" Die ersten Christen waren so konsequent, dass sie sogar diejenigen aus der Gemeinde ausschlossen, die keine Weihrauchkörner streuten, aber nur Geld an die Leute zahlten, die die Listen führten und sagten: "Mach bei mir ein Häkchen hin." Diese wurden genauso aus der Gemeinde ausgeschlossen.
Denn sie wollten ein eindeutiges Bekenntnis in der Leidensnachfolge. Das war die Kraft der Urchristengemeinde. Neulich hat jemand eine interessante Beobachtung gemacht: Das stärkste Wachstum der Christengemeinde war vor Konstantin, also bevor das Christentum Staatskirche wurde. Als die Staatskirche kam, war die Schwächung der Kirche bereits spürbar.
Das entspricht genau dem inneren Zustand, denn man meint, man müsse breite Kompromisse machen, um alle mitnehmen zu können. Das kann man aber nur tun, indem man die Botschaft verfälscht, damit alle mitkommen können. Den Schwächsten muss man immer weiter weg tun.
Wir sagen: "Wir sind alle evangelisch, wir sind alle christlich." Dabei wird aber der Anstoß und die Klarheit des Evangeliums verdreht.
Hier noch ein paar wichtige Bibelstellen:
Römer 6 – mit Christus gekreuzigt sein,
Philipper 3,8-9 – habe ich schon genannt,
Kolosser 3,1 und 3 – trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist,
Philipper 1,20 – Paulus sagt: "Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn." Ich feilsche nicht um mein Leben.
Die Bedeutung der Mahlzeichen Christi und das wahre Israel
Zum Tod verurteilt war im letzten Jahr eine Person, die sehr ergreifend erzählen kann, wie dieser Moment auf sie wirkte. Nachdem sie nach dem Gerichtsverfahren ihren Lebensbericht niederschreiben ließ, löste dies bei den meisten viele verwunderte Fragen aus: Warum fürchten Sie den Tod nicht? Warum fürchten Sie als nordkoreanischer Kommunist den Tod nicht? Wie können Sie so gelassen darauf zugehen? Warum sorgen Sie sich nicht mehr um Ihr Leben?
Es geht um die Frage, was Jesus von uns im entscheidenden Moment fordert. Paulus sagt an einer Stelle: „Ich trage die Mahlzeichen Christi.“ Dabei denkt man schnell an die Stigmatisierung, wie bei Therese von Konnersreuth. Doch darum geht es hier nicht. Es ist etwas ganz anderes.
Ich hätte verstanden, wenn Paulus den Galatern gegenüber argumentiert hätte: „Liebe Leute, ich bin Theologe, ich habe beim Gamaliel studiert. Ich habe ein Examen als Einzelner bestanden, die meisten Gemeinden gegründet, bin der beste Evangelist und habe die größten Zuhörerschaften. Ich bin der klarste und schärfste Denker unter den Aposteln und auch der fleißigste. Während alle anderen in Jerusalem sitzen, renne ich durch die Welt.“ Ehrlich gesagt hätte er auf vieles verweisen können, wenn er sagen wollte, er sei der Beste.
Doch Paulus argumentiert nie so. Einmal nennt er sich zwar einen törichten, großmäuligen Aufschneider – das macht er als Witz im Korintherbrief. Statt mit Worten oder Erfolgen zu prahlen, hebt er sein Hemd hoch und zeigt seine Wundmale. Damit meint er die Spuren der Peitschenhiebe und Misshandlungen. Im Grunde waren das Misserfolge. Doch für Paulus waren diese Misserfolge Zeichen der Nachfolge des Gekreuzigten.
Er sagt: „Ich kann für das Evangelium sprechen, schaut meinen Körper an.“ Sein Körper trägt die Zeichen von Pleiten, Pech und Pannen, aber genau darin liegt der Siegesweg des Kreuzes. In meiner Bibliothek steht ein Buch mit dem Titel „Im Kreuz hoffe und siege ich“. Paulus hat mit der Botschaft vom Kreuz die Welt erobert und dabei sein eigenes Leben ganz klein gemacht.
Es machte ihm nichts aus, im Gefängnis zu sitzen, Misserfolge zu erleben oder das Gespött der Leute zu ertragen. Denn die Kraft des Gekreuzigten kam durch ihn hindurch. Und das ist das Wunderbare: Jesus hat wirklich den Sieg errungen – gerade in der ganzen Ohnmacht.
Es war nicht notwendig, dass Konstantin mit der Staatskirche kam. Wenn Sie wissen wollen, warum das Evangelium heute in Deutschland so schwer zu verkündigen ist, dann liegt das daran, dass wir diese Form der Staatschristenheit haben, die keine echte Entscheidung mehr fordert.
Die Kraft des Gekreuzigten wird nur von denen erlebt, deren Leben durcheinander ist – wirklich. Das Wort hat Kraft, Christus hat Kraft, und alles, was im Evangelium steht, ist wahr.
Ich will die Verhältnisse nicht ordnen, aber ich bin überzeugt: Die Mahlzeichen Christi sind noch immer von Bedeutung. Wenn man sich anschaut, wo der Herr Großes gewirkt hat, dann war es meist durch Menschen, die die Mahlzeichen Christi getragen haben – Menschen, die er in ihrer Schwäche gebraucht hat.
Warum war Christa von Fiebern plötzlich blind, obwohl sie ihre Augen so brauchte? Weil der Herr sie für den Dienst geweiht hat. So macht der Herr seine Siege: indem er Menschen klein macht – immer wieder.
Wenn Sie dann in Biografien lesen, finden Sie genau diese Kraft des Gekreuzigten. Für Paulus macht das fortan keine Mühe mehr.
Schließlich spricht Paulus vom wahren Israel – das ist die neue Gottesgemeinde, die sich sammelt und die das verstanden hat.
