Vielen Dank für die liebe Begrüßung, verehrte Schwestern und Brüder! Die Heimat, geistlich gesehen, aber auch blutsmäßig, liegt auf der Schwäbischen Alb. Dort kann man weit ins Land hinausblicken, fast so schön wie von der langen Steinbacher Höhe in das badische Land.
In Hülben finden seit langer Tradition immer wieder Konferenzen statt, neben den Gemeinschaftsstunden. Dazu gehören die Kirchweih-Montagskonferenz und die Silvesterkonferenz. In dem großen Kirchengebäude wird ein langer Tisch aufgebaut, an dem dann alle zweitausend bis zweieinhalbtausend Teilnehmer Platz finden.
An diesem Tisch sitzen die Brüder, die reden – meist fünfzehn, sechzehn Brüder. Früher waren das meist Laien, wie Orthopädieschuhmacher, Schumameister oder Schüler aus Gehausen. Auch der Mondscheinbauer und Handschuhmacher Schipphack aus Metzingen gehörten dazu. Man hat ihnen angesehen, dass sie sich eine Woche lang intensiv mit einem Bibelabschnitt beschäftigt hatten.
Die Auslegung war gespickt mit Lebenserfahrung und kam aus einer geistlichen Tiefe. Heute sind es hauptsächlich hauptamtliche Prediger und Pfarrer. Deshalb kommt es manchmal vor, dass die Auslegung bei uns Theologen eher theoretisch und schaumgebremst wirkt. Bei Andreas ist das nicht so, aber manchmal wünscht man sich, dass die Auslegung kräftiger und lebensbezogener wäre.
Darüber habe ich mich einmal bei meinem Gegenschwieger beklagt, der aus der hanischen Gemeinschaft in Württemberg stammt. Ich sagte ihm, dass die Auslegung bei den sechzehn Auslegern einfach nicht so aus der Tiefe herauskommt. Er antwortete: „Rolf, es ist schon ein besonderer Segen, wenn gläubige Menschen zusammenkommen.“
So denke ich auch heute Morgen. Ich danke Ihnen, dass ich in diese Gemeinschaft von Menschen eintauchen darf, die etwas von unserem Herrn und seinem Wort erwarten.
Die Bedeutung von Gemeinschaft und geistlicher Tiefe
Perspektiven unserer Hoffnung – so lautet die Gesamtüberschrift dieser Seniorentagung.
In früheren Jahrzehnten war es in Württemberg üblich, dass anlässlich der Konfirmation die Konfirmanden das Lied „Stärk uns, Mittler, dein sind wir!“ gesungen haben. Bei den goldenen Konfirmationen konnte ich genau rekonstruieren, wann dieses Lied nicht mehr gesungen wurde. In der Nachkriegszeit hielt man es für ein veraltetes Lied.
Ich weiß, dass mein Vater, der jung mit 53 Jahren gestorben ist, dieses Lied immer als Trost, Ermutigung und Ermahnung genutzt hat. Er betonte, dass man nicht nur die erste Strophe singen dürfe, die meist von den Konfirmanden gesungen wurde, sondern auch die zweite Strophe.
In der Todesnot, lass uns deine Teuer erlösten, unseres Glaubens Zuversicht unaussprechlich trösten!
Perspektiven unserer Hoffnung – gerade auch in der Todesnot. Lass uns deine teuer Erlösten durch unseren Glauben unaussprechlich trösten!
Die Zuversicht des Glaubens in der Todesnot
Was ist die Zuversicht des Glaubens? Dass Gott mich, den Gottlosen, gerecht macht. Das steht im Römerbrief: Gott macht Gottlose gerecht. Er macht nicht Fromme noch Frommer, sondern er macht Gottlose gerecht.
Wichtiger als die Tatsache, dass Gott mir noch einmal eine Gnadenfrist gewährt hat, ist etwas anderes. Vielleicht sind es noch vier Wochen oder zwei Monate, in denen wir uns rein körperlich sehen. Wir hängen so am Leben. Doch wichtiger als das ist, dass wir gespannt sind, wie es sein wird, wenn Gott mich gerecht macht.
Wir sehnen uns nach einer Welt ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Trauer, ohne Krieg und ohne Ängste. Aber wichtiger als das wird sein, dass Gott uns in unserem Leben, in dem so viel falsch gelaufen ist, hundertprozentig gerecht macht.
In der Todesnot lass uns deine teuer Erlösten, unseres Glaubens Zuversicht, unaussprechlichen Trost erfahren. Ich bin gespannt auf das, was unser Herr erst noch tun wird.
Wir leben in einer Welt, in der wir oft von Gedanken angesteckt werden wie: Hoffentlich muss ich noch nicht sterben, hoffentlich muss ich nicht abtreten, hoffentlich wird mir noch einmal eine Frist gegeben. Oh, gib der Seele Flügel, dass sie hinüberschaut!
Wir Christen müssten fest sein oder sagen: Das, was uns hier geschenkt wird, ist erst die Vorstufe dessen, was erst noch kommen wird. Das sind die Perspektiven unserer Hoffnung.
Die Gewissheit des lebendigen Erlösers
Wir wollen deshalb als Stichwort aus Hiob 19 ein Wort lesen, das vielen unter uns längst vertraut ist. Wir wollen darüber nachdenken: Hiob 19, ab Vers 23.
„Ach, dass meine Reden aufgeschrieben würden, ach, dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen“, hat Hiob gewünscht.
Jetzt kommt ein Wort, von dem wir wissen, dass es wahr geworden ist. Es ist Bestandteil der Menschheit geworden, weit über die Christenheit hinaus: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben.“
Mir ist dieses Wort wichtig, vor allem diese Gewissheit. Hier, in all der Not, die Hiob betroffen hatte – seiner Familie, seinem Eigentum –, als seine Frau ihn nicht mehr verstand, als kein Mensch mehr ihn verstand und die Freunde an ihm vorbeiredeten, sagt er: „Ich weiß.“
Man kann durch die Not, in die man hineinkommt, durch körperliche Schwäche und Krankheit, wie sie Hiob hatte, so erschüttert werden, dass der Glaube ins Wanken gerät. Ich erlebe es immer wieder, besonders jetzt, je älter ich werde: Freunde aus der Jugendzeit, die fest im Glauben standen – Jugendarbeit, Zivildienst, Gemeinschaftsarbeit, lebendige Gemeinde, Hofacker – gestandene Christen kommen und sagen: „Rolf, ist nicht alles ein Traum? Haben wir uns alles nur vorgemacht mit Jesus, mit der Rettung und mit dem Gerechtwerden?“ Man kann im Glauben erschüttert werden.
Deshalb stärke uns bitte! „Todesnot, lass uns deine Teuererlösten unseres Glaubens Zuversicht unaussprechlich trösten! Sprich du unserem Glauben zu, dass Hiob sagen konnte: ‚Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Ich weiß es.‘“ Staun.
Und jetzt geht es weiter: Wir müssen sagen, dass wir einmal ewig leben werden und dass wir verklärt werden in seinem Licht – würde alles stimmen. Aber Hiob sagt: „Als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben.“
Unsere Gewissheit hängt daran, dass Gott unseren Herrn Jesus aus dem Tod herausgeholt hat, ihn erhöht hat und zu seiner Rechten gesetzt hat. Er hat ihn zum letzten Herrn bestimmt. Er ist aus dem Staub erhoben.
Hanna, die Mutter des Samuel, hat einst gebetet: „Er tötet und macht lebendig, er holt aus dem Staub und setzt ihn unter die Fürsten.“ Gott hat diesen Jesus erhöht. Er ist der letzte Herr.
An diesem Jesus hängt unsere Gewissheit, liebe Schwestern und Brüder, dass er einmal auch über uns sagen wird: „Mit mir gehörst du ins Paradies, du gehörst zu mir.“ Vater, für den trete ich ein, für den komme ich auf, für den gilt mein Sterben.
„Als der Letzte wird er sich über den Staub erheben, und mein Herr wird mich nicht hängen lassen.“ Eine ganz große Gewissheit in der Todesnot. Lasst uns deine Teuererlösten sein!
Das universelle Sehnen nach Erlösung
Und da ist dieses Stichwort von der Erlösung: ein Sehnen in der Menschheit und bei den Völkern nach Erlösung. Ich durfte in den letzten Wochen eine Reise an der Ostküste Australiens mitmachen, vorbei am wunderschönen Pazifischen Ozean und dann hinein nach Indonesien. Dabei wurde mir noch einmal ganz neu auch die Kirchengeschichte und Missionsgeschichte von Indonesien bewusst.
Auf Java, in Surabaya, lebte ein deutscher Uhrmacher namens Emde. Er war zum Glauben gekommen durch einen glühend sich einsetzenden Missionar, der die Weiten des Pazifik mit seinem kleinen Boot durchpflügte. Dieser Uhrmacher Emde sammelte einen kleinen Hauskreis.
Eines Tages kam ein muslimischer Koranlehrer aus einem entfernten Dorf zu diesem Uhrmacher Emde und fragte: „Ist es wahr, dass ihr über Erlösung sprecht? Das möchte ich auch hören.“ Es ist eine Missionsgeschichte, erstaunlich, oft taucht das auch bei der Grönlandmission der Herrnhuter auf, dass das Stichwort Erlösung Menschen angezogen hat wie ein ganz starker Magnet. Die Menschen sehnen sich danach, erlöst zu werden.
Wir dürfen nie denken, das sei ein Fremdwort. Es geht ja bis in die Alltagssprache hinein. Wenn die Reporterin sagt, beim VfB fiel das erlösende Tor zum 1:1 – es kommt zwar selten vor, aber es kommt vor – dann fällt niemandem auf, was für eine fromme Sprache hier verwendet wird und wie „erlösen“ zu unserem Sprachgebrauch gehört. Aber es wird ja mehr gemeint, als dieser Koranlehrer meinte.
Daniel Tambaraja Niles, einer der großen Evangelisten aus Ostasien, aus Sri Lanka, hat uns Europäern immer geraten: Wenn ihr mit einem Muslim Glaubensgespräche führt, verstrickt euch doch nicht in Diskussionen, ob Jesus Gottes Sohn war oder nicht. Sprecht lieber von der Erlösung, was es für euch bedeutet, erlöst zu sein, wie glücklich ihr seid, erlöst zu sein. Denn gerade im Islam gibt es ein Sehnen nach Erlösung.
Der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse hat in einem seiner frühen Werke von den jungen Leuten in Zürich geschrieben: „Es war mir, als höre ich ein Schreien nach Erlösung.“ Wenn Sie die Werke von Hermann Hesse lesen, dann durchzieht dieses Schreien nach Erlösung auch seine eigenen Werke. Und wenn Sie sich die ganze moderne Literatur ansehen – ach, was unsere Fernsehspiele und alles, was auf dem Markt ist, mit Betrug, Gemeinheit und Ehebruch – ist das doch im Grunde genommen ein Schreien: So kann es nicht weitergehen. Wann kommen wir denn heraus aus dem Dreck, aus dieser Vergiftung, in der wir drin sind?
Wir sollten nicht so viel schimpfen über die böse Welt, sondern bezeugen, wie glücklich wir sind, erlöst zu sein. Und auch bezeugen: Ich bin noch nicht erlöst, ich warte auf die Erlösung.
Johann Christoph Blumhardt, einer der großen Seelsorger im württembergischen Land, hat einmal über die Christenheit gesagt: „Bekehrt sind viele, aber erlöst ist noch keiner von uns.“ Niemand hat erkannt, wie stark wir gebunden sind vom Geld, vom Sehnen nach Ehre, wie sehr wir verletzt werden durch Äußerungen von Menschen, wenn wir nicht beachtet werden. Angst vor dem Sterben, Angst vor der Krankheit, Sorge, ob unsere Kraft durchhält, Sorge um Kinder und Enkel – erlöst sind wir noch nicht. Wir haben das Angeld der Erlösung, das Jesus uns mit seiner Hand angeboten hat.
Er ist der Erlöser, Gottes Sohn. Und Paulus schreibt: Wir warten auf unseres Leibes Erlösung und überhaupt auf unsere ganze Erlösung von unserer Körperlichkeit und allem, was damit zusammenhängt.
Die biblische Verheißung der Erlösung
Aber es ist ja nicht bloß ein Stichwort in unserer modernen Welt. Ich zitiere hier gern den amerikanischen Schriftsteller Abteig, der den Christen vorwirft: Warum redet ihr immer nur in kirchlichen Mauern davon, dass es Erlösung im Herrn gibt? Die Welt sehnt sich danach zu wissen, wo es Erlösung gibt. Deshalb ist es ein biblisches Stichwort.
Lassen Sie uns geschwind ein paar Stellen zusammentragen, wo von Erlösen, Erlöstwerden und Erlösern die Rede ist. Zum Beispiel Hiob 19: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Schriftgelehrte und Schriftgelehrte kommen vor, aber wo steht was von Erlösung? Ja, zum Beispiel beim Warten auf die Erlösung des Leibes.
Jesus Christus ist uns zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht worden, so steht es in 1. Korinther 1,30. Im Vaterunser heißt es: „Erlöse uns von dem Bösen.“ Dabei ist nicht das Böse allgemein gemeint, sondern der Böse, der Teufel.
Auch in Epheser 1 finden wir: „In ihm haben wir die Erlösung und Vergebung.“ Nicht mit Silber oder Gold sind wir erlöst worden, sondern durch seinen Kauf. Paulus sagt, dass er mich erlöst hat aus des Löwen Rachen. Es gibt also eine Vielzahl von Stellen.
Im Psalm 130 heißt es: „Er wird Israel erlösen aus all ihren Sünden.“ Gehen Sie einmal dieser Spur nach, wie oft die Bibel uns fast wie ein Köder hinwirft: Bei Gott und bei Jesus gibt es Erlösung, weil die Menschheit sich danach sehnt.
Erst recht sind unsere Gesangbücher voll von diesem Preis. „Er ist der Erbarmer, Jesus Gottes Sohn, er ist der Erlöser.“ Welch ein Glück, dass wir es gesungen haben: erlöst zu sein.
Wovon sollen wir erlöst werden?
Wovon sollen wir erlöst werden?
Der große Schriftsteller Samuel Bello, Nobelpreisträger, fragt: Wann endlich werde ich erlöst werden von der Selbstsucht? Es ist Ihnen klar geworden, dass unser Egoismus schlimmer als eine Krankheit ist. Wir hängen daran, sogar bis hinein in die Ehrsucht. Wann endlich werde ich erlöst werden von der Selbstsucht?
Hinter vielen Erbschaftsstreitigkeiten, die es in unserem Land gibt, steckt unheimlich viel Selbstsucht. „Ich bin zu kurz gekommen, ich bin zu wenig bedacht worden, bin ich gegrüßt worden?“ Diese Sorgen prägen viele Konflikte.
Es gibt die Angst vor dem Tod, das Verlangen, erlöst zu werden. Diese kreative Angst ist eine menschliche Angst: Ich will leben. Angst vor Krankheit, Angst vor dem, was in meinem Leben aufgedeckt werden könnte. Angst vor Pannen, von Dingen, die wir längst weggesteckt haben. Angst, dass die Menschen erstarren, wie Jesus gesagt hat, vor Furcht und vor dem Warten auf die Dinge, die kommen sollen.
Bei der Sonnenfinsternis vor ein paar Jahren herrschte plötzlich ein Schweigen über unserem Land. Man fragte sich: „Wartet, was ist das für eine tolle Sache?“ So etwas gibt es auf dem Frühlingsfest nicht, wo es laut zugeht. Aber damals schwiegen sogar die Vögel, und die Hunde jaulten nicht mehr. Ein angstvolles Schweigen. Man fragte sich: „Was ist, wenn die Sonne nicht mehr aufgehen würde am hellen Tag?“
Wir werden verschmachten vor dem Warten auf Dinge. Es gibt viele Dinge, von denen wir erlöst werden können. Doch beim Hiob ist klar: Wer kann denn vor Gott bestehen? Das ist die letzte elementare Frage. Die Freunde Hiobs haben das erkannt, ebenso Hiob selbst.
Als Gott ihm im Wettersturm begegnet, wird Hiob bewusst, wie töricht er ist. Er sagt: „Ich gelte als fromm und gottesfürchtig, aber wie kann ich meinen Mund vor Gott auftun?“ Er hat gebeten, Gott sehen zu dürfen, mit ihm zu reden. „Wenn ich ihn bloß erblicken könnte! Aber gehe ich nach rechts, finde ich ihn nicht, verbirgt er sich zur Linken, so sehe ich ihn nicht. Gehe ich zurück, finde ich ihn nicht. Wo ist denn Gott?“
Hiob möchte mit Gott in einen Rechtsprozess eintreten. Doch dann merkt er: Ich kann vor Gott gar nicht bestehen. Selbst in meinen frommen Rechtschaffenheiten nicht!
Wenn einmal alle Ängste dieser Welt vorbei sein werden – alle Tsunamis, alle Erdbeben, alle Hungersnöte, alle Katastrophen –, wenn die Uhr dieser Weltgeschichte abgelaufen ist, dann werden auch alle Sorgen um unsere Enkel vorbei sein. Auch die geheimen Sorgen, ob ich meinem Ehepartner gerecht geworden bin, ob ich nicht eine Last für ihn war, wie oft ich ihm wehgetan und enttäuscht habe.
Bis ich bei diesen kleinen Dingen anfange, bis hin zu den großen Dingen: Dass wir mitgestrickt haben an der Schuld unseres Volkes. So einen Wohlstand, wie wir ihn heute haben, hat es in keiner Generation seit Adam und Eva je gegeben. Was haben wir mit dem uns anvertrauten Geld gemacht? Mit der uns anvertrauten Zeit?
Wie oft hat der Herr Jesus an die Tür unseres Lebens geklopft, und ich habe gesagt: „Oh, es ist Wichtiges, ich muss das geschwind erledigen, was auf meinem Schreibtisch liegt.“ Wenn uns das alles bewusst wird, dann denken wir an das, was Jesus gesagt hat: „Jedes unnütze Wort wird zur Rechenschaft gezogen werden.“
Und da denke ich: Jesus braucht nicht meine Leidsordner mit vergangenen Briefen und Predigten herauszuholen, in denen er schon gesagt hat, was er bei seelsorgerlichen Gesprächen als vordergründigen Trost gegeben hat. Warum habe ich oft falsche Ratschläge gegeben? Oft sind es gerade die Dinge, von denen wir denken, sie seien hundertprozentig richtig, weil wir im Dienst des Herrn stehen.
Doch jedes unnütze Wort wird aufkommen. Und dann gilt es zu erkennen: Welch ein Glück ist es, erlöst zu sein! Nicht trotz, sondern gerade weil Jesus sagt: „Ich mache Sünder gerecht.“ Jesus nimmt die Sünder an.
Deshalb sind wir erlöst, weil der Magnet unseres Herrn Jesus als Heiland dort ankommt, wo Sünde ist, und wo Menschen sagen: „Ich brauche dich, ich brauche dich, vielen Dank.“
Die biblische Logik der Erlösung
Wir müssen einige Bibelstellen hinzuziehen, um das Wort aus dem Buch Hiob in seiner ganzen Tiefe zu verstehen. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Bitte schlagen Sie Jesaja 44 auf.
In Jesaja 44,22-23 heißt es: „Ich tilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünden wie den Nebel. Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich. Jauchzet, ihr Himmel, denn der Herr hat's getan! Jubelt, ihr Tiefen der Erde! Ihr Berge, frohlockt mit Jauchzen! Der Wald und alle Bäume darin! Denn der Herr hat Jakob erlöst und ist herrlich in Israel.“
Bei Jesaja kommt immer wieder das Stichwort vom Erlöser vor. So steht es beispielsweise in Jesaja 44,6: „So spricht der Herr, der König Israels, und sein Erlöser.“ Und in Vers 24: „So spricht der Herr, dein Erlöser.“ Dieses Stichwort zieht sich durch das ganze Buch Jesaja.
Es ist, als würden die Menschen noch gar nicht begreifen, was Gott sagt. Nun sollen die Schöpfung, die Berge und die Bäume jauchzen, weil Erlösung gekommen ist. Halleluja, Erlösung! Er hat es getan, er hat sie wirksam gemacht.
Was genau? Dass er meine Missetat, meine Sünden, meine Fehler auflöst wie den Nebel. Ich denke, auch hier im schönen badischen Land gab es in den letzten Wochen und Monaten oft Nebel. Man hat gehofft, dass die Sonne durchscheint, zum Beispiel in Ulm.
Ich durfte viele Jahre in Ulm verbringen, als Pfarrer im Auftrag des Jugendwerks. Auch meine letzten Dienstjahre waren dort, und alle unsere Kinder sind in Ulm geboren. Über der Donau lag oft ein dicker Nebel. Man hoffte an sonnigen Tagen, dass es elf oder halb zwölf Uhr am Vormittag wird, wenn die Sonne endlich durch den Nebel dringt. Dann sieht man plötzlich von Neu-Ulm aus die Herrlichkeit Ulms, einschließlich des Münsters. Alles wird sichtbar. Großartig, wie unser Gott das ausrichten lässt.
So kann ich es auch mit meinen Fehlern machen: Jedes unnütze Wort, jedes ungute Wort, jedes Versäumnis und jede Unterlassung – die vielen Anklagen von Menschen, die sagen: „Er hat mich vergessen, er hat nicht nach mir geschaut.“ Ein ehemaliger Gemeindepfarrer beklagt, dass viele Menschen sagen, sie seien von Gott nicht besucht worden, er habe sie nicht gegrüßt, ihren Namen nicht gekannt. All das Ungute, was sich vielleicht gar nicht vermeiden lässt, liegt wie eine Last auf uns.
Doch Gott sagt: „Ich tilge deine Sünden.“ Bis hin zu all dem, was in Spannungen in Ehe und Familie gesagt wurde. Gestern las ich den Lebensbericht eines bewährten württembergischen Pfarrers. Er schrieb, er habe es nie geschafft, seinen Vater zu lieben, seit jenem Abend, an dem der Vater ihn hart angeschrien hatte.
Der Vater dürfte seinen Sohn doch auch mal anschreien, nicht? Der Sohn könnte doch verstehen, dass der Vater mit seinen Nerven am Ende ist. Doch der Sohn sagt: „Ich kann dich, mein Vater, nie lieben.“ Was wäre, wenn Gott uns sagen würde: „Ich kann dich nicht mehr lieben, für mich bist du tot.“?
Gott sagt aber: „Ich habe nach dir geschaut, ich habe dein Leben mit Liebe begleitet, auch wenn dir anderes wichtiger war. Ja, ich tilge deine Sünden, deine Missetaten wie eine Wolke, wie den Nebel.“
Das ist nur der Auftakt zu dem, was in Jesaja 53 steht: „Er trägt unsere Sünden.“ Wir haben es zuvor in der Gebetsgemeinschaft gehört, das zentrale Wort vom Tragen. In Israel gab es seit dem Versöhnungstag die Sehnsucht danach. An diesem Tag legte man dem Bock symbolisch die Sünden des Volkes auf und trieb ihn in die Wüste.
Wir kennen das Sprichwort: „Er hat uns in die Wüste geschickt.“ Der Bock kann die Sünde aber nicht wirklich tragen. Ich denke an den hohen Priester, der dem Bock nachschaute und sich wünschte, der Bock könnte die Sünden wirklich wegtragen. Doch da musste noch jemand ganz anderes kommen.
Den durfte Jesaja ankündigen: „Er trägt unsere Sünden. Der Herr hat unser aller Sünde auf ihn geworfen. Er, mein Knecht, wird viele gerecht machen, denn er trägt ihre Sünden.“
„Siehe, da sich Gottes Land aus der Welt Sünde trägt“, hat der Täufer Johannes gesagt. Jesus hat bekräftigt, dass durch ihn diese Erlösung geschieht. Er hat unsere Schwachheiten getragen (Matthäus 8). Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen (Matthäus 20), sondern um zu dienen und sein Leben als Erlösung für viele hinzugeben.
Wer Bibelkennerinnen und Bibelkenner sind, wissen, dass dieses Zitat von Jesus aus Jesaja 53 stammt. Er hat sein Leben für andere gegeben und die Sünden vieler getragen. Deshalb ist er zur Erlösung gekommen.
Bilder und Erklärungen zur Erlösung
Zwei Bilder
Er trägt die Sünden, er erlöst, er nimmt die Sünden weg wie eine Wolke.
Lassen Sie sich bitte nicht vom Zweifel anstecken, der viele Menschen beschäftigt: Wie funktioniert das eigentlich? Wenn der Arzt bei mir eine Krankheit feststellt und sagt: „Nehmen Sie diese Mittel, kommen Sie in zehn Tagen wieder, und wenn es dann nicht besser ist, machen wir eine Spritzenkur“, dann wissen wir, dass das irgendwie funktioniert. Entweder mit den Pillen, und wenn die nicht wirken, dann mit den Spritzen.
Aber bei Jesus sagen viele: Wie kann es sein, dass sein Tod Folgen für die ganze Welt hat? Gott versöhnte die Welt mit sich selbst. Lassen Sie sich bitte nicht anstecken. Wir arbeiten hier gemeinsam an der Bibel, um biblische Logik zu lernen. Die biblische Logik benutzt nicht Bilder aus unserer Welt, denn die großen Dinge, die unser Gott tut, kommen höchstens noch in der Schöpfung vor – wenn die Sonne die Wolken vertreibt, den Nebel. In der Technik gibt es dafür keinen Vergleich.
Immer wenn wir versuchen, Vergleiche aus unserer Erfahrungswelt zu ziehen, wird das große göttliche Geheimnis irgendwie verniedlicht. Die Logik der Bibel wurde 700, 800 Jahre vor Jesus angekündigt und ist eingetreten. So musste Herr Jesus seinen Jüngern nach Ostern erklären, als sie sagten: „Das kann doch gar nicht sein, dass der Gekreuzigte wieder aufersteht.“ Christus musste leiden und von den Toten auferstehen und die Vergebung der Sünden verkündigen. Er begann bei Mose, den Propheten und den Psalmen und öffnete ihnen die Schrift. So musste es geschehen – biblische Logik angekündigt und erfüllt.
Auch wenn wir kein passendes Bild finden, suchten die neutestamentlichen Zeugen, die Apostel und Jünger Jesu, schnell nach Bildern, damit der moderne Mensch es begreift. Jesus hat selbst begonnen: Ein Weizenkorn kann nur Frucht bringen, wenn es in die Erde fällt und stirbt. Dieses Bild stammt aus der Schöpfungswelt. Jesus machte damit klar: „Stört euch nicht daran, dass ich sterben muss. Denkt an das Weizenkorn – es gibt nur neues Leben, wenn es vergeht, wenn es stirbt und zerbricht.“
Wenn Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens“, ist das ähnlich. Wie viele Todesprozesse durchläuft das Weizenkorn? Nicht nur, dass es in die Erde fällt und stirbt, sondern wenn es gewachsen ist, wird es hart abgemäht. Dann wird es getroschen – früher habe ich noch gesehen, wie mit dem Dreschflegel hineingeschlagen wurde. Danach wird es gemahlen, bis es wie Puder ist. Das Mehl kommt in die Mehlmulde beim Bäcker, wird durchgewalkt und einer Hitze ausgesetzt, die in keiner Sauna erreicht wird – viel heißer. Erst dann wird es zum Lebensmittel.
In der Schöpfung, im Bereich der Schöpfung, gibt es solche Bilder. Die Apostel versuchten auch, andere Bilder zu finden: So ist es, als ob jemand Bürgschaft für einen anderen leistet, stellvertretend eintritt. Oder wie wenn ein Sklave losgekauft wird. Früher sagte man: „Wir sind erkauft, erlöst, nicht mit Silber oder Gold, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut.“ Bilder, die fast missionarisch und evangelistisch benutzt wurden.
Der Grund dafür ist, dass Gott durch seine Propheten angekündigt hat: „Ich erlöse dich, ich tilge deine Sünden, ich bin dein Erlöser.“ Und Jesus sagt dazu: „Dazu bin ich gekommen, nicht dass mir gedient wird.“ In allen Religionen wird der Gottheit gedient, aber Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um euch zu dienen und mein Leben als Erlösung zu geben.“ Damit geschieht, dass Sünde weggetragen wird, dass unsere Missetaten vertilgt werden wie eine Wolke.
Mir ist erst in den letzten Tagen wieder bewusst geworden, dass wir uns nicht klar machen, dass das Böse eine Macht ist. Es ist nicht einfach nur passiert, wenn in einer Großfamilie sich ein paar Mitglieder zerstreiten, sich böse Worte geben und sich ein paar Jahre aus dem Weg gehen. Dann kommt einer und sagt: „So kann es nicht weitergehen. Wir gehen alle auf den Tod zu. Lass uns die Dinge bereinigen.“ Er geht auf den anderen zu und sagt: „Ich möchte dir vergeben. Ich möchte, dass es wieder in Ordnung kommt.“ Doch der andere hat ein versteintes Gesicht und denkt im Herzen: „Jetzt kommt er mit der frommen Tour, anstatt zuzugeben, was er Gemeines gegen mich getan hat.“
Da merken Sie selbst: Wenn Sie Versöhnung wollen, gärte das Böse weiter. Es ist da, es ist eine Macht. Nicht nur der Atommeiler von Tschernobyl strahlt – Sünde ist eine Macht, die strahlt. Das können Sie kaum durch einen Betonmantel wie in Tschernobyl abdämmen.
Wenn wir uns dauernd überlegen: Ich überlege als ehemaliger Vorsitzender von ProChrist, warum wir uns mit ProChrist so anstrengen, mit allen Methoden, mit der klarsten Verkündigung, die ich mir denken kann, und der große Ruck, der durch unser Volk gehen soll, nicht kommt. Mein Freund und Vorgänger in der Ludwig-Hofacker-Vereinigung, Pfarrer Fritz Grünzweig, hat immer gesagt: „Auf unserem Volk liegt die Schuld an Israel wie eine dämonische Macht.“
Sie können weitermachen, wie Millionen von Kindern nicht zum Leben kommen durften, sondern abgetrieben wurden, als wären sie ein Krebsgeschwür. Wir haben so viel Geld für uns selbst verbraucht, auch in der Christenheit. Sünde ist eine Macht.
Wie kann ich je zu Gott kommen, wenn er sagt: „Du bist Deutscher, du hast in diesem Volk gelebt, hast es laufen lassen?“ Wenn es nicht eine Stelle gibt, an der es wahr wird, was in Römer 8,3 steht: „Er verdammte die Sünde im Fleisch.“ Er hat aus dieser verstrahlten, sündigen Welt einen Korridor geschaffen, durch den man zu Gott kommen kann. Das ist in Jesus geschehen.
Da gibt es Erlösung heraus aus der Verdammnis. Ich darf zum Vater kommen, ich darf heimkommen zu Gott. Trotz allem, was da ist, trotz aller Missetaten, an denen ich mitschuldig bin, in die ich verstrickt bin, aus der ich gar nicht herauskomme.
Ich habe es eben mit Bruder Andreas Schäfer besprochen, dass es mich bewegt. Wir hatten letzte Woche ein Klassentreffen mit dem, was noch übrig ist von unserem Abiturjahrgang – Leute aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung. Sie sagten uns: „Wir sind doch in einer Schuldenfalle drin. Wir hinterlassen unserer Generation eine unvorstellbare Summe von Schulden, einer nachfolgenden Generation, die so klein ist wie keine Generation in Deutschland zuvor.“
Und wir reden über soziale Ungerechtigkeit und das Schlimmste. Die Politiker wissen, dass sie eigentlich die Steuern erhöhen müssen, damit sie so hoch sind wie in Israel. Aber sie wollen wiedergewählt werden, deshalb tun sie nichts.
Baden-Württemberg hat ein großes Steuereinkommen, aber sie sagen: „Bevor wir es nach Berlin abgeben, verbrauchen wir es für uns.“ Sie bauen lieber eine neue Messe, die 21. in Deutschland, und bauen Autobahnen um. Die Deutschen sagen: „Wir wollen nichts an die EU abgeben. Warum sollen wir den Rumänen und Türken etwas geben? Die sollen selber sparen.“ Lieber geben wir selber aus.
Jeder weiß, dass wir eigentlich sparen müssten, aber wir geben aus. Bis das große Geldproblem kommt, das schlimmer sein wird als alle Inflationen. Und wir stecken mittendrin in der Schuldenfalle.
Ein Beispiel, dass das, was Gott angekündigt hat, wahr wird: „Ich tilge deine Missetaten wie eine Wolke.“ Gott könnte sagen: „Bleib doch weg! Ich will mit euch nichts zu tun haben.“ Doch jetzt hat er uns einen Weg gebahnt durch den Erlöser. Er ist mein Erlöser, Jesus, Gottes Sohn, der schon so lange die Hand nach mir ausstreckt: „Komm doch richtig, ganz richtig zu mir!“
Mit ihm können wir durch das ganze Geflecht von Schuld und unnützen Worten hindurchgehen, wie wenn sich plötzlich im Nebel ein Korridor öffnet, eine Bahn – heimkommen zum Vater.
Ich weiß: Mein Erlöser lebt, und als Letzter wird er sich aus dem Staub erheben. Dann wird es wahr werden bei denen, die der Vater ihm gegeben hat. So ein schönes Wort von Jesus: „Die der Vater mir gegeben hat.“ Gehören Sie dazu?
Ich weiß nicht, ob Ihr kleiner Glaube durchhält. Unsere Religiosität, unsere Kirchenfürsten sprechen vom Wiedererwachen der Religiosität. Das trägt nicht durch. Religiosität trägt auch in der letzten Krankheit nicht durch. Da können Sie keine großen liturgischen Gebete mehr beten.
Durchtragen kann nur Jesus. Wenn er seine Hand zu mir ausstreckt, will ich es gelten lassen, dass ich zu ihm gehöre. Ich weiß, dass er lebt und dass er mich mitnimmt in sein Reich.
Schlussgebet und Ausblick
Lieber Erlöser Jesus Christus, was für eine Perspektive des Hoffens hast du uns eröffnet!
Gib doch, dass wir nicht zurückbleiben und uns nicht mit dem bisschen Glauben und Zuversicht zufriedengeben, das wir bisher haben. Lass jeden unserer Tage, den du uns gewährst, eine Gelegenheit sein, uns darüber zu freuen, dass du der Erlöser bist. Lass uns uns festmachen an der Gewissheit: Du bist mein Erlöser, du lebst, und du willst mich so gerne mitnehmen in dein ewiges Reich.
Lass das über allem gelten, auch für die, die jetzt über die Lautsprecher diese Botschaft hören – für alle, die in Todesnöten und Ängsten sind. Herr, gib, dass wir es auch denen vermitteln können, die noch nichts davon wissen. Lass unsere Geburtstagsbriefe nicht leer sein und auch unsere Teilnahmepost, die wir verschicken, sondern lass uns bezeugen: Es gibt den Erlöser, Jesus, du unser Erlöser! Amen!
