Unterschiedliche Gemeinden und Erwartungen
Guten Morgen allerseits! Schön, bei euch zu sein. Gemeinden sind ja wirklich sehr unterschiedlich, oder?
Ihr habt das große Vorrecht, in vielen Gemeinden zu sein. Manche sagen, man darf über alles predigen – nur nicht länger als zwanzig Minuten. Hier wurde mir gesagt, ich darf über alles predigen – nur nicht kürzer als eine Stunde. So sind die Gemeinden eben verschieden.
Müsst ihr hier sitzen bleiben und mich von hinten anschauen? Vielleicht ist das ein bisschen besser – macht aber nichts.
Die Herausforderung, Gnade zu verstehen
Das Thema für den heutigen Morgen habe ich ausgewählt: Wie gnädig ist Gott eigentlich? Wie groß ist seine Gnade?
Wir Christen betonen sehr oft und zu Recht, dass wir nur aus Gnade gerettet sind und nicht durch eigene Werke. Die meisten Christen würden sagen: Entscheidend ist nicht, was ich für Gott tue, sondern was Gott für mich getan hat. Damit würden die meisten zustimmen.
Wenn man jedoch die Gnade einmal genauer betrachtet – und das möchte ich heute vielleicht ein wenig tun – stellt man fest, dass es gar nicht so leicht ist, Gnade anzunehmen. Es gibt auch viele Missverständnisse darüber.
Vor kurzem habe ich etwas wiederentdeckt, das ich vor Jahren schon einmal gelesen hatte. Es ist etwas Humorvolles und handelt von Gemeinschaft und unterschiedlichen Meinungen. Unter Christen gibt es ja verschiedene Ansichten, was nicht schlecht ist. So haben wir wenigstens etwas zu besprechen.
Humorvolle Auseinandersetzung mit christlichen Überzeugungen
Vor einiger Zeit begegnete mir ein Mann mit einer Bibel unter dem Arm. „Bist du Christ?“, fragte ich ihn. „Ja“, sagte er ganz begeistert. Ich hielt an, doch ich habe gelernt, dass man nie vorsichtig genug sein kann. Darum fragte ich weiter: Jungfrauengeburt? Natürlich glaube ich daran. Tod am Kreuz? Er starb für alle Menschen.
Könnte es sein, dass ich hier Angesicht zu Angesicht mit einem richtigen Christen stand? Ich fuhr mit meiner Checkliste noch fort: Status vom Menschen – Sünder, der Gnade braucht. Definition von Gnade: Gott tut, was wir nicht tun können. Wiederkunft Jesu jederzeit möglich. Bibel inspiriert. Die Gemeinde der Leib Jesu.
Jetzt wurde ich richtig aufgeregt: Konservativ oder liberal? Jetzt funkelten auch die Augen meines Gegenübers. „Konservativ“, antwortete er. Mein Herz begann noch schneller zu schlagen. Herkunft? Protestantisch, baptistisch, landeskirchliche Gemeinschaft – das war meine.
Welche Fraktion? Pro Millennium, nicht charismatisch, Elberfelder Übersetzung. Mir standen Tränen in den Augen. Ich hatte nur noch eine letzte Frage: „Ist euer Predigtbuch aus Holz oder Fiberglas?“ „Fiberglas“, antwortete er. Ich zog meine Hand zurück, und mein Genick versteifte sich. „Ketzer“, sagte ich und wandte mich ab.
Seht ihr, das ist zwar etwas Humorvolles, aber so soll es uns doch nicht ergehen. Doch bei Christen ist es oft so: Es gibt ein Thema, das im Prinzip überhaupt nicht wichtig ist, und doch scheiden sich oft die Geister.
Die Unlogik und Ungerechtigkeit der Gnade
Wenn man Gnade einmal genau betrachtet, stellt man fest, dass es kein einfaches Thema ist. Und das aus einem einfachen Grund: Gnade ist weder logisch noch vernünftig. Das Schlimmste an der Gnade ist, dass sie ungerecht ist.
Die Gnade Gottes ist eigentlich ein Skandal. Sie ist nämlich ungerecht, und das hat damals die gerechten Juden schon sehr aufgeregt. Außerdem ist sie unlogisch, was die intellektuellen Griechen verärgerte.
Ich möchte nun zeigen, dass Gott in der Geschichte der Menschheit nicht vernünftig, nicht logisch und auch nicht immer gerecht handelt. Dazu werde ich einige Beispiele aus dem Wort Gottes geben.
Beispiele für Gottes unerwartete Erwählung
Wenn man zum Beispiel betrachtet, welche Menschen Gott sich erwählt hat, ist das eigentlich ein Skandal.
Im Alten Testament finden wir zum Beispiel Jakob, den Gott statt seines Bruders Esau erwählt hat. Esau war mehr oder weniger ein Naturmensch und eher rechtschaffen. Jakob hingegen war ein Lügner; sein Name bedeutet Betrüger. Er hat dauernd gelogen und seine Geschäfte immer so hinten herum gemacht. Und dennoch hat Gott ihn erwählt. Mir persönlich ist Jakob sehr unsympathisch – mein Freund wäre er sicher nicht. Trotzdem hat Gott ihn erwählt.
Im Buch der Richter lesen wir von Samson. Er hatte dauernd Frauen, war ihnen sehr zugetan und ist ihnen oft nachgelaufen, auch Prostituierten. Außerdem hatte er lange Haare, was damals ebenfalls nicht unbedingt positiv bewertet wurde. Und doch lesen wir, dass Gott ihn gebraucht hat. Überraschenderweise finden wir in Hebräer 11 eine Liste von Menschen, die Gott vertraut haben – die sogenannten Glaubenshelden. Und der Name Samson ist dort enthalten. Eigentlich komisch.
Der König David war wohl, glaube ich, ein recht sympathischer Kerl. Aber auch er hatte seine Schattenseiten: Er hat einmal vorgegeben, geistesgestört zu sein, hatte Affären und war ein Mann des Krieges, der Blut an den Händen hatte. Er wurde sogar zum Mörder. Ich bin mir nicht sicher, wie David heute in unserer Kirchengemeinde ankommen würde, angesichts dessen, was er so getrieben hat. Und doch hat Gott über diesen David gesagt: „Das ist ein Mann nach meinem eigenen Herzen, so habe ich es mir vorgestellt.“ Eigentlich ein Skandal.
In der Ahnenreihe Jesu, die wir in Matthäus 1 finden, sind Frauen enthalten, die man nicht unbedingt als vorbildlich bezeichnen würde. Zum Beispiel Rahab, die eine Hure war. Dann gibt es Tamar, die vielleicht nicht gerade die Netteste war. Sie hat sich als Hure verkleidet, ihren Schwiegervater verführt und wurde von ihm geschwängert. Dennoch ist sie in der Ahnenreihe Jesu aufgeführt, und Gott hat sich nicht für sie geschämt. Eigentlich ein Skandal.
Gleichnisse als Spiegel göttlicher Gnade
Um den Charakter des himmlischen Vaters zu beschreiben, hat Jesus sehr oft Gleichnisse oder Geschichten erzählt. Manche dieser Geschichten entbehren jeglicher Logik, wie ich euch gleich zeigen werde. Ich habe festgestellt: Gott ist kein guter Mathematiker, er rechnet nicht sehr genau.
Er erzählt zum Beispiel das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Da sind hundert Schafe, die grasen, und neunundneunzig grasen brav weiter. Nur ein „blödes“ Schaf läuft davon. Was in der Geschichte unlogisch ist: Der Hirte lässt die neunundneunzig braven, grasenden Schafe in der Wüste alleine zurück und geht, um das eine dumme Schaf zu suchen. Das ist nicht logisch. Ich würde das nie tun. Ich würde viel lieber auf die 99 aufpassen, der eine ist halt Pech gehabt.
Warum passt Gott nicht lieber auf die 99 auf, die brav sind, als sich um ein „blödes“ Schaf zu kümmern?
Eine weitere Geschichte: Maria hat Jesus einmal seine Füße mit einem sehr wertvollen Nardenöl gesalbt. Der Preis dieses Öls entsprach einem Jahresgehalt, das sind Tausende von Euro. Ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt so ein teures Öl gibt, aber anscheinend hat es das gegeben. Sie schüttet dieses Öl über die Füße von Jesus. Judas, der Kassierer, und auch andere sagen: „Ja, das ist ja Wahnsinn! Mit dem Geld von diesem Öl hätten wir Hunderte hungrige Menschen speisen können.“ Und sie schüttet das Öl über die Füße.
Jesus sagt: „Gut so, das gefällt mir.“ Freunde, logisch ist das nicht. Aber wisst ihr, so ist Gnade. Das ist das Bild von Gnade. Gerade deshalb beginne ich, Gott so wertzuschätzen und zu lieben. Gott denkt nicht wie ich, er denkt anders als ich.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Oder eine andere Geschichte, die wirklich erstaunlich ist, wenn man ein bisschen betriebswirtschaftlich darüber nachdenkt: Matthäus 20. Dort finden wir eine Erzählung über die Arbeiten im Weinberg.
Ich lese euch einige Verse vor: Matthäus 20, Vers 1. Jesus sagt: „Denn mit dem Reich der Himmel ist es wie mit einem Hausherrn, der ganz früh morgens hinausgeht, um Arbeiter in seinen Weinberg einzustellen.“ Nachdem er mit den Arbeitern um einen Denar den Tag über eingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg.
Als er um die dritte Stunde hinausging, sah er andere auf dem Markt, die müßig standen, und sprach zu ihnen: „Geht auch ihr hin in den Weinberg, und was recht ist, werde ich euch geben.“ Sie gingen hin. Wieder ging er hinaus um die sechste und die neunte Stunde und machte es ebenso.
Um die elfte Stunde hinausgehend, fand er andere stehen und sprach zu ihnen: „Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig?“ Sie antworteten: „Weil niemand uns eingestellt hat.“ Er sagte zu ihnen: „Geht auch ihr in den Weinberg!“
Als es Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: „Rufe die Arbeiter und zahle ihnen den Lohn, angefangen von den Letzten bis zu den Ersten.“ Die um die elfte Stunde Eingestellten empfingen je einen Denar. Als aber die Ersten kamen, meinten sie, dass sie mehr empfangen würden. Auch sie erhielten je einen Denar.
Als sie diesen Lohn empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sagten: „Diese Letzten haben eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgemacht, die wir die Last des Tages und die Hitze getragen haben.“
Der Hausherr antwortete einem von ihnen: „Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht um einen Denar übereingekommen? Nimm das Deine und geh hin. Ich will aber auch diesen Letzten geben wie dir. Ist es mir nicht erlaubt, mit dem Meinen zu tun, was ich will? Oder blickt dein Auge böse, weil ich gütig bin?“
Wisst ihr, ich habe in dem Bauernhof, den ich leite, 25 Mitarbeiter. Wenn ich mit meinen Mitarbeitern so umgehen würde, wäre ich ein Ein-Mann-Betrieb, denn keiner würde das aushalten. Betriebswirtschaftlich ist so etwas unsinnig. Die Gewerkschaft und die Krankenkasse hätten auch ihre Probleme damit.
Diese Geschichte ist weder logisch noch gerecht. Der Hausherr hat den Ersten ja nicht zu wenig bezahlt; sie hatten sich darauf geeinigt. Aber wisst ihr, was das Ungerechte ist? Im Vers 12 sagt er: „Du hast die, die nur eine Stunde gearbeitet haben, uns gleichgemacht.“ Und das ist die Ungerechtigkeit.
Mich regt es manchmal auf, wenn ich höre, wie ein Politiker oder ein Fußballer hundertzwanzigmal so viel verdient wie ich, obwohl er nicht mehr arbeitet als ich. Ich finde das ungerecht. Ich weiß nicht, wie es dir damit geht.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn und der ungerechte Vater
Dann gibt es noch eine Geschichte, die ich „Der verlorene Sohn“ nenne, oder wie ich sie auch nenne: „Der ungerechte Vater“. Die Geschichte ist nicht gerecht. Im Lukas 15 kannst du es nachlesen.
Da ist ein Vater, der hat zwei Söhne. Der eine Sohn arbeitet brav zu Hause am elterlichen Hof. Der andere holt sich sein Erbe, noch bevor der Vater überhaupt gestorben ist, haut ab und verschwendet das ganze Geld, wofür der Vater jahrelang gearbeitet hat, an Huren und auf Partys. Er hat den Vater maßlos enttäuscht.
Aber wisst ihr, was der Vater getan hat? In all den Jahren, in denen sein Sohn sein Geld verschwendete, wisst ihr, was der Vater tat? Er hat jeden Tag auf den Horizont geschaut und gehofft, vielleicht kommt er heute zurück. Jeden Tag hat er gewartet, ob nicht eine kleine Figur am Horizont erscheint – sein Sohn.
Und wir lesen im Lukas-Evangelium: Als der Sohn noch ferne war – ich lese es euch vor, im Lukas 15, Vers 20:
„Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater, und er wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“
Übrigens, das ist die einzige Stelle in der Bibel, wo Gott läuft. Es gibt keine andere Stelle, hier läuft Gott, um seinen verlorenen Sohn zu empfangen.
Der Sohn sprach zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Er hat sein Sprüchlein aufgesagt.
Der Vater aber sprach zu seinen Sklaven: „Bringt schnell das beste Gewand heraus, zieht es ihm an, tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße, bringt das gemästete Kalb und schlachtet es. Und lasst uns essen und fröhlich sein, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist gefunden worden.“ Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Er hat ein Fest veranstaltet.
Da war aber der ältere Sohn. Der hat gerade brav den Stall ausgemistet, das Feld gemacht. Und wir lesen: „Der ältere Sohn aber war auf dem Feld, und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Reigen, und er rief einen der Sklaven und erkundigte sich, was es sei.“ Der aber sprach: „Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Kalb geschlachtet, weil er ihn wieder hat.“
Und der ältere Bruder ist sauer. Wisst ihr was? Ich kann ihn vollkommen verstehen.
Der ältere Bruder sagt: „Ich habe jahrelang zu Hause gearbeitet, ich war der brave Sohn meines Vaters, ich habe immer getan, was recht ist. Für mich hat er nie ein Fest veranstaltet. Jetzt kommt dieser Holodry, der alles verhaut hat, jetzt kommt er zurück, und was macht mein Vater? Er veranstaltet ein Fest und schlachtet das Kalb, das ich aufgezogen habe.“
Und er ist maßlos enttäuscht und zornig über das, was sein Vater getan hat. Es ist ungerecht, und ich gebe ihm Recht.
Wisst ihr, was wir aus all diesen Geschichten lernen? Und das ist die Botschaft: Gnade hat nichts mit Verdienst oder Belohnung zu tun. Du kannst dir Gnade nicht erwerben oder verdienen – weder durch brav oder tüchtig sein, noch durch Gutsein. Du kannst sie nur empfangen.
Du kannst Gnade nur empfangen, egal ob als braver Familienvater oder ob du jemand bist, der pornosüchtig und homosexuell ist, ob du betrogen und Menschen ausgenutzt hast – es ist völlig egal. Du kannst Gnade nur empfangen, egal ob du eine brave Ehefrau und Mutter bist oder Prostituierte. Du kannst Gnade nur empfangen, es gibt keinen Unterschied.
Als Empfänger der Gnade stehen die Prostituierte und die brave Mutter, der brave Hausmann und der Betrüger genau gleich da. Und, Freunde, das irritiert uns. Darum tun wir uns so schwer mit Gnade.
Ich bin als 15-Jähriger gläubig geworden, in unserer evangelischen Kirche zuhause, für die ich sehr dankbar bin. Ich habe damals schon verstanden, vor allem durch den Konfirmandenunterricht, dass meine Sünden vergeben sind, weil Christus für mich bezahlt hat. Das habe ich verstanden.
Ich habe auch verstanden, dass meine Sünden vergeben sind, weil Jesus dafür bezahlt hat. Aber ich dachte mir, wenn ich mal in den Himmel kommen will, da muss ich schon ein bisschen dementsprechend leben. Da muss ich schon so leben, dass ich Gott halbwegs gefalle: Kirche gehen, Bibel lesen, Bibelkreis halten usw.
Es kamen dann Jahre, in denen ich mich von Gott abwandte. Da war ich ungefähr achtzehn, neunzehn, weil ich es nicht geschafft habe, dieses Christenleben. So habe ich mich eigentlich von Gott abgewandt, wollte eigentlich nichts mehr mit Christen zu tun haben, ein paar Jahre lang.
Ich war dann Skilehrer, fiel im Ausland, Kanada, Australien usw. Und da gab es Zeiten, da habe ich bei weitem nicht so gelebt, wie es Gott gefällt – ganz im Gegenteil. Ich wusste aber, Jesus ist noch da. Ich konnte auch meine Bibel nicht ganz wegleben. Einmal im Monat habe ich sie gelesen, so ungefähr.
Aber ich dachte mir: Wenn ich heute sterben würde, in den Himmel würde ich wahrscheinlich nicht kommen, denn den hätte ich nicht verdient.
Seht ihr, das ist genau dieses Denken: den Himmel sich verdienen. Und das hat nichts mit Gnade zu tun. Du kannst dir Gnade nicht verdienen.
Aber wisst ihr, was ich feststelle? Dass ich nicht der einzige bin, der so gedacht hat. So viele Christen glauben, sie müssen sich Gnade irgendwie doch noch verdienen. Es ist ein Widerspruch in sich selbst: Du kannst Gnade nicht verdienen.
Einen Brief möchte ich euch nur ein paar Zeilen vorlesen. Ab und zu bekomme ich so Briefe. Da schreibt jemand:
„Manchmal möchte ich laut schreien, manchmal heule ich auch nur leise. Mein Leben ist ein Trümmerfeld, es sieht so aussichtslos aus, dass sich je etwas daran ändert. Wo ist Gott? Hat er mich schon aufgegeben? Ich bin ja selbst schuld. Manchmal schreie ich nach ihm, aber dann will ich auch schon wieder, dass er mich in Ruhe lässt. Wie soll Gott wissen, was ich will? Ich weiß es ja selbst nicht. Ich fühle mich geteilt, ich bin voller Widersprüche, im ständigen Kampf mit mir selbst. Ich sehne mich nach Gott und seinen offenen Armen, gleichzeitig laufe ich davon von ihm.“
Und dann schreibt sie: „Glaubst du, dass Gott mir vergibt? Ich habe einige Male versucht, mein Leben zu beenden. Bestraft er mich nun dafür, indem ich wie jetzt im Dunkeln weiterleben muss? Kannst du Gott sagen, Hans Peter, dass es mir leidtut und dass ich ihn brauche, auch wenn ein Teil von mir dagegen zu sein scheint?“
Seht ihr, kann Gott mir vergeben? Ich habe es doch nicht verdient.
Vor Kurzem war meine Frau in einer Bar. Wir gehen öfter in eine Bar, da sind wir eigentlich recht gerne, weil da sind die Menschen, die Gott genauso liebt wie dich und mich. Und ich rede gerne mit denen, speziell wenn sie ein bisschen zu viel getrunken haben, weil da sind sie ehrlich.
Ich wohne ja in so einem Bergdorf, mich kennt ja jeder und weiß, wenn sie nüchtern sind, dann sind sie ein bisschen vorsichtig, weil ich bin ja da ein bisschen extrem, was das Glauben anbelangt. Aber wenn sie dann ein bisschen zu viel getrunken haben, dann sind sie ganz normal.
Und ich habe da jedes Mal gute Gespräche. Auch letztes Mal eine Frau, die ein wildes Leben gelebt hat – da sind ähnlich die Frauen, mit denen Jesus geredet hat – und sie hat zu mir dann gesagt: „Du bist ja so viel besser als ich.“
Dann habe ich ihr gesagt: „Weißt du was, ich bin kein Stück besser als du. Ich habe vielleicht andere Voraussetzungen gehabt. Meine Eltern haben vielleicht ein bisschen besser geschaut, aber ich bin nicht besser als du. Wir sind genau im selben Boot.“
Aber sie hat gesagt: „Du bist besser als ich.“
Weißt du, warum sie das gesagt hat? Weil ich inzwischen zwanzig Jahre verheiratet bin, drei Kinder habe, mehr oder weniger ein anstrengendes Leben führe, ich schreibe Bücher über Gott, ich predige von Jesus andauernd, und darum glauben Menschen, ich hätte den Himmel eigentlich schon ein bisschen verdient.
Aber sie doch nicht! Sie liest ja die Bibel nie, sie geht auch nicht in die Kirche, Christen auch. „Ja, ich habe heute schon wieder nicht Stille Zeit gemacht. Ja, ich habe mir den Himmel nicht verdient.“
Und wisst ihr, Freunde, das ist der Punkt, wo wir Gnade nicht verstanden haben. Gott teilt Geschenke aus, er bezahlt keinen Lohn. Himmel ist nichts, was du dir mit guten Werken oder Leistung verdienen könntest.
Wenn Gott uns den gerechten Lohn geben würde, das würde für niemanden von uns gut aussehen, egal wie du lebst.
Paulus schreibt in Römer 6,23: „Der Lohn der Sünde ist der Tod, das Geschenk, die Gnadengabe Gottes aber, ist ewiges Leben.“
Und, liebe Gemeinde, für den gerechten Lohn ist die Sünde zuständig, für das unverdiente Geschenk ist Gott zuständig. Gott bezahlt keinen Lohn, er gibt dir nur ein Geschenk, und das kannst du nur empfangen.
Wenn wir lernen, den Unterschied zwischen Lohn und Geschenk zu verstehen, lernen wir auch den Unterschied zwischen Religion und Christus-Beziehung zu verstehen.
Für Religion konnte ich mich noch nie begeistern, kein Stück, im Gegenteil, weil Religion hat Menschen immer unterdrückt und ausgebeutet. Bis heute hat sich da nichts geändert.
Marx, ich glaube Marx hat gesagt: Religion ist Opium für das Volk, und da gebe ich ihm ausnahmsweise mal Recht.
In der Religion geht es immer um Leistung und um Lohn. In der Religion wird genau gerechnet und am Ende wird abgerechnet.
Und weil Jesus nicht gut rechnen kann, hat er keine Religion gestiftet. Jesus ist uns gegenüber nicht gerecht, sondern gnädig.
Gott und sein Sohn haben keine Religion gestiftet. Menschen stiften immer Religionen, weil Menschen immer im Prinzip von Lohn und Gerechtigkeit denken.
In der Religion kannst du dir was verdienen, bei Gott kannst du nichts verdienen.
Jetzt sagen einige: „Ja, aber die Bibel sagt doch auch, dass Gott gerecht ist.“
Ja, das stimmt. „Gott ist gerecht, und darum gibt es keine billige Gnade“, wie Bonhoeffer es gesagt hat.
Gott hat sich die Gnade alles kosten lassen – seinen Sohn. Wir haben gestern Abend darüber gesprochen.
Aber seit Gott den gerechten Preis in seinem Sohn bezahlt hat, ist er jetzt gnädig. Das ist Evangelium.
Da gibt es einen Film, den will ich mir zulegen. Ich habe nur vor kurzem einen deutschen Pfarrer kennengelernt, ich glaube, ich kenne den gar nicht, ich habe nur ein paar CDs bekommen, die waren sehr gut über Gnade.
Und er hat von einem Film erzählt: „Der letzte Kaiser von China.“ Ich weiß nicht, kennt den jemand? Der letzte Kaiser heißt der Film, den werde ich mir jetzt mal suchen.
Aber in diesem Film geht es darum: Der Kaiser von China war ja eine Gottheit, auch seine Kinder. Und dem Sohn des Kaisers standen – so ist in diesem Film beschrieben – tausend Eunuchen zur Verfügung, er hatte viele Diener, er lebte in einer Märchenwelt.
Und der Sohn des Kaisers wurde von jemandem gefragt, ob er bestraft würde, wenn er ungehorsam oder böse ist.
Dann hat der Sohn des Kaisers gesagt: „Ja, wenn ich ungehorsam oder böse bin und etwas Böses tue, dann wird einer meiner Diener dafür verprügelt. Ich habe ja tausend Diener, die werden verprügelt, wenn ich etwas Böses gemacht habe.“
Und dann nimmt er einen Krug, zerschlägt ihn mutwillig, und dann wird einer der Diener hergenommen und verprügelt, weil Strafe muss sein.
Wenn der Meister böse war, wurde der Diener verprügelt.
Und wisst ihr, was das Schöne ist? Gott hat diesen Brauch umgekehrt.
Wenn der Diener böse ist, dann wird der Herr verprügelt, weil Menschen Unrecht getan haben.
Darum wurde Jesus ans Kreuz genagelt. Dieser Brauch wurde umgekehrt: Er trug für uns den Lohn der Sünde, das ist der Tod.
Und darum kann uns Christus heute begnadigen, und das ist Evangelium, das ist die gute Botschaft.
Definition von Gnade – wie definiert man Gnade?
Gnade heißt: Es gibt nichts, was du tun könntest, damit Gott dich mehr liebt.
Und es bedeutet: Es gibt nichts, was du tun könntest, damit Gott dich weniger liebt.
Das ist die Definition von Gnade.
Jetzt fragst du: Stimmt das wirklich? Was, wenn ich jemanden umbringe?
Ja, stimmt, Gott liebt dich weiter so wie zuvor.
Was, wenn ich die Ehe breche?
Ja, Gott wird dich weiter lieben so wie zuvor.
Was, wenn ich ihn immer bestehle und belüge?
Ja, Gott liebt dich genauso wie zuvor.
Wenn ihr mir das nicht glaubt, dann lest die Bibel.
Als Paulus das Evangelium von Christus in der verrufenen Stadt Korinth verkündigte, predigte Paulus achtzehn Monate lang nur über Christus, den Gekreuzigten, und über Gnade.
Es entstand damals eine Gemeinde von ungefähr fünfzig Gemeindegliedern, und wer weiß jetzt, wer zu dieser Gemeinde gehört hat?
Zu dieser Gemeinde in Korinth gehörten ehemalige Ehebrecher, Prostituierte, Homosexuelle, Diebe, Habgierige, Trinker, Lästerer und Räuber – super Gemeinde.
Paulus war ein Christenverfolger, ein Mörder, er nennt sich selbst „der größte aller Sünder“.
Denn Christus ist gekommen, um für Sünde zu sterben und nicht für Gerechte.
Das Evangelium lautet: Gott begnadigt den Schuldigen, und das irritiert uns.
Darum ist Gnade kein einfaches Thema. Wir Christen reden zwar darüber, aber nicht alle haben es verstanden.
Für die Juden war das Evangelium der Gnade eine Gotteslästerung.
Wisst ihr warum?
Die Juden haben gesagt: „Ja, Gott kann doch nicht uns Juden, die wir die Gebote haben und die wir die Gebote halten nach bestem Wissen und Gewissen, er kann doch nicht uns gleich behandeln wie diese Heiden, die die Gebote Gottes nicht einmal kennen. Das ist doch ein Wahnsinn. Gott kann doch nicht mich, der ich ein treues Gemeindemitglied bin, der ich Kirchensteuer bezahle, der ich mich um Gottes Gebote kümmere, er kann doch nicht mich gleich behandeln wie den, der sich da überhaupt nicht um Gott kümmert, den kann er doch nicht gleich gerne haben. Das ist doch ungerecht!“
Die Juden haben gesagt, das ist Gotteslästerung.
Für die Griechen, die Gebildeten, war Gnade purer Unsinn.
Sie kamen von der intellektuellen, von der philosophischen Schiene und sagten: „Gnade, das ist doch mathematischer Schwachsinn. Wer lässt 99 Schafe zurück, nur um ein Dummes zu suchen? Wenn Gott Gott ist, dann ist er doch klug und mächtig und intelligent.“
Die Religiösen sagen: Gnade darf nicht sein.
Die Intellektuellen sagen: Gnade kann nicht sein.
Erst im 1. Korinther 1 lesen wir – ich lese es euch vor, da schreibt der Apostel Paulus im Vers 22:
„Und weil die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, predigen wir Christus als gekreuzigt; denn Juden ist es ein Ärgernis, den Nationen ist es eine Dummheit. Den Berufenen aber, Juden wie Griechen, ist Christus Gottes Kraft und Gottes Weisheit; denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen.“
Freunde, daran hat sich bis heute nichts geändert.
Gnade ist für die einen ein Ärgernis – das darf nicht sein.
Für die anderen ist es schlicht und einfach Unsinn – das kann nicht sein.
John Stott hat geschrieben in seinem Buch „The Cross of Christ“:
„Das Evangelium des Kreuzes wird niemals eine populäre Botschaft sein, weil es den Stolz unserer Vernunft und unseres Charakters, unserer Eingebildetheit demütigt.“
Darum ist das Kreuz keine populäre Botschaft.
Nun, was soll Gnade eigentlich bewirken?
Und die Antwort ist: Die Gnade begründet und erhält Beziehungen.
Ich habe gestern wieder – ich gehe jeden Tag mal mit Jesus spazieren – darüber nachgedacht: Wozu leben wir eigentlich? Ob hier in der Nähe von Heilbronn oder ich zuhause in den Bergen?
Ist unser Lebensinhalt Gesetze zu halten? Ist das der Lebensinhalt?
Ich glaube nicht.
Warum sind wir dann als Christen so beschäftigt, immer Gesetze zu halten?
Wisst ihr, worum es im Leben geht?
Es geht im Leben nur um eine Sache, sonst gar nichts: nur um Beziehungen.
Beziehungen, liebende Beziehungen zu haben und zu pflegen – das ist Leben, sonst nichts.
Das Leben hat sonst nichts zu bieten.
Ja, für eine Zeit lang kann mal was ganz nett sein, aber nicht Inhalt des Lebens.
Wir Menschen existieren, um in der vertikalen Beziehung zu Gott zu stehen und um in horizontalen Beziehungen zu anderen Menschen zu stehen.
Das ist der Inhalt des Lebens, mehr hat dieses Leben nicht.
Unsere Ururureltern, Adam und Eva, haben so geheißen. Die lebten ursprünglich in einer intakten Beziehung mit Gott, im Garten Eden.
Sie haben sich gut verstanden, sie haben jeden Tag miteinander geredet, sie haben Kaffee getrunken usw.
Gott und Mensch hatten Beziehung.
Aber Adam und Eva waren Rebellen.
Sie gingen aus dem Haus des Vaters hinaus, das nennt man den Sündenfall.
Und sie haben sich – ich habe es gestern gesagt – von Gott abgenabelt.
Sie haben die Nabelschnur zwischen Gott und sich selbst abgetrennt.
Die Verbindung wurde abgeschnitten, und diese Abnabelung, diese Trennung nennt die Bibel Sünde.
Die Beziehung zwischen Gott und Menschen ist zerbrochen, und das ist Sünde.
Sünde ist nicht irgendetwas Moralisches, das ist nur die Konsequenz der Sünde.
Sünde ist der Beziehungszerbruch zwischen Gott und Mensch – wichtig zu verstehen.
Und weil Adam und Eva nun nicht mehr in dieser Beziehung standen zwischen Gott und Mensch, darum können auch wir unseren Kindern automatisch diese Beziehung nicht mehr weitergeben.
Kein einziges Kind, das auf die Welt kommt, hat automatisch eine Gottesbeziehung, weil wir sie nicht haben.
Darum können wir sie nicht weitergeben.
Und für Gott war dieser Zustand unerträglich.
Weil Gott hat den Menschen gemacht zur Beziehung mit ihm selbst.
Und darum hat Gott durch das Kreuz diese Verbindung geschaffen zwischen sich selbst und dem Menschen.
Er hat diese Verbindung wieder aufgerichtet.
Und das nennt man Vergebung und Gnade, weil Vergebung und Gnade begründen Beziehung, sie bringen eine Beziehung wieder zusammen.
Seht ihr, unter Menschen ist es nicht anders.
Angenommen, dir hat jemand Unrecht getan, das kommt ja immer vor, das ist ja normal im Leben.
Und ihr redet jetzt ein halbes Jahr nicht mit diesem Menschen.
Er kommt nicht mehr, du kommst nicht mehr.
Und nach einem halben Jahr kommt dieser Mensch und entschuldigt sich bei dir und bittet um Vergebung.
Und du verzeihst ihm.
Was ist dann geschehen?
Eine Beziehung ist wieder intakt.
Denn Vergebung und Gnade bringen Beziehungen wieder zusammen.
Das ist der ganze Inhalt der Bibel.
Die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird durch Gnade wiederhergestellt.
Aber ich stelle immer wieder fest, dass viele Christen das nicht wissen.
Viele Christen leben so: Sie wollen Gott jeden Tag zufriedenstellen mit ihren religiösen Handlungen, sie wollen Punkte sammeln.
Sie fragen sich jeden Tag: Habe ich heute genug Pluspunkte, damit Gott auch zufrieden ist mit mir? Ist er zufrieden mit meiner religiösen Arbeit? Habe ich genug getan?
Und, Freunde, das ist furchtbar.
Und ich kenne nicht wenige Kirchen, da werden Menschen absichtlich in dieser Ungewissheit belassen, weil die Verantwortlichen glauben, dass wenn man Menschen in der Ungewissheit lässt, ja, wenn du dich nicht richtig benimmst, dann kann es schon sein, dass du nicht in den Himmel kommst usw.
Sie glauben, wenn ich Menschen in dieser Ungewissheit belasse, dann motiviere ich sie, mehr zu tun.
Und wenn ich jetzt Gnade und Freiheit predige, dann befürchten sie, dass die Christen nichts mehr tun.
Aber, Freunde, Gott will nicht unsere religiösen Übungen, die will er nicht.
Er will eine Beziehung mit uns, eine Liebesbeziehung.
Erst wenn wir das verstehen, verstehen wir Christsein.
Ich habe vor kurzem gelesen, es hat mir so gut gefallen, warum wir beten sollen.
Ich frage: Ich rede so viel über Gebet, ich predige andauernd über Gebet, wisst ihr warum?
Weil ich nicht genau weiß, was es ist.
Übrigens, müsst ihr mir zuhören: Das, was der Prediger am meisten betont, das ist seine größte Schwäche.
Wisst ihr in Zukunft, was die Schwäche des Predigers ist, gell?
Habt gelesen, hat mir gut gefallen.
Welchen Sinn macht es, wenn wir Gott im Gebet Dinge erzählen, die er schon weiß?
Du hast vielleicht heute gebetet, wir haben heute auch gebetet in der Fürbitte: „Gott segne die, die fahren ja morgen nach Bolivien.“ Und Gott sagt: „Ah, habe ich komplett vergessen, ja genau, danke für die Erinnerung, da muss ich auch ein bisschen segnen.“
Nein, Gott weiß es ja.
Warum erzählen wir Gott im Gebet Dinge, die er schon weiß, stellen Fragen, die er längst beantwortet hat, Anliegen vorbringen, die er viel besser beurteilen kann, Bitten aussprechen, deren Erhörung er längst eingeleitet hat?
Abgesehen von seiner Liebe macht es keinen Sinn.
Aber in Anbetracht seiner grenzenlosen Zuneigung zu uns können wir gar nicht zu oft vor ihn treten, zu lange mit ihm sprechen und zu viel von ihm erbitten.
Und hier kommt der Schlüssel:
Denn Gott in seiner Liebe ist nicht darauf aus, nur Bitten zu erhören, sondern uns zu hören.
Gott möchte nicht etwas Neues von dir hören, er will uns hören – und das immer wieder aufs Neue.
Gott will uns hören, darum sollen wir beten.
Wir müssen Gott nicht informieren, der weiß ja viel mehr als wir.
Wir müssen ihn auch nicht motivieren, er ist ja viel besser als wir.
Aber er will uns hören.
Das ist die Beziehung, zu der wir geschaffen sind, und dafür kann ich mich begeistern.
Aber der religiöse Mensch sagt: „Nein, das geht doch nicht, ich muss mir Gottes Zuneigung doch irgendwie verdienen und erarbeiten, ich will ihm zeigen, dass ich es wert bin, geliebt zu werden.“
Und dabei sagt Gott in Jeremia 33: „Ich habe dich je und je geliebt. Ich habe dich schon immer geliebt, kannst du dir nicht erarbeiten. Vergiss es.“
Nochmal zurück zum verlorenen Sohn.
Was hätte der verlorene Sohn verdient?
Stell dir vor, du hast einen Sohn, der verhaut dein ganzes Einkommen von deinem halben Leben.
Und dann kommt er zurück, reumütig.
Verdient hätte er nur Verachtung und Strafe.
Und so sieht es ja oft aus, auch unter Christen.
Und wisst ihr, was interessant ist bei diesem Sohn?
Er ist sich bewusst: „Alles, was ich verdient habe, ist Verachtung und Strafe.“
Darum hat er sich ein Sätzlein zurechtgebastelt, und er hat gesagt: „Vater, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu sein, das habe ich nicht verdient, aber nimm mich auf als einen deiner Arbeiter, denn mein Brot kann ich mir immer noch selbst verdienen.“
Etwas kann ich mir schon noch verdienen.
Und wisst du, was der Vater macht?
Er lässt ihn gar nicht ausreden.
Das Sprüchlein interessiert ihn nicht allzu sehr.
Er umarmt ihn, gibt ihm einen Ring an den Finger, er gibt ihm die Würde eines Sohnes.
Neue Kleidung und dann feiert er ein Fest.
Das ist Gnade.
Stellt euch nun Folgendes vor:
Stellt euch vor, nach diesem großen Fest – die haben gefeiert bis drei Uhr früh, weil es so schön zusammen war, wie bei Hochzeiten – stellt euch vor, dieser Sohn geht dann schlafen.
Am nächsten Tag erwacht er am elterlichen Hof in seinem Zimmer.
Hat nur ein bisschen Kopfweh vom Wein, die haben ja gefeiert.
Und dann fragt sich der Sohn: „War das alles nur ein Traum gestern oder war das Wirklichkeit?“
Dann schaut er aus dem Fenster und sagt: „Ja, ich bin tatsächlich am Hof meines Vaters.“
Dann denkt er sich: „Aber ein Kuss von meinem Vater kann doch nicht die ganzen Ungerechtigkeiten der letzten Jahre einfach so verschwinden lassen, das geht doch nicht, das wäre doch zu einfach.“
Dann überlegt sich der Sohn: „Was, wenn sich der Vater es heute Nacht doch anders überlegt hat?“
Weil logisch ist das nicht, was da geschehen ist.
Und jetzt macht er Folgendes:
Er sieht eine Arbeitskleidung, er schlüpft schnell in die Arbeitsmontur, dann läuft er über den Hof und geht gleich in den Stall.
Er holt sich die Mistgabel und mistet mal auf, er kehrt sauber aus.
Und er denkt sich: „Wenn ich heute den ganzen Tag brav arbeite, vielleicht darf ich dann doch bleiben.“
Das alte Schema von Religion schlägt wieder voll durch.
Und was leidet bei der ganzen Sache?
Die Beziehung zu seinem Vater.
Er will es sich wieder verdienen.
Kein Vertrauen, keine Liebe, kein Glaube.
Die Beziehung zum Vater wird ersetzt durch religiöse Handlung.
Und wisst ihr was, Brüder und Schwestern?
Wir greifen sehr oft zur religiösen Mistgabel zurück.
Wir wollen uns doch ein bisschen verdienen, die Liebe Gottes.
Wir versuchen wieder bei Gott zu punkten.
Wir sagen: „Ja, aber wenn ich mehr bete, dann wird Gott auch mehr tun in meinem Leben. Ja, wenn ich noch dazu faste, dann wird Gott mehr Segen schenken.“
Und schon wieder vollbringe ich fromme Leistungen und bin schon wieder im religiösen Stress.
Es ist furchtbar.
Das kommt, weil wir Gnade nicht verstanden haben.
Manche Christen kommen nie an den Punkt, wo sie endlich in dieser Beziehung zu Gott leben und diesen Frieden, diese Gelassenheit und Ruhe finden, von der Jesus andauernd redet: „Kommet her zu mir, ich will euch Ruhe geben.“
Wisst ihr, was mir vor wenigen Jahren bewusst wurde?
Als ich mich als 18-Jähriger entschieden habe, das Christenleben hat für mich nicht funktioniert, ich habe die Anforderungen nicht geschafft, die es so gab.
Ich habe immer die Bibel gelesen, da stand drinnen: „Du sollst deinen Nächsten lieben.“
Da habe ich mir gedacht: Herr Gott, wenn du mir ein paar neue Nachbarn schenkst, dann versuche ich es.
Aber mit denen geht das nicht.
Für mich war Christsein unmöglich, wenn ich gewusst hätte, wie das gehen soll.
Darum habe ich mich zurückgezogen, von Gott und auch von Christen.
Und in den Jahren habe ich viele Dinge gemacht, für die ich mich heute schäme.
Aber vor ein paar Jahren ist mir bewusst geworden: Wann hat Gott mich mehr geliebt?
Vor 25 Jahren, als ich voll besoffen mit meiner Skigruppe da saß und dann mit irgendjemandem von mir aus ins Bett ging und Dinge getan habe, für die ich mich heute schäme?
Oder liebt er mich heute mehr, wo ich in der ganzen Welt herumreise und allen Menschen von Jesus erzähle?
Und wisst ihr, was die Wahrheit ist?
Gott hat mich vor 25 Jahren am Biertisch genauso geliebt wie heute hier.
Und wenn ich einmal im Himmel bin bei ihm, wird er mich kein Stück mehr lieben als heute, weil Gott liebt mich.
Das ist die Wahrheit.
Wisst ihr, wie Johannes sich selbst betitelt hat?
„Ich bin derjenige, den Gott lieb hat.“
Wie wir uns immer betiteln: „Ja, ich bin der Leiter, ja, ich bin der Pfarrer, ja, ich bin der Direktor.“
Johannes hat nur gesagt: „Ich bin der, den Gott lieb hat.“
Und der bin ich auch.
Was ist die Definition von Gnade?
Es gibt nichts, was ich tun könnte, damit Gott mich mehr liebt.
Und es gibt nichts, was ich tun könnte, damit Gott mich weniger liebt.
Das ist Gnade.
Noch etwas:
Ich erzähle jetzt ein paar mehr Geschichten, weil jetzt sind wir schon ein bisschen müde.
Aber in der Regel haben wir kein Problem zu verstehen, dass wir allein aus Gnade gerettet sind.
Das stelle ich immer wieder fest.
Haben die meisten Christen wirklich verstanden: „Ich bin nur aus Gnade gerettet“, aber um gerettet zu bleiben, muss man schon ein bisschen was tun?
Ja, nur eine Konversation, wie sie vielleicht ab und zu stattfindet, das ist nur aus dem Blauen heraus.
Ich nenne die zwei jetzt mal Sepp und Hans.
In Österreich gibt es Hans, Franz, Sepp heißt ja jeder Depp, sagt man bei uns.
Ich heiße Hans.
Bei mir haben sie noch Beete dazugegeben, wegen Verwechslungen.
Bei uns gibt es bei jedem zweiten Haus einen Hans.
Bei euch gibt es Wladimir, da gibt es auch einen Haufen.
Gespräch zwischen Sepp und Hans:
Hans will Christ werden.
Er ist überführt nach einer Predigt und sagt: „Doch, ich glaube, er will Christ werden.“
Jetzt sagt Sepp, der ist ja bereits Gemeindemitglied, Christ, und sagt Hans: „Du musst Jesus nur vertrauen, er wird dich retten, du brauchst gar nichts tun.“
Jetzt sagt Sepp: „Ja, aber was ist mit meinen ganzen schlechten Gewohnheiten?“
Sagt er: „Na Hans, um gerettet zu werden musst du keine Leistung vollbringen. Du kannst kommen zu Jesus so wie du bist.“
„Ja, aber was ist mit dem Rauchen?“
„Na Hans, das muss nicht aufhören, um gerettet zu werden.“
„Ja, aber da muss ich ja regelmäßig in die Kirche gehen.“
„Nein, nein, Hans, regelmäßig in die Kirche gehen rettet dich nicht.“
„Ja, aber ich muss doch sicher mit dem Fluchen aufhören und mit dem Trinken.“
„Nein, Hans, du siehst es falsch. Es geht nicht darum, was du für Gott tust, es geht darum, was er für dich getan hat. Du musst Christus aufnehmen in dein Leben, nimm ihn dankbar an, bekenne deine Sünden, und dann wird er das tun.“
Endlich hat Hans es begriffen: „Ich bin gerettet aus Gnade.“ Und er nimmt Christus an.
Da, auf dem Punkt, gerade letzte Woche, kam eine Frau zu mir, ungefähr 55 Jahre, hat sich bekehrt, im Büro war wunderbar, habe ich noch nie gesehen vorher: Freude kommt auf.
Sepp gratuliert Hans und sagt: „Hans, willkommen in der Familie der Gläubigen, du gehörst zu Christus.“
Und dann sagte Sepp noch zum Hans, er sagte: „Hans, damit aber dein Start gut gelingt, möchte ich dir ein paar Tipps geben:
Erstens: Geh gleich nächsten Sonntag in die Kirche und erzähl mindestens zwei Menschen, was geschehen ist in deinem Leben.
Zweitens: Es wäre jetzt gut, wenn du dich taufen lässt. Im Juni haben wir da so eine Taufsache, da sollst du dabei sein. Kindertaufe gilt nicht ganz.
Drittens: Würde ich dir vorschlagen, ein verbindliches Mitglied in unserer Gemeinde zu werden.
Viertens: Es gibt auch eine gute, eine kleine Bibelgruppe, da sollst du unbedingt wöchentlich hingehen.
Fünftens: In unserem Kirchenchor fehlen uns ein paar Männerstimmen. Bewirb dich da, es wäre nicht schlecht, wenn du da auch mitsingst, es würde Gott der Freude machen.
Sechstens: Du sollst jetzt anfangen, deine Bibel zu lesen, drei Kapitel pro Tag bringt dich durch die Bibel im Jahr, das sollst du schon tun.
Siebtens: Vergiss ja nicht aufs Beten, am besten ganz in der Früh, du musst halt ein bisschen früher aufstehen, das ist ja nicht so tragisch.
Achtens: Hans, ein bisschen spenden sollst du jetzt auch, weil du jetzt Christ geworden bist, nicht so zehn Prozent, Durchschnitt wäre nicht schlecht.
Und neuntens: Hans, Rauchen ist ja keine Sünde, aber wir machen es halt nicht, du könntest jetzt doch anfangen, damit aufzuhören.“
Seht ihr, Freunde, was geschehen ist?
Wir Christen behaupten zwar, aus Gnade zu leben, aber in Wirklichkeit sind wir extrem geprägt vom Gesetz.
Und darum treffe ich viele junge Christen, die frustriert aufgeben, und ich kann die verstehen, weil sie nur Gesetz hören.
Und ich treffe alte Christen, die zwar jahrzehntelang überleben in gewissen Gemeinden, aber da ist keine Kraft, keine Freude an Christus, nur ein religiöses Starrsein, und das nennen sie dann Treue.
Ein Leben aus dem Gesetz wird von Pflicht getrieben, ein Leben aus Gnade ist von Leidenschaft geprägt.
Ein Leben unter dem Gesetz musst du aus eigener Kraft leben, ein Leben aus Gnade lebst du aus der Kraft des Heiligen Geistes.
Darum hat Paulus die Galater – der Galaterbrief ist ein wunderbarer Brief – so scharf gedadelt.
Er hat in Kapitel 3 eine Übersetzung gesagt: „Ihr hirnlosen Galater, wie blöd könnt ihr sein! Jetzt habt ihr aus der Kraft des Geistes angefangen, und jetzt wollt ihr es mit eigener Anstrengung selbst vollenden!“
Und dann sagt er: „Zur Freiheit hat Christus euch befreit. Lasst euch doch nicht wieder unter Joch und durch ein Joch der Sklaverei bringen.“ Das ist das Gesetz.
Und seht ihr, liebe Freunde, wir brauchen keine Angst haben, dass, wenn wir Gnade predigen, die Christen faul und träge werden.
Das höre ich manchmal, auf die Art: Wenn man zu viel Gnade predigt, dann macht ja jeder nur noch, was er will.
Die Deutschen sagen, wir sagen das nicht in Österreich, aber in Deutschland sagt man: „Dann lassen sie die Sau raus, dann tun sie nichts mehr.“
Zugegeben: Wenn du Freiheit und Gnade predigst, besteht ein Restrisiko, dass manche missbrauchen werden.
Freiheit und Liebe kann missbraucht werden, das hat Jesus am Kreuz sehr wohl gespürt.
Aber wisst ihr, was noch viel tragischer ist?
Wenn ich Menschen ihr Leben lang im Gefängnis behalte.
Das ist tragisch: im Gefängnis des Gesetzes.
Martin Lloyd Jones hat gesagt: „Wenn du als Prediger noch nie beschuldigt wurdest, ein Antinomist, ein Gesetzloser zu sein, dann hast du wahrscheinlich noch nie das Evangelium gepredigt.“
Ich werde oft beschuldigt, es ist okay, ich predige lieber das Evangelium.
Ein von Geist getriebener Mensch ist kein fauler Mensch, sondern hoch motiviert.
Versuche nie, einem geistgetriebenen Menschen mit dem Gesetz zu kommen, der lacht dich aus.
Wisst ihr warum?
Das ist so, wie wenn zwei Menschen, angenommen, da ist ein Liebesspa, die haben sich gefunden, frisch geheiratet.
Ich habe jetzt bei Andi und Christine geschlafen, die lieben sich ja auch noch so, ich bin froh, dass ich ihr Frühstück bekam, weil die haben sich nur immer angeschaut.
Da schaust du zwei Menschen an, wie sie sich lieben.
Und du siehst, wie er zuvorkommend ist, du siehst, wie sie ihn respektiert, du siehst, die Beziehung ist eine wunderbare Beziehung, das kannst du sehen.
Und jetzt kommst du mit Gesetzen.
Jetzt sagst du: „Damit eine Beziehung funktioniert, müsst ihr euch schon in die Augen schauen, wenn ihr miteinander redet.“
„Damit die Beziehung funktioniert, soll er einmal am Tag zu Mittag das Geschirr abwaschen, das ist gut.“
„Und damit die Beziehung funktioniert, sollt ihr einmal im Monat miteinander Essen gehen.“
Wisst ihr was? Die zwei lachen dich aus.
Weil ihre Beziehung ist aus Liebe motiviert.
Wie kann man da mit Gesetzen kommen?
Freunde, wenn ein Christ vom Heiligen Geist getrieben wird, kommen nicht mehr Gesetze, der lacht dich nur aus.
Weil ein geistgetriebener Christ, der steht in einer Liebesbeziehung zu Jesus und der will hören, was Jesus zu sagen hat, der will mit ihm reden, weil er ihn liebt.
Weil er ihn wertschätzt.
Im Johannes 14, Vers 15 lesen wir diesen Vers, da sagt Jesus:
„Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten.“
Für einen gesetzesgeprägten Christ ist dieser Vers eine Drohung.
Aha, jetzt muss ich aber die Gebote halten, weil sonst zeigt es ja, dass ich Jesus nicht liebe.
Für einen geistgetriebenen Christen ist dieser Vers voller Zuversicht:
„Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten.“
Ja, wenn ich Gott liebe, dann werde ich seine Gebote halten.
Die Liebe kommt zuerst und dann das Gebote halten – nie umgekehrt, sonst wird es ein Krampf.
Und wenn man das beachtet, 1. Johannes 5, Vers 3 sagt Johannes:
„Dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“
Ich habe immer gehört: Gebote sind schwer.
Nein, sie sind nicht schwer.
Wisst ihr warum?
Weil es aus Liebe motiviert ist.
Darum lesen wir in den Psalmen:
„Es ist mir eine Lust, deine Gebote zu halten.“
Bei den meisten Christen ist es ein Frust, die Gebote zu halten, weil es nicht aus Liebe motiviert ist.
Und wie gestern möchte ich nochmals sagen:
Es ist, wenn ich zum Beispiel nach Hause komme.
Ich bin ja viel unterwegs, ich reise sehr viel, auch oft im Ausland, wo ich ein, zwei Wochen weg bin.
Und ich komme nach Hause und meine Frau holt mich am Flughafen ab.
Hannelore, wir sind 20 Jahre verheiratet, ich habe mich immer wieder neu in sie verliebt.
Übrigens, wenn du die erste Liebe verlierst, ist es nicht tragisch, die verlierst du sowieso.
Aber du musst die zweite entdecken, das ist wichtig, und die dritte und die vierte.
Wir sind schon in der fünften oder was war sie, keine Ahnung.
Sie holt mich vom Flughafen ab, und dann denke ich mir im Flugzeug schon: „Jetzt bin ich ja verheiratet, ich bin ja Ehemann, eigentlich ist es schon meine Pflicht, sie jetzt zu küssen.“
Das sieht gut aus, ja.
Ich sollte sie eigentlich auch umarmen, ich sollte sie auch fragen, wie es ihr geht, als Ehemann soll man das ja schon tun, nicht?
Ist es so, wie ich denke?
Das ist Religion.
Ich denke, wenn ich eine Leute treffe, dann küsse ich sie, umarme sie und frage sie, wie es ihr geht, weil ich sie liebe.
Wisst ihr, was viele Christen tun?
„Jetzt bin ich ja Christ, jetzt soll ich schon Bibel lesen, ja, wär nicht schlecht.“
„Jetzt bin ich ja Christ, ja, beten soll ich jetzt auch, gehört sich eigentlich schon.“
„Als Christ, ja, so mit anderen Christen soll ich mich auch treffen, gehört eigentlich auch dazu.“
Ist das die Motivation?
Oder hören wir und reden wir mit Jesus, weil wir ihn lieben?
Seht ihr, das ist ein Leben aus Gnade.
Und dafür stehe ich hier.
Wisst ihr, was Gnade in meinem Leben bewirkt hat?
Drei Dinge:
Gnade hat in mir bewirkt, dass ich Gott unheimlich wertschätze und liebe.
Es fällt mir nicht schwer, mit Jesus zu leben.
Es ist mir eine Freude, mit ihm zu leben.
Er ist mein bester Freund, er ist mein Herr.
Ich kann es mir nicht vorstellen ohne ihn.
Ich liebe es, mit ihm zu leben, ich höre gerne auf ihn.
Es hat meine Liebe zu Gott gefördert.
Zweitens, wisst ihr, was es noch bewirkt hat? Die Gnade: Ich kann andere Menschen viel mehr lieben.
Wenn ich in eine Bar gehe und da hängen ein paar Besoffene herum, wisst ihr was? Ich hab sie so gerne, ich lieb sie.
Wisst ihr warum?
Weil ich weiß, Gott liebt diesen Besoffenen an der Bar genauso wie mich, kein Stück weniger.
Das ist genau so sein geliebter Sohn, den er retten möchte, wie ich.
Und darum hat es meine Liebe zum Nächsten gefördert.
Und wisst ihr, was Gnade noch bewirkt hat?
Ich habe angefangen, mich selbst anzunehmen und zu lieben, weil Gott mich so gemacht hat, wie ich bin.
Und wisst ihr, was Gnade somit bewirkt hat?
Gnade treibt mich zur Erfüllung des größten Gebots.
Was ist das größte Gebot?
Nicht das zweitgrößte, auch nicht das drittgrößte.
Das größte Gebot:
Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten und dich selbst.
Das ist das größte Gebot.
Und das hat Gnade in meinem Leben bewirkt.
Und darum will ich über nichts anderes predigen.
Ich kann es gar nicht für Religion, würde ich mich nicht hierher stellen, da würde ich lieber etwas anderes tun.
Aber um diese Beziehung, wegen der ich in Jesus gefunden habe, kann ich nicht schweigen.
Denn das ist das, was uns Christen widerfahren ist.
Und ich stehe heute hier vor euch als jemand, den Gott liebt.
Ich habe es nicht verdient, ich habe es nur empfangen.
Und ich wünsche mir, dass in diesem Raum heute niemand hinausgeht, der diese Liebe Gottes nicht für sich persönlich empfängt, wo du sagst:
„Herr Jesus, ich komme zu dir. Ich habe von mir aus jahrzehntelang immer nur religiös gelebt, aber ich möchte mit dir leben, ich möchte in diese Liebesbeziehung eintreten.“
Oder: „Herr Jesus, ich habe zwar von dir gehört, aber ich habe mich nie auf dich eingelassen. Ich möchte mich heute auf dich einlassen. Komm du in mein Leben, sei du mein Verbündeter, und ab heute möchte ich mit dir unterwegs sein.“
Das ist Christsein, und darum geht es.
Das ist das Herz Gottes.
Persönliche Erfahrungen mit Gnade und dem Glauben
Ich bin als 15-Jähriger gläubig geworden, zuhause in unserer evangelischen Kirche, für die ich sehr dankbar bin. Damals habe ich vor allem durch den Konfirmandenunterricht verstanden, dass meine Sünden vergeben sind, weil Christus für mich bezahlt hat. Das habe ich wirklich verstanden.
Ich habe auch verstanden, dass meine Sünden vergeben sind, weil Jesus dafür bezahlt hat. Aber ich dachte mir: Wenn ich mal in den Himmel kommen will, muss ich schon ein bisschen dementsprechend leben. Ich muss so leben, dass ich Gott halbwegs gefalle – Kirche gehen, Bibel lesen, Bibelkreis besuchen und so weiter.
Dann kamen Jahre, in denen ich mich von Gott abwandte. Das war ungefähr mit 18 oder 19 Jahren. Ich habe es nicht geschafft, dieses Christleben zu führen. So habe ich mich eigentlich von Gott abgewandt und wollte eigentlich nichts mehr mit Christen zu tun haben. Das dauerte ein paar Jahre.
In dieser Zeit war ich Skilehrer, auch im Ausland, in Kanada, Australien und so weiter. Da gab es Zeiten, in denen ich bei weitem nicht so lebte, wie es Gott gefällt – ganz im Gegenteil. Trotzdem wusste ich, dass Jesus noch da ist. Ich konnte auch meine Bibel nicht ganz weglegen. Einmal im Monat habe ich sie ungefähr gelesen.
Aber ich dachte mir: Wenn ich heute sterben würde, würde ich wahrscheinlich nicht in den Himmel kommen, denn den hätte ich nicht verdient. Seht ihr, das ist genau dieses Denken, den Himmel sich verdienen zu müssen. Und das hat nichts mit Gnade zu tun. Du kannst dir Gnade nicht verdienen.
Aber wisst ihr, was ich feststelle? Ich bin nicht der Einzige, der so gedacht hat. So viele Christen glauben, sie müssten sich Gnade irgendwie doch noch verdienen. Das ist ein Widerspruch in sich selbst. Du kannst Gnade nicht verdienen.
Ein Brief über Zweifel und Sehnsucht nach Vergebung
Einen Brief möchte ich euch nur ein paar Zeilen vorlesen. Ab und zu bekomme ich solche Briefe. Da schreibt jemand:
„Manchmal möchte ich laut schreien, manchmal heule ich auch nur leise. Mein Leben ist ein Trümmerfeld. Es sieht so aussichtslos aus, dass sich je etwas daran ändert. Wo ist Gott? Hat er mich schon aufgegeben? Ich bin ja selbst schuld. Manchmal schreie ich nach ihm, aber dann will ich auch schon wieder, dass er mich in Ruhe lässt.
Wie soll Gott wissen, was ich will? Ich weiß es ja selbst nicht. Ich fühle mich geteilt, ich bin voller Widersprüche, im ständigen Kampf mit mir selbst. Ich sehne mich nach Gott und seinen offenen Armen, gleichzeitig laufe ich von ihm davon.
Und dann schreibt sie weiter: Glaubst du, dass Gott mir vergibt? Ich habe einige Male versucht, mein Leben zu beenden. Bestraft er mich nun dafür, indem ich, wie jetzt, im Dunkeln weiterleben muss? Kannst du Gott sagen, Hans Peter, dass es mir leidtut und dass ich ihn brauche, auch wenn ein Teil von mir dagegen zu sein scheint?“
Seht ihr, kann Gott mir vergeben? Ich habe es doch nicht verdient.
Begegnungen in der Bar und die Realität der Gnade
Vor Kurzem war meine Frau in einer Bar. Wir gehen öfter in eine Bar, weil wir dort eigentlich ganz gerne sind. Dort sind Menschen, die Gott genauso lieben wie du und ich. Ich rede gern mit ihnen, besonders wenn sie ein bisschen zu viel getrunken haben, denn dann sind sie ehrlich.
Ich wohne in einem Bergdorf, und dort kennt mich jeder. Wenn die Menschen nüchtern sind, sind sie oft ein wenig vorsichtig, weil ich in Sachen Glauben etwas extrem bin. Aber wenn sie ein bisschen zu viel getrunken haben, sind sie ganz normal. Ich habe dort jedes Mal gute Gespräche.
Auch beim letzten Mal traf ich eine Frau, die ein wildes Leben geführt hat. Sie gehört zu den Frauen, mit denen Jesus gesprochen hat. Sie sagte zu mir: „Du bist ja so viel besser als ich.“ Ich antwortete ihr: „Weißt du was, ich bin kein Stück besser als du. Ich hatte vielleicht andere Voraussetzungen. Meine Eltern haben vielleicht besser auf mich geachtet, aber ich bin nicht besser als du. Wir sitzen im selben Boot.“
Doch sie beharrte darauf, ich sei besser als sie. Weißt du, warum sie das sagte? Weil ich inzwischen zwanzig Jahre verheiratet bin, drei Kinder habe und mehr oder weniger ein anstrengendes Leben führe. Ich schreibe Bücher über Gott und predige ständig von Jesus. Deshalb glauben viele Menschen, ich hätte den Himmel schon ein bisschen verdient.
Sie hingegen liest nie in der Bibel, geht nicht in die Kirche und sagt: „Ja, ich habe heute schon wieder keine stille Zeit gemacht.“ Sie glaubt, sie habe sich den Himmel nicht verdient.
Und wisst ihr, Freunde, genau das ist der Punkt, an dem wir Gnade nicht verstanden haben: Gott teilt Geschenke aus, er bezahlt keinen Lohn. Himmel ist nichts, was du dir durch gute Werke oder Leistung verdienen kannst.
Wenn Gott uns den gerechten Lohn geben würde, sähe das für keinen von uns gut aus – egal, wie du lebst.
Lohn der Sünde und Geschenk der Gnade
Paulus schreibt in Römer 6,23: „Der Lohn der Sünde ist der Tod, das Geschenk, die Gnadengabe Gottes, aber ist ewiges Leben.“
Und, liebe Gemeinde, für den gerechten Lohn ist die Sünde zuständig, für das unverdiente Geschenk ist Gott zuständig. Gott bezahlt keinen Lohn, er gibt dir nur ein Geschenk. Dieses kannst du nur empfangen.
Wenn wir lernen, den Unterschied zwischen Lohn und Geschenk zu verstehen, lernen wir auch den Unterschied zwischen Religion und Christusbeziehung zu verstehen.
Für Religion konnte ich mich noch nie begeistern, kein Stück. Im Gegenteil: Religion hat Menschen immer unterdrückt und ausgebeutet. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Marx, ich glaube Marx hat gesagt, Religion sei das Opium für das Volk. Da gebe ich ihm ausnahmsweise mal Recht.
In der Religion geht es immer um Leistung und um Lohn. Dort wird genau gerechnet, und am Ende wird abgerechnet. Weil Jesus aber nicht gut rechnen kann, hat er keine Religion gestiftet. Jesus ist uns gegenüber nicht gerecht, sondern gnädig.
Gott und sein Sohn haben keine Religion gestiftet. Menschen stiften immer Religionen, weil Menschen im Prinzip immer von Lohn und Gerechtigkeit denken. In der Religion kannst du dir etwas verdienen, bei Gott kannst du nichts verdienen.
Gerechtigkeit und Gnade im Evangelium
Jetzt sagen einige: Ja, aber die Bibel sagt doch auch, dass Gott gerecht ist. Ja, das stimmt. Gott ist gerecht, und darum gibt es keine billige Gnade, wie Bonhoeffer es gesagt hat. Gott hat sich die Gnade alles kosten lassen – seinen Sohn. Darüber haben wir gestern Abend gesprochen.
Aber seit Gott den gerechten Preis in seinem Sohn bezahlt hat, ist er jetzt gnädig. Das ist Evangelium.
Es gibt einen Film, den ich mir zulegen möchte. Ich habe vor kurzem von einem deutschen Pfarrer ein paar CDs bekommen, die sehr gut über Gnade sprechen. Er hat in diesen CDs von einem Film erzählt: „Der letzte Kaiser von China“. Ich weiß nicht, ob den jemand kennt. Der Film heißt „Der letzte Kaiser“. Den werde ich mir jetzt mal suchen.
In diesem Film geht es darum, dass der Kaiser von China eine Gottheit war, genauso wie seine Kinder. Dem Sohn des Kaisers standen, so wird es im Film beschrieben, tausend Eunuchen als Diener zur Verfügung. Er lebte in einer Märchenwelt.
Der Sohn des Kaisers wurde einmal gefragt, ob er bestraft würde, wenn er ungehorsam oder böse sei. Er antwortete: Ja, wenn ich ungehorsam oder böse bin und etwas Böses tue, dann wird einer meiner Diener dafür verprügelt. Ich habe ja tausend Diener, die werden verprügelt, wenn ich etwas Böses gemacht habe.
Dann nimmt er einen Krug, zerschlägt ihn mutwillig, und ein Diener wird hergenommen und verprügelt, weil Strafe sein muss. Wenn der Meister böse war, wurde der Diener bestraft.
Und wisst ihr, was das Schöne ist? Gott hat diesen Brauch umgekehrt. Wenn der Diener böse ist, dann wird der Herr verprügelt, weil Menschen Unrecht getan haben. Darum wurde Jesus ans Kreuz genagelt. Dieser Brauch wurde umgekehrt. Er trug für uns den Lohn der Sünde, das ist der Tod.
Darum kann uns Christus heute begnadigen. Und das ist Evangelium, das ist die gute Botschaft.
Die wahre Bedeutung von Gnade
Definition von Gnade
Wie definiert man Gnade? Gnade bedeutet, dass es nichts gibt, was du tun könntest, damit Gott dich mehr liebt. Gleichzeitig heißt es, dass es nichts gibt, was du tun könntest, damit Gott dich weniger liebt. Das ist die Definition von Gnade.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Stimmt das wirklich? Was, wenn ich jemanden umbringe? Ja, Gott liebt dich weiterhin genauso wie zuvor. Was, wenn ich die Ehe breche? Ja, Gott wird dich weiterhin lieben wie zuvor. Was, wenn ich ihn immer bestehle und belüge? Ja, Gott liebt dich genauso wie zuvor.
Wenn ihr mir das nicht glaubt, dann lest die Bibel.
Die Gemeinde in Korinth als Beispiel für Gnade
Als Paulus das Evangelium von Christus in der verrufenen Stadt Korinth verkündigte, predigte er achtzehn Monate lang ausschließlich über Christus, den Gekreuzigten, und über Gnade.
Damals entstand eine Gemeinde von ungefähr fünfzig Gemeindegliedern. Wer weiß heute noch, wer zu dieser Gemeinde in Korinth gehörte? Dort waren ehemalige Ehebrecher, Prostituierte, Homosexuelle, Diebe, Habgierige, Trinker, Lästerer und Räuber – eine „super“ Gemeinde.
Paulus war einst ein Christenverfolger und Mörder. Er nennt sich selbst „den größten aller Sünder“. Denn Christus ist gekommen, um für die Sünder zu sterben und nicht für die Gerechten. Das Evangelium lautet: Gott begnadigt die Schuldigen. Das irritiert uns oft.
Darum ist Gnade kein einfaches Thema. Wir Christen reden zwar darüber, aber nicht alle haben es wirklich verstanden. Für die Juden war das Evangelium der Gnade eine Gotteslästerung. Wisst ihr warum? Die Juden sagten: „Gott kann doch uns Juden, die wir die Gebote haben und nach bestem Wissen und Gewissen halten, nicht gleich behandeln wie diese Heiden, die Gottes Gebote nicht einmal kennen.“ Das sei doch Wahnsinn.
„Gott kann doch nicht mich, der ich ein treues Gemeindemitglied bin, der ich Kirchensteuer zahle und mich um Gottes Gebote kümmere, gleich behandeln wie den, der sich überhaupt nicht um Gott kümmert. Das wäre ungerecht!“ Die Juden hielten das für Gotteslästerung.
Für die Griechen, die Gebildeten, war Gnade purer Unsinn. Sie kamen aus der intellektuellen, philosophischen Tradition und sagten: „Gnade, das ist doch mathematischer Schwachsinn. Wer lässt 99 Schafe zurück, nur um ein einziges zu suchen?“ Wenn Gott Gott ist, dann muss er klug, mächtig und intelligent sein.
Die Religiösen sagen: Gnade darf nicht sein. Die Intellektuellen sagen: Gnade kann nicht sein.
Erst im Korintherbrief lesen wir, wie Paulus darauf eingeht. Im 1. Korinther 1,22-25 schreibt er: „Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen suchen Weisheit; wir aber predigen Christus als gekreuzigt, den Juden ein Ärgernis und den Nationen eine Torheit, denen aber, die berufen sind, Juden wie Griechen, ist Christus Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen.“
Freunde, daran hat sich bis heute nichts geändert. Gnade ist für die einen ein Ärgernis – das darf nicht sein. Für die anderen ist sie schlicht und einfach Unsinn – das kann nicht sein.
John Stott schrieb in seinem Buch The Cross of Christ: „Das Evangelium des Kreuzes wird niemals eine populäre Botschaft sein, weil es den Stolz unserer Vernunft, unseres Charakters und unserer Eingebildetheit demütigt.“ Darum ist das Kreuz keine populäre Botschaft.
Die Wirkung der Gnade: Beziehung als Lebensinhalt
Nun, was soll Gnade eigentlich bewirken? Die Antwort lautet: Gnade begründet und erhält Beziehungen.
Ich habe gestern wieder darüber nachgedacht – ich gehe jeden Tag mal mit Jesus spazieren – wozu leben wir eigentlich? Ob hier in der Nähe von Heilbronn oder zuhause in den Bergen: Ist unser Lebensinhalt, Gesetze zu halten? Ist das der Sinn des Lebens? Ich glaube nicht.
Warum sind wir dann als Christen so beschäftigt damit, immer Gesetze zu halten? Wisst ihr, worum es im Leben wirklich geht? Es geht im Leben nur um eine Sache, sonst gar nichts: nur um Beziehungen. Beziehungen, liebende Beziehungen zu haben und zu pflegen – das ist Leben, sonst nichts. Das Leben hat sonst nichts zu bieten.
Ja, für eine Zeit lang kann mal etwas ganz nett sein, aber das ist nicht der Inhalt des Lebens. Wir Menschen existieren, um in vertikaler Beziehung zu Gott zu stehen und um in horizontalen Beziehungen zu anderen Menschen zu leben. Das ist der Inhalt des Lebens, mehr hat dieses Leben nicht.
Unsere Ururureltern, Adam und Eva – so hießen sie – lebten ursprünglich in einer intakten Beziehung mit Gott. Im Garten Eden verstanden sie sich gut, sie redeten jeden Tag miteinander, sie tranken Kaffee usw. Gott und Mensch hatten Beziehung.
Aber Adam und Eva waren Rebellen. Sie gingen aus dem Haus des Vaters hinaus – das nennt man den Sündenfall – und sie haben sich, ich habe es gestern gesagt, von Gott abgenabelt. Sie haben die Nabelschnur zwischen Gott und sich selbst abgetrennt. Die Verbindung wurde abgeschnitten.
Diese Abnabelung, diese Trennung nennt die Bibel Sünde. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist zerbrochen, und das ist Sünde. Sünde ist nicht einfach etwas Moralisches – das ist nur die Konsequenz der Sünde. Sünde ist der Beziehungszerbruch zwischen Gott und Mensch. Das ist wichtig zu verstehen.
Und weil Adam und Eva nun nicht mehr in dieser Beziehung zu Gott standen, können auch wir unseren Kindern diese Beziehung nicht automatisch weitergeben. Kein einziges Kind, das auf die Welt kommt, hat automatisch eine Gottesbeziehung, weil wir sie nicht haben. Darum können wir sie nicht weitergeben.
Für Gott war dieser Zustand unerträglich, denn Gott hat den Menschen zur Beziehung mit sich selbst geschaffen. Darum hat Gott durch das Kreuz diese Verbindung zwischen sich selbst und dem Menschen wiederhergestellt. Er hat diese Verbindung wieder aufgerichtet.
Das nennt man Vergebung und Gnade. Vergebung und Gnade begründen Beziehung; sie bringen eine Beziehung wieder zusammen.
Seht ihr, unter Menschen ist es nicht anders: Angenommen, dir hat jemand Unrecht getan – das kommt immer mal vor, das ist normal im Leben – und ihr redet ein halbes Jahr nicht miteinander. Er kommt nicht mehr, du kommst nicht mehr.
Nach einem halben Jahr kommt dieser Mensch zu dir, entschuldigt sich und bittet um Vergebung. Du vergibst ihm. Was ist dann geschehen? Eine Beziehung ist wieder intakt.
Denn Vergebung und Gnade bringen Beziehungen wieder zusammen. Das ist der ganze Inhalt der Bibel: Die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird durch Gnade wiederhergestellt.
Die Gefahr der religiösen Leistungsorientierung
Ich stelle immer wieder fest, dass viele Christen das nicht wissen. Viele leben so, dass sie Gott jeden Tag mit ihren religiösen Handlungen zufriedenstellen wollen. Sie möchten Punkte sammeln.
Sie fragen sich jeden Tag: Habe ich heute genug Pluspunkte, damit Gott mit mir zufrieden ist? Ist er zufrieden mit meiner religiösen Arbeit? Habe ich genug getan?
Und, Freunde, das ist furchtbar. Ich kenne nicht wenige Kirchen, in denen Menschen absichtlich in dieser Ungewissheit gelassen werden. Die Verantwortlichen glauben, dass, wenn Menschen in der Ungewissheit bleiben – etwa mit Gedanken wie „Wenn du dich nicht richtig benimmst, kommst du vielleicht nicht in den Himmel“ –, sie motiviert werden, mehr zu tun.
Sie meinen, wenn sie Gnade und Freiheit predigen, würden die Christen aufhören, etwas zu tun. Aber, Freunde, Gott will nicht unsere religiösen Übungen. Er will keine religiösen Handlungen, sondern eine Beziehung mit uns, eine Liebesbeziehung.
Erst wenn wir das verstehen, begreifen wir, was es heißt, Christ zu sein.
Warum wir beten: Beziehung statt Information
Ich habe vor kurzem gelesen, und es hat mir so gut gefallen, warum wir beten sollen. Ich frage mich: Ich rede so viel über Gebet, ich predige andauernd darüber. Wisst ihr warum? Weil ich nicht genau weiß, was es ist.
Übrigens müsst ihr mir zuhören: Das, was der Prediger am meisten betont, ist oft seine größte Schwäche. Wisst ihr jetzt, was die Schwäche des Predigers ist? Habt ihr das gelesen? Es hat mir gut gefallen.
Welchen Sinn macht es, wenn wir Gott im Gebet Dinge erzählen, die er schon weiß? Du hast vielleicht heute gebetet. Wir haben heute auch in der Fürbitte gebetet: „Gott segne die, die morgen nach Bolivien fahren.“ Und Gott sagt: „Ah, habe ich komplett vergessen? Ja, genau, danke für die Erinnerung, da muss ich auch ein bisschen segnen.“ Nein, Gott weiß es ja.
Warum erzählen wir Gott im Gebet Dinge, die er schon weiß? Warum stellen wir Fragen, die er längst beantwortet hat? Warum bringen wir Anliegen vor, die er viel besser beurteilen kann? Warum sprechen wir Bitten aus, deren Erhörung er längst eingeleitet hat? Abgesehen von seiner Liebe macht das keinen Sinn.
Aber in Anbetracht seiner grenzenlosen Zuneigung zu uns können wir gar nicht zu oft vor ihn treten, zu lange mit ihm sprechen und zu viel von ihm erbitten. Und hier kommt der Schlüssel: Denn Gott ist in seiner Liebe nicht darauf aus, nur Bitten zu erhören, sondern uns zu hören.
Gott möchte nicht etwas Neues von dir hören. Er will uns hören – und das immer wieder aufs Neue. Gott will uns hören, darum sollen wir beten.
Wir müssen Gott nicht informieren, denn er weiß viel mehr als wir. Wir müssen ihn auch nicht motivieren, denn er ist viel besser als wir. Aber er will uns hören. Das ist die Beziehung, zu der wir geschaffen sind – und dafür kann ich mich begeistern.
Gottes Liebe ist bedingungslos
Der religiöse Mensch sagt oft: Nein, das geht doch nicht. Ich muss mir Gottes Zuneigung doch irgendwie verdienen und erarbeiten. Ich will ihm zeigen, dass ich es wert bin, geliebt zu werden.
Doch Gott sagt in Jeremia 33: „Ich habe dich je und je geliebt. Ich habe dich schon immer geliebt.“ Das kann man sich nicht erarbeiten. Vergiss es.
Nochmal zurück zum verlorenen Sohn. Was hätte der verlorene Sohn verdient? Stell dir vor, du hast einen Sohn, der dein ganzes Einkommen, das du in einem halben Leben erworben hast, verschwendet. Und dann kommt er reumütig zurück.
Verdient hätte er nur Verachtung und Strafe. So sieht es ja oft aus, auch unter Christen. Und wisst ihr, was interessant an diesem Sohn ist? Er ist sich bewusst: „Alles, was ich verdient habe, ist Verachtung und Strafe.“ Darum hat er sich einen Satz zurechtgebastelt. Er sagt: „Vater, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu sein. Das habe ich nicht verdient. Aber nimm mich auf als einen deiner Arbeiter, denn mein Brot kann ich mir immer noch selbst verdienen.“
Etwas kann er sich also noch verdienen. Und wisst ihr, was der Vater macht? Er lässt ihn gar nicht ausreden. Das Sprüchlein interessiert ihn nicht allzu sehr. Er umarmt ihn, gibt ihm einen Ring an den Finger und damit die Würde eines Sohnes. Er gibt ihm neue Kleidung und dann feiert er ein Fest.
Das ist Gnade.
Die Versuchung, Gnade durch Leistung zu ersetzen
Stellt euch nun Folgendes vor: Nach diesem großen Fest haben sie bis drei Uhr früh gefeiert, weil es so schön war zusammen – wie bei Hochzeiten.
Stellt euch vor, dieser Sohn geht dann schlafen. Am nächsten Tag erwacht er am elterlichen Hof in seinem Zimmer. Er hat nur ein bisschen Kopfweh vom Wein, denn sie haben ja gefeiert. Dann fragt sich der Sohn: War das alles nur ein Traum gestern oder war das Wirklichkeit?
Er schaut aus dem Fenster und sieht: Ja, ich bin tatsächlich am Hof meines Vaters. Dann denkt er sich: Aber ein Kuss von meinem Vater kann doch nicht die ganzen Ungerechtigkeiten der letzten Jahre einfach so verschwinden lassen. Das geht doch nicht, das wäre zu einfach.
Dann überlegt der Sohn, was wäre, wenn sich der Vater heute Nacht doch anders überlegt hat, denn logisch ist das nicht, was da geschehen ist. Und jetzt macht er Folgendes: Er sieht eine Arbeitskleidung, schlüpft schnell in die Arbeitsmontur, läuft über den Hof und geht gleich in den Stall. Dort holt er sich die Mistgabel und mistet auf. Er kehrt sauber aus und denkt sich: Wenn ich heute den ganzen Tag brav arbeite, vielleicht darf ich dann doch bleiben.
Das alte Schema von Religion schlägt wieder voll durch. Und was leidet bei der ganzen Sache? Die Beziehung zu seinem Vater. Er will es sich wieder verdienen. Kein Vertrauen, keine Liebe, kein Glaube. Die Beziehung zum Vater wird ersetzt durch religiöse Handlung.
Und wisst ihr was, Brüder und Schwestern? Wir greifen sehr oft zur religiösen Mistgabel zurück. Wir wollen uns doch ein bisschen die Liebe Gottes verdienen. Wir versuchen wieder, bei Gott zu punkten. Wir sagen: Ja, aber wenn ich mehr bete, dann wird Gott auch mehr tun in meinem Leben. Ja, wenn ich noch dazu faste, dann wird Gott mehr Segen schenken. Und schon wieder vollbringe ich fromme Leistungen und bin schon wieder im religiösen Stress. Es ist furchtbar.
Das kommt daher, dass wir Gnade nicht verstanden haben. Manche Christen kommen nie an den Punkt, wo sie endlich in dieser Beziehung zu Gott leben und den Frieden, die Gelassenheit und Ruhe finden, von der Jesus andauernd redet: "Kommet her zu mir, ich will euch Ruhe geben."
Persönliche Erkenntnisse über Gottes Liebe
Wisst ihr, was mir vor wenigen Jahren bewusst wurde? Als ich mich mit 18 Jahren entschieden habe, dass das Christenleben für mich nicht funktioniert, weil ich die Anforderungen nicht geschafft habe, die es so gab, habe ich immer die Bibel gelesen. Dort stand: Du sollst deinen Nächsten lieben.
Da habe ich mir gedacht: Herr Gott, wenn du mir ein paar neue Nachbarn schenkst, dann versuche ich es. Aber mit denen geht das nicht. Für mich war Christsein unmöglich, wenn ich gewusst hätte, wie das gehen soll. Darum habe ich mich zurückgezogen – von Gott und auch von Christen.
In den Jahren habe ich viele Dinge gemacht, für die ich mich heute schäme. Aber vor ein paar Jahren ist mir bewusst geworden, wann Gott mich mehr geliebt hat. Vor 25 Jahren, als ich voll besoffen mit meiner Skigruppe da saß und dann mit irgendjemandem, von mir aus, ins Bett ging und Dinge getan habe, für die ich mich heute schäme – oder liebt er mich heute mehr? Heute, wo ich in der ganzen Welt herumreise und allen Menschen von Jesus erzähle?
Und wisst ihr, was die Wahrheit ist? Gott hat mich vor 25 Jahren am Biertisch genauso geliebt wie heute hier. Und wenn ich einmal im Himmel bei ihm bin, wird er mich kein Stück mehr lieben als heute, weil Gott mich liebt. Das ist die Wahrheit.
Wisst ihr, wie Johannes sich selbst betitelt hat? Er sagte: Ich bin derjenige, den Gott lieb hat. Wie wir uns immer betiteln: Ja, ich bin der Leiter, ja, ich bin der Pfarrer, ja, ich bin der Direktor. Johannes hat nur gesagt: Ich bin der, den Gott lieb hat. Und das bin ich auch.
Zusammenfassung der Gnaden-Definition
Was ist die Definition von Gnade? Gnade bedeutet, dass es nichts gibt, was ich tun könnte, damit Gott mich mehr liebt. Ebenso gibt es nichts, was ich tun könnte, damit Gott mich weniger liebt.
Genau das ist Gnade.
Die Schwierigkeit, Gnade im Alltag zu leben
Noch etwas: Ich erzähle jetzt ein paar mehr Geschichten, weil wir schon ein bisschen müde sind.
In der Regel haben wir kein Problem damit zu verstehen, dass wir allein aus Gnade gerettet sind. Das stelle ich immer wieder fest. Haben die meisten Christen wirklich verstanden, dass sie nur aus Gnade gerettet sind? Aber um gerettet zu bleiben, muss man schon ein bisschen etwas tun.
Nur eine Konversation, wie sie vielleicht ab und zu stattfindet, das ist nur aus dem Blauen heraus. Ich nenne die zwei jetzt mal Sepp und Hans. In Österreich gibt es viele Hans, Franz oder Sepp. Sepp heißt ja jeder Depp, sagt man bei uns. Ich heiße Hans. Bei mir haben sie noch Beete dazugegeben, wegen Verwechslungen.
Bei uns gibt es bei jedem zweiten Haus einen Hans. Bei euch gibt es Wladimir, da gibt es auch eine Menge.
Gespräch zwischen Sepp und Hans über Gnade und Glauben
Gespräch zwischen Sepp und Hans
Hans möchte Christ werden. Nach einer Predigt fühlt er sich überführt und sagt: „Doch, ich glaube, ich will Christ werden.“ Sepp antwortet: „Der ist ja bereits Gemeindemitglied, Christ.“ Dann sagt er zu Hans: „Du musst Jesus nur vertrauen, er wird dich retten. Du brauchst gar nichts zu tun.“
Hans fragt: „Ja, aber was ist mit meinen ganzen schlechten Gewohnheiten?“ Sepp erklärt: „Um gerettet zu werden, musst du keine Leistung vollbringen. Du kannst zu Jesus kommen, so wie du bist.“
Hans hakt nach: „Ja, aber was ist mit dem Rauchen?“ Sepp meint: „Das muss nicht aufhören, um gerettet zu werden.“
„Ja, aber da muss ich ja regelmäßig in die Kirche gehen“, sagt Hans. „Nein, nein, Hans“, entgegnet Sepp, „regelmäßig in die Kirche gehen rettet dich nicht.“
Hans sagt weiter: „Ja, aber ich muss doch sicher mit dem Fluchen aufhören und mit dem Trinken.“ Sepp antwortet: „Nein, Hans, du siehst es falsch. Es geht nicht darum, was du für Gott tust, sondern darum, was er für dich getan hat. Du musst Christus in dein Leben aufnehmen, ihn dankbar annehmen und deine Sünden bekennen. Dann wird er das tun.“
Endlich hat Hans es begriffen: „Ich bin gerettet aus Gnade.“ Er nimmt Christus an. Gerade letzte Woche kam eine Frau zu mir, ungefähr 55 Jahre alt, hat sich im Büro bekehrt. Das war wunderbar, so etwas habe ich vorher noch nie gesehen. Freude kommt auf.
Sepp gratuliert Hans und sagt: „Willkommen in der Familie der Gläubigen! Du gehörst zu Christus.“ Dann fügt Sepp noch hinzu: „Hans, damit dein Start gut gelingt, möchte ich dir ein paar Tipps geben.
Erstens: Geh gleich nächsten Sonntag in die Kirche und erzähl mindestens zwei Menschen, was in deinem Leben geschehen ist.
Zweitens: Es wäre gut, wenn du dich taufen lässt. Im Juni haben wir eine Taufsache, da solltest du dabei sein. Kindertaufe gilt nicht ganz.
Drittens: Ich würde dir vorschlagen, verbindliches Mitglied in unserer Gemeinde zu werden.
Viertens: Es gibt eine kleine Bibelgruppe, da solltest du unbedingt wöchentlich hingehen.
Fünftens: In unserem Kirchenchor fehlen ein paar Männerstimmen. Bewirb dich dort, es wäre schön, wenn du mitsingst. Das würde Gott Freude machen.
Sechstens: Du sollst jetzt anfangen, deine Bibel zu lesen. Drei Kapitel pro Tag bringen dich durch die Bibel im Jahr. Das solltest du schon tun.
Siebtens: Vergiss ja nicht das Beten, am besten ganz früh morgens. Du musst halt ein bisschen früher aufstehen, das ist ja nicht so tragisch.
Achtens: Ein bisschen spenden sollst du jetzt auch, weil du Christ geworden bist. So zehn Prozent, der Durchschnitt, wäre nicht schlecht.
Und neuntens: Rauchen ist keine Sünde, aber wir machen es halt nicht. Du könntest jetzt doch anfangen, damit aufzuhören.“
Seht ihr, Freunde, was geschehen ist? Wir Christen behaupten zwar, aus Gnade zu leben, aber in Wirklichkeit sind wir extrem vom Gesetz geprägt.
Darum treffe ich viele junge Christen, die frustriert aufgeben. Ich kann sie verstehen, weil sie nur Gesetz hören. Ich treffe auch alte Christen, die zwar jahrzehntelang in gewissen Gemeinden überleben, aber keine Kraft und keine Freude an Christus haben. Sie zeigen nur ein religiöses Starrsein, und das nennen sie dann Treue.
Gesetz versus Gnade
Ein Leben aus dem Gesetz wird von Pflicht getrieben, ein Leben aus Gnade ist von Leidenschaft geprägt. Ein Leben unter dem Gesetz musst du aus eigener Kraft leben, ein Leben aus Gnade lebst du aus der Kraft des Heiligen Geistes.
Darum hat Paulus die Galater – der Galaterbrief ist ein wunderbarer Brief – so scharf getadelt. Er hat in Kapitel 3 gesagt: „Ihr hirnlosen Galater, wie blöd könnt ihr sein! Jetzt habt ihr aus der Kraft des Geistes angefangen, und jetzt wollt ihr es mit eigener Anstrengung selbst vollenden!“ Dann sagt er: „Zur Freiheit hat Christus euch befreit. Lasst euch doch nicht wieder unter ein Joch der Sklaverei legen, das ist das Gesetz.“
Seht ihr, liebe Freunde, wir brauchen keine Angst haben, dass, wenn wir Gnade predigen, die Christen faul und träge werden. Das höre ich manchmal, wenn man sagt: „Wenn man zu viel Gnade predigt, macht ja jeder nur noch, was er will.“ In Deutschland sagt man dazu: „Dann lassen sie die Sau raus, dann tun sie nichts mehr.“ Zugegeben, wenn du Freiheit und Gnade predigst, besteht ein Restrisiko, dass manche das missbrauchen werden. Freiheit und Liebe können missbraucht werden – das hat Jesus am Kreuz sehr wohl gespürt.
Aber wisst ihr, was noch viel tragischer ist? Wenn ich Menschen ihr Leben lang im Gefängnis behalte – im Gefängnis des Gesetzes. Martin Lloyd Jones hat gesagt: „Wenn du als Prediger noch nie beschuldigt wurdest, ein Antinomist, ein Gesetzloser, zu sein, dann hast du wahrscheinlich noch nie das Evangelium gepredigt.“ Ich werde oft beschuldigt, das ist okay, ich predige lieber das Evangelium.
Ein von Geist getriebener Mensch ist kein fauler Mensch, sondern hoch motiviert. Versuche nie, einem geistgetriebenen Menschen mit dem Gesetz zu kommen – der lacht dich aus. Wisst ihr warum? Das ist so, wie wenn zwei Menschen frisch geheiratet sind und sich lieben. Ich habe bei Andi und Christine geschlafen, die lieben sich wirklich sehr. Ich bin froh, dass ich ihr Frühstück bekam, denn sie haben sich nur angeschaut. Wenn du zwei Menschen ansiehst, die sich lieben, siehst du, wie er zuvorkommend ist, wie sie ihn respektiert. Du siehst eine wunderbare Beziehung.
Und jetzt kommst du mit Gesetzen zu diesen beiden. Du sagst: „Damit eine Beziehung funktioniert, müsst ihr euch schon in die Augen schauen, wenn ihr miteinander redet. Damit die Beziehung funktioniert, soll er einmal am Tag zu Mittag das Geschirr abwaschen. Und damit die Beziehung funktioniert, sollt ihr einmal im Monat miteinander essen gehen.“ Wisst ihr was? Die beiden lachen dich aus. Ihre Beziehung ist aus Liebe motiviert. Wie kann man da mit Gesetzen kommen?
Freunde, wenn ein Christ vom Heiligen Geist getrieben wird, kommen keine Gesetze mehr – er lacht dich nur aus. Denn ein geistgetriebener Christ steht in einer Liebesbeziehung zu Jesus. Er will hören, was Jesus zu sagen hat, er will mit ihm reden, weil er ihn liebt und weil er ihn wertschätzt.
Liebe als Motivation für Gehorsam
Im Johannes 14,15 lesen wir diesen Vers: Jesus sagt, „Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten.“ Für einen gesetzesgeprägten Christen klingt dieser Vers wie eine Drohung. „Aha, jetzt muss ich aber die Gebote halten, weil sonst zeigt es ja, dass ich Jesus nicht liebe.“
Für einen geistgetriebenen Christen hingegen ist dieser Vers voller Zuversicht: „Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten.“ Ja, wenn ich Gott liebe, dann werde ich seine Gebote halten. Die Liebe kommt zuerst, und dann das Gebotehalten – nie umgekehrt, sonst wird es ein Krampf.
Wenn man das beachtet, sagt Johannes in 1. Johannes 5,3: „Dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“ Ich habe immer gehört, Gebote seien schwer. Nein, sie sind nicht schwer. Wisst ihr warum? Weil sie aus Liebe motiviert sind.
Darum lesen wir in den Psalmen: „Es ist mir eine Lust, deine Gebote zu halten.“ Bei den meisten Christen ist es hingegen ein Frust, die Gebote zu halten, weil es nicht aus Liebe motiviert ist.
Liebe in der Ehe als Beispiel
Und wie gestern möchte ich nochmals sagen: Es ist so, wenn ich zum Beispiel nach Hause komme. Ich bin ja viel unterwegs, reise sehr viel, auch oft ins Ausland, wo ich ein oder zwei Wochen weg bin.
Ich komme nach Hause, und meine Frau holt mich am Flughafen ab. Hannelore und ich sind seit 20 Jahren verheiratet, und ich habe mich immer wieder neu in sie verliebt. Übrigens: Wenn du die erste Liebe verlierst, ist das nicht tragisch, denn die verlierst du sowieso. Aber du musst die zweite entdecken, das ist wichtig. Und die dritte und die vierte auch. Wir sind schon bei der fünften oder wie viele es waren – keine Ahnung.
Sie holt mich vom Flughafen ab, und ich denke mir schon im Flugzeug: Jetzt bin ich ja verheiratet, ich bin Ehemann. Eigentlich ist es meine Pflicht, sie jetzt zu küssen. Das sieht gut aus, ja. Ich sollte sie eigentlich auch umarmen und fragen, wie es ihr geht. Als Ehemann sollte man das ja tun, nicht wahr? Ist es so, wie ich denke? Das ist Religion.
Ich denke: Wenn ich Leute treffe, dann küsse ich sie, umarme sie und frage, wie es ihnen geht – weil ich sie liebe. Wisst ihr, was viele Christen tun? Jetzt bin ich ja Christ, also soll ich Bibel lesen. Ja, das wäre nicht schlecht. Jetzt bin ich ja Christ, also soll ich auch beten. Das gehört sich eigentlich schon. Als Christ soll ich mich auch mit anderen Christen treffen, das gehört eigentlich auch dazu.
Ist das die Motivation? Oder hören wir auf Jesus und reden mit ihm, weil wir ihn lieben? Seht ihr, das ist ein Leben aus Gnade. Und dafür stehe ich hier.
Die Wirkung der Gnade im Leben des Predigers
Wisst ihr, was Gnade in meinem Leben bewirkt hat? Drei Dinge.
Erstens hat Gnade in mir bewirkt, dass ich Gott unheimlich wertschätze und liebe. Es fällt mir nicht schwer, mit Jesus zu leben. Es ist mir eine Freude, mit ihm zu leben. Er ist mein bester Freund, er ist mein Herr. Ich kann es mir nicht vorstellen, ohne ihn zu leben. Ich liebe es, mit ihm zu leben, und ich höre gerne auf ihn. Meine Liebe zu Gott ist dadurch gewachsen.
Zweitens, wisst ihr, was Gnade noch bewirkt hat? Ich kann andere Menschen viel mehr lieben. Wenn ich in eine Bar gehe und dort ein paar Betrunkene herumhängen, wisst ihr was? Ich habe sie so gerne. Ich liebe sie. Wisst ihr warum? Weil ich weiß, dass Gott diese Betrunkenen an der Bar genauso liebt wie mich. Kein Stück weniger. Sie sind genauso sein geliebter Sohn, den er retten möchte, wie ich. Darum hat Gnade meine Liebe zum Nächsten gefördert.
Und wisst ihr, was Gnade noch bewirkt hat? Ich habe angefangen, mich selbst anzunehmen und zu lieben, weil Gott mich so gemacht hat, wie ich bin.
Und wisst ihr, was Gnade somit bewirkt hat? Gnade treibt mich zur Erfüllung des größten Gebots. Was ist das größte Gebot? Nicht das zweitgrößte, auch nicht das drittgrößte. Das größte Gebot ist: Du sollst Gott lieben, deinen Nächsten und dich selbst.
Das ist das größte Gebot. Und das hat Gnade in meinem Leben bewirkt. Darum will ich über nichts anderes predigen.
Ich könnte das nicht aus Religion tun. Würde ich das nur aus Religion machen, würde ich mich nicht hierher stellen. Dann würde ich lieber etwas anderes tun. Aber wegen dieser Beziehung, die ich in Jesus gefunden habe, kann ich nicht schweigen. Denn das ist es, was uns Christen widerfahren ist.
Ich stehe heute hier vor euch als jemand, den Gott liebt. Ich habe es nicht verdient, ich habe es nur empfangen.
Und ich wünsche mir, dass heute niemand aus diesem Raum hinausgeht, ohne diese Liebe Gottes persönlich für sich zu empfangen. Wo du sagst: Herr Jesus, ich komme zu dir. Ich habe jahrzehntelang nur religiös gelebt, aber ich möchte mit dir leben. Ich möchte in diese Liebesbeziehung eintreten.
Oder: Herr Jesus, ich habe zwar von dir gehört, aber ich habe mich nie auf dich eingelassen. Ich möchte mich heute auf dich einlassen. Komm in mein Leben, sei mein Verbündeter, und ab heute möchte ich mit dir unterwegs sein.
Das ist Christsein, und darum geht es. Das ist das Herz Gottes.