Einführung: Die scheinbar kurze Erzählung vom Sterben Abrahams
1. Mose 25 enthält die kurze Erzählung vom Sterben Abrahams, und zwar von Vers 8 bis Vers 11. Vor kurzem war dieses Thema in der Kinderkirche an der Reihe. Für unsere Helfer war es zunächst eine schwierige Aufgabe, denn wie sollte man aus nur zwölf oder fünfzehn Versen eine Geschichte für Kinder machen, wenn scheinbar nichts passiert?
In der Vorbereitung haben wir das gemeinsam durchgesprochen und festgestellt, dass diese wenigen Verse sehr anschaulich zeigen, wie gläubige Menschen heimgehen zum Herrn.
Vers 8: „Und Abraham verschied und starb in einem guten Alter, als er alt und lebenssatt war, und wurde zu seinen Vätern versammelt.“
Seine Söhne Isaak und Ismael begruben ihn in der Höhle von Machpela auf dem Acker Ephrons, dem Sohn Zohars, des Hethiters. Dieser Acker lag östlich von Mamre auf dem Feld, das Abraham von den Hethitern gekauft hatte. Dort ist Abraham zusammen mit Sarah, seiner Frau, begraben.
Nach dem Tod Abrahams segnete Gott Isaak, seinen Sohn. Isaak wohnte bei dem Brunnen „des Lebendigen, der mich sieht“.
Die Vergänglichkeit der Welt und die Sehnsucht nach der Ewigkeit
Ich habe eine heimliche Liebe: die Schweiz. Es ist wunderschön, dort Urlaub zu machen. Vielleicht haben auch Sie Freude an diesen unglaublich schönen Landschaften. Was soll man da sagen? Sind die schönsten Plätze in Graubünden, im Wallis oder im Berner Oberland? Es gibt so unendlich viele Orte, an denen man wohnen und bleiben möchte.
Vor einigen Jahren traf ich weit oben, an einem Ort mit herrlichem Ausblick auf die Bergriesen, die schneebedeckten Berge, ein kleines, schönes Ferienhaus. Die Schweizer nennen so etwas ein Hüsli. Da dachte ich: Hier möchte ich bleiben. Ein Brunnen vor dem Häuschen, der weite Blick, Blumenwiesen rund um das Haus. Die Arvenwälder ganz in der Nähe. Oben an den Giebel des Hauses war ein Satz geschrieben, der wirklich nicht dazu zu passen schien: „Obdach kurze Zeit, Pilgern nach der Ewigkeit.“
Ich dachte, hier möchte ich die Ewigkeit verbringen. Es ist so schön, da gibt es nichts Schöneres. Aber der Mann, der darin lebte, sagte: Nein, ich möchte täglich vielfach daran erinnert werden, dass all die Schönheit dieser Welt nur von kurzer Dauer ist, nur im Vorübergehen. „Ich wandere meine Straße, die nach der Heimat führt. Mein erster Punkt heute: Wir sind nur auf der Durchreise.“
Wir geben uns alle viel Mühe, zuhause – bei mir drüben in der Schlitzenburgstraße – unsere Wohnung ein wenig schön einzurichten. Sie soll wohnlich sein, Heimat bieten und Wärme ausstrahlen. Und wir kommen gern wieder heim, wenn wir unterwegs waren. Es ist so schön, einen Platz zu haben, an dem man sein kann. Aber diese schöne Wohnung soll uns ständig daran erinnern: „Nur Obdach, Biete, kurze Zeit, Pilger nach der Ewigkeit.“
Wir sind nur auf der Durchreise. Wir machen es uns alle sehr häuslich in dieser Welt, und unsere Generation tut das wieder sehr stark und ausgeprägt. Wir bemühen uns immer, das zu betonen: Wir passen in diese Welt hinein. Da habe ich keine Sorge. Sie passen prima in diese Welt, es fällt Ihnen nicht schwer, hier zu leben. Wir fühlen uns wohl, hier wollen wir sein.
Aber meine Frage ist: Haben Sie auch den richtigen Blick? Wir ziehen weiter auf die Ewigkeit hin.
Abraham als Beispiel des Glaubens und der Durchreise
Bei Abraham war es gut, dass er nur zeltete. Er wohnte lediglich in Hütten, den Beduinenunterkünften, wie wir sie heute noch von der Sinai-Halbinsel kennen. Man kann sich fragen: Abraham, warum hast du dir eigentlich nicht ein schönes Haus gebaut? Mit Swimmingpool und schönen Gesellschaftsräumen? Er empfing damals die Großen seiner Zeit. Das wäre doch passend gewesen. Hattest du keinen Geschmack dafür?
Die Bibel verbietet es nicht, sich schöne Häuser zu bauen. Aber Abraham hatte sich zum Ziel gesetzt: Ich will nur in Zelten wohnen. Später wird dies als eine Tat des Glaubens hervorgehoben. Ich hoffe, dass auch Sie solche Glaubenszeichen bei sich haben. Dass Sie sich bewusst machen: Bei Bankgeschäften, Wohnungsfragen, Entscheidungen und Berufsentscheidungen möchte ich in Zelten wohnen. Ich bin nur auf der Durchreise.
Das hat es Abraham sehr leicht gemacht, auch sein Alter zu bewältigen. Sicher kennen Sie alte Menschen, die gebrochen sind in ihrer Lebenskraft. Die traurig dasitzen und wehmütig an die Vergangenheit denken. Sie sagen: Ich kann nicht mehr wie früher arbeiten. Das geht nicht mehr so mit meinem Körper.
Ich bin fest davon überzeugt und sagte es auch den Helfern: Erzählt das anschaulich den Kindern in der Kinderkirche. Abraham war kein seufzender alter Mensch. Wenn Isaak und Ismael kamen und die Jungen vor ihm standen, sagten sie: Bei dem ist es immer interessant. Der hat noch eine Zukunft vor sich. Er war nicht deprimiert, sondern konnte immer wieder begeistern.
Er sagte: Ich weiß, wohin ich gehe. Sein Tagwerk war erfüllt. Er saß nicht nur da und sagte: Ich weiß nicht, wie ich mich beschäftigen soll. Habt ihr mal keinen Fernseher? Nein, er war voller Interesse, aufgeweckt und verfolgte, was geschah. Denn er hatte seine Zukunft noch vor sich – in der Ewigkeit.
Darum liebte er seinen primitiven Haushalt. Sein Herz war drüben in der Ewigkeit. Jetzt werden Sie sagen: Halt mal, das ist gar nicht so leicht. Du bist noch jung, warte mal, wenn das Alter kommt. Sie haben recht. Ich fühle mit all denen, die die Last des Alters tragen. Da kommt die Altersschwermut, die Einsamkeit. Viele Menschen sind verlassen.
Wir erinnern uns, dass auch die Bibel ganz offen sagt, dass Sterben schwer ist. Und das Sterben hat ja einen langen Vorlauf. Die Schatten reichen weit in unser Leben hinein. Gerade im Alter, wenn man viele Gebrechen und Schmerzen tragen muss und oft seiner eigenen Todesstunde in die Augen schaut. Das ist nicht leicht. Da haben Sie Recht.
Ich kann das nur überwinden, indem ich mir dauernd klar mache: Halt, das ist für mich der Eingang zum Leben. Dort geht es hinüber zur Herrlichkeit. Dort wartet Jesus auf mich und trägt mich durchs Todestal heim zu sich.
Sehen Sie, das war Abraham wichtig. Er wohnte in Zelten, weil er auf der Durchreise sein wollte. Er wollte nur provisorisch die Dinge dieser Welt empfinden. Wie viele haben uns schon gesagt: Stehst du mit beiden Füßen in der Welt? Abraham stand mit beiden Füßen in der Welt. Er war ein Praktiker, ein Realist. Aber sein Herz war drüben in der Ewigkeit. Er hatte ein Bürgerrecht dort.
Ich wünsche mir heute wieder, dass Christen eine Sehnsucht nach der Ewigkeit haben. Heimweh, das Schönste kommt noch. Ich freue mich, wenn ich einmal drüben bin – in der Herrlichkeit. Ich will hier alle meine Aufgaben erfüllen.
Abraham hat ja noch viel mehr als Sie dieses Leben ausgekostet. 175 Jahre wurde er alt. Also das können Sie ihm nicht vorwerfen, dass er hier seine Pflichten nicht erfüllt hätte. Aber er hatte eine Sehnsucht: Ich freue mich, wenn Gott mich heimholt.
Das soll auch unter uns wieder eine verbreitete Redeweise werden, dass wir sagen: Schön, wenn Gott einen bereit macht und sein Haus bestellt hat, um heimzukehren in seinen Frieden.
Paul Gerhardt hat uns den schönen Vers geschenkt:
So will ich zwar nun treiben mein Leben durch die Welt,
doch denke ich nicht zu bleiben in diesem fremden Zelt.
Ich wandre meine Straßen, die nach der Heimat führt,
da mich ohn allen Massen mein Vater trösten wird.
Das erfüllte Leben Abrahams als Vorbild
Das Zweite: Es gibt ein erfülltes Leben. Er starb alt und lebenssatt.
Ja, ich muss noch einmal darauf eingehen, weil ich das oft höre. Es kommen immer Leute und sagen, man betone nicht genügend, dass wir auch etwas tun müssen, dass wir in der Welt etwas tun müssen. Ja, das haben wir wirklich nicht unterschlagen, auch beim Leben Abrahams, als wir darüber gesprochen haben.
Abraham war ein Weltmann, ein Grandseigneur. Er war ein Mann, der seine Wirtschaft versorgte und großen Härten standhalten konnte. Er war ein Managertyp, der rechnen konnte und Erfolg hatte. Er konnte mit den Politikern seiner Zeit umgehen – Feldhauptmann Abimelech, der König von Sodom – er war mittendrin in den gesellschaftlichen Dingen seiner Zeit.
Gleichzeitig war er ganz schlicht ein Mann, der sich auf den Himmel freute. Können Sie das heute noch so sagen? Auch vor den Großen unserer Zeit? Oder genieren Sie sich, wenn diese mitleidig lächeln? Wir sind Menschen, die gern in den Himmel kommen wollen.
Und Abraham hatte ein erfülltes Leben. Wenn wir das Wort „lebenssatt“ hören, denkt man oft, er sei überdrüssig gewesen. Nein, das ist es nicht. Wenn Sie heute Mittag satt werden beim Essen, dann hängt Ihnen das Essen ja nicht schon wieder zum Hals heraus. „Satt“ bedeutet doch vielmehr: Es hat gut geschmeckt, es war schön, und man denkt gern daran zurück.
Das ist ein schönes Wort für Christen: dass wir unsere Tage von der Kindheit bis ins hohe Alter zubringen und uns daran freuen. Dabei war das Leben Abrahams nicht leicht. Er hat viel hergegeben. Ganz früh hat er seine Heimat verloren und lebte als Flüchtling im fremden Land. Aber er war kein Jammermann. Er hat nicht jedem sein Leid vorgeheult.
Abraham war einer, der sich an dem erfreute, was ihm Gott gab. Und darin liegt der Schlüssel zum Leben. Manche stehen vor ihrem eigenen Leben, besonders wenn sie in den Ruhestand gehen, wie vor einer verschlossenen Tür. Sie suchen in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. „Wo ist mein Schlüssel?“ Sie finden ihn nicht und kommen nicht hinein. Die Tür öffnet sich nicht.
Ob Sie ein erfülltes, schönes Alter haben – ganz gleich, ob Sie in Ihrer Wohnung bleiben oder ins Altenheim ziehen – das hängt gar nicht von den Äußerlichkeiten ab. Haben Sie es gehört? Die Seelsorge, die ich Ihnen geben möchte: Es hängt nicht vom Ort ab, an dem Sie sind.
Es ist nur wichtig, dass Sie jeden Lebensabschnitt auf die Ewigkeit hin leben. Dass Sie ein Stück näher zur Ewigkeit hin leben und wissen: Diesen Lebensabschnitt will Gott benutzen, damit ich ihm diene.
Auch für Abraham war es nicht leicht, als er die Verantwortung für die Herden abgeben musste, als Isaak nachgewachsen war. Es ist immer ein wenig schwer, wenn man sich zurückziehen muss. Dann nahm Abraham seinen kleiner werdenden Lebensraum und füllte ihn mit der Gegenwart Gottes.
Er lebte ihn für den Herrn. Er litt auch nicht unter den Versäumnissen der Vergangenheit. Diese wusste er in der Vergebung Gottes bewältigt.
Die Bedeutung des Alters im Glauben
Es gibt im Hebräischen zwei verschiedene Wörter für „alt sein“. Die hebräische Sprache ist in vielerlei Hinsicht unserer Sprache überlegen, weil sie Dinge viel bildhafter und schöner ausdrücken kann. Das hebräische Wort „Yashan“ bedeutet so viel wie abnutzen, erschlaffen, dunkel werden – es beschreibt das Alter im Sinne von Verfall.
Dann gibt es aber ein anderes Wort, das hier verwendet wird, wenn es heißt, Abraham war alt: „Saken“. Es bedeutet, dass er gereift war, erfüllt. Das können nur Glaubende verstehen, die jeden Lebensabschnitt mit Jesus leben.
Ich darf die jungen Leute heute ermutigen: Vergeude keine Stunde deines Lebens! Das Leben ist sonst sehr, sehr leer. Darum werden alte Menschen oft traurig, weil sie spüren, dass sie vieles vergeudet haben und am Ende nichts davon geblieben ist. Die zunehmenden Selbstmordzahlen um uns herum deuten darauf hin: Nichts ist geblieben.
Vergeude nicht jeden kostbaren Tag! Er ist im Licht der Ewigkeit schön, auch wenn es durch dunkle Täler geht. Abraham hat das bis ins hohe Alter immer mehr gelernt – was ihm Gott von Anfang an wichtig gemacht hat: „Ich bin dein Gott, wandle vor mir und sei fromm. Ich gehe vor dir her.“
Wenn auch der äußere Mensch stirbt, so wird der innere von Tag zu Tag erneuert. Im Glauben wächst das immer mehr, und bis ins Alter reift es immer schöner.
Ich fühle oft nichts mehr, ich sehe nichts mehr von der Gegenwart Gottes. Aber ich freue mich, dass ich immer mehr mit Jesus zusammenwachsen darf. Es ist so, dass uns unser Herr die Lasten nicht wegnimmt, sondern dass er sie am Ende immer größer macht. Dann bleibt nur noch eins: glauben und nur noch auf ihn blicken.
Die Hoffnung auf das Heimgehen zur Ewigkeit
Drittens das Heimgehen. Er war zu seinen Vätern versammelt. Schon im Alten Testament finden sich zahlreiche Hinweise auf die Ewigkeitshoffnung.
Wie war das aber bei Abraham? Diese Frage hat Jesus bereits beantwortet, weil sie die Menschen damals ebenso beschäftigte. Jesus erinnerte sie daran: Wie heißt es? Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Gott ist nicht ein Gott der Toten. Das bedeutet, Abraham lebt in der Ewigkeit.
Wie das genau vor der Osterhoffnung funktioniert, darüber bin ich überfragt. Das interessiert mich ebenfalls, und vielleicht erfahren wir es später in der Ewigkeit. Doch es ist wunderbar, dass es ganz klar gesagt ist: Schon im Alten Testament gibt es etwas, das uns erst durch die Auferstehung Jesu wirklich erschlossen wird – das Überwinden der Todesschwelle hin zu der Schar, die vor dem Thron Gottes Lobpreis singt.
In der Schrift finden sich so klare Worte, dass keine Zweifel bleiben: Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt, sagt Jesus. Das wusste Abraham schon, als er sich niederlegte und einschlief. Obwohl das Sterben auch bei den Gläubigen eine schwere Sache ist, die es zu durchleben gilt, und obwohl es Spuren hinterlässt, weil der Tod eine Heimsuchung ist, die unsere Sünden und unser versäumtes Leben ins Licht Gottes stellt.
Schließlich gibt es noch ein Wort von Isaak, der am Segen Abrahams teilhat.
Spuren hinterlassen und das Evangelium weitergeben
Neulich traf ich einen kleinen Burschen aus dem Kindergarten. Auf seinem Dreirad fuhr er durch die Pfützen und hinterließ auf dem trockenen Gehweg Streifen. Er war ganz glücklich und rief: „Guck, ich habe Spuren gemacht, ich habe Spuren gemacht.“
Wollen Sie nicht auch Spuren mit Ihrem Leben hinterlassen, bevor Sie sterben? Vielleicht ist vieles von dem, was wir im Leben schaffen, ähnlich wie in der Architektur. Wenn die nachfolgende Generation kommt, sind die großen Baumeister längst tot. Dann sagen sie: „Wie konnte man nur so einen schrecklichen Baukörper hinstellen?“ Furchtbar! Und oft reißen sie ihn wieder ab.
So sind manche Spuren, die wir hinterlassen, wie hässliche Betonklötze in unserer Landschaft. Doch es gibt auch Spuren, die bleiben, wie Abraham sie hinterlassen hat – zum Beispiel den Brunnen des Lebendigen.
Liebe Schwestern und Brüder, das Größte, was Caesar uns heute gezeigt hat, ist, das Evangelium weiterzusagen. So kommen Menschen zum Glauben an Jesus und finden ihren Weg zurück zur Ewigkeit. Es ist mir so schwer, daran zu denken, dass liebe Freunde zurückbleiben und dieses Versäumnis verloren geht.
Lasst uns Spuren hinterlassen, sodass andere sagen: „Dir und deinem treuen Zeugendienst verdanke ich es, dass ich heimgefunden habe, zum Frieden mit Gott und mein Leben in Ordnung gebracht habe.“ Das ist erfülltes Leben.
Darum geht es am Totensonntag: dass wir die Ewigkeit gewinnen und heute hier schon das Leben. Amen.
