Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 278: Warum kein Hörgerät – Teil zwei.
Rückblick und Fortsetzung eines provokanten Gedankens
Ein wenig habe ich das Gefühl, dass die letzte Episode zu sehr auf Jürgen fokussiert war. Sich in Übersetzungsspitzfindigkeiten zu verlieren – entschuldigt an alle, denen das zu viel war. Trotzdem möchte ich dem Gedanken, mit dem wir aufgehört haben, noch eine weitere Episode lang nachgehen.
Ich hatte recht provokant formuliert, dass es einen Punkt geben kann, an dem Gott mich nicht mehr gewinnen will, sondern mir dabei hilft, den Weg zu gehen, den ich selbst wählen möchte – auch wenn dieser Weg von ihm wegführt.
Ich weiß, dass diese Vorstellung vielen Christen seltsam vorkommt, weil wir Gott meist als einen Gott sehen, der bis zum letzten Moment versucht, jeden Menschen zu retten – egal wie aussichtslos dieses Unterfangen auch sein mag.
Um das gleich zu Beginn klarzustellen: Gott lässt keinen fallen, für den es noch Hoffnung gibt. Wo sich auch nur ein Funke Glauben findet, wird Gott diesen nutzen. Der Messias ist der, der den glimmenden Docht nicht auslöschen wird.
Gerade den Schwachen gilt sein Hauptaugenmerk. Niemand geht verloren, weil Gott ihn nicht will.
Die schwierige Seite der göttlichen Erwählung im Gleichnis
Und doch gibt es eine andere Seite, die uns Jesus im Zusammenhang mit dem Sämannsgleichnis zeigt. Eine Seite, die sich folgendermaßen anhört: Jesus sagt, Gleichnisse sind dazu da, „damit sie sehend sehen und nicht wahrnehmen, und hörend hören und nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben wird“ (Markus 4,12).
Auch wenn Markus uns nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich hierbei um ein bekanntes Zitat aus Jesaja handelt, wissen wir das natürlich. Jesaja wird zu einem Volk gesandt, das nicht mehr viel mit seinem Gott zu tun haben will. Dort heißt es: „Damit es mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört, und sein Herz nicht einsichtig wird, und es nicht umkehrt und Heilung für sich findet“ (Jesaja 6,10).
Wenn ihr die beiden Zitate aus Markus 4 und Jesaja 6 miteinander vergleicht, werdet ihr die Ähnlichkeit deutlich erkennen.
Zwei Konzepte in der göttlichen Botschaft
Wir greifen nun kurz auf das Wissen aus der letzten Episode zurück. Matthäus zitiert Jesaja 6 nach der Septuaginta. Markus hingegen zitiert nach dem masoretischen Text.
Ich hatte gestern bereits gesagt, dass in der Aufforderung, die Jesaja als Prophet an ein ungläubiges und unbussfertiges Volk richtet, zwei Konzepte mitschwingen. Diese beiden Konzepte darf man nicht trennen.
Einerseits ist da die Tatsache, dass das Volk seine Augen verschlossen hat, noch bevor der Prophet mit dem Predigen überhaupt beginnt. Matthäus weist mit dem Septuagintertext darauf hin.
Andererseits gibt es die Tatsache, dass Jesus als Prophet, der zu einem ungläubigen und unbussfertigen Volk predigt, die Gläubigen sammeln will. Er will nicht nur eine Welle emotionaler Begeisterung lostreten.
Wenn Jesus also in Gleichnissen spricht, um die Interessierten von den Nichtinteressierten zu trennen, dann sorgt er ganz im Sinn von Jesaja – und wir schauen uns jetzt wieder den masoretischen Text in der Übertragung bei Markus an, Markus 4,12 – dafür, dass „sie sehend sehen und nicht wahrnehmen und hörend hören und nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben wird.“
Auch wenn uns das nicht passt, ist das eine logische Konsequenz. Natürlich ist diese Konsequenz dem Volk selbst zuzuschreiben. Das macht sie aber nicht weniger real und nicht weniger furchtbar.
Die Frage nach Gottes Geduld und das Beispiel des Pharao
Die Frage lautet: Muss Gott den Menschen nicht bis ans Ende nachgehen? Die Antwort darauf lässt sich gut am Umgang Gottes mit dem Pharao ablesen.
Am Ende der fünften Plage heißt es noch, dass das Herz des Pharao verstockt blieb. Am Ende der sechsten Plage lesen wir jedoch plötzlich, dass der Herr das Herz des Pharao verstockte.
Mit „verstocken“ ist gemeint, dass Gott dem Pharao gegen alle Vernunft die Kraft gibt, an seinem Nein festzuhalten: „Nein, ich lasse dein Volk Israel nicht ziehen.“ Gott zwingt ihm dieses Nein nicht auf. Das Nein kommt aus dem Herzen des Pharao.
Aber nun hilft Gott ihm, im Angesicht gewaltiger nationaler Katastrophen wieder alle Vernunft zu überwinden und am Nein festzuhalten. Gott gibt ihm die Kraft, seinen bösen Weg zu Ende zu gehen. Er hätte den Pharao vernichten können, doch das tut er nicht. Stattdessen verwendet Gott ihn ganz bewusst als ein abschreckendes Beispiel.
Gottes Nachgehen – eine differenzierte Sicht
Die Frage war: Muss Gott den Menschen nicht bis ans Ende nachgehen? Ich denke, wir sollten bei dieser Vorstellung vorsichtig sein, ganz vorsichtig.
Überhaupt sollten wir uns Gott nicht als einen Gott vorstellen, der uns wie ein Bettler anfleht, ihm doch endlich unser Leben zu schenken. Nichts liegt ferner. Wir sind die Bettler, nicht Gott. Er muss gar nichts tun. Er hat kein Problem – wir haben eins. Wir sind die Verdammten, und wehe uns, wenn wir das nicht zugeben wollen.
Das Evangelium ist zwar eine Botschaft von der Rettung, aber keine, die Gott uns aufzwingt. Da kommt zum Beispiel ein reicher Jüngling. Jesus gewinnt ihn lieb, erklärt ihm, was er tun muss, um ewiges Leben zu bekommen. Als der Jüngling entsetzt und traurig weggeht, benutzt Jesus sein Weggehen als warnendes Beispiel. Doch er rennt ihm nicht hinterher.
Der Grund für Jesu Gleichnisse
Warum redet Jesus in Gleichnissen?
Weil er um die Gefahr weiß, die von Predigten ausgeht, die jeder sofort versteht. Johannes der Täufer war diesen Weg gegangen. Seine Bußpredigten waren klar und einfach. Viele Menschen wurden durch sie berührt. Viele bekannten ihre Sünden, ließen sich taufen, doch im Herzen blieben sie nur oberflächlich berührt.
Der Messias trifft nicht auf ein vorbereitetes Volk. Deshalb wählt er jetzt einen anderen Weg. Vielleicht tut er das gerade deshalb, weil es ihm leicht gewesen wäre, die Massen für sich einzunehmen. Aber er sucht diese falschen Massenbekehrungen nicht.
Ganz im Gegenteil: Im nächsten Gleichnis wird er vor einem Glauben warnen, der nur emotional ist, ohne Tiefgang und nicht lange anhält.
Die Bedeutung einer tiefen Entscheidung
Noch einmal: Es wäre Jesus leicht gefallen, die Massen zu begeistern. Aber es geht ihm nicht um eine oberflächliche Bekehrung. Vielmehr geht es ihm um eine Entscheidung, die tief im Herzen eines Menschen getroffen wird – eine Entscheidung dafür, wofür wir leben wollen.
Diese Entscheidung fällen wir nicht jeden Tag neu. Vielleicht treffen wir sie überhaupt nur ein-, zwei- oder dreimal im Leben.
Ich muss zugeben, dass Bekehrung für mich immer noch ein Geheimnis darstellt. Vielleicht wird das auch immer so bleiben. Aber eines ist mir klar: Gott kann mit niemandem etwas anfangen, der nicht „all in“ geht.
Wer wie der Pharao an seiner Macht hängt oder wie der reiche Jüngling an seinem Wohlstand, der hat keine Chance. Außer der Chance, als abschreckendes Beispiel für alle zu dienen, die in einer ähnlichen Situation stecken.
Die Bedingung für geistliches Leben und Frucht
Aber wie kommt es dann dazu, dass ein Mensch gerettet wird? Woran hängt das?
Die Antwort, die uns das sogenannte Seemannsgleichnis gibt, lautet: Alles hängt davon ab, wie wir mit dem umgehen, was Gott uns sagt. Es hängt davon ab, ob wir uns auf eine Dynamik einlassen, an deren Ende ein Leben steht, das von geistlicher Frucht geprägt ist.
Diese Frucht ist das Wirken des Wortes Gottes in meinem Leben – und zwar Tag für Tag. Es geht um ein echtes Leben, das man sehen kann.
Abschluss: Gottes Nachgehen und menschliche Verantwortung
Ich hatte die Frage gestellt: Muss Gott Menschen nicht bis an ihr Lebensende nachgehen? Wenn sie schwerhörig sind, warum gibt er ihnen dann kein Hörgerät?
Die Antwort lautet: Nein, muss er nicht. Gott muss Menschen nicht bis an ihr Lebensende nachgehen. Natürlich tut er es, wenn es für ihn Sinn ergibt. Aber es wäre fatal zu denken, dass das bei jedem Menschen automatisch so ist. Gott weiß genau, wann es genug ist.
Deshalb ist es eine gefährliche und zutiefst unbiblische Vorstellung, sich erst auf dem Sterbebett bekehren zu wollen. Wer so denkt, zeigt nur, dass Gott in seinem Herzen keinen Platz hat.
Was könnte man jetzt tun? Man könnte sich fragen, wie man selbst darüber denkt, ob Gott allen Menschen bis an ihr Lebensende nachgehen muss.
Das war's für heute. Eine Idee, die immer wieder gut ist: Mach doch aus einer Podcast-Folge einen Hauskreisabend.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.