Letztes Mal bei der Doppeldecker-Crew:
„Sag mal, Onkel Mike, weißt du eigentlich, was mit Herrn Reinhardt ist? Ich habe ihn nicht gesehen, seit er verhaftet wurde. Hast du gesehen, wohin sie gerannt sind?“
„Da lang, in Richtung Pferdestall. Bestimmt gehören die zu einer. So darf man mit Tieren nicht umgehen.“
„Wie viele Pferde sind es denn und wem genau gehören sie?“
„Da kommt jemand aus dem Wohnwagen. Psst! War da was?“
„Vorher will ich noch kurz bei den Pferden vorbeischauen. Vielleicht entdecken wir etwas Nützliches.“
„Morgen, Phil, gut geschlafen?“
„Tu ich, glaube ich, immer noch.“
„Also willst du es Gott überlassen, die Pferde zu befreien?“
„Zu hundert Prozent. Seine Pläne sind besser, als es meine je sein könnten.“
„Was liegt da unten überhaupt? Bitte sieh, was er da aufhebt.“
„Sieht aus wie ein Vorhängeschloss.“
„Danke, dass du uns nicht verraten hast.“
„Na klar. Ich bin eigentlich sogar froh, dass ihr hier seid.“
„Wer ist das denn?“
„Unser letzter fehlender Gast für heute.“
„Ich mache ihm auf.“
„Du bist etwas zu früh, wir sind mit unserer Geschichte noch nicht fertig.“
„Da komme ich extra hierher und du lässt mich wieder warten? Können wir einfach das Geschäftliche regeln?“
„Das Geschäftliche? Dieser Schlaumeier immer.“
„Ich habe meinen Teil der Beute rechtmäßig eingefordert. Jetzt bin ich hier, um ihn abzuholen.“
„Was geht euch das überhaupt an?“
„Rechtmäßig ist ein komisches Wort, wenn es um Diebesgut geht.“
„Stimmt. Und was Sie das angeht: Sie sind heute genauso meine Gäste wie du, und ich fürchte, du hast etwas missverstanden.“
„So, was denn?“
„Das gestohlene Geld habe ich nicht mehr. Selbst wenn, es wäre nicht mein eigenes, also könnte ich dir davon auch nichts abgeben.“
„Mir ist klar, dass du es ausgegeben hast.“
„Dann verkaufe ich dein halbes Grundstück eben. Oder ich ziehe hier ein.“
„Was? Widerlich! Also ist das wirklich so? Du hast das alles hier von geklautem Geld gekauft?“
„Du hattest schon so viel Geduld mit mir, Tony. Bitte habt noch etwas mehr. Ich habe euch heute eingeladen, um das endlich aufzuklären. Nur lasst uns bitte erst die Geschichte abschließen.“
„Ja, okay. Einverstanden. Dann erfahre ich vielleicht auch mal, was hier abgeht.“
„Kannst du damit leben, Thorsten?“
„Meinetwegen, aber fass dich gefälligst kurz.“
„Kurzweilig auf jeden Fall.“
Jetzt wird es anstrengend, denn es heißt, die ausgebüxten Pferde mitten in der Großstadt zu suchen. Dabei haben die Feststände schon wieder geöffnet, und überall ist es voll mit Menschen.
Die Crew hat sich aufgeteilt. Johann sucht gemeinsam mit Bjarni und Magnus. Marie und Jonas sind mit Sammy als Team unterwegs, ebenso Toni und Philipp. Die beiden biegen um eine Hausecke.
„Da lang! Jo! Los, verschwinde! Kann jemand die Polizei rufen oder den Tierschutz oder irgendwen?“ Ein Stand mit frischem Gemüse – war ja klar.
„Bleiben Sie ruhig, wir helfen Ihnen!“
„Oh, bitte schnell, dieses Pferd frisst meine Ware auf!“
Gut, dass das Pferd ein Halfter hat.
„Na komm her, Pferd, ganz ruhig, ich tue dir nichts. Hey, hey, alles okay, wir wollen dich nur nach Hause bringen. So, haps, und schön ruhig bleiben, Großer, hm?“
„Was soll das überhaupt? Ihr könnt doch nicht einfach euer Pferd durch die Stadt laufen lassen.“
„Es ist einem Bekannten weggelaufen, wir helfen ihm.“
„Sagen Sie ihm, ich verlange eine Entschädigung. Alles ist voll mit Pferdesabber, das kann ich ja unmöglich jetzt noch verkaufen.“
„Machen wir. Jetzt bringen wir es aber erst mal zurück. Ich werde trotzdem die Polizei informieren. Das ist wohl nur fair.“
Behutsam führt Toni das Pferd zurück. Trotz der vielen Menschen bleibt es ruhig und lässt sich gut führen. Philipp und Toni beeilen sich dennoch, um neugierigen Blicken aus dem Weg zu gehen.
Marie und Jonas sind noch auf der Suche.
„Das ist jetzt schon die vierte Sackgasse. Das ist nicht so leicht, wie es aussieht. Hier riecht es nach zu vielen Sachen gleichzeitig. Wir hätten uns echt nicht darauf verlassen sollen.“
„Semis Nase hat uns schon so oft geholfen.“
„Sei endlich mal ein bisschen netter, Jonas.“
„Schon gut, schon gut. Ich meine es doch nicht böse. Es ist einfach voll anstrengend. Ich meine, wir suchen ein Pferd in der Großstadt. Es könnte echt überall sein.“
„Als Pferd würde ich da hingehen, wo es Nüsse gibt.“
„Pferde fressen aber keine Nüsse.“
„Dann haben die einfach keine Ahnung. Die Idee ist trotzdem gut.“
„Pferde fressen Gras, Getreide und manches Gemüse. Gibt es das hier irgendwo?“
„Auf dem Fest wird alles gekocht oder frittiert. Rohes Gemüse wird es hier nicht oft geben. Aber bestimmt ein Stadtpark mit viel saftigem Gras.“
„Da vorne ist eine Karte von der Gegend. Der nächste größere Park ist nicht weit weg.“
Marie, Jonas und Sammy werden dort tatsächlich fündig.
„Da vorne, auf dem Spielplatz. Wird sicher nicht leicht sein, Ihnen das Pferd wegzunehmen.“
Das vermisste Pferd steht seelenruhig zwischen Schaukel, Rutsche und Karussell und frisst Gras. Es stört sich überhaupt nicht daran, dass etliche Kinder um seine Beine herumtoben und versuchen, auf seinen Rücken zu klettern.
„Am liebsten würde ich es nicht zurückbringen.“
„Hier bleiben kann es auch schlecht. Irgendwann merkt es ein Erwachsener und regt sich auf. Außerdem haben wir dem Pferde-Johann versprochen, und Versprechen darf man nicht brechen.“
„Ihr habt ja Recht, es fühlt sich nur einfach so falsch an. Vielleicht lässt einer sich doch mit sich reden.“
„Ja, vielleicht. Also los.“
Auch dieses Pferd lässt sich gut am Halfter führen. Eilig machen sie sich auf den Rückweg zum Stall. Sie kommen kurz nach Philipp und Toni an.
„Sieht aus, als wart ihr erfolgreich.“
„Ja, kann man so und so sehen. Wir haben die größte Attraktion auf dem Spielplatz mitgenommen.“
„Bei uns hat eine Frau die Polizei gerufen, weil das Pferd ihre Marktware gefressen hat.“
„Stellen wir sie jetzt erst mal wieder in den Stall?“
Die Pferde zurückzubringen war zwar anstrengend, aber zum Glück nicht allzu schwer.
Gespannt warten die vier mit Sammy darauf, dass Johann mit einer Schnecke und dem letzten fehlenden Pferd auftaucht.
„Komm schon, schneller, du Packesel! Vorsicht, aus dem Weg, Leute! Die sitzen ja beide auf dem Pferd!“
„So, da sind wir wieder. Wo ist Johann?“
„Er wollte, dass wir den Gaul schnell zurückbringen. Er kommt dann nach.“
„Schnell wart ihr. Das Pferd sieht echt müde aus.“
„Komm schon, bleib locker. Er ist heute nicht mehr im Einsatz. Das kann sich ausruhen. Im Gegensatz zu uns, nehme ich an.“
Mit diesen Worten führt Magnus das schnaufende Pferd in den Stall. Er kontrolliert dann noch einmal, dass die Tür auch wirklich zu ist.
Bald kommt jemand hinzu.
„Ach, ich brauch nur Pause.“
„Magnus, du übernimmst jetzt.“
„Kann das nicht Bjani machen?“
„Egal, Hauptsache, es bewegt sich jemand zur Kasse.“
„Schon gut, ich gehe.“
„Sind alle Pferde wieder da?“
„Stehen alle drei wieder im Stall.“
„Gut, und wo ist Johann?“
„Wollte nachkommen. Da hinten kommt er gerade.“
„Du wieder. Du würdest mir eine Menge Geld einbringen.“
„Ich erhöhe gern noch mal mein Angebot, Kleine.“
„Nein, Sammy ist nicht zu verkaufen. Und zu klauen auch nicht.“
„Was? Lass das, Jonas. Wegen euch hätte ich beinahe vier Pferde verloren. Und jetzt meint ihr, ich hätte euch beklaut?“
„Wir haben Sammy bei euch im Wohnwagen gefunden.“
„Was, ihr wart bei uns im Wohnwagen?“
„Nein, wir haben nur durchs Fenster reingeguckt. Sammy kam dann raus, als ihr die Tür aufgemacht habt.“
„Schlimm genug, dass ihr überhaupt eingebrochen seid.“
„Eingebrochen? Das ist doch öffentliches Gelände.“
„Halt bloß deinen vorlauten Mund!“
„Er hat aber recht. Und es war nicht unsere Schuld, dass die Pferde weg waren. Wir haben sie nur zurückgebracht. Vielleicht wären sie auch gar nicht abgehauen, wenn ihr sie ordentlich behandeln würdet.“
„Also, ich, jetzt halt aber mal die Luft an!“
„Hey, hey, hey, hey, was ist denn hier los? Diese rotzfrechen Kinder unterstellen mir hier sonst was. Und die sind bei uns eingebrochen.“
„Sind wir nicht.“
„Keine Ahnung, was los ist, aber die Pferde sind wohl alle wieder da. Das ist schon mal gut.“
„Wie wär’s, ich hole Hotdogs für alle, und wir klären die Sache in Ruhe?“
Damit sind alle einverstanden, auch Einer.
Während Johann weg ist, gibt es allerdings ein weiteres Problem.
"Guten Tag, ist hier ein Einer Larson?"
"Ja, was ist?"
"Sie wurden von einer ansässigen Lebensmittelhändlerin angezeigt. Eins Ihrer Pferde hat ihre Ware gefressen."
"Puh, was bilden die sich ein, mich einfach zu beschuldigen!"
"Sie hat glaubhaft versichert, dass ein Pferd ihr Gemüse gefressen hat."
Die Situation ist natürlich ungewöhnlich, aber Ponnyreiten auf diesem Fest ist es auch. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass das Tier woanders herkam. "Meine Tiere sind im Stall oder im Reitzelt, keines fehlt."
"War das die ganze Zeit über so?"
"Natürlich, fragen Sie meinen Neffen."
"Aber jetzt nicht."
Einer wirft Marie einen finsteren Blick zu. Sie schweigt.
"Ja klar, mein Bruder und ich haben sie ja nachts noch gefüttert und waren alle da, und jetzt ja auch."
In eben diesem Moment kommt Johann zurück.
"Oh, was habe ich verpasst?"
"Gar nichts, der Herr Polizist wollte gerade gehen."
"Noch nicht, die Dame sprach von zwei Jungs, deren Beschreibung auf euch passt. Wisst ihr von dem Vorfall?"
"Na ja, ein Pferd mitten in der Stadt ist schon ungewöhnlich."
"Ach komm schon! Vier Pferde waren abgehauen. Phil und ich haben eins davon an einem Marktstein beim Gemüse fressen gefunden."
"Vielen Dank, ist notiert. Hast du noch was zu ergänzen?"
"Nein, Toni hat Recht. Die Frau hat uns im Wecke noch gesagt, dass sie die Polizei rufen wird."
"Ihr Verräter! Wir haben aber nur gesagt, dass es nicht unsere Pferde sind, nicht wem sie gehören."
"Nun, das ist wohl einigermaßen naheliegend. Ich fahre jetzt aufs Revier und schreibe meinen Bericht. Sie werden innerhalb der nächsten Wochen Post bekommen."
"Keine Sorge, mehr als eine Geldstrafe wird es nicht."
Mit diesen Worten verschwindet der Polizist in der Menge. Einers Gesicht ist ganz rot vor Wut.
"Mehr als eine Geldstrafe wird es nicht."
"Ihr werdet viele Extraschichten machen."
"Aber wir arbeiten doch schon den ganzen Tag."
"Ruhe, und du, du wirst mir für das alles büßen."
"Ich denke nicht, dass ich die Verantwortung dafür trage, dass deine Pferde ausgebrochen sind. Du solltest dich erst mal bei unseren Freunden hier bedanken. Ohne ihre Hilfe hättest du sie nämlich nicht zurückbekommen."
"Bedanken? Wären sie still gewesen, hätte ich wenigstens eine Chance gehabt, davonzukommen, aber so!"
"Duini war doch nur ehrlich."
"Was, ehrlich? Das würde ich lassen an eurer Stelle, damit kriegt ihr nur Probleme."
"Eins habt ihr gerade mit mir."
"Nehmt ihr euch mal die Hotdogs und wartet hier, ich würde gern unter vier Augen mit einer reden."
Mit gemischten Gefühlen setzt sich die Crew mit Magnus zum Essen zusammen. Johann schlägt vor, in Einas Wohnwagen zu sprechen. Doch einer misstraut Johann und lehnt ab. Deshalb gehen sie in den Pferdestall.
Ich möchte wissen, was die beiden besprechen. Hoffentlich werden sie sich einig. Einig? Wohl kaum. Johann geht meinem Onkel jetzt schon so lange auf die Nerven. Seit wir hier sind, war Johann immer nett zu einer. Umgekehrt kann man das nicht so behaupten. Von nett kann man sich auch nichts kaufen.
Bei euch ist nicht gerade alles leicht, oder? Das geht dich nichts an. Mir kommt das schon klar. Zu dir und Bjarne war Johann auch netter als zu einer. Ohne dich hätte ich auch eine Menge Probleme weniger. So kommen wir doch nicht weiter.
Ich würde gern hören, was die zwei besprechen. Dafür muss Marie gar nicht aufstehen. Das Gespräch im Stall wird nämlich plötzlich lauter.
„Lass mich in Ruhe! Alles war gut, bis du aufgetaucht bist. Ich bin nicht für deine Probleme verantwortlich. Verschwinde, hau ab und komm nie mehr zurück!“
Das klingt gar nicht gut. Nur Sekunden später kommt Johann aus dem Stall. Er hat es eilig, sieht aber nicht wütend aus.
„Kommt ihr bitte mit, ich möchte gerne gehen.“
„Äh, okay. Kann ich erst mein Hotdog fertig essen?“
„Jonas! Entschuldigung, ich komm schon!“
Johann begleitet die Crew in die Jugendherberge. Im Zimmer der Jungs sitzen nun alle beieinander.
„Was ist passiert?“
Einer ist sehr überfordert mit der Situation.
„Überfordert? Man hat sein Brüllen bestimmt noch fünfzig Meter weit gehört. Fürchtest du dich vor ihm?“
„Nein, das ist es nicht. Ich habe gemerkt, dass er erst mal etwas Zeit braucht, um sich zu sortieren.“
Unfassbar, wie ruhig du immer noch bleibst.
„Mhm, ich will langsam nicht mehr ruhig bleiben. Die Pferde sind doch immer noch bei ihm.“
„Ja, auch deshalb wollte ich gerne gehen. Ich habe noch ein paar Anrufe vor mir. Lasst uns morgen früh wieder beim Stall treffen und überlasst dann mir das Reden.“
„Klingt geheimnisvoll.“
Niemand aus der Crew schläft heute Nacht besonders viel. Dafür sind alle viel zu aufgeregt. Aber Johann ist noch lange auf den Beinen.
Am nächsten Morgen treffen sie sich wie vereinbart am Stall. Einer stampft übellaunig aus seinem Wohnwagen. „Du, ich habe dir etwas zu sagen, Einer, und ich möchte, dass du mir zuhörst.“
„Warum sollte ich?“
„Ganz einfach, weil ich dich darum bitte.“
Irre ich mich, oder spricht Johann anders als gestern? Da weiß er ganz genau, was er tut. Verschlafen kommen Magnus und Biani aus ihrem Wohnwagen.
„Kommt hier die Polizei?“
„Nein, nur ich, weil ich mit euch reden will.“
„Einer? Sprich!“
„Es ist einiges schiefgelaufen in der Vergangenheit. Du hast mich sehr oft beschimpft, meiner Schwester die Pferde abgeschwatzt und wie oft du mich inzwischen in hohem Bogen davongejagt hast.“
„Das ist mutig.“
„Vielleicht, glaube ich.“
Einer antwortet gar nicht. Er steht da wie versteinert.
„Aber ich habe auch Fehler gemacht. Ich habe dir unterstellt, du hättest meine Schwester betrogen. Aber so war das ja gar nicht. Dafür möchte ich dich um Verzeihung bitten.“
„Um Verzeihung bitten? So ist es. Und ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich dir verzeihe. Ich wünsche mir Frieden zwischen uns.“
„Um zu zeigen, dass ich es ernst meine, habe ich ein paar Sachen organisiert.“
„Und was?“
„Seit Wochen kontaktiere ich Pferdehöfe im ganzen Land. Jetzt kam endlich eine passende Rückmeldung.“
„Jetzt verstehe ich, du willst mir alles wegnehmen.“
„Bitte lass mich ausreden. Ich weiß, dass eure Situation hart ist, dass Magnus und Bjarne früh ihren Vater verloren haben und jetzt auch noch ihre Mutter. Ich weiß, dass euch oft das Nötigste fehlt.“
„Das wusste ich ja noch gar nicht.“
„Ich wusste auch nicht, dass er das weiß.“
„Und wenn schon! Komm zur Sache!“
„Ich habe die halbe Nacht mit dem Ehepaar verhandelt, von dem die Rückmeldung kam. Mit Erfolg! Ihr könntet alle drei auf ihrem Hof arbeiten. Wohnung und Essen gibt es kostenlos, dazu ein kleines Gehalt. Die Pferde würden sie euch zu einem fairen Preis abkaufen. Damit wäre auch meine Schwester einverstanden.“
„Das klingt ja mega, ja voll. Wo ist denn der Pferdehof?“
„In einem kleinen Vorort von Akureidi. Nicht so groß wie hier, aber auch eine hübsche Stadt.“
„Wusste ich doch, das hat den Haken. Das ist ewig weit weg. Den Sprit können wir uns nicht leisten.“
„Da möchte ich euch gerne unter die Arme greifen, wenn ihr erlaubt. Die Reisekosten bezahle ich für euch.“
„Was willst du dafür haben, also für das alles, wenn schon kein Geld?“
„Ganz ehrlich, ich will einfach nur, dass wir uns versöhnen und dass es deiner Familie gut geht.“
„Noch mal ganz langsam. Ich habe alles versucht, um dich loszuwerden. Ich habe die Jungs losgeschickt, um das Eichhörnchen im Streifenhörnchen – ja, ja, Streifenhörnchen – von deinen kleinen Freunden zu klauen. Ich habe dich angebrüllt und beleidigt.“
„Das stimmt.“
„Und jetzt kommst du her und willst dich mit mir versöhnen? Und mir auch noch helfen?“
„Und was sagst du dazu?“
„Das kann Johann doch nicht ernst meinen.“
„Doch. Ich glaube schon, ich will zuhören.“ Einers Gesichtsausdruck verändert sich. Die Crew befürchtet, dass er wieder wütend wird – das ist in den letzten Tagen so oft passiert. Sie staunen, als Einer ganz anders reagiert.
„Meinst du das wirklich ernst?“
„Ja, boah. Onkel Einer, weinst du?“
„Ich was? Was?“
„Nein, nein, natürlich nicht.“
„Halt bloß, Steve! War nicht so gemeint, ich bin gerade nur etwas sprachlos.“
„Das ist okay.“
„Also, wenn du das wirklich ernst meinst.“
„Tools.“
„Ohne versteckte Fallen oder Hintertüren?“
„Nicht eine.“
„Und ich würde es rauskriegen.“
„Daran zweifle ich nicht.“
„Dann, na ja, dann würde ich das gerne annehmen.“
„Juhu!“
Noch am Nachmittag helfen Johann und die Crew, den Stall abzubauen und die Anhänger zu beladen. Abends fahren alle zusammen nach Akureyri.
Für die Pferde bedeutet das, in Zukunft bestens versorgt zu werden. Für Aina und seine Neffen ist es ein Neuanfang.
Unterwegs hakt Marie noch einmal nach. Wusstest du, dass es so ausgehen würde?
Nein, keineswegs.
Du hast dich überhaupt nicht vor einem Wutausbruch gefürchtet, oder?
Doch schon, es hätte durchaus passieren können, dass er sauer wird. Mit meinem Wissen über seine Familie und dem Versöhnungsangebot bin ich ihm schon sehr nahe getreten.
Und wieso hast du es dann trotzdem gemacht?
Weil ich seine Not gesehen habe und weil ich viel für ihn gebetet habe. Dabei wurde mir immer klarer, dass ich ihm helfen kann. Er ahnt gar nicht, wie sehr ich mich über die Zusage des Pferdehofs gefreut habe.
Irgendwie machst du die ganze Zeit Sachen, mit denen ich gar nicht gerechnet hätte. Und dann kommt so etwas wie ein plötzlicher Stimmungswandel.
Ich nehme an, das liegt daran, dass ich meinen Weg mit Jesus gehe. Durch ihn konnte ich ganz neu anfangen. Und da finde ich es nur richtig, auch anderen dabei zu helfen.
Aber du bist doch auch immer so ruhig geblieben.
Ja, das war wohl am schwersten von allem. Aber ich habe fest darauf vertraut, dass Gott bei mir ist, auch in den ganz brenzligen Situationen, und dass er den Ausweg schon kennt. Deshalb konnte ich ruhig bleiben.
Mit Jesus sieht man dann also die Dinge ganz anders als vorher?
Ja, so sieht’s aus.
Das gefällt mir. Anders als gedacht. Ist das bei der Geschichte mit dem gestohlenen Geld auch so?
Ja, ist es.
Na, da bin ich gespannt.
Zunächst möchte ich euch allen noch einmal danken. Es ist nicht selbstverständlich, dass ihr mir heute zuhört. Aber es ist wichtig. Mhm, stimmt. Ja ja, sehr süß. Jetzt komm zur Sache.
Okay, zunächst einmal ist es wahr, dass ich vor fast zwei Jahrzehnten bei dem Bankraub dabei war. Krass! Torsten hatte zwar die Idee dazu. Jetzt schiebt nur wieder alles auf mich. Aber ich habe letztlich alles organisiert und geplant und damit viel Schuld auf mich geladen. So richtig vorstellen kann ich mir das immer noch nicht. Ich auch nicht. Aber das ist vielleicht auch besser so. Wie du heute bist, mag ich dich deutlich lieber. Wahrscheinlich wir alle. Na ja.
Alles lief nach Plan, und wir haben eine Menge Geld mitgenommen. Wir hatten alle Überwachungskameras sabotiert. So gab es lange keine handfesten Beweise. Also gründlich warst du wohl damals schon. Hätte ich das nur besser eingesetzt. Jedenfalls hat es fast zwei Jahre gedauert, bis ich vor Gericht musste. In der Zeit habe ich das Haus und die Scheune gekauft. Oh Mann, ist ja unfassbar! So weit wusstet ihr das ja schon.
Jetzt kommt der Teil, den ihr noch nicht kennt. Thorsten und ich haben uns da schon allmählich aus den Augen verloren. Und du bist mir den größten Teil schuldig geblieben, dann wurde auch noch mein Verfahren früher gestartet. Ich wurde eingebuchtet und kam nicht mehr an dich ran. Bei mir gab es dann nur die Geld- und die Bewährungsstrafe, und ich musste natürlich alles zurückzahlen. Offengesagt weiß ich gar nicht, warum unsere Strafen so verschieden waren.
Und vorher hattest du die ganze Kohle? Ja, genau. Ich meine, das Haus hast du ja offensichtlich noch. Ich habe in mehreren Jobs gleichzeitig gearbeitet und war deshalb nicht viel zu Hause, obwohl wir gerade ein Baby hatten. Das ist einer der Gründe, weshalb ich es heute am meisten bereue. Ich hätte viel mehr für dich da sein müssen, Amy. Du warst später sehr viel für mich da. Das ist heftig.
Aber nach einigen Jahren hatte ich tatsächlich alle Schulden zurückbezahlt. Das Haus war noch da, und ich hatte meine Familie. Endlich konnte ich das alles hinter mir lassen. Einschließlich mir. Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich das musste. Ich konnte dich einfach nicht mehr um mich haben. Aber was ist dann passiert? Wie meinst du das? Ist denn nicht alles gesagt? Find ich nicht. Da muss ich dir ausnahmsweise Recht geben, Junge. Ich, euch beiden auch.
Die Sache hat mich nie ganz losgelassen. Meine Schuld war bezahlt, aber die Schuldgefühle gingen nicht weg. Das hat sich erst Jahre später geändert, als ich Jesus kennengelernt hatte. Ich habe nie davon gewusst. Du warst immer noch ein kleines Mädchen, und ich wollte dich nicht damit belasten. Ich bin nicht sicher, ob das gut war.
Mit Jesus habe ich dann alles aufgeräumt. Wie meinst du das? Er hat mir gezeigt, dass ich noch eine Rechnung offen hatte. Obwohl das Geld nun schon lange bezahlt und die Bewährung beendet war. Also bin ich zu der Bank gegangen, die ich Jahre vorher ausgeraubt hatte. Der Bankdirektor war noch derselbe. Ich habe mir einen Termin bei ihm geben lassen. Und dann?
Dann habe ich ihn um Verzeihung gebeten. Ich habe alles vor ihm ausgebreitet, was mit dem Raub zu tun hatte: meine Ängste, Sorgen und Nöte und all die Schuld, die ich auf mich geladen hatte. Er war mächtig überrascht. Immerhin dachte er, die Sache wäre für mich erledigt. Und wie hat er dann reagiert?
Erst mal hat er mich lange angestarrt. Erst war es verständlich, irgendwann wurde es peinlich, zuletzt richtig unangenehm. Und nach einer gefühlten Ewigkeit fing er an zu lächeln. Er gab mir die Hand und sagte, dass er mir verzeiht. Das war unbeschreiblich.
Wow, das hättest du ohne Jesus nicht gemacht, oder? Hätte er mir nicht klargemacht, dass ich das brauche, und hätte ich nicht gewusst, dass er in diesem Gespräch die ganze Zeit bei mir war, hätte ich heute noch diese Schuldgefühle und könnte sie mir nicht erklären.
Und damit war dann wirklich alles aufgeräumt? Fast alles. Und das ist mir heute besonders wichtig.
Einerseits bitte ich euch nochmals um Verzeihung, dass ich das nie erzählt habe. Es muss euer Vertrauen schlimm verletzt haben, dass ihr es auf diese Weise erfahren habt. Ehrlich gesagt, ja, total.
Hm, ich denke, das geht uns allen so. Danke, dass du uns jetzt alles erzählt hast, Papa.
Ja, Onkel Mike, danke.
Mhm.
Aber du hast einerseits gesagt, was ist andererseits?
Andererseits geht's um dich, Thorsten.
Äh, was? Kommt was Interessantes?
Nach all den Jahren ist eine Rechnung mit dir immer noch offen.
So weit waren wir am Anfang schon. Wie gesagt, Geld habe ich nicht für dich.
Seit du vor kurzem in mein Leben getreten bist, habe ich wieder viel über die Sache nachgedacht. Damals war es dringend nötig, die Verbindung zu dir erst mal abzubrechen. Das bereue ich nicht.
Dir zu vergeben war sehr hart für mich. Aber ich will dir heute endlich sagen, dass ich es habe.
Wie nett von dir.
Und ich möchte dich um Verzeihung bitten.
Mich? Wieso?
Wenn nicht für mein Geld, warum sollte ich dann heute herkommen? Was willst du wirklich von mir?
Dass du mir vergibst.
Auch als für mich irgendwann alles geklärt war, habe ich dich nie besucht. Ich habe gar nicht mehr nach dir gefragt. Das tut mir leid.
Okay, danke, schätze ich. Ich gehe jetzt besser.
Warte, ich will dir gern zeigen, dass ich es ernst meine. Und wie ... na ja, du warst lange im Gefängnis. Zu mir kamst du vor allem, um an Geld zu kommen.
Ich nehme nicht an, dass du gerade eine besonders tolle Arbeit hast.
Nein, gar keine.
Hättest du gerne eine? Das würde einiges leichter machen.
Aber spar dir die Mühe, mit meinem Lebenslauf finde ich eh keine.
Das kann nicht mal dein Jesus hinzaubern.
Jesus zaubert nicht.
Ich weiß, dass du dich für unseren Doppeldecker interessiert hast. Wie kommst du denn darauf? Um die Seile durchzuschneiden, hättest du doch nicht wissen müssen, dass es eine Brücke ist. Du hattest früher schon einiges für alte Flugzeuge und Fahrzeuge übrig.
Ja, schon. Ich habe einen alten Bekannten kontaktiert. Er hat enge Verbindungen zu einem kleinen Unternehmen, das Flugzeuge restauriert. Manche werden ins Museum gestellt, andere wieder flugfähig gemacht. Ich habe dort angerufen, und sie würden dich gern einstellen. Du könntest gleich nächsten Monat anfangen.
Echt jetzt? Echt jetzt.
Was starrt ihr mich denn alle so an? Wir erwarten, was sie antworten.
Das wird mir zu viel. Ich gehe jetzt. Vielleicht komme ich darauf zurück.
Oh, Gudrun.
Ja?
Darf ich dich später anrufen?
Ja, gerne.
Gut, also dann, tschüss.
Ich an seiner Stelle hätte sofort zugesagt. Jawohl, vielleicht macht er es ja. Vielleicht könnte er sogar unseren Doppeldecker wieder zum Fliegen bringen.
Gefällt er dir nicht da oben an der Decke?
Doch sehr, war einfach nur so eine Idee.
Er hat in seiner Hektik ganz vergessen, sich zu bedanken. Das würde ich dafür gern machen.
Danke, Mike.
Heißt das, zwischen uns ist wieder alles in Ordnung?
Besser als vorher.
Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist. Wer will Kuchen?
Und hast du die Geschichte mit den Pferden schon ganz zu Ende gehört? Das Ende hat mir besonders gut gefallen. Dieser Johann war so nett.
Aber ganz zu Ende ist es noch nicht, denn es gibt wieder ein tolles Video zum Mitmachen, passend zur Folge für dich. Natürlich darf auch die Challenge nicht fehlen. Ich freue mich schon darauf, wenn du mitmachst. Deine Eltern helfen dir bestimmt dabei.
Ihr müsst dafür nur im Internet auf crew.de gehen.
Die zweite Staffel aus Island ist nun leider vorbei. Aber kennst du schon die erste Staffel aus Brasilien? Nein? Dann schau dort unbedingt mal vorbei.
Halte dich bereit, denn schon bald geht es in einer neuen Staffel in ein völlig neues Land.
Wir sehen uns dann, tschüss!
Das war Staffel zwei mit der Doppeldecker Crew. Aber das Abenteuer ist noch nicht vorbei. Freue dich auf das Mitmachvideo zum Hörspiel. Dort nehmen wir dich noch einmal mit in die Highlights der Folge.
Außerdem erwartet dich eine megastarke Challenge. Bist du dabei? Dann besuche uns online auf www.doppeldecker-crew.de.
Oh, und letzte Chance: Bestelle dir dort noch dein Magazin zum Hörspiel und das Staffelposter. Lass dir das nicht entgehen!
Die Crew freut sich auf dich.