Eindrücke vom Unglück und die Bedeutung des Gebets
Es war gestern eindrücklich, liebe Freunde, wie wir durch Ulrich Barzani an Lengede erinnert wurden. Dieser gewaltige Wassereinbruch in das Bergwerk und die Tatsache, dass man sich eigentlich schon damit abgefunden hatte, dass die Vermissten tot sind und abgeschrieben werden müssen.
Doch nach zehn Tagen kamen die Klopfzeichen: Wir sind noch da. Dann wurde die Talbusch-Bombe durch das schmale Bohrloch hinuntergelassen, um die Eingeschlossenen zu retten.
Wenn wir eingeladen sind zum Beten, dann ist das wie so ein Klopfzeichen: Lieber Gott, ich brauche Dich. Nicht weil Gott informiert werden muss. Es gibt ja manche Gebete, bei denen man sagt: Lieber Gott, im Irak ist der Krieg losgegangen – das weiß Gott schon. Gebete sind keine Informationsveranstaltung für den lieben Gott, der nicht Bescheid weiß, sondern Zeichen des Dankes und der Bitte.
Vater im Himmel, ich brauche Dich. Unser Gott sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns, wie es Bruder Scheuermann vorher gesagt hat. Das Telefongespräch gestern Abend, vom Bus weg, haben einige gehört. Da sagte jemand: Herr Chefbuch, der rennt los wie angebrannt, was ist denn los? Ja, um zehn Uhr hat meine Frau gesagt, ich rufe an. So bin ich den ganzen Tag nicht gelaufen.
Also erst recht sehnt sich Gott nach Gemeinschaft mit uns, nach Reden mit uns. Alle Anlässe unseres Lebens, ob die große Not – Vater, ich kann nicht mehr weiter – oder der Dank: „Ich bin beschämt, was du tust bei mir, danke“ sind Zeichen der Verbindung, Klopfzeichen.
Das Wachstum des Gebets durch persönliche Anrede und Dankbarkeit
An diese Klopfzeichen kann einiges hinwachsen. Jetzt darf ich ein paar Zettel nehmen. Sie kennen ja die Geschichte mit den Zetteln, dass in Amerika ein Pastor von seiner Gemeinde verabschiedet wurde – Pastor Miller. Der neue Pastor Smith wurde begrüßt, und der Gemeindevorstand sagte: „Wir sind heute zusammengekommen, um unseren bisherigen Pfarrer, Herrn Pfarrer Miller, zu verabschieden. Wir freuen uns sehr, dass unser neuer Pfarrer mit seiner Frau schon unter uns ist. Wir begrüßen Herrn Pastor Smith und wünschen ihm von Herzen alles Gute im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“
So ist das, denken Sie sich, in den Erben dran, wenn unser lieber Bruder Bert auch immer seinen Zettel hat. Das mache ich mal als Hilfe. An unser Gebet kann eine Kinne hinwachsen.
Als ich im Krankenhaus war, ist mir bewusst geworden: Ich sage immer im Gebet „Herr“. Schon im Alten Testament und erst recht im Neuen Testament gibt es so viele wunderbare Namen für unseren Gott. Herr Zebaut, du Wahrhaftiger, du Herzenskündiger, du Gott alles Fleisches – und erst recht für Jesus, der Morgenstern, der gute Hirte, du Licht der Welt, du ewiger Heiland!
Sie haben angefangen, mir eine Liste zu machen: Auf der einen Spalte die Ehrentitel, die in der Bibel für Gott enthalten sind, und auf der anderen Spalte für Jesus. Ich bin jetzt bei Blatt vier, eng beschrieben. Damit wir auch in unserem Gebet nicht einfach nur „Herr“ sagen, sondern etwas zur Majestät aller Majestäten sagen.
Es kann etwas hinwachsen, schon bei der Anrede, und es kann etwas hinwachsen an unserem Gebet im Dank. Gerade im Krankenhaus ist mir aufgegangen: Ich bin Gott dankbar dafür, dass er mir sehr viele Menschen auf meinen Lebensweg geschickt hat – sehr viele Frauen, Patentanten, Erzieherinnen, Großmütter.
Dass die Frauen für den Glauben eine Rolle spielen, ist gar nicht zu sagen. Als ich zu Hause war, habe ich meine Zettel in den Computer übertragen, und da ist jetzt Seite sechs, eng bedruckt mit lauter Namen. Und es geht laufend weiter.
Wir sind dankbar für Menschen. Sagen wir es doch auch so: „Gott, ich bin dir dankbar für die Tante Mari, und ich bin dir dankbar für die Frau Nachbarin Strohiker, die mir ein Vorbild im Glauben war, für Familie Pfetsch, für den Jugendreferenten, der mein Leben begleitet hat, für Kurt Henniger als Pfarrer in Stuttgart.“ Ihnen fallen viele Namen ein, und Sie werden mitten in der größten Not überglücklich, was Gott schon an Sie gewandt hat an Güte.
Klopfzeichen: „Lieber Gott, ich danke dir!“
Die Fürbitte als Ausdruck der Gemeinschaft und Verantwortung
Es kann genauso eine Fürbitteliste in unserem Leben entstehen, auf der die Namen derer stehen, für die wir eintreten sollen.
Wir werden in vielen Bereichen schuldig, aber sehr oft als Christen gerade dort, wo andere Menschen sagen: „Ich muss zur Operation, denk auch an mich.“ Und wir antworten: „Ja, ich denke an dich.“ Doch nach drei Wochen ist der Patient entweder gestorben oder wieder mit dem Köfferchen zu Hause, und wir merken, dass wir überhaupt nicht wirklich an ihn gedacht haben.
Da bin ich froh, dass es den großen Fürbitter Jesus vor dem Vater gibt. Unser Gebet kann jedoch reich werden durch die Namensliste derer, die uns zur Fürbitte anvertraut sind.
Fürbitte trägt unvorstellbar die Trauernden, die Einsamen, die Witwen. Ich denke oft an Menschen, die einen lieben Menschen verloren haben. Jeder Hausschuh, der im Schrank noch steht, jede Zahnbürste im Bad erinnert an den, der nicht mehr da ist. Da wollen wir in der Fürbitte sagen: Herr, jetzt sei du um den Menschen Herr!
Also kann unser Gebet wachsen. Es ist ein Klopfzeichen, denn unser Herr ist darauf aus, dass wir Verbindung mit ihm haben.
Die Menschwerdung Gottes und die Bedeutung des Kreuzes
Aber eigentlich geht es ja um ein ganz anderes Thema. Ich wollte jetzt mal an gestern Abend anknüpfen, an die Talbusch-Bombe, an Lenggeden. Ich würde beizeiten sagen, wie ich es sehe, obwohl wir uns nicht abgesprochen hatten.
Für mich war es irgendwie bewegend, dass gestern Abend im Mittelpunkt stand, wie Jesus anfing zu zittern und sagte: „Gott geht zu Boden.“ Wenn ich mich noch recht entsinne – ich bin einiges älter als Ulrich Parzany – war es damals in Lenggeden so, als die Talbusch-Bombe hinuntergelassen wurde, dass deutlich wurde: Diejenigen, die zehn Tage in ihrer Sauerstoffblase eingeschlossen waren, waren viel zu schwach, um in das Rettungsgerät einzusteigen.
Da hat sich ein Freiwilliger zuerst hinuntergelassen, trotz aller Gefahr, um den Eingeschlossenen zu helfen, damit sie herauskommen. Er ließ sich dann als Letzter selbst retten. Gott geht zu Boden in Jesus; er ist auf unser Niveau gekommen.
Man kann jeden Bibelabschnitt auch in ein Gebet umwandeln. Alles, was wir in der Verkündigung gehört haben, kann man so formulieren: „Herr, vielen Dank, dass du auf mein Niveau gekommen bist, dass du mich nicht verschüttet lässt in all den Sorgen, die auf mich einstürmen.“
Ich habe in Amerika das Schnelllesen gelernt und in meinem Leben versucht, sehr vieles schnell zu erledigen. Beim Beten muss ich mich wieder daran gewöhnen, einige Gänge zurückzuschalten. Ich schreibe meine Gebete auf – als einen Brief an meinen Herrn Jesus, allerdings nach der Schrift, die ich selbst kaum mehr lesen kann. Er kann es lesen. Es soll niemand anders lesen – nicht meine Kinder, nicht jemand, der zufällig an die Zettel kommt. Das ist für meinen Herrn bestimmt. Aber ich will es so formulieren, dass die Gedanken nicht schnell wieder weiterhuschen.
Unvorstellbar, was unser Gott tut. Es ist unglaublich, dass er als der Retter auf unser Niveau kommt, um uns nicht verschüttet sein zu lassen. Das war gestern.
Jetzt ist es wichtig, dass wir sagen: „Herr, ich sage mich los von allen anderen Mächten, die mein Leben bestimmt haben, und ich möchte mich überschreiben.“
Nachsorge kennt man, wenn man krank ist. Dann ist man fünf Leuten ausgeliefert. Man muss sich an einen halten und entscheiden, wer die Nachsorge übernimmt. So haben sie es jetzt gehalten: Doktor Tröster macht es.
So sollen wir uns auch entscheiden. Solche Tage sind Impulse dafür, dass wir nicht auf alle möglichen Sicherungen setzen. Wenn am Monatsende die Überweisung kommt, schlage ich mein Kontobüchlein auf und denke: „Aha, so weit steht es schon wieder. Aha, lieber Gott, ist das meine Sicherung, dass das Geld da ist?“
Ich möchte meine einzige Sicherung, meinen einzigen Helfer in Jesus haben. Die paar Tage, die mir im Leben geschenkt sind – uns sind alle nur ein paar Tage geschenkt – wollen wir darin einüben. Solche Tage, wie wir sie jetzt erleben, sind Impulse dafür, dass wir festmachen, wer für uns sorgen soll.
Reflexion über den Samstag und die Notwendigkeit des Kreuzestodes
Nun muss ich noch etwas hinzufügen, ich lasse Sie nicht ablenken. Der Samstag ist in Württemberg der große Tag. Früher badete man einmal in der Woche, alle im gleichen Wasser. Der Vater durfte anfangen, das jüngste Kind kam zuletzt dran. Außerdem war es der Tag der Kehrwoche.
Falls Sie nicht aus Schwaben stammen, lasse ich erklären, was die Kehrwoche ist. Es wird oft gesagt, der Pietismus habe die Kehrwoche erfunden – auch schön, eine gute Sache. So muss ich jetzt einiges zusammenkehren, was sich in dieser Woche angesammelt hat.
Gestern wurde ich gefragt, und ich danke für die Fragen, die mir gestellt wurden: War es denn wirklich nötig für Gott, dass Jesus den Weg ans Kreuz ging? Gott konnte doch einfach „schwamm drüber“ sagen, er konnte doch vergeben. Brauchte es wirklich, dass Jesus ans Kreuz ging?
Natürlich kann Gott vergeben. Als David seine Sünde bekannte, vergabst du sie ihm. Als der Gelähmte vor Jesus gelegt wurde, sah Jesus die große Not, die in seinem Leben zerbrochen war – viel schlimmer als die Krankheit. Er sagte: „Mein Sohn, dir sind die Sünden vergeben.“ Er hat nicht gesagt, du musst jetzt noch ein bisschen warten, ich gehe erst den Weg ans Kreuz, und dann kommst du wieder zu mir, und dann wird die Sache mit der Sünde erledigt.
Gott braucht nicht den Tod seines Sohnes, um vergeben zu können. Herr Jesus hat eine schöne Geschichte erzählt, wie das mit Gottes Vergeben ist: Ein König erfährt plötzlich, dass sein Finanzminister einige Milliarden für sich beiseite geschafft hat. Der König lässt ihn kommen, und der Finanzminister fällt auf die Knie und sagt: „Entschuldigung, es war furchtbar peinlich, aber ich habe es gebraucht. Ich will es ersetzen. Ich setze alles daran, du bekommst dein Geld wieder. Hab Geduld mit mir!“
Als der König diesen winselnden Mann sah und hörte, was er alles ausredete, erbarmte er sich und vergab ihm alle Schuld. Gott braucht nicht den Tod seines Sohnes, um zu vergeben.
Auch wir brauchen es. Vor drei Tagen habe ich Ihnen ein großes Wort aus dem Propheten Jeremia gesagt. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass man innehalten muss und erfahren muss, welchen Kummer und Herzeleid es bringt, den Herrn, den Gott, zu verlassen und ihn nicht zu fürchten.
Das erfahren wir in vielen Situationen unseres Lebens. Am gekreuzigten Jesus wird uns deutlich gemacht: Du musst innehalten und erfahren, was es Gott für Kummer kostet, mit der Sünde fertigzuwerden. Die können wir nicht fertigkriegen, die muss ich meinem Sohn auferlegen.
Du musst innehalten und erfahren, was für Jammer die Sünde ist, die den Sohn Gottes in den Boden hineindrückt. Das ist die tiefe Spur unseres Lebens, in den Boden hineingekerbt. Die vielen Versäumnisse hat Jesus vom Vater auferlegt bekommen.
Du musst erfahren, welche Not die Sünde ist, und du musst erfahren: Die Sünde ist ihm übertragen worden, damit sie dich nicht mehr in den Boden hineindrückt.
Über dem Leiden Jesu steht, wie Jesus es in den Worten zur Einsetzung des Abendmahls gesagt hat: „Mein Leib und mein Blut für euch!“ Das Sterben Jesu ist für uns geschehen, für uns, damit wir wissen, dass das große Pluszeichen Gottes über unserem Leben steht. Für die Sünde hat Gott gesorgt, sie muss uns nicht mehr bekümmern.
Die Gewissheit des Heils und das Vertrauen auf Gottes Wort
Wie kann man sich dessen gewiss werden? Es ist sehr wichtig, sich des Heils gewiss zu sein. Wir sind oft versucht zu glauben, dass wir das allein mit unserem Intellekt verstehen müssen. Dabei passieren immer wieder Fehler, und wir sagen: Ich bin mir noch nicht sicher, warum Jesus gestorben ist, ob er wirklich mein Herr ist und ob ich Vergebung für meine Sünden habe.
Wir können mit unserem begrenzten Verstand nicht alle großen Geheimnisse des Evangeliums erfassen. Deshalb hat Gott uns sein Wort gegeben. Abraham glaubte, was Gott ihm zugesagt hat. Auch wir können Gott beim Wort nehmen und ihm glauben.
Das Thema heute Abend lautet: Worte verändern das Leben. Gott ist zuverlässig. Jesus wird in der Offenbarung als der treue Zeuge bezeichnet. Wenn man sich auf Worte verlassen kann, dann ist es das Wort von Jesus. Das ist gewiss wahr und ein kostbares Wort.
Paulus sagt: „Jesus ist gekommen, um Sünder selig zu machen.“ Er nimmt damit Bezug auf das, was Jesus beim Zachäus gesagt hat: „Ich bin gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Dieses Wort kannst du hundertfünfzigprozentig glauben.
Wenn deine Sünde dich quält und du viele Fehler gemacht hast, wenn du anderen Menschen schuldig geworden bist, dann ist dieses Wort dennoch gewiss und unbezahlbar: Jesus ist in die Welt gekommen, ist für uns auf die Erde gekommen, damit es für mich Rettung gibt und ich in den Himmel kommen kann.
Das Kreuz als sichtbares Zeichen der Erlösung
Aber über das Wort hinaus hat Jesus für uns armselige Leute etwas Sichtbares gegeben.
Bei jener Seelsorge auf der Intensivstation des Krankenhauses Bregenz, zu der ich als junger Pfarrer gerufen wurde, war ein bewährter Ulmer Arzt im Sterben. Er sagte zu mir: „Ich sehe bloß die kahlen Wände. Können Sie mir nicht ein Kreuzzeichen hier aufhängen lassen?“ Wir haben es dann einfach mit Klebestreifen befestigt, damit mein Geist sich sammeln kann. Das ist für mich geschehen.
Und lass mich dein Bild in deiner Kreuzesnot sehen. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll fest an mein Herz dich drücken. So hat Jesus empfohlen.
Dieser Satz wurde inzwischen fast jeden Abend von Ulrich Parzany zitiert: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben und sich nach ihm ausrichten, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Man muss das im Zusammenhang lesen. Drei Verse vorher sagt Jesus zu Nikodemus: „So wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss auch der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an mich glauben, nicht verloren werden.“ (Johannes 3,14-15)
Sie kennen die Geschichte: Über Israel war eine große Not hereingebrochen, weil sie gegen Gott gemurrt hatten. Jeden Tag gab es Manna, das Wüstenmüsli. Sie sagten: „Hätten wir doch wieder Knoblauch und Fische, Salat, wie wir ihn in Ägypten hatten.“ Sie murrten gegen Mose und gegen Gott und bemerkten gar nicht, wie gut es ihnen ging.
Gott hatte sie in die Freiheit geführt, durch die Wolkensäule und die Feuersäule geleitet. Er war täglich um sie, gab ihnen Nahrung und schenkte ihnen in Mose einen Erlöser.
Doch dann sandte Gott feurige Schlangen – ähnlich wie Feuerquallen –, deren Bisse tödlich waren. Die Menschen schrien zu Mose: „Bete für uns zu Gott!“ Es war eine Erweckung, aber sie baten Mose: „Mach du das!“
Der Herr sprach zu Mose: „Richte eine ehrende Schlange auf.“ Mose goss flüssiges Erz zu einer Schlangenfigur und befestigte sie an einer Stange.
Was dann? Hast du nicht lieber einen Tee, den wir den Israeliten geben könnten, der hilft? Oder ein paar Prügel, mit denen man die Schlangen vertreibt? Nein, das sollten sie nicht tun. Wer auf dieses Zeichen sieht, zeigt, dass Gott mit der Schlangenplage fertig wird. Der ist gerettet.
Wer also auf das Bild der erhöhten Schlange schaut, wird, auch wenn er gebissen wurde, gerettet.
So sagt Jesus: „So muss auch ich erhöht werden, damit alle, die auf mich sehen und zu mir aufschauen, das Leben haben und gerettet werden – von allem, womit sie gebissen sind, vom Teufel und von allen Anfechtungen in ihrem Leben.“
Der Glaube als Blick auf Gottes Werke und das Kreuz
Unser Glaube ist stark geprägt von der Ausrichtung auf das, was Gott uns zeigt. Angefangen bei den schönen Werken der Schöpfung sollen wir uns ermutigen lassen: So ist mein Gott. Vor allem aber ist der Blick auf das Zeichen Jesu, auf den Gekreuzigten, von großer Bedeutung.
Quer durch das Mittelalter haben die Meditationen des Johannes von Akempis, insbesondere die Kreuzesmeditation, eine segensreiche Wirkung entfaltet. Als Martin Luther noch Mönch war und sagte, er komme nicht von seinen Sünden weg, riet ihm sein Beichtvater Johannes von Staupitz: Nimm das Zeichen des gekreuzigten Kruzifixes vor dich und meditiere darüber, was Gott für dich getan hat. Dies war der Anfang dafür, dass Luther zum Wort fand: Der Gerechte wird seines Glaubens leben.
Charles Haddon Spurgeon, der große Evangelist, kam ebenfalls zum Glauben durch eine einfache Botschaft. Er berichtete, dass er einen Primitivmethodisten hörte – eine sehr schlichte Form des Methodismus in England –, der in einem Hinterhof rief: „Oblike, look up!“ – „Schau hinauf auf den Gekreuzigten!“ Spurgeon sagte, dass er an diesem Punkt begann zu schauen und dass er im Himmel ewig weitermachen wolle mit diesem Blick.
Auch die ersten Herrnhuter Missionare, die sechs Jahre lang vergeblich in der Wüste Grönlands gearbeitet hatten, konnten keinen einzigen Inuit bekehren. Sie hatten die Hoffnung fast aufgegeben, denn sie dachten, die Inuit seien nur an der Jagd interessiert und nicht am Evangelium. Einer von ihnen, Böhmer, versuchte jedoch, das Evangelium in die Sprache der Inuit zu übersetzen.
Eines Tages kam ein Nomadenstamm mit ihren Schlitten vorbei. Der Missionar fragte sie, was sie machten. Einer antwortete, dass er etwas in ihre Sprache übersetze. Der Missionar bat ihn, doch einmal darin zu lesen. Gerade an der Stelle, wo Jesus anfing zu zittern und zu zagen, wo ihm der Blutschweiß über die Stirn lief zur Erlösung, sagte der Missionar, dass der Inuit damit wohl nichts anfangen könne.
Doch der Mann, Kajernak, erwiderte: „Lass das noch einmal lesen! Das möchte ich wissen – das mit der Erlösung.“ Diese Begegnung markierte den Anfang der Erweckung unter den Inuits. Während der normale europäische Bildungsbürger dachte, diese Eskimos, diese Walfleischesser, stünden den Tieren näher als den Menschen und hätten nur Sehnen, schlug Gott plötzlich die Brücke zwischen ihnen und dem Evangelium.
Der Blick auf den Gekreuzigten als Quelle der Liebe und Gemeinschaft
Als erzählt wurde, als sie geblickt haben – unsere jungen Leute sagen ja oft: „Ich blick’s, ich schaue durch.“ Der gekreuzigte Paulus sagt den Galatern: „Ich habe euch Jesus so vor Augen gemalt, als wäre er mitten unter euch gekreuzigt.“
Wenn Wilhelm Busch bei seinen Evangelisationen war und viele Geschichten erzählt hat, kam er an die Stelle, wo er sagte: „Und nun möchte ich euch bloß noch mitnehmen, da, wo Jesus hängt auf dem Hügel Golgatha, so für dich gestorben.“ Er breitete seine Arme für dich aus.
Da war kein rhetorischer Kniff mehr da, keine Emotion mehr, kein Wühlen in den Gefühlen. Sondern gewusst: An dieser Stelle möchte Jesus selbst die Brücke schlagen zu Menschenherzen. „Du, so sehr habe ich dich lieb.“
Wir wollen blicken, was kein Auge gesehen hat, kein Ohr gehört hat, was in keinen Menschen Sinn gekommen ist, was sich keiner ausdenken kann, was unglaublich ist. Das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.
Es ist nicht nur katholisch. So wäre es auch für uns sehr gut, wenn wir ein Bild des gekreuzigten Jesus irgendwo in unseren Wohnzimmern oder Schlafzimmern hätten. Der Blick darauf würde fallen. Der Tag hat nicht begonnen, wenn der Wecker läutet, sondern mein Tag hat begonnen, als Jesus die Sünde der Welt auf sich werfen ließ.
Man kann zur Gewissheit des Heils kommen, wenn man blickt, schaut. Diese Woche ist dazu da, dass wir ganz neu eingeladen werden, immer wieder zu schauen: So viel bin ich Jesus wert.
Wozu? Jesus hat einmal in einer seiner Gleichnisreden erzählt von dem Hirten, der dem verlorenen Schaf nachgeht, bis er es findet. „Das ist mein Eigentum, das ist aus meinem Gesichtskreis weg, ich kann mich doch nicht damit abfinden.“
Ich stelle mir vor, wie der Hirte dann losgegangen ist und nicht bloß mit den Augen gesucht hat. Sondern er hat gepfiffen, gerufen und geschrien, so dass manche in jenem lieblichen Tal sicher gedacht haben: „Was ist das für ein Geschreier!“
„Ja, mir geht es um mein Schaf!“ Deshalb ist auch bei Burgist eine Musik da, die uns vielleicht auf die Nerven geht, aber die für junge Leute, für verlorene junge Leute wichtig ist. Da klatschen sie: „Auf, auf, wo seid ihr denn?“ Und wir sagen: „Nein, das ist so komisch, das bringt ab.“ „Boah, das ist harmlos.“
Vergleichen Sie Jesus: Er war nicht bloß von so Musik umgeben auf Golgatha. Er war vom ganzen teuflischen Heer umgeben und umspült.
Aber der Hirte sucht auf alle Weise, bis er es findet. Und wenn er es gefunden hat, legt er es voll Freude auf seine Schultern. Bei Jesaja 40 heißt es: „Er erwärmt das Arme, Verlorene, Ausgehungerte in den Bauch seines Gewandes.“
Vorher hat er in jede Felsschlucht hineingeschaut, hinuntergeklettert, in die Schründe: „Wo ist denn mein Schaf?“ – bis er es findet.
Jesus ist aus auf Gemeinschaft.
Die wahre Bedeutung des Glaubens und der Gemeinschaft mit Jesus
Es wird bei uns oft so dargestellt, als bestünde der Glaube darin, dass wir etwas für Jesus tun – für Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung, Durchsetzung, heile Familien und liebevolle Ehegatten. Aber zur normalen Ehe gehört auch der Krach.
Wenn wir nicht verschieden wären, hätten wir doch gar nicht geheiratet. Wenn wir gleich wären, bräuchten wir gar nicht zu heiraten. Was für komische Vorstellungen!
Und nachher, wenn einer gestorben ist, ist das riesengroße Heimweh da – nicht nach dem Krach, sondern nach dem Menschen, mit dem ich mich so oft gezankt habe.
Also werden uns viele Ideale vorgestellt, was sein muss. Jesus geht es nur darum, dass wir in seiner Nähe geborgen sind, in Gemeinschaft mit ihm. Und wir meinen immer: „Ich brauche ihn jetzt gerade nicht. Wenn ich mal auf der Intensivstation im Krankenhaus bin, dann kann ich ihn vielleicht wieder brauchen. Oder wenn ich meine Brille verlegt habe oder Schwierigkeiten bekommen habe.“
Nein, Jesus sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns. Deshalb ruft er.
Diese Woche ist quer durch unser Land eine Woche des Rufens. Am Mittwoch haben wir uns an Petrus erinnert, wie er sich durch das Wort des Herrn Jesus rufen ließ. Auf das Wort, auf das er vorher gar nichts gab, aber auf dein Wort.
Als Jesus sagte: „Folge mir nach!“, stand er auf und verließ alles. Es war ein klarer Entschluss, der viel kostete. Er verließ alles und folgte ihm nach. Und das war, wie Ulrich Barzani gestern sagte, der Anfang eines Weges.
Wie oft musste Jesus noch sagen: „Satan weiß hinter mich, Petrus, so nicht.“ Nach der Verleugnung kam manchmal die Sorge. Wir sehen die Verleugnung des Petrus falsch an. Er war ja einer der Getreuen, der Jesus nachgefolgt war – bis in den Palast des Hohen Priesters. Dort wollte er wie ein unsichtbarer Tarnbomber sein, um noch etwas für Jesus tun zu können.
Da ist passiert: „Nein, ich gehöre nicht zu diesem Jesus.“ Da hätte eigentlich in Kraft treten müssen, was Jesus gesagt hat: „Wer mich verleugnet vor den Menschen, der gehört auch nicht zu mir.“ Das Gegenteil ist passiert.
Jesus sucht die Verlorenen. Als der Auferstandene ist der erste Weg wieder zu seinem Petrus. Petrus, jetzt war es schon ein bisschen peinlich, was da passiert ist. „Oh, wir machen es nicht mehr, nicht wahr?“ Nimmst du es vor?
Nichts davon. Keine Moralrede, sondern bloß die Frage: „Hast du mich lieb? Hast du mich lieber als diese?“ „Herr, ich habe dich lieb.“ Lieber möchte er nichts dazu sagen.
„Petrus, hast du mich echt lieb?“ „Herr, ob echt? Ich weiß nur, dass ich dich lieb habe.“
Aber Petrus, hast du mich wirklich lieb? Ich stelle mir vor, dass in Petrus alles durcheinandergegangen ist. Ich weiß doch überhaupt nicht, was bei mir Routine ist, Scheinheiligkeit und Gewohnheit, und was alles an Gefühlen in mir ist. Das weiß ich nicht. Aber du weißt alle Dinge. Du weißt, was bei mir echt ist und was nicht echt. Du weißt, dass ich dich lieb habe.
So kann es bei mir sein, bei mir geht es durcheinander. Was ist die Routine eines Pfarrers und was ist echte Liebe? Ja, du weißt alle Dinge, du kannst sortieren, du kannst auftröseln. Aber du weißt, dass ich dich gern lieb hätte, du, der mich gesucht hast.
Denn Petrus war lebenslang wichtig der Ruf des Herrn Jesus. Er hat euch berufen mit einem heiligen Ruf. Er hat euch berufen, 1. Petrus 2, von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Er hat euch berufen, dass ihr seinen Fußspuren nachfolgt (Ende 1. Petrus 2). Ihr seid berufen, den Segen zu erben.
Der Gott, der euch berufen hat, will euch vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Er tut sein Bestes, eure Berufung festzumachen, festzurren!
Ich bin berufen von Jesus und jetzt möchte ich dem Ruf folgen. Herr, du weißt, ob ich dich richtig lieb habe. Weck du in mir eine echte Liebe.
Jesus ist darauf aus, dass er uns eine ganze Gemeinschaft schenken kann – eine Gemeinschaft, die bleibt.
Die Hoffnung über den Tod hinaus und die Einladung zur Entscheidung
Gestern hat Ulrich Barzani gesagt, dass uns eine animalische Angst vor dem Sterben begleitet, weil wir ganz allein sein werden. Doch nein, Gott geht mit uns bis zum Boden.
So hat mein Freund Helmut Lamper einmal zu mir gesagt: „Rolf, ich bin gespannt auf mein Sterben und darauf, was Jesus dort noch tun wird, der mich zur Gemeinschaft mit ihm berufen hat.“
Diese Berufung zur Gemeinschaft mit Jesus dürfen wir auch heute Morgen miteinander hören. Wir dürfen festmachen, dass diese Berufung fest ist und gehalten wird. Der ewige, majestätische Jesus, der heilige Gott, möchte Gemeinschaft mit uns haben.
Heute Morgen war von der Liebe die Rede. Was bedeutete es in meinem Leben, als die von ferne verehrte junge Dame endlich den Mut fasste, mir ihren Liebesbrief zu schicken? Sie hat Ja gesagt, dass sie mit mir leben wollte.
Genauso ist es jetzt umgekehrt: Herr, der ewige Gott, sag uns, wie reich unsere Leben durch den Tod hindurch bis in Ewigkeit in der Gemeinschaft mit dir werden können.
Wer dies heute öffentlich festmachen möchte: Alle wichtigen Dinge geschehen öffentlich. Spätestens unsere Todesanzeige wird veröffentlicht. Aber auch unsere Lebensanzeige sollten wir öffentlich machen, indem wir zeigen, dass wir mit Jesus leben wollen.
Ich möchte Sie einladen, an dieser letzten Bibelarbeit auch nach vorne zu kommen, um dies festzumachen – auch gemeinsam mit den Mitarbeitern. Tun Sie sich keinen Zwang an, kommen Sie!
Der Chor wird uns singen, und ich lade herzlich alle ein, die diese Entscheidung festmachen und bezeugen wollen. So wie Petrus immer wieder einmal „Ja, Herr“ gesagt hat, obwohl er es nötig hatte, in Antiochien wieder zurechtgebügelt zu werden.
Schon damals war er längst der Leiter des Freundeskreises um Jesus. Jesus sagte: „Wenn du dich einmal bekehrst und es ganz fest wird, dann stärke deine Geschwister.“
Herzliche Einladung also, und wir sind froh, dass wir diese Einladung miteinander bekommen haben. Auch wir dürfen das Gebet sprechen: „Herr, ich möchte dir gehören.“
Zuerst wird uns der Chor das letzte Lied auf unserem Liedblatt singen. Wir bleiben dazu sitzen, damit die, die nach vorne kommen wollen, leichter auch nach vorne gehen können.