Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da sein wird, Jesus Christus. Amen!
Ich bin schon sehr lange nicht mehr im Morgengottesdienst gewesen. Normalerweise gehen wir abends in den Gottesdienst.
Umso mehr freue ich mich, heute hier zu sein – und sogar mit Gesang. Zwar ist die Musik durch den Mundschutz noch etwas gedämpft, aber es ist ein großer Segen. Ich genieße die Musik sehr. Vielen Dank!
Die Frage nach dem sinnerfüllten Leben als Christ
In den letzten Jahren wurde ich sehr oft gefragt, ob wir Christen eigentlich noch Sünder sind. Ich weiß nicht, wie du darauf antworten würdest.
Es geht um Folgendes: Wenn wir als Christen die Gerechtigkeit von Jesus Christus zugesprochen bekommen haben und er uns gesühnt hat, warum sind wir dann eigentlich noch Sünder? Wir sind doch Königskinder, wir sind Heilige. Wir machen uns das Leben schwer, wenn wir uns selbst als Sünder bezeichnen. Dann fällt es uns schwer, den Willen Gottes zu tun.
Ist unser Selbstverständnis: „Ich bin ein Heiliger“? Dann fällt es uns leichter, so zu leben, wie Gott es möchte. Da ist etwas dran. Vielleicht werde ich am Ende noch darauf zurückkommen, mal sehen, wie ich vorankomme.
Aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit. Denn mit der ganzen Schöpfung warten wir auf die Befreiung von der Knechtschaft durch die Vergänglichkeit. Die sündige Natur ist noch da.
Also antworte ich gewöhnlich, wenn mich jemand so etwas fragt, mit zwei Bibelstellen. Die erste Stelle steht im 1. Timotheus 1,15. Dort spricht Paulus davon: „Ich bin der Größte unter den Sündern.“ Und da steht wirklich die Gegenwartsform. Wenn deine Bibel dort etwas anderes übersetzt hat, dann ist das falsch. Er schreibt in der Gegenwart.
Die zweite Stelle, auf die ich verweise, ist unser heutiger Predigttext.
Die Herausforderung im Jakobusbrief
Wir sind immer noch in unserer Reihe durch den Jakobusbrief. Heute beschäftigen wir uns mit dem vierten Kapitel, den Versen 1 bis 12. Ich muss euch vorwarnen: Das ist keine leichte Kost. Jakobus konfrontiert hier die Gemeinde mit sehr mahnenden Worten. Er zeigt auf, welche Zerstörungskraft die Sünde im Raum der Gemeinde haben kann.
Wir hören das Wort Gottes aus dem Jakobusbrief, Kapitel 4, Verse 1 bis 12:
"Woher kommt Streit, woher Krieg unter euch? Kommt es nicht daher aus euren Gelüsten, die da streiten in euren Gliedern? Ihr seid begierig und erlangt nichts, ihr mordet und neidet und gewinnt nichts, ihr streitet und kämpft. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt nicht, weil ihr in böser Absicht bittet, nämlich damit ihr es für eure Gelüste vergeuden könnt. Ihr Ehebrecher, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein. Oder meint ihr, die Schrift sagt umsonst: 'Mit Eifer wacht Gott über den Geist, den er hat in uns wohnen lassen'? Doch Gott gibt größere Gnade. Darum heißt es: 'Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.'
So seid nun Gott untertan, widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen. Klagt, trauert, weint; euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit. Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen. Verleumdet einander nicht. Wer seinen Bruder verleumdet oder verurteilt, der verleumdet und verurteilt das Gesetz. Verurteilst du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter. Einer ist der Gesetzgeber und Richter, der selig machen und verdammen kann. Wer aber bist du, dass du deinen Nächsten verurteilst?"
Himmlischer Vater, wir danken dir für dein Wort. Dein Wort ist Wahrheit, und dein Wort macht uns wahr. Das schärfste beidseitig geschliffene Schwert ist nicht so scharf wie dieses Wort, das Seele und Geist, Mark und Bein durchdringt und sich als Richter unserer geheimsten Wünsche und Gedanken erweist. Hilf uns, dein Wort zu verstehen. Hilf uns, deinem Wort Glauben zu schenken und es in alle Winkel unseres Lebens hineinleuchten zu lassen. Amen.
Die Struktur des Predigttextes
Ja, dieser Text ist, wie ihr merkt, ziemlich anspruchsvoll. Er ist jedoch auch predigerfreundlich, denn ich konnte die Struktur des Textes direkt für die Gliederung der Predigt übernehmen.
Wir haben drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt, den Versen 1 bis 3, deckt Jakobus die Wurzeln der Konflikte in der Gemeinde auf.
Im zweiten Abschnitt, den Versen 4 bis 10, geht es um das Thema Bundestreue. Jakobus zeigt deutlich auf, dass die Freundschaft mit der Welt der Gemeinde ihren Segen nimmt. Die Christen werden aufgefordert, die ganze Sache ernst zu nehmen, dem Teufel zu widerstehen und sich Gott unterzuordnen.
Im dritten Abschnitt, den Versen 11 bis 12, greift Jakobus den Richtgeist auf, der sich in der Gemeinde breitgemacht hat. Wer auf der Grundlage eigener Maßstäbe über den Bruder oder die Schwester richtet, legt sich mit Gottes Gesetz an. Und damit legt er sich mit Gott selbst an.
Die Ursachen von Streit in der Gemeinde
Wir beginnen mit der Frage: Woher kommen die Streitigkeiten in der Gemeinde, an die Jakobus geschrieben hat? Schon am vergangenen Sonntag haben wir einen Blick in Kapitel 3 geworfen. Dort hörten wir von der Unruhe und dem Unfrieden, die sich in der Gemeinde ausgebreitet haben.
Wo Selbstsucht herrscht, entsteht Unordnung und Unfrieden. Jakobus schreibt, dass ein Geist regiert, der das Denken der Welt widerspiegelt. Er nennt das die Weisheit von unten. Noch deutlicher wird er, wenn er sagt, diese Weisheit sei dämonischen Ursprungs und dieses Denken Torheit vor Gott.
In den Versen 1 bis 3 im vierten Kapitel legt Jakobus nun eine tiefere Analyse vor. Er tritt hier, so kann man sagen, wie ein Psychologe auf. Er schaut in das Innere der Menschen und lenkt den Blick von der Verhaltensebene auf die inneren Kräfte und Motivationen, die das Verhalten hervorrufen.
Seine Beobachtungen erinnern an den Pessimismus, den wir zum Beispiel im Menschenbild von Sigmund Freud finden. Freud meinte, dass Menschen von dunklen Trieben gesteuert werden.
Jakobus fragt: Woher kommt der Streit unter euch? Kommt er nicht daher, dass in euren Gliedern die Gelüste miteinander streiten? Ihr habt Streit untereinander, weil in jedem Einzelnen von euch ein Kampf tobt. In eurem Inneren zanken Leidenschaften und Triebe um die Vorherrschaft. Eure eigensüchtigen Wünsche führen einen regelrechten Krieg und hindern euch daran, das zu tun, was Gott möchte.
Er nennt konkrete Beispiele: Ihr tut alles, um eure Gier zu stillen. Ihr könnt nicht genug bekommen, es muss immer mehr sein. Am Ende steht ihr doch mit leeren Händen da. Ihr seid bereit zu morden – oder, wie wir auch übersetzen können – ihr seid bereit, über Leichen zu gehen.
Damit will er nicht sagen, dass sie sich gegenseitig in der Gemeinde umgebracht haben – so schlimm war es dann doch nicht. Aber er greift hier Jesu Worte auf. Jesus hat gesagt: Wer seinen Bruder zürnt, der tötet ihn. Oder denken wir an den ersten Johannesbrief, Kapitel 3, Vers 15: Wer seinen Bruder hasst, der ist ein Mörder.
Ihr seid erfüllt von Neid und Eifersucht, ihr seid dreist. Ja, ihr versucht sogar, mit Gewalt eure Gier zu stillen. Trotzdem kommt ihr nicht ans Ziel.
Warum nicht? Jakobus nennt zwei Gründe. Der erste: Ihr wendet euch nicht an Gott. Ihr lebt einfach an Gott vorbei, zieht euer eigenes Ding durch und lasst euch von euren eigenen Begehren steuern.
Selbst wenn ihr euch an Gott wendet, bittet ihr Gott darum, eure selbstsüchtigen Wünsche zu erfüllen. In einigen Wochen werden wir in Kapitel 5 einen Text lesen, in dem Jakobus sagt: Das Gebet eines Menschen, der sich nach dem Willen Gottes richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande.
Hier aber sagt er: Eure Gebete werden nicht erhört. Warum? Weil ihr nicht nach dem Willen des Herrn bittet, sondern eure Gebete an eure eigenen Gelüste richtet.
Man merkt, Jakobus ist nicht schmeichelhaft. Er tritt anders auf als manche humanistischen Ratgeber, die sagen: Finde zu dir selbst, höre auf dein Herz, folge deinem Herzen.
Jakobus sagt: Moment mal, das Problem ist, dass ihr eurem Herzen folgt. Denn in eurem Herzen gibt es selbstsüchtige Kräfte. In deinem Herzen gibt es Stimmen, die rufen: Ich, ich, ich!
Diese Selbstbezogenheit ist der Grund dafür, dass ihr Streit habt. Ihr verletzt Gott, benutzt und missbraucht ihn, um eure eigenen selbstsüchtigen Ziele zu erreichen.
Bundestreue statt Freundschaft mit der Welt
Und wohin das führt, beschreibt er im nächsten Abschnitt. Es geht um die Verse 4 bis 10, die ich überschrieben habe mit: Benehmt euch nicht wie Bundesbrecher.
Die Verse 4 bis 10 sprechen prophetisch in das Leben der Gemeinde hinein. Jakobus tritt hier als ein knallharter Prophet auf. Er verschont die Leute nicht, denen er etwas zu sagen hat. Aber was machen Propheten? Propheten decken nicht nur den Unglauben oder die Ungerechtigkeit auf, sie zeigen auch, woher die Hilfe kommt. Und genau das macht er hier. Das müssen wir uns genauer anschauen.
Es fängt damit an, dass er seine Leser als Abtrünnige, als Treulose anspricht. Das Wort bezeichnet eigentlich die Ehebrecherin. Jakobus sagt: Eure Liebe gehört nicht Gott, ihr benehmt euch wie eine Ehebrecherin.
Im Alten Testament wird das Bild vom Volk Gottes als die Braut des Herrn mehrfach gebraucht, zum Beispiel in Jesaja 54 oder Jeremia 2. Genau so beschreibt das Neue Testament die Gemeinde als die Braut Christi.
So will uns dieser Vers sagen: Ihr seid die Braut Christi, aber ihr benehmt euch wie eine Ehebrecherin. Ihr brecht den Bund mit eurem Bräutigam.
Jakobus unterstreicht das, indem er die Begriffe Freundschaft und Feindschaft einführt: „Freundschaft mit der Welt ist Feindschaft mit Gott“, sagt er. Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.
Welt meint hier selbstverständlich die Welt im ethischen Sinn. Es geht nicht um die gute Schöpfung Gottes, in der wir leben und die wir genießen können, in der wir uns wohlfühlen dürfen. Sondern es geht um die vom Abfall gezeichnete Gesellschaft, in die wir als Gemeinde hineingesandt sind.
Er sagt: Ihr liebt diese Gesellschaft mehr als Gott, euren Herrn. Und er ruft der Gemeinde zu: Ihr flirtet mit der Welt! Die Freundschaft mit ihr ist euch wichtiger als der Bund mit eurem Erlöser und Bräutigam.
Ihr benehmt euch wie Ehebrecher, die ihre Erfüllung in ausserehelichen Beziehungen suchen. Ihr macht euch eins mit den Zielen der Welt, die unter dem Gericht Gottes steht.
Das geht nicht. Das hat Jesus schon gesagt: Niemand kann zwei Herren dienen.
Das Bild vom gespaltenen Leben
Bevor wir den Text weiter betrachten, möchte ich eine kleine Anekdote aus meiner eigenen Kindheit erzählen. Wie viele von euch wissen, bin ich in der Sächsischen Schweiz geboren. Nun kommt ein schönes Bild vom Kurort Rathen, der nicht weit entfernt von dem Ort liegt, an dem ich gelebt habe.
Dort gibt es einen kleinen See, der heißt Amselsee. Wer von euch war denn schon einmal in Rathen in der Sächsischen Schweiz? Einige von euch, das weiß ich genau. Es ist eine sehr schöne Gegend. In der Sächsischen Schweiz gibt es nicht so viele Seen wie hier im Raum München.
Wenn wir mal mit dem Boot paddeln wollten, sind wir zum Beispiel mit dem Klassenausflug an den Amselsee gefahren. Sehr oft sind wir irgendwo in der Sächsischen Schweiz wandern gegangen und haben dann noch den Amselsee besucht. Das haben wir immer sehr genossen. Dort konnten wir Boote ausleihen und ein bisschen herum paddeln.
Natürlich hatten wir auch Spaß daran, die anderen Leute in den anderen Booten nass zu machen. Besonders die Mädchen haben wir gerne mit dem Paddel bespritzt, woraufhin sie geschrien haben. Manchmal sind wir auch von einem Boot ins andere gestiegen. Wenn du mit beiden Beinen jeweils in einem anderen Boot stehst, ist das ein kritischer Moment. Wenn du da nicht aufpasst, kannst du wirklich ins Wasser fallen.
Genau das möchte Jakobus hier sagen: Du kannst nicht Gott und der Welt gleichzeitig mit den gleichen Prioritäten dienen. Es zerreißt dich innerlich, und du führst ein gespaltenes Leben.
Gottes Eifer für sein Volk verstehen
Und jetzt werden wir uns den Vers 5 anschauen, und das wird gar nicht so einfach. Ich bereite euch schon mal darauf vor. Also, wenn ihr eine Bibel dabei habt, dann schlagt sie spätestens jetzt auf, ihr werdet sie brauchen. Der Vers macht es uns nämlich alles andere als einfach.
Einer der zurzeit renommiertesten Bibelausleger, den es überhaupt in der Welt gibt, sagt, dass dies einer der schwierigsten Verse des Neuen Testaments ist. Worum geht es? Es gibt hier viele Fragen. Wer ist der Handelnde in diesem Vers 5 – Gott oder der Geist? Um welchen Geist handelt es sich? Um den Lebensgeist, den der Schöpfer uns eingegeben hat, oder um den Heiligen Geist? Und was ist das für eine Schrift, die Jakobus dort zitiert? Er sagt ja: „Die Schrift sagt...“, doch das, was er dann angibt, finden wir im Alten Testament nicht.
Wenn wir mal Luther 1984 mit der Luther-Übersetzung von 2017 vergleichen, erkennen wir, wie groß der Unterschied der Übersetzungen sein kann. Luther 1984 sagt: „Oder meint ihr, die Schrift sagt umsonst, mit Eifer wacht Gott über den Geist, den er hat in uns wohnen lassen?“
Und Luther 2017 sagt: „Oder meint ihr, die Schrift sage umsonst, der Geist, den er hat in uns wohnen lassen, drängt nach Neid?“ Erkennt ihr den Unterschied? Das passt irgendwie gar nicht zusammen. Bei Luther 1984 ist Gott der Handelnde, und er wacht über den Geist im Menschen. Bei Luther 2017 ist der Geist des Menschen der Handelnde, und er treibt den Geist zum Neid. Das passt nicht zusammen.
Das ist wirklich nicht einfach. Ich kann euch sagen, ich habe fast einen ganzen Tag mit diesem Vers verbracht, und ich bin nicht an dem Punkt, wo ich sagen kann, dass das, was ich euch jetzt sage, hundertprozentig richtig ist. Also bleibt eine gewisse Unsicherheit.
Ich will euch die Details ersparen, aber ich werde euch jetzt eine Auflösung anbieten. Die Schwächen dieser Auflösung verschweige ich euch nicht – die gibt es auch. Ich sehe das so:
Der Vers 4 schildert den geistlichen Ehebruch, den die Leser oder einige Leser des Jakobusbriefes begehen. Sie folgen der Welt und nicht dem Bräutigam, das macht Jakobus ihnen klar. Und Vers 5 sagt uns nun, dass Gott mit Eifersucht auf sein Volk schaut. Er will ja, dass sein Volk ganz ihm gehört.
Welcher Geist ist gemeint? Es ist wahrscheinlich der Lebensgeist, den jeder von uns Menschen empfangen hat, denn Jakobus spricht an keiner anderen Stelle vom Heiligen Geist. Gemeint ist also, dass der ganze Mensch sich auf Gott ausrichten soll. Die Eifersucht ist in diesem Fall keine böse Eifersucht, sondern Gottes Eifer für sein Volk.
Und jetzt sind wir auch in der Lage zu verstehen, was er meint, wenn er sagt: „Die Schrift spricht ja.“ Es ist kein wörtliches Zitat, sondern Jakobus, so vermute ich, hat die Bibeltexte im Sinn, die vom Eifer Gottes für sein Volk sprechen.
2. Mose 20,5 sagt uns: Gott eifert, Gott ist ein eifernder Gott, „lebt nicht für andere Götter“. Oder Sacharja 8,2 sagt, dass Gott mit großem Eifer für sein Volk eifert.
Wir können uns also an Luther 1984 halten. Ich finde, noch verständlicher übersetzt das die neue Genfer Übersetzung. Deswegen möchte ich das noch mal vorlesen, es steht jetzt auch an der Folie:
„Oder meint ihr, die Schrift sagt ohne Grund, mit leidenschaftlichem Eifer sehnt sich Gott danach, dass der Geist, den er in uns Menschen eingepflanzt hat, ihm allein ergeben ist?“
Ich hoffe, jetzt wird es klarer, was dieser Text sagt: Gott sehnt sich danach, dass wir ganz für ihn leben. Gott will, dass du ganz für ihn da bist.
Gottes Gnade als Rettung und Kraftquelle
Aber wie soll das gehen? Der Psychologe Jakobus hat uns eben damit konfrontiert, dass es in uns Leidenschaften und Begehren gibt, die miteinander streiten und uns davon abhalten, das zu tun, was Gott will. Wenn wir nur die Verse 4 bis 5 hätten, dann wären wir schlecht dran und könnten verzweifeln.
Die Antwort gibt uns Vers 6: Die Rettung kommt von oben. Gott ist ein verzehrendes Feuer, und er kann den geistlichen Ehebruch nicht tolerieren. Aber Gott ist auch barmherzig und geduldig. Er ist gnädig, liebt uns und schenkt uns selbst das, was wir brauchen, um vor ihm aufrichtig zu leben und ein treuer Bundespartner zu sein.
Es gibt einen Text in einem anderen neutestamentlichen Brief, den ich zitieren möchte, der sehr schön zum Ausdruck bringt, wie die Gnade Gottes uns verlorene Menschen erreicht und wie die Gnade Gottes das Unmögliche möglich macht. Im 1. Johannes 4,9 heißt es: Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist Liebe. Und Gottes Liebe zu uns ist sichtbar geworden, indem Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns durch ihn das Leben zu geben.
Das ist das Fundament der Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn als Sühneopfer für unsere Sünden gegeben hat. Wenn du heute hier bist, weil du Gott suchst, dann ist dieser Vers für dich. Wir können Gott nicht aus uns selbst heraus lieben. Gott muss, wie Jakobus im Kapitel 1, Vers 17 sagt, durch die Botschaft der Wahrheit neues Leben in uns hervorbringen. Und er tut das durch seinen Sohn Jesus Christus.
Glaubst du das? Glaubst du, dass Jesus auch für dich gestorben ist und dir neues Leben schenken möchte? Glaubst du, dass sein Sühneopfer ausreicht, um dich mit Gott, dem Vater, zu versöhnen? Wenn du da noch offene Fragen hast, dann sprich uns an. Wir reden sehr gerne mit dir darüber, auch heute noch.
Die Gnade, die in Vers 6 erwähnt wird, ist aber nicht nur die Gnade des neuen Anfangs. Es geht hier auch um etwas anderes, nämlich um die Kraft, die wir täglich brauchen, um nach dem Willen Gottes zu leben. Er selbst befähigt uns, auf diese Gnade angemessen zu antworten – durch unseren Glauben.
Deshalb zitiert Jakobus auch Sprüche 3,34: Gott widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade. Gottes Gnade zeigt ihre Kraft an denen, die demütig sind. Demütig sind in diesem Zusammenhang diejenigen, die sich auf Gott verlassen, die zugeben, dass ihre Kräfte nicht ausreichen, und die Gott um Hilfe bitten, weil sie wissen, dass Gott gern hilft.
Die Verse 7 bis 10 enthalten eine Reihe von Aufgaben und Handlungsanweisungen, die sozusagen eingerahmt sind durch Vers 6, durch diese Gnadenklammer. Wir können uns diese Demut als Klammer vorstellen. Nun gibt es einige Dinge, die wir nicht tun sollen, und andere, die wir tun sollen.
Zunächst einmal finden wir einen Aufruf zum aktiven Widerstand. Wir sollen uns dem Teufel widersetzen, denn so sagt Jakobus, ist der Teufel ein Durcheinanderbringer – so kann man das übersetzen – ein Ankläger. Sein Hauptziel besteht darin, uns von Gott wegzuführen. Er will uns davon abhalten, unter der Herrschaft von Jesus Christus zu leben. Er möchte uns für seine Ziele einspannen.
Da sagt Jakobus: Nein, widersteht, macht da nicht mit, hört nicht auf die listigen Versprechungen des Teufels. Interessanterweise ist Jakobus ganz zuversichtlich: Der Christ, der mit Jesus verbunden ist, muss keine Angst mehr vor dem Teufel haben. Er lebt unter den Flügeln seines Siegers.
Ja, ich weiß, Christen werden manchmal schwer angefochten, böse angefochten, und einige von euch kennen das, die haben das erlebt. Aber wir haben Schutz. Wir finden Schutz unter den Flügeln unseres Schöpfers. Wir können den Satan zum Weichen bringen – nicht durch eigene Klugheit oder Kraft, sondern durch die Nähe zu Gott, durch das Sein bei Gott.
Deswegen heißt der nächste Befehl: Naht euch zu Gott! Hier steht Hosea 12,6 im Hintergrund, meine ich: Kehre um zu deinem Gott, halte fest an Liebe und Recht und hoffe stets auf deinen Gott.
Dazu passt, dass er uns auffordert, unsere Hände zu reinigen und unsere Herzen zu reinigen. Wankelmütige und Zweifler sind diejenigen, die zwei Seelen in einer Brust haben; das sind die, die mit einem Bein jeweils in einem anderen Boot stehen. So ein doppelsinniges Leben geht nicht lange gut, es kostet Kraft.
Ich kenne Leute, die haben über Jahre mit einem Bein in einem anderen Boot gestanden. Das kostet Kraft, diese Menschen. Diese Freunde sind müde gewesen. Ihr Lieben, das ist eine ernste Sache. Wenn du gerade in diesem Zwischenraum lebst, dann verletzt du die Liebe Gottes.
Und wie ernst das ist, beschreiben uns die Verse 9 bis 10. Da sagt Jakobus: Klagt, trauert und weint! Euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit. Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen.
Echte Umkehr geht durch Mark und Bein. Das ist keine lockere Sache, das ist nichts Lustiges. Als ich noch Schüler war – ich weiß nicht, welche Klasse, vielleicht siebte oder achte – da habe ich meinen Mut bewiesen vor meinen Freunden und gesagt: Wisst ihr, was ich jetzt mache? Ich gehe jetzt in diesen Buchladen und komme mit einem Buch aus dem Laden, das habe ich nicht bezahlt.
Da bin ich reingegangen ins Geschäft, habe den Verkäufer angelächelt, habe nebenbei so ein Buch geklaut und bin ganz stolz wieder rausgegangen aus dem Geschäft. Ich habe von meinen Freunden geprahlt: Schaut mal, wie toll ich das gemacht habe!
Mit 17 bin ich Christ geworden, und das Buch stand acht Jahre bei mir im Regal. Jedes Mal, wenn mich das Buch so anguckte, hatte ich ein ganz komisches Gefühl. Acht Jahre, nachdem ich das Buch geklaut hatte, stand ich wieder vor dem Geschäft. Ich ging rein mit dem Buch in der Hand, und der gleiche Verkäufer stand im Laden und guckte mich an.
Ja, was meint ihr, wie mir zumute war? Meint ihr, ich habe da gelacht und gesagt: Ja, vor acht Jahren, das war mir wahnsinnig peinlich? Ich war erfüllt von Scham. Acht Jahre später komme ich damit ins Buch, der wusste gar nichts mehr damit anzufangen, die Buchhaltung war längst abgeschlossen. Und ich erklärte ihm: Ich habe dieses Buch hier vor acht Jahren geklaut, ich schäme mich dafür, ich will das zurückgeben.
Das ist keine lockere Sache. Das war nur ein Buch, das Buch war gar nicht so viel wert, und das war nur ein Buchverkäufer. Jetzt stellt euch mal vor, es geht um den lebendigen, heiligen Gott, und wir kommen mit unseren Vergehungen vor diesen Gott. Meint ihr, da ist es richtig, ein Lachen auf dem Gesicht zu haben?
Damit kommen wir zum letzten Punkt: Haltet nicht Gericht über eure Brüder und Schwestern. Ich möchte den Text jetzt nicht lesen aus Zeitgründen, ihr habt ihn ja schon gehört: Verleumdet einander nicht und so weiter. Wir wollen uns das anschauen.
Jakobus verbietet der Gemeinde, Böse übereinander zu reden. Gemeint ist die üble Nachrede, das Verleumden, also etwas über andere zu sagen, was nicht stimmt. Dann sagt er, ein Christ soll auch den Bruder oder die Schwester nicht richten. Wir sollen sie weder in Gedanken noch in Worten verurteilen.
Denn wenn wir das tun, verurteilen wir Gottes heiliges Gesetz und damit Gott selbst. Wir rauben Gott die Autorität. Wie ist das jetzt zu verstehen? Wenn ein Christ die Position des Anklägers oder Richters einnimmt, dann maßt er sich eine Stellung an, die ihm einfach nicht zusteht.
Dann handelt er nicht nach dem Gesetz, sondern gegen das Gesetz, denn das Gesetz verbietet es dem Menschen. Aber wir müssen hier aufpassen, denn es gibt Christen, die von diesem Text oder auch von Matthäus 7 oder Römer 14 ableiten, dass Christen überhaupt nicht urteilen sollen über andere.
Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi hat diese Texte herangezogen, um zu fordern, dass wir alle Gerichte abschaffen, also keine Gerichtsbarkeit mehr in dieser Welt. Einige hier im Raum wären dann wahrscheinlich arbeitslos. Das ist hier nicht gemeint.
Es ist auch nicht gemeint, dass wir nicht über Menschen reden dürfen, die nicht gegenwärtig sind, die nicht dabei sind. Das ist hier auch nicht gemeint. Dann dürften Eltern nicht über ihre Kinder reden, Lehrer nicht über ihre Schüler, Pastoren nicht über Gemeindemitglieder.
Es kann auch nicht gemeint sein, dass wir uns kein eigenes Urteil bilden zu irgendwelchen Sachen. Denn es gibt einen robusten biblischen Auftrag, sich Urteile zu bilden, zum Beispiel Prophetien zu beurteilen. Oder Jesus fordert seine Jünger auf, nach den Zeichen der Zeit die Welt zu richten, also die Welt zu beurteilen.
Paulus ruft im 1. Korinther 5 sogar dazu auf, die Menschen in der Gemeinde zu richten. Er sagt: Richtet nicht die da draußen, das geht euch alles nichts an, richtet die in der Gemeinde.
Was also meint Jakobus? Ich halte mich kurz, wir sind gleich fertig: Erstens, wir sollen Geschwister nicht verleumden, also Böses und Unwahres über sie sagen. Wenn wir das machen, machen wir uns eins mit dem Teufel, der ist nämlich ein Verleumder, der Unwahrheiten verbreitet.
Zweitens, wir sollen nicht wie Sündenpolizisten herumlaufen, die andere Christen ständig daraufhin abscannen, welche Vergehen sie begangen haben. Wir suchen nicht die Splitter im Auge des Bruders, sondern den Balken im eigenen Auge.
Ein pharisäischer Richtgeist ist der Versuch, besser dazustehen als der Bruder. Das ist letztlich Hochmut, und so verstehen wir, warum die Demut so wichtig ist.
Der Maßstab, nach dem wir urteilen, ist drittens immer das, was Gott in seinem Wort offenbart. Wenn wir dieses Wort ernst nehmen, dann sind wir Täter des Wortes, wir fügen diesem Wort also nichts hinzu und nehmen auch nichts hinweg.
Und schließlich, ja, wir müssen manchmal einen Bruder oder eine Schwester mit Sünde konfrontieren. Das wird schon im Alten Testament sehr deutlich aufgezeigt, zum Beispiel in 3. Mose 19. Ihr könnt das mal zuhause studieren.
Es gibt Situationen, da machen wir uns schuldig, wenn wir Dinge nicht ansprechen. Aber wie sprechen wir die Dinge an? Wir sprechen sie aus Glauben an, mit einer demütigen, fürsorglichen Haltung. Hochmut produziert böses Richten.
Das gute Richten, das gute Urteilen kommt aus der Verbundenheit mit Jesus. Es will keine Entzweihung, sondern es sucht nach Lösungen, nach Versöhnung, nach Heilung.
Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt, dass der Richtgeist dort einzieht, wo wir den Vergleich mit dem anderen suchen und uns selber groß machen, indem wir den anderen klein machen. Der Richtgeist zieht dort ein, wo wir danach fragen, wer der Größte unter uns ist.
Wörtlich sagt er: Es ist der Kampf des natürlichen Menschen um Selbstrechtfertigung. Er findet sie nur am Vergleich mit dem anderen, am Urteil, am Gericht über den anderen. Selbstrechtfertigung und Richten gehören zusammen, wie Rechtfertigung aus Gnade und Demut zusammengehören.
Jetzt merken wir, wie wichtig das ist, was Paulus geschrieben hat: Ich bin der Größte unter den Sündern. Ich glaube ja, dass Paulus sich geirrt hat an dieser Stelle. Also ich würde sagen, Paulus hat immer Recht, an dieser Stelle hat er sich geirrt.
Warum hat er sich geirrt? Er kannte mich noch nicht. Wenn er mich gekannt hätte, dann wüsste er, der Ron, der ist der Größte unter den Sündern.
Und so: Paulus, du und ich, wir leben von der Gnade Gottes. Wir wissen, wir haben versagt, wir wissen, wir haben Mist gebaut, aber wir vertrauen auf das Evangelium, das uns von unseren Sünden freigesprochen hat.
Und so sind wir jetzt nicht nur Sünder vor Gott, sondern wir sind Heilige, die darauf warten, einen neuen Leib zu bekommen, einen unvergänglichen Leib, der dann nicht mehr von der Sünde gezeichnet sein wird.
Da, wo Christen zusammenleben, gibt es Konflikte. Es ist nicht die Frage, ob es sie gibt, sondern wie wir darauf reagieren. Jakobus zeigt uns, wie wichtig es ist, Gott zu erlauben, in unser eigenes Herz hineinzuschauen.
Unser eigenes Herz soll nicht die letzte Norm sein, um uns selbst und andere zu beurteilen. Wir sollen unser Herz für Gottes Zuspruch und Anspruch öffnen.
Überlege mal: Jesus war sinnlos und sogar er betete nicht: Mein Wille geschehe, sondern: Dein Wille, der Wille des himmlischen Vaters. Ahnen wir, wie wichtig das ist, dass wir sagen: Dein Wille geschehe?
Beten wir: Oh Gott, auf welche Weise trägt mein Herz zu dem Konflikt bei, in dem ich gerade stehe? In welchem Sinn ist mein Ärger, mein Stolz, meine Abwehrhaltung dafür mitverantwortlich?
Und wenn der Geist Sünde in unserem Herzen offenbart, dann kehren wir um, dann bekennen wir, dann lassen wir uns auch Vergebung und Gnade zusprechen.
Einige Ausdrücke, die Jakobus gebraucht hat, passen nicht so in die evangelikale Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Sie klingen für uns fremd: Seid unglücklich, trauert und weint, euer Lachen soll sich verwandeln in Trübsal und so weiter.
Das ist nicht die Sprache, die wir sprechen. Aber ich möchte trotzdem mal so einfach in den Raum stellen: Vielleicht deckt ja Jakobus eine gewisse Oberflächlichkeit auf, die sich bei uns eingeschlichen hat.
Beziehungskonflikte manifestieren sich oft in verurteilenden Haltungen und verletzenden Worten. Es ist passend, dass Jakobus am Schluss den Richtgeist thematisiert.
Gott allein ist der Richter, und wir sollen vorsichtig sein, andere ins Gericht zu nehmen. Paulus sagt das so: Geliebte, rächt euch nicht selbst, sondern überlasst es dem Zorn Gottes, denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.
Eingestiegen sind wir mit der Frage: Sind wir Christen jetzt noch Sünder? Unser Text hat uns als Sünder angesprochen und machte ganz klar: Es ist eine Gemeindesituation. Reinigt eure Hände, ihr Sünder, Vers 8.
Tatsächlich ist die sündhafte Natur noch da, aber wir sind eben auch Kinder Gottes. Luther sprach davon, wir sind beides: Wir sind Gerechte und Sünder.
In uns selbst sind wir Sünder, aber in der Verbindung mit Jesus Christus sind wir Heilige, Königskinder, Auserwählte, die dafür da sind für das neue Leben, das auf uns wartet in der Ewigkeit.
In der Verbindung mit Christus bist du ein Heiliger. Die Verbundenheit mit Christus ist für dich das Geheimnis des geistlichen Lebens. Aus der Gemeinschaft mit Jesus strömt die geistliche Kraft, ohne die wir nicht nach seinem Willen leben können.
Ich wünsche uns allen, dass wir Jesus vertrauen und von ihm so erfüllt sind, dass wir seinen Willen gern tun. Amen!
Himmlischer Vater, wir danken dir für dein Wort und dass dein Wort tröstet und manchmal auch sehr deutlich ist und Dinge in unseren Herzen aufdeckt, die nicht in Ordnung sind.
Herr, hilf uns durch deinen Geist, die Diagnose, die Jakobus über unser inneres Wesen stellt, nicht wegzureden oder wegzudiskutieren, sondern dass wir wirklich erlauben, dass du an unserem Herzen arbeitest.
Schenke uns die Kraft, die wir brauchen, um nach deinem Willen zu leben. Lass uns diese Kraft wirklich in unserer Verbindung mit Jesus beziehen, dass wir ganz fest am Weinstock bleiben und von daher die geistliche Kraft haben, die wir benötigen.
Danke dafür. Amen.
Persönliche Erfahrung mit Schuld und Umkehr
Als ich noch Schüler war – ich weiß nicht mehr genau, welche Klasse, vielleicht siebte oder achte – habe ich meinen Mut vor meinen Freunden bewiesen. Ich sagte: „Wisst ihr, was ich jetzt mache? Ich gehe in diesen Buchladen und komme mit einem Buch heraus, das ich nicht bezahlt habe.“
Dann bin ich in das Geschäft gegangen, habe den Verkäufer angelächelt, nebenbei ein Buch eingesteckt und bin ganz stolz wieder herausgegangen. Vor meinen Freunden prahlte ich: „Schaut mal, wie toll ich das gemacht habe!“
Mit 17 Jahren bin ich Christ geworden. Das Buch stand acht Jahre lang in meinem Regal. Jedes Mal, wenn mich das Buch ansah, hatte ich ein ganz merkwürdiges Gefühl.
Acht Jahre nachdem ich das Buch gestohlen hatte, stand ich wieder vor dem Geschäft. Ich ging hinein, das Buch in der Hand. Der gleiche Verkäufer war noch da und schaute mich an. Ja, was meint ihr, wie mir zumute war? Meint ihr, ich habe gelacht und gesagt: „Ja, vor acht Jahren, das war mir wahnsinnig peinlich“? Nein, ich war erfüllt von Scham.
Acht Jahre später kam ich mit dem Buch zurück. Der Verkäufer wusste gar nicht mehr, was er damit anfangen sollte. Die Buchhaltung war längst abgeschlossen. Ich erklärte ihm: „Ich habe dieses Buch hier vor acht Jahren gestohlen. Ich schäme mich dafür und möchte es zurückgeben.“
Das ist keine lockere Sache gewesen. Es war nur ein Buch, das gar nicht viel wert war, und es war nur ein Buchverkäufer.
Jetzt stellt euch mal vor: Es geht nicht um ein Buch, sondern um den lebendigen, heiligen Gott. Und wir kommen mit unseren Vergehen vor diesen Gott. Meint ihr, es ist richtig, dann ein Lachen im Gesicht zu haben?
Warnung vor Verleumdung und falschem Richten
Und damit kommen wir zum letzten Punkt: Haltet nicht Gericht über eure Brüder und Schwestern.
Ich möchte den Text jetzt aus Zeitgründen nicht vorlesen, ihr habt ihn ja schon gehört: Verleumdet einander nicht, und so weiter. Wir wollen uns das näher anschauen. Jakobus verbietet der Gemeinde, böse übereinander zu reden. Gemeint ist die üble Nachrede, das Verleumden, also Dinge über andere zu sagen, die nicht stimmen.
Dann sagt er, ein Christ soll auch den Bruder oder die Schwester nicht richten. Wir sollen sie weder in Gedanken noch in Worten verurteilen. Denn wenn wir das tun, verurteilen wir Gottes heiliges Gesetz und damit Gott selbst. Wir rauben Gott die Autorität.
Wie ist das jetzt zu verstehen? Wenn ein Christ die Position des Anklägers oder Richters einnimmt, dann maßt er sich eine Stellung an, die ihm nicht zusteht. Er handelt dann nicht nach dem Gesetz, sondern gegen das Gesetz, denn das Gesetz verbietet es dem Menschen.
Aber wir müssen hier aufpassen. Es gibt Christen, die aus diesem Text oder auch aus Matthäus 7 oder Römer 14 ableiten, dass Christen überhaupt nicht urteilen sollen über andere. Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi hat diese Texte herangezogen, um zu fordern, dass wir alle Gerichte abschaffen, also keine Gerichtsbarkeit mehr in dieser Welt. Einige hier im Raum wären dann wahrscheinlich arbeitslos.
Das ist hier aber nicht gemeint. Es ist auch nicht gemeint, dass wir nicht über Menschen reden dürfen, die nicht anwesend sind. Sonst dürften Eltern nicht über ihre Kinder reden, Lehrer nicht über ihre Schüler, Pastoren nicht über Gemeindemitglieder.
Es kann auch nicht gemeint sein, dass wir uns kein eigenes Urteil bilden dürfen. Denn es gibt einen klaren biblischen Auftrag, Urteile zu fällen – zum Beispiel Prophetien zu beurteilen. Jesus fordert seine Jünger auf, nach den Zeichen der Zeit die Welt zu richten, also die Welt zu beurteilen. Paulus ruft im 1. Korinther 5 sogar dazu auf, die Menschen in der Gemeinde zu richten. Er sagt: Richtet nicht die da draußen, das geht euch nichts an, richtet die in der Gemeinde.
Was also meint dieser Text? Ich halte mich kurz, wir sind gleich fertig:
Erstens: Wir sollen Geschwister nicht verleumden, also nichts Böses und Unwahres über sie sagen. Wenn wir das tun, machen wir uns eins mit dem Teufel, der ein Verleumder ist und Unwahrheiten verbreitet.
Zweitens: Wir sollen nicht wie Sündenpolizisten herumlaufen, die andere Christen ständig daraufhin abscannen, welche Vergehen sie begangen haben. Wir suchen nicht den Splitter im Auge des Bruders, sondern den Balken im eigenen Auge. Ein pharisäischer Richtgeist ist der Versuch, besser dazustehen als der Bruder. Das ist letztlich Hochmut. So verstehen wir, warum die Demut so wichtig ist.
Der Maßstab, nach dem wir urteilen, ist drittens immer das, was Gott in seinem Wort offenbart. Wenn wir dieses Wort ernst nehmen, dann sind wir Täter des Wortes. Wir fügen diesem Wort also nichts hinzu und nehmen auch nichts davon weg.
Und schließlich: Ja, wir müssen manchmal einen Bruder oder eine Schwester mit Sünde konfrontieren. Das wird schon im Alten Testament sehr deutlich gezeigt, zum Beispiel in 3. Mose 19. Ihr könnt das mal zuhause studieren. Es gibt Situationen, in denen wir uns schuldig machen, wenn wir Dinge nicht ansprechen.
Aber wie sprechen wir die Dinge an? Wir sprechen sie aus Glauben an, mit einer demütigen und fürsorglichen Haltung. Hochmut produziert böses Richten.
Das gute Richten, das gute Urteilen kommt aus der Verbundenheit mit Jesus. Es will keine Entzweihung, sondern sucht nach Lösungen, Versöhnung und Heilung.
Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt, dass der Richtgeist dort einzieht, wo wir den Vergleich mit dem anderen suchen und uns selbst groß machen, indem wir den anderen klein machen. Der Richtgeist zieht dort ein, wo wir danach fragen, wer der Größte unter uns ist.
Wörtlich sagt er: "Es ist der Kampf des natürlichen Menschen um Selbstrechtfertigung. Er findet sie nur im Vergleich mit dem anderen, im Urteil, im Gericht über den anderen." Selbstrechtfertigung und Richten gehören zusammen, wie Rechtfertigung aus Gnade und Demut zusammengehören.
Leben in der Gnade trotz Sünde
Jetzt merken wir, wie wichtig das ist, was Paulus geschrieben hat: "Ich bin der Größte unter den Sündern."
Ich glaube ja, dass Paulus sich an dieser Stelle geirrt hat. Also, ich würde sagen, Paulus hat immer Recht, aber an dieser Stelle hat er sich geirrt. Warum? Er kannte mich noch nicht. Wenn er mich gekannt hätte, dann wüsste er: Der Ron ist der Größte unter den Sündern.
Und so, Paulus, du und ich – wir leben von der Gnade Gottes. Wir wissen, dass wir versagt haben, wir wissen, dass wir Mist gebaut haben. Aber wir vertrauen auf das Evangelium, das uns von unseren Sünden freigesprochen hat.
So sind wir jetzt nicht nur Sünder vor Gott, sondern auch Heilige, die darauf warten, einen neuen Leib zu bekommen. Einen unvergänglichen Leib, der dann nicht mehr gezeichnet sein wird von der Sünde.
Dort, wo Christen zusammenleben, gibt es Konflikte. Es ist nicht die Frage, ob es sie gibt, sondern wie wir darauf reagieren. Jakobus zeigt uns, wie wichtig es ist, Gott zu erlauben, in unser eigenes Herz hineinzuschauen.
Unser eigenes Herz soll nicht die letzte Norm sein, um uns selbst und andere zu beurteilen. Stattdessen sollen wir unser Herz für Gottes Zuspruch und Anspruch öffnen.
Überlege mal: Jesus war sinnlos und sogar er betete nicht "Mein Wille geschehe", sondern "Dein Wille, der Wille des himmlischen Vaters."
Ahnen wir, wie wichtig das ist, dass wir sagen: "Dein Wille geschehe"? Beten wir: "Oh Gott, auf welche Weise trägt mein Herz zu dem Konflikt bei, in dem ich gerade stehe? In welchem Sinn sind mein Ärger, mein Stolz, meine Abwehrhaltung dafür mitverantwortlich?"
Und wenn der Geist Sünde in unserem Herzen offenbart, dann kehren wir um. Dann bekennen wir. Dann lassen wir uns auch Vergebung und Gnade zusprechen.
Abschließende Gedanken zur Ernsthaftigkeit des Glaubenslebens
Einige Ausdrücke, die Jakobus verwendet, passen nicht so recht in die evangelikale Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Sie klingen für uns fremd: „Seid unglücklich, trauert und weint, euer Lachen soll sich verwandeln in Trübsal“ und so weiter. Das ist nicht die Sprache, die wir heute sprechen.
Dennoch möchte ich einfach mal in den Raum stellen, dass Jakobus vielleicht eine gewisse Oberflächlichkeit aufdeckt, die sich bei uns eingeschlichen hat. Beziehungskonflikte zeigen sich oft in verurteilenden Haltungen und verletzenden Worten. Es ist passend, dass Jakobus am Schluss den Geist des Richtens thematisiert.
Gott allein ist der Richter, und wir sollen vorsichtig sein, andere nicht zu verurteilen. Paulus sagt das so: „Rächt euch nicht selbst, sondern überlasst es dem Zorn Gottes, denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.“
Wir sind mit der Frage eingestiegen: Sind wir Christen jetzt noch Sünder? Unser Text spricht uns als Sünder an und macht ganz klar, dass es sich um eine Gemeindesituation handelt: „Reinigt eure Hände, ihr Sünder“ (Vers 8). Tatsächlich ist die sündhafte Natur noch da, aber wir sind eben auch Kinder Gottes.
Luther sagte dazu, wir sind beides: Wir sind Gerechte und Sünder. In uns selbst sind wir Sünder, aber in der Verbindung mit Jesus Christus sind wir Heilige, Königskinder, Auserwählte. Wir sind dazu bestimmt, das neue Leben zu führen, das uns in der Ewigkeit erwartet.
In der Verbindung mit Christus bist du ein Heiliger. Diese Verbundenheit mit Christus ist das Geheimnis des geistlichen Lebens. Aus der Gemeinschaft mit Jesus strömt die geistliche Kraft, ohne die wir nicht nach seinem Willen leben können.
Ich wünsche uns allen, dass wir Jesus vertrauen und von ihm so erfüllt sind, dass wir seinen Willen gern tun. Amen!
Himmlischer Vater, wir danken dir für dein Wort. Wir danken dir, dass dein Wort tröstet und manchmal auch sehr deutlich ist. Es deckt Dinge in unseren Herzen auf, die nicht in Ordnung sind. Herr, hilf uns durch deinen Geist, die Diagnose, die Jakobus über unser inneres Wesen stellt, nicht wegzureden oder wegzudiskutieren.
Sondern lass uns wirklich erlauben, dass du an unserem Herzen arbeitest. Schenke uns die Kraft, die wir brauchen, um nach deinem Willen zu leben. Lass uns diese Kraft in unserer Verbindung mit Jesus beziehen. Hilf uns, fest am Weinstock zu bleiben, damit die geistliche Kraft da ist, die wir benötigen.
Danke dafür. Amen.