Dankbarkeit für Gottes Gegenwart und Barmherzigkeit
Ich möchte mit einem Gebet beginnen. Dann nenne ich das Thema, das wir heute Abend besprechen: gekreuzigt, gestorben, begraben.
Lieber Vater, ich möchte dir jetzt wieder danken – für deine Gegenwart, für dein Reden und für das, was wir lernen dürfen. Danke, dass wir uns korrigieren können und einander helfen dürfen.
Vater, ich danke dir, dass du ein barmherziger Gott bist, dass du es gut mit uns meinst und wir deshalb immer zu dir kommen können. Darüber freue ich mich tatsächlich. Amen.
Die Suche nach geistlicher Erfahrung und der Beginn eines neuen Lebens mit Christus
Ich treffe relativ oft Menschen – du wahrscheinlich auch – die offen für Gott sind, sogar für Jesus Christus. Sie sind offen für eine geistliche Erfahrung.
Ich stelle fest, dass es gerade oft Männer betrifft, über die ich jetzt vor allem spreche, weil ich sie persönlich kenne. Diese Männer sind relativ erfolgreich, gesund und haben eine funktionierende Familie, vielleicht sogar gesunde Kinder. Zu all dem Schönen, was sie bereits haben, wünschen sie sich noch eine geistliche Erfahrung, eine Sinnerfüllung.
Manchmal glauben sie, Jesus Christus könnte genau das sein. Zum Beispiel habe ich am Dauernhof eine Abendbibelschule für Einheimische. Wir sind nur ein kleines Dorf, aber es kommen immer etwa 150 Leute. Viele davon gehen nie in die Kirche, sie lassen sich mitnehmen und kommen, weil sie glauben, dort eine geistliche Erfahrung zu machen.
Sie kommen ein- oder zweimal, aber dann nicht mehr. Denn sie entdecken sehr bald: Wenn sie sich auf ein Leben mit Jesus Christus einlassen, ist das nicht einfach eine Ergänzung ihres bisherigen Lebens. Es ist das Ende ihres alten Lebens und der Anfang eines neuen Lebens.
Wenn Christus in ein Leben hineinkommt, ist das keine Lebensverbesserung oder Lebenserweiterung – es ist ein neues Leben. Jesus renoviert unser Leben nicht, er gibt uns ein neues Leben.
Der Apostel Paulus beschreibt dieses Ende des Alten und den Anfang des Neuen ganz plastisch. In Galater 2,20 sagt er: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Ich bin mit Christus gekreuzigt.“
Im Kolosser 3,3 lesen wir: „Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.“ Wir sind gekreuzigt, wir sind gestorben.
Paulus geht noch einen Schritt weiter in Römer 6,4: „So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod.“ Wir sind mit Christus gekreuzigt, gestorben und begraben.
Die Bedeutung des Mitgestorben-Seins mit Christus
Die meisten Christen wissen, dass Jesus Christus für uns gekreuzigt, gestorben und begraben wurde. Viele wissen jedoch nicht, dass sie mit Christus gekreuzigt, gestorben und begraben sind.
Oswald Chambers hat einmal gefragt: Warst du schon bei deinem weißen Begräbnis? Den Beginn des neuen Lebens beschreibt Paulus so: „Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt jetzt in mir.“ Ich bin mit Christus auferstanden, und er ist die Kraft in meinem Leben.
Übrigens, etwas am Rande: Sehr oft beten wir Christen um Kraft. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer richtig ist – ich glaube eher nicht. Im Alten Testament, besonders bei den Psalmisten, lesen wir oft: „Gott, du bist meine Kraft.“ Es heißt nicht, „ich bitte dich um Kraft“, sondern „du bist meine Kraft“.
Wisst ihr, was der Unterschied ist? Der Unterschied ist fast wie Tag und Nacht. Wenn ich sage: „Herr Jesus, auch heute habe ich viel vor mir, dies und das, aber ich bitte dich, gib mir ein bisschen Kraft“, dann klingt das manchmal so, als wäre ich der Boss. Ich mache es so, wie es mir gefällt. Aber falls ich es nicht schaffe, wäre es nett, wenn du mir ein bisschen extra Kraft gibst.
Wenn ich aber sage: „Herr Jesus, du bist meine Weisheit und meine Kraft. Mach das, was du möchtest“, dann ist er der Boss und ich sein Diener. Es sind oft kleine Nuancen, die darüber entscheiden, ob wir uns in den Unglauben hineinbeten.
Manchmal beten wir: „Herr, bitte sei heute mit mir, geh mit mir.“ Und ich glaube, Gott fragt sich dann manchmal: „Wo glaubst du, wo ich bin?“ Jesus hat gesagt: „Ich bin mit dir alle Tage bis an das Ende der Welt.“ (Matthäus 28,20)
Wir müssen lernen, Gott zu danken, dass er mit uns ist, anstatt ihn ständig um Dinge zu bitten, die er uns sowieso schon versprochen hat. Natürlich gibt es im seelsorgerlichen Sinne Zeiten, da geht es uns wirklich schlecht. Es ist nicht falsch, dann zu beten: „Herr, bitte sei bei mir.“ Gott sagt nicht: „Frag nicht so blöd, ich bin ja sowieso da.“ Seelsorgerlich ist so ein Gebet völlig in Ordnung.
Aber von der Theologie her müssen wir verstehen lernen, dass Gott bei uns ist. Wir sollten lernen, ihm zu danken und in der Gewissheit seiner Gegenwart zu leben.
Der Übergang vom alten zum neuen Leben – ein Vergleich mit Ehe und Singleleben
Auf jeden Fall: Wir sind gekreuzigt, gestorben und begraben. Ich vergleiche das manchmal mit dem Leben als Single und dem Eheleben.
Wenn zum Beispiel ein Mann eine Frau heiratet, gibt er sein bisheriges Singleleben auf, um frei zu sein für ein Leben mit seiner Ehefrau. Der Unterschied zwischen Singleleben und Eheleben ist bemerkenswert.
Bis gestern war ich allein in meinem Zimmer – oder auch nicht. Ab heute bin ich zu zweit. Bis gestern gehörte alles nur mir, jetzt gehört es mir und meiner Frau. Bis gestern führte ich Selbstgespräche, heute ist jemand neben mir. Bis gestern tat ich, was ich für richtig hielt, heute bespreche ich alles mit ihr, was richtig ist. Das heißt: Der alte Single muss sterben, damit der neue, vereinte Mensch leben kann.
Ähnlich ist es, wenn ein Mensch beginnt, mit Gott zu leben. Wenn jemand ein Leben mit Christus beginnt, gibt er sein bisheriges Singleleben auf. Er muss sein gottloses Leben sterben, um frei zu werden für ein Leben mit Gott. Auch hier ist der Unterschied bemerkenswert.
Bis gestern habe ich so gelebt, als ob es Gott gar nicht gäbe. Heute ist mir bewusst, dass Gott jede Sekunde meines Lebens bei mir ist. Bis gestern habe ich keine Minute damit verschwendet, Gott zu fragen, was sein Wille ist. Heute frage ich nach dem Willen Gottes für meinen Tag. Bis gestern war ich nur mir selbst verantwortlich, heute weiß ich, dass ich Gott verantwortlich bin mit dem, was ich bin und tue. Bis gestern habe ich alles aus eigener Kraft getan, heute darf ich aus seiner Kraft leben. Es ist wie Tag und Nacht.
Aber der alte, selbstbestimmte Mensch muss sterben, damit der neue, von Christus abhängige Mensch leben kann.
Die praktische Herausforderung des neuen Lebens mit Christus
Und die Frage ist nun: Wie geht das?
Seht ihr, das sind alles theologische Phrasen: Wer mit Christus gekreuzigt, gestorben, begraben ist – ja, aber ich lebe doch? Wie soll das jetzt funktionieren? Wenn ich morgens meine Zähne putze, putze ich dann meine Zähne oder Christus in mir? Wer macht das eigentlich?
Mich hat das immer beschäftigt und es beschäftigt mich noch immer: Wie funktioniert das? Denn Wahrheit muss funktionieren.
Was wir jetzt tun, nenne ich die große Prüfung. Schaut dazu in 2. Korinther 13, Vers 5. Dort formuliert der Apostel Paulus eine Prüfung.
2. Korinther 13,5 lautet: „Prüft euch, ob ihr im Glauben seid; untersucht euch selbst!“ Das heißt, du bist jetzt dein eigener Arzt. Untersuche dich selbst, wenn du wissen willst, ob du im Glauben bist. Hier ist die Prüfung.
Paulus fährt fort: „Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, ihr seid unbewährt.“
Was ist die Prüfung? Paulus fragt: Erkennst du nicht, dass Christus jetzt in dir lebt? Wenn du das nicht erkennst, hast du die Prüfung nicht bestanden.
Das klingt wieder sehr theologisch, ja, aber wie genau soll das gehen?
Ich möchte es jetzt ganz praktisch machen, damit wir uns selbst prüfen können: Halten wir am alten Leben fest oder erfreuen wir uns am neuen Leben?
Die praktische Selbstprüfung: Rechte loslassen und Gott unterordnen
Und übrigens, ich habe das, was ich jetzt sage, wahrscheinlich schon fünfzig Mal oder öfter gemacht. Ich weiß es nicht genau. Es ist eine Sache, die ich immer wieder tun muss, auch vor Gott selbst.
Auf euren Zetteln, auf Seite eins, steht rechts oben: „Hier ist die Prüfung, ob ich gelernt habe, mein Leben aufzugeben, mich Gott unterzuordnen und meine Rechte zu übergeben – oder ob ich mein Leben selbst bestimme und das alte Leben lebe.“
Dann habe ich geschrieben: „Rechte, die ich beanspruche.“ Hier können wir es festmachen.
Wisst ihr, was auch interessant ist? Wir sagen zwar immer, wir möchten, dass die Theologie praktisch wird und wir möchten wissen, wie das funktioniert. Manchmal stelle ich fest, dass wir lieber gewünscht hätten, wir hätten es nicht so praktisch gehört.
Aber wir werden jetzt ganz praktisch werden, soweit es von meiner Seite aus möglich ist. Wir halten an Rechten fest – das ist das alte Leben. Wir halten an Rechten fest, von denen wir glauben, sie zu haben, obwohl sie uns niemand gegeben hat.
Das Recht auf Selbstverwirklichung
Und das Erste, was ich aufgeschrieben habe, ist das Recht auf Selbstverwirklichung.
Manchmal glauben wir, dass wir ein Recht darauf haben, unser Leben selbst zu bestimmen, ein Recht darauf, unsere Ziele zu erreichen und ein autonomes Leben zu führen.
Das Wort „autonom“ stammt von zwei griechischen Wörtern: autos und nomos. Autos bedeutet „selbst“. Davon kommt auch das Wort „Auto“, weil es von selbst fährt – du musst nur drin sitzen und fahren. Nomos bedeutet „Gesetz“. Also heißt autonom, dass ich mir selbst mein eigenes Gesetz bin und das Recht auf ein autonomes Leben habe.
Die Frage, die ich mir gestellt habe, lautet: Wer hat mir dieses Recht eigentlich gegeben? Die Antwort ist: Niemand.
Ich weiß nicht, wo dieses Recht geschrieben steht, dass wir ein Recht auf ein autonomes Leben haben. Ich habe es bisher nirgends gefunden.
Das Recht auf Beziehungen
Zweitens glauben wir, ein Recht auf Beziehungen zu haben. Wir glauben, ein Recht auf Freunde, auf eine Ehefrau, auf sexuelle Befriedigung zu haben. Ebenso glauben wir, das Recht zu besitzen, beliebt zu sein und Freunde zu haben.
Seht ihr, ich darf etwas sagen: Ich habe ein großes Vorrecht. Ich habe das Vorrecht, drei gesunde Kinder zu haben. Das ist ein riesiges Vorrecht. Außerdem habe ich das Vorrecht, eine Frau zu haben. Nach 21 Jahren Ehe lieben wir uns nach wie vor. Auch das ist ein großes Vorrecht.
Aber wisst ihr was? Wenn ich morgen nach Hause komme und eines meiner Kinder ist tödlich verunglückt oder erkrankt an einer schweren Krankheit, das wäre extrem schwer. Doch eines weiß ich: Gott hat kein Recht verletzt. Ich habe kein Recht auf gesunde Kinder. Ich habe kein Recht auf eine Frau, die mich liebt.
Es ist ein riesiges Vorrecht, wofür ich Gott jeden Tag danke. Aber sollte es mir morgen verweigert werden, hat Gott kein Recht verletzt.
Das Recht auf Freiheit
Wir glauben auch, ein Recht auf Freiheit zu haben. Das ist das dritte Recht: das Recht, zu tun, was ich will, das Recht, meine Hobbys und meinen Sport ausüben zu können, wann und wo ich möchte. Und wehe, jemand beschneidet mich darin – dann werde ich zornig, denn ich habe ein Recht darauf.
Fällt euch übrigens auf: Die Rechte zwei und drei schließen sich gegenseitig aus. Wenn du eine Beziehung haben möchtest, dann vergiss die Freiheit. Und wenn du Freiheit haben möchtest, dann heirate nicht.
Es ist naiv zu glauben, dass ich eine Ehe oder Beziehung eingehen und gleichzeitig meine alte Freiheit behalten kann. Das ist einfach eine Lüge. Und diejenigen, die das glauben, werden nicht lange damit glücklich sein.
Das Recht auf Besitz
Das vierte ist der Besitz. Wir glauben auch, ein Recht auf Besitz zu haben – auf unsere Wohnung, unser Haus, unser Auto, unseren Computer, unsere Stereoanlage, was auch immer es ist.
Manchmal ist unser Besitz, besonders bei Männern, das Auto, eine Erweiterung ihrer eigenen Persönlichkeit. Deshalb werden manche Männer sehr zornig, wenn ihr Auto zerkratzt wird. Wenn zum Beispiel die Frau beim Aussteigen hinfällt und dabei das Auto zerkratzt, schaut er zuerst den Kratzer an und dann auf die Frau.
Seht ihr, auch hier habe ich ein großes Vorrecht: Ich habe das Vorrecht, ein eigenes Haus zu besitzen, sogar im Land. Ich habe das Vorrecht, ein Auto zu besitzen, und ich bin froh, dass ich eins habe, denn es ist auch praktisch.
Aber wenn ich morgen dieses Haus aus welchen Gründen auch immer nicht mehr hätte, hätte Gott kein Recht verletzt. Ich habe kein Recht auf ein Haus. Es ist ein Geschenk.
Das Recht auf körperliche Gesundheit
Wir glauben auch, dass es ein Recht ist, körperlich gesund zu sein. Wir glauben, das Recht zu haben, immer gesund, dynamisch, vital und hübsch zu sein, ebenso das Recht auf gesunde Kinder. Im Christentum gibt es sogar eine Bewegung, die aus dem amerikanischen Health-Wealth-Prosperity-Movement stammt. Diese Bewegung ist inzwischen etwas abgeklungen. Es gibt ein Buch mit dem Titel "Jesus wants you well".
Leider finde ich diese Vorstellung weder in der Bibel noch in meinem eigenen Leben bestätigt. Ich bin jetzt 46 Jahre alt und immer noch relativ gesund. Natürlich habe ich auch kleinere Beschwerden, bei denen es nicht so gut läuft. Aber insgesamt bin ich relativ gesund.
Ich darf euch eines sagen: Ich danke Gott jeden Tag für meine Gesundheit. Ich danke Gott, dass ich noch Skifahren gehen darf, dass ich klettern darf und viele Dinge tun kann, die andere Menschen nicht könnten. Sollte Gott mir meine Gesundheit morgen nehmen, wäre das schwer für mich. Aber eines weiß ich sicher: Gott hätte kein Recht verletzt.
Ich habe kein Recht auf körperliche Gesundheit. Sie ist ein Geschenk, für das ich dankbar bin.
Das Recht auf mentale und emotionale Gesundheit
Wir glauben auch, ein Recht auf mentale und emotionale Gesundheit zu haben. Das ist der Grund, warum die Seelsorgeräume oft voll sind.
Wegen meiner Eltern, wegen meiner Geschwister und wegen meiner Vergangenheit bin ich, was ich bin. Hätte ich andere Eltern gehabt, könnte ich ganz anders sein. Wurde ich geliebt oder sogar missbraucht? Darum habe ich ein Recht, zornig zu sein. Ich habe ein Recht, mit Gott bitter zu sein und zu fragen: Warum hat Gott das zugelassen? Das sind schwierige Fragen, die man nicht pauschal leicht beantworten kann. Aber ein Prinzip steht fest.
Ich glaube und bin dankbar, mental und emotional halbwegs gesund zu sein. Das glaube ich. Du hast vielleicht eine andere Meinung, und das ist okay – meine Frau hat manchmal auch eine andere Meinung.
Aber sollte ich morgen aus irgendwelchen Gründen emotional nicht mehr so gesund sein – und was war witzig: Als ich 40 war, hielt ich das für völligen Blödsinn, wieder so ein typischer Blödsinn, den man sich erzählt. Dann wurde ich 40 und auf einmal war ich morgens munter, aber extrem depressiv.
Monatelang bin ich jeden Tag aufgestanden und dachte: Ich kann diesen Tag nicht leben. Ich war wirklich so weit, dass man sich fragte: Was soll ich tun? Eine Option war, das Leben zu beenden – und das war gar nicht so weit weg. Man ist so verzweifelt.
Damals habe ich einen lieben Freund angerufen. Er fragte, wie es mir geht, und ich sagte: schlecht. Er fragte, was los sei, und ich antwortete: Ich weiß nicht, ich schaffe dieses Leben nicht mehr. Er fragte, wie alt ich sei, und ich sagte: vierzig. Er sagte: Okay, passt. Das wird besser.
Wisst ihr, was interessant war? Ich hatte das drei Monate lang, und es war wirklich schwer. Aber wisst ihr was? Ich bin Gott so dankbar dafür. Denn wenn ich vorher mit jemandem geredet habe – einem gesunden, starken, erfolgreichen Mann – und der erzählt mir von Depressionen, dann habe ich mir gedacht: Reiß dich doch ein bisschen zusammen, nicht immer, reiß dich halt einfach zusammen!
Das ist so ein Blödsinn, das hilft kein bisschen. Oftmals hat ein lieber Freund von mir, Rob Whittaker, der Bibelschulleiter in England ist, gesagt: Jedes Leid, das du durchmachst, gibt dir einen Schlüssel, um das Herz eines anderen zu öffnen.
Darum ist Leid oft etwas Wunderschönes aus Gottes Perspektive.
Das Recht auf Komfort und Bequemlichkeit
Das nächste Thema, das ich aufgeschrieben habe, ist Komfort und Bequemlichkeit.
Wir haben manchmal das Gefühl, es muss immer alles bequem und komfortabel sein. Ich muss die richtige Raumtemperatur haben. Wer von euch Sekretärinnen oder Ähnlichem kennt das: Die eine macht das Fenster auf, die nächste macht es wieder zu, der nächste wieder auf – und dann wird es schon ein bisschen kritischer. Denn jeder hat das Recht auf die richtige Temperatur.
Es ist natürlich schön, wenn es bequem ist. Ich liebe es auch bequem. Ich bin kein Masochist oder so, aber wenn es mal nicht bequem ist, ist das völlig okay. Manchmal auf Skitouren ist es extrem kalt, oder in der Höhle. Ich bin Höhlenforscher. Wir gehen auch mit Leuten in die Höhle und schlafen dort. Es ist sehr unangenehm: kalt, feucht, nass, dunkel. Dann sind die Leute nass oder kalt und zittern.
Dann merkst du schon, als wären sie die, die dafür bezahlen. Da weiß ich genau, was der denkt: „Dieser Vollidiot, warum bin ich nur hierher gekommen? Zu Hause hätte ich meine Chips und Cola oder Bier und Fernseher.“ Und da merke ich schon, dass die Leitung hier total versagt. Ich sehe genau, was sie denken. Freunde, das sind die besten Zeiten.
Dann frage ich sie: „Ich nehme an, euch ist kalt, oder?“ Und sie sagen: „Ja, du Volltrottel!“ Dann frage ich: „Und was sonst noch?“ „Kalt.“
Ich sage: „Ja, ich verspreche dir, es gibt wieder Zeiten in deinem Leben, da wird es warm. Momentan ist es nur kalt.“ Und wisst ihr was? Daran ist nichts falsch. Es ist halt kalt, aber es wird wieder warm.
Mir gefällt so ein Spruch aus dem Buch Prediger Kapitel 3: „Es gibt eine Zeit für alle Dinge, es gibt eine Zeit zum Weinen, es gibt eine Zeit zum Lachen, es gibt eine Zeit zum Lieben, es gibt eine Zeit zum Hassen – alles hat seine Zeit.“ Wir sollten nicht andauernd versuchen, nur davon zu laufen.
Glaubt nicht, dass ich Kälte liebe – ich hasse Kälte. Aber sie gehört zum Leben dazu.
Das Recht auf Anerkennung
Manchmal glauben Christen oder Menschen allgemein, sie hätten ein Recht auf Anerkennung – besonders unter Christen. Sie denken: „Ich habe ein Recht, anerkannt zu werden.“
Unter Christen hört man oft Sätze wie: „Er hat sich nicht einmal bei mir bedankt, das ist furchtbar. Jetzt komme ich nicht mehr in die Kirche.“ Bei manchen Christen scheint es sogar so, als sollten andere ihnen applaudieren, wenn sie etwas Gutes tun.
Aber wisst ihr was? Sollen wir Hände in die Bäume klatschen oder Bäume in die Hände klatschen? Wir sollten andere Menschen immer anerkennen. Schenkt Anerkennung, so viel ihr könnt, denn es tut uns allen gut.
Doch wenn du einmal nicht anerkannt wirst, ist das völlig in Ordnung. Du kannst entspannt bleiben. Niemand hat ein Recht darauf, anerkannt zu werden. Wir haben kein Recht auf Anerkennung. Es ist ein großes Vorrecht, aber kein Recht.
Das Recht auf Verständnis
Wir glauben auch, ein Recht auf Verständnis zu haben, gerade unter Christen. Wir sind der Meinung, dass wir ein Recht darauf haben, verstanden zu werden. Christen sind dabei manchmal besonders – sie glauben, ein Recht darauf zu haben, verstanden zu werden, ohne ihr Anliegen überhaupt kundzutun.
Es gibt Leute, die vom Dauernhof nach Hause gefahren sind. Ich weiß, sie sagen zu Hause: „Jetzt war ich eine Woche am Dauernhof, und da hat mich niemand verstanden.“ Dann triffst du sie zufällig und fragst: „Hast du jemandem erzählt, wie es dir geht?“ Die Antwort lautet oft: „Nein, das nicht, aber es hat mich trotzdem niemand verstanden.“ Aber Christen sollten das doch spüren können.
Es ist wichtig, dass wir uns mitteilen. Gleichzeitig sollten wir Verständnis aufbringen, so weit und so gut es uns möglich ist.
Ich möchte noch etwas sagen: Wenn du einmal nicht verstanden wirst, auch jetzt bei diesen Vorträgen, kannst du dich vollkommen entspannen. Es hat niemand ein Recht verletzt.
Das Recht auf Gerechtigkeit
Wir glauben auch, ein Recht auf Gerechtigkeit zu haben. Wir sind der Meinung, dass wir immer fair und anständig behandelt werden sollten.
Wenn du das glaubst, wirst du den Rest deines Lebens bitter leben müssen, denn du wirst jeden Tag Dinge erleben, die nicht fair sind. Aber weißt du was, Freunde? Es ist okay.
Wir sollten, soweit es in unserer Macht steht, immer gerecht handeln. Besonders gegenüber unseren Mitarbeitern, unseren Kindern und den Menschen, die uns am nächsten sind, sollten wir gerecht sein.
Doch wenn dir einmal nicht Recht geschieht, ist das in Ordnung.
Das Recht auf Sicherheit
Wir glauben auch, dass das nächste Thema die Sicherheit ist – das Recht, Sicherheit zu haben, gerade in unserer heutigen Zeit. Alles muss so gestaltet sein, dass mir nichts passiert. Auch meinen Kindern darf nichts zustoßen. Und wenn doch etwas passiert, dann muss ein Schuldiger gesucht werden.
Das ist eine völlig unbiblische Praxis – außer es gibt tatsächlich einen Schuldigen. Das ist etwas anderes. In Amerika wird dieses Phänomen als „Suing Business“ bezeichnet, also die Anklagementalität.
Ich war Skilehrer in Amerika. In der ersten Woche kannte ich das Gebiet noch nicht so gut. Ich fuhr eine Piste hinunter, die für meine Gruppe etwas zu steil war, und fiel ein paarmal hin. Eine Frau war dabei, die ganze Woche über. Am Ende der Woche schenkte sie mir ein Buch. Ich habe es heute noch zu Hause. Sie sagte, es sei die schönste Woche ihres Lebens gewesen, mit all den schönen Erlebnissen.
Drei Monate später erhielt ich einen Anruf von der Stratton Mountain Company, dem Skigebiet dort. Eine Frau hatte sie verklagt, weil ein Skilehrer sie auf eine zu steile Piste geführt hatte. Sie war zweimal hingefallen und behauptete seitdem, Kopfschmerzen zu haben. Sie forderte eine Million Dollar Schadensersatz.
Ich muss auch sagen, dass ich unseren amerikanischen Freunden oft sage: Lass dich nie auf dieses „Suing Business“ ein. Es kann sein, dass du viel Geld gewinnst, aber es kann auch sein, dass du den Segen Gottes verlierst. Es ist eine völlig unbiblische Praxis.
Wir sind selbst verantwortlich für das, was wir tun. Natürlich, wenn es einen Schuldigen gibt, dann gibt es ihn auch – das steht außer Frage. Aber nicht diese Mentalität, immer einen Schuldigen zu suchen.
Diese Haltung kommt daher, dass wir glauben, ein Recht auf Sicherheit zu haben. Freunde, dieses Leben ist nicht sicher. Es ist tödlich – hundert Prozent. Eines weiß ich von euch: Jeder stirbt. Auch wenn ich dich nicht kenne, der Tod ist die sicherste Statistik. Einer aus eins stirbt.
Das Recht auf Abenteuer
Wir glauben, ein Recht auf Abenteuer zu haben. Besonders Männer meinen, aufregende Dinge tun zu müssen, die Adrenalin bringen. Deshalb klettern wir auf den Himalaya oder auf gefährliche Berge. Darin steckt auch etwas Wahres. Deshalb gehen wir Grizzlyjagd in Alaska. Manche verlassen mit 40 Jahren ihre Frau, weil sie noch ein Abenteuer mit einer 20-Jährigen erleben wollen – und so weiter. All das beruht auf dem Glauben, ein Recht auf Abenteuer zu haben.
Ich selbst liebe Abenteuer und danke Gott für die Abenteuer, die ich erleben durfte. Doch mittlerweile ist das nicht mehr so ausgeprägt, und ich musste vieles zurückschrauben. Das fällt mir nicht schwer. Früher bin ich sicher 40 bis 50 Touren im Jahr gegangen, heute sind es nur noch vier oder fünf.
Ich habe festgestellt, dass es keinen einzigen Menschen rettet, ob ich nun die eigene Nordwand, den Himmel oder einen anderen Berg erklimme. Wenn ich aber Menschen von Jesus erzähle, werden Leben für die Ewigkeit verändert. Deshalb ist es für mich viel spannender geworden, Christus zu predigen, als Wände zu besteigen – so sehr ich das auch liebe.
Übrigens: Seht ihr, dass sich Sicherheit und Abenteuer gegenseitig ausschließen? Wenn du Sicherheit haben willst, vergiss das Abenteuer. Und wenn du Abenteuer erleben willst, vergiss die Sicherheit.
Das Recht auf Leben an sich
Und zuletzt glauben wir auch, ein Recht auf das Leben an sich zu haben. Wir glauben, das Recht zu haben, achtzig Jahre alt zu werden. Wir glauben, das Recht zu haben, die Hochzeiten unserer Kinder miterleben zu dürfen. Das ist ein großes Vorrecht.
Wenn ich die Hochzeiten meiner Kinder sehen darf, freue ich mich sehr darauf. Doch wenn es nicht so sein wird, hat Gott kein Recht verletzt – auch nicht durch einen vorzeitigen Tod.
Biblische Perspektive auf unsere Rechte als Christen
Nun zur nächsten Frage, die weiter unten auf eurem Zettel steht: Was sagt das Wort Gottes zu unseren Rechten als Christ?
Ich habe dazu drei Punkte.
Rechte wurden am Kreuz aufgekauft
Erstens: Alle unsere Rechte wurden am Kreuz von Golgatha aufgekauft.
Schlagt bitte Römer Kapitel 14 auf. Ich habe euch mehrere Bibelverse dazu hingeschrieben, die könnt ihr selbst lesen. Ich lese nur den ersten, Römer 14,7-8. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Denn keiner von uns lebt sich selbst, und keiner von uns stirbt sich selbst. Denn sei es auch, dass wir leben, so leben wir dem Herrn, und sei es, dass wir sterben, so sterben wir dem Herrn. So sei es nun, dass wir leben, sei es auch, dass wir sterben, wir sind dem Herrn.“
Das heißt, unser Leben mit all unseren vermeintlichen Rechten gehört dem Herrn.
Rechte sind in der Nachfolge Jesu übergeben
Zweitens sind alle unsere Rechte in der Nachfolge Jesu übergeben worden.
In Matthäus 10,37 lese ich nur zwei Verse: Jesus sagt dort: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.“
Das bedeutet, unser ganzes Leben haben wir Christus übergeben. Es gehört ihm, es ist nicht mein. Meine Kinder gehören auch ihm, sie sind ebenfalls nicht mein.
Mein Schwager, der in Neuseeland wohnt, war gerade hier. Seine Frau und die zwei Kinder sind vor ihm geflogen. Er sorgte sich, ob alles gut gehen würde. Am Flughafen sprach Gott zu ihm und sagte zu Paul: „Paul, das sind nicht deine Kinder, das sind meine Kinder, und ich werde auf meine Kinder schauen, wie ich es für gut befinde.“
Er erlebte dadurch eine solche Freiheit von Sorge. Das war erst kürzlich.
Rechte werden zum Segen, wenn sie Gott untergeordnet werden
Das Dritte und Letzte, das du dir bis jetzt denken wirst, sieht nicht allzu gut aus. Was bleibt mir überhaupt noch übrig? Punkt Nummer drei: Alle unsere Rechte, wenn wir sie Gott unterordnen, werden zum Segen.
Ein Beispiel dafür – und das beste Beispiel – ist Abraham. Gott versprach Abraham, dass seine Nachkommen so zahlreich sein würden wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer. Abraham war hundert Jahre alt, als er von seiner Frau seinen ersten Sohn bekam. Als dieser Sohn vielleicht ein Teenager oder älter war, sagte Gott zu Abraham: „Abraham, ich möchte, dass du deinen Sohn tötest.“
Wenn jemand das Recht auf einen Sohn hatte, dann war es Abraham. Doch Abraham bestand nicht auf seinem Recht. Im Hebräerbrief lesen wir, dass Abraham sagte: „Wenn ich meinen Sohn töten muss, dann musst du ihn wieder auferwecken, das ist dein Problem. Ich vertraue dir.“
Weil Abraham nicht auf sein Recht bestand, machte Gott ihm all seine Rechte zum Segen. Und heute ist jeder, der hier sitzt, ein Kind Abrahams. Er hat tatsächlich Nachkommen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meer.
Auch Paulus hat all seine Rechte aufgegeben. Schaut dazu in den Philipperbrief Kapitel 3. Wenn jemand Rechte hatte, dann Paulus. Dort zählt Paulus seine Rechte auf. In Vers 4 lesen wir: „Obwohl auch ich Vertrauen auf das Fleisch haben könnte – das heißt auf mich selbst –, wenn irgendein anderer glaubt, auf sich selbst vertrauen zu können, so noch mehr ich.“
Dann nennt Paulus seine Rechte: „Ich bin beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, dem Gesetz nach ein Pharisäer, dem Eifer nach ein Verfolger der Gemeinde, in Gerechtigkeit, die im Gesetz ist, untadelig geworden.“
Und weißt du, was Paulus dann sagt? „Aber was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi Willen für Verlust gehalten. Ja, wirklich, ich halte alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, willen. Um seines Willen habe ich alles eingebüßt und halte es für Dreck, damit ich Christus gewinne.“
Als Paulus bereit war, all seine Rechte aufzugeben, was hat Gott dann getan? Er hat ihn gesegnet. Und wir sind jetzt gerade, meine Brüder, Gesegnete durch den Brief des Paulus.
Persönliche Anwendung: Umgang mit eigenen Rechten
Und jetzt kommt das Persönliche, das auf der zweiten Seite steht: Wie sollten wir nun biblisch mit unseren Rechten umgehen? Das ist etwas ganz Persönliches. Jeder von euch kann sich frei entscheiden, das zu tun oder nicht zu tun. Hör einfach auf dich und mach, was du glaubst, tun zu sollen.
Die Erfahrung meines Lebens und auch die vieler anderer Christen ist erstens: Identifiziere das Recht, das du glaubst zu haben. Hier beginnt, ich nenne es, die innere Turbulenz – es ist unangenehm. Weißt du, wenn wir ehrlich vor Gott sind, wenn wir vor Gott kommen und sagen: „Gott, es gibt ein paar Dinge, ohne die bin ich nicht bereit zu leben. Die gebe ich nicht aus meiner Hand.“ Das sind die Dinge, bei denen du sagst: Ja, mit Jesus leben ja, aber das auch.
Oft ist es bei Singles so, die sagen: Ja, Christ sein ja, aber ich muss heiraten. Ja, Christ sein ja, aber meine Kinder müssen bewahrt bleiben. Oder: Ja, Christ sein ja, aber nach China gehe ich nie! Was ist es, das wir nicht loslassen können?
Da habe ich einfach geschrieben: Sei ehrlich mit dir selbst, belüge dich nicht. Es tut manchmal ein bisschen weh, manchmal sehr. Darum nenne ich es den Verwundungsprozess. Hosea 6,1 sagt: „Gott schlägt Wunden, aber er heilt sie auch.“ Manchmal muss eine Wunde geschlagen werden, um einen Tumor zu entfernen. Die Heilung setzt erst dann ein.
Es tut weh, festzustellen, wo mein Stolz mich geleitet hat. Wenn ich das zugebe und sage: Ja, stimmt, ich habe festgehalten – was auch immer diese Dinge sind. Du brauchst übrigens keinen Psychiater, um das herauszufinden. Der Heilige Geist ist treu. Wenn du ehrlich vor Gott gehst und sagst: „Gott, was ist es, was zwischen dir und mir steht?“, dann zeigt er dir diese Dinge.
Hier sind ein paar Zeilen, in die du eventuell das eine oder andere aufschreiben kannst, was Gott dir zeigt. Dann kommt der zweite Schritt: Übergib all diese Rechte an Gott. Ich nenne es das Gebet der Übergabe. All die Dinge, an denen ich mich festhalte – ob das mein Erfolg ist, meine Beziehungen, meine Kinder, meine Gesundheit, was auch immer es ist – das nehme ich und sage: „Herr, es gehört alles dir, nimm es, gib es zurück, dein Wille geschehe.“
Und Freunde, das ist nicht leicht. Das ist wie beim Abseilen. Wir machen im Sommer oft Klettern. Da stehst du oben, du hängst am Seil, es geht senkrecht oder überhängend zehn, zwanzig oder dreißig Meter runter. Dabei ist es egal, wie hoch der Felsen ist, Hauptsache das Seil ist länger als der Felsen hoch ist.
Du stehst also da oben, hast alles gelernt, das Seil hält zweieinhalbtausend Kilogramm, du hast siebzig Kilogramm, du weißt, das hält alles. Dann kommt der Moment, wo du dich zurückfallen lassen musst. Das fällt vielen extrem schwer. Man hält sich an allem fest: Felsen, Gras, Bergführer – alles, was man irgendwie erwischt.
Früher oder später, mit oder ohne Hilfe, lässt man sich fallen. Und dann hängt man im Seil. Weißt du, was Martin Luther mal gesagt hat? „Ich hänge über einem tiefen Graben an einem seidenen Faden, aber der Faden hält.“ Das ist genau das Gefühl.
Du hast das Gefühl: Ich habe nichts mehr in der Hand. Gott, alles dir. Und das ist diese Übergabe: „Gott, ich habe mich an dem und dem festgehalten, neben dir, gehört dir. Ich bin gekreuzigt, gestorben und begraben. Du lebst in mir.“ Das ist die Prüfung, und dein Auferstehungsleben soll zum Ausdruck kommen.
Persönliche Erfahrung mit Gottes Fragen und Freiheit in Christus
Ich möchte etwas ganz Persönliches erzählen. Das war vor sechzehn Jahren, 1992. Ich habe es mir aufgeschrieben, denn damals habe ich einen Gebetsspaziergang gemacht. Ab und zu gehe ich so einen halben Tag mit Jesus spazieren. An den Tagen, an denen ich das nicht mache, habe ich das Gefühl, etwas ganz Wertvolles versäumt zu haben – einfach mit ihm spazieren zu gehen.
An diesem Tag bin ich den ganzen Tag mit ihm spazieren gegangen. Plötzlich hat er mir vier Fragen gestellt. Das war wahrscheinlich ein ganz besonderer Moment, so real. So etwas habe ich bisher nur zweimal im Leben erlebt. Er stellte mir vier Fragen.
Die erste Frage lautete: „Hans-Peter, ich weiß, du liebst Österreich.“ Das war 1992, da war ich noch keine dreißig Jahre alt. „Du liebst die Berge und so weiter. Aber Hans-Peter, ich möchte dich nächstes Jahr woanders haben – China oder Afrika oder England oder sonstwo. Ist das für dich in Ordnung?“ Das war so real, ich wusste, wenn ich ja sage, bin ich nächste Woche in China. Es war extrem schwer, denn ich liebe meine Heimat, die Berge.
Ich ging weiter spazieren und kam zu einem Punkt, wo ich sagte: „Herr, wenn du mich in Österreich nicht gebrauchen kannst, dann gehen wir. Es fällt mir schwer, aber es ist okay.“
Dann stellte er mir eine zweite Frage, die viel schwieriger war. Er sagte: „Hans-Peter, ich weiß, du liebst deine Frau.“ Damals hatten wir zwei Kinder, Lukas und Lisa. „Aber Hans-Peter, ich möchte dich gerne ab morgen als Single gebrauchen. Ist das okay für dich?“ Das war extrem schwer. Beim Spazierengehen weinte ich sogar, weil ich wusste: Wenn ich jetzt ja sage, könnte es sein, dass ich nach Hause komme und meine Frau und die Kinder nicht mehr da sind – vielleicht durch einen Autounfall oder etwas anderes. Ich wäre alleine im Haus.
Doch ich kam zu dem Punkt, an dem ich sagte: „Herr, es ist das Letzte, was ich mir wünsche. Es ist das Letzte, was ich mir je erträumt hätte für mein Leben. Aber wenn es die einzige Möglichkeit ist, dann geschehe dein Wille.“
Dann stellte er mir noch eine Frage, die ebenso schwierig war. Er sagte: „Hans-Peter, ich weiß, du bist dankbar für deine Gesundheit, aber ich möchte dich ab nächstem Jahr im Rollstuhl gebrauchen. Ist das okay für dich?“ Das war extrem schwer. Ich habe liebe Freunde, die im Rollstuhl sitzen. Wieder ging ich spazieren und sagte: „Herr, das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist das Allerletzte, was ich mir je gedacht hätte für mein Leben.“ Doch ich kam zu dem Punkt, an dem ich sagte: „Herr, wenn es gar nicht anders geht, geschehe dein Wille.“
Dann kam eine letzte Frage. Sie war hypothetisch, aber dennoch ganz real. Ich habe so etwas nur einmal in der Bibel gefunden, beim Paulus im Römerbrief. Gott fragte: „Hans-Peter, ich weiß, ich bin sehr wichtig in deinem Leben. Aber wie ist es, wenn ich mich selbst aus deinem Leben wegnehme?“ Ich vergesse das nie, denn das war fast wie ein körperlicher Schmerz, wie Herzweh. Ich sagte: „Herr Gott, du kannst mir alles nehmen, aber nicht dich. Denn du bist mein Leben.“
Nach diesem Gebet habe ich zum ersten Mal verstanden, was Paulus sagte in Philipper 1,21: „Mein Leben ist Christus, und Sterben ist mein Gewinn.“ Und wisst ihr, was ich in diesem Moment auch zum ersten Mal erfahren habe? Totale Freiheit. Ich wusste: Die Welt, Satan oder Gott können mir alles nehmen, aber sie können mir nicht mein Leben nehmen, denn Christus ist mein Leben. Alles andere können wir verlieren, Christus nicht.
Das wird ganz praktisch. Das sind keine theologischen, abgehobenen Wahrheiten wie „gekreuzigt, gestorben, begraben mit Christus“. Das ist Realität im Alltag.
Dankbarkeit und Vertrauen trotz schwerer Entscheidungen
Der dritte und letzte Punkt lautet: Entschließe dich, Gott zu danken – egal, welche Konsequenzen daraus entstehen. Wenn du dieses Gebet gesprochen hast, danke Gott für all das, was noch kommen wird. Denn Gott ist darin, und es wird gut sein.
Übrigens hat Gott uns tatsächlich ein Recht gegeben, auf das du bestehen darfst. Dieses Recht ist schriftlich festgehalten. Schlage dazu Johannes 1,12 nach. Das ist das einzige Recht, das ich in der Bibel gefunden habe. Aber dieses Recht haben wir.
Johannes 1,12: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Willen des Fleisches, auch nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“
Ich habe ein Recht, nämlich das Recht, ein Kind Gottes zu sein. Wenn ich einmal vor Gott stehe, vor seinem Thron, dann kann ich sagen: Gott, ich weiß, ich habe wenig gehalten, ich bin auch nicht würdig – das weiß ich. Aber Gott, du hast mir ein Recht gegeben: Ich bin dein Kind.
Auf dieses Recht kannst du beharren, denn es ist tatsächlich ein Recht, das dir gegeben wurde. Wenn du ein neues Auto kaufst und eine Garantie für ein Jahr bekommst, und das Auto geht in diesem Jahr kaputt, hast du das Recht, dass es repariert wird. Dieses Recht ist schriftlich festgehalten – genauso verhält es sich mit dem Recht, ein Kind Gottes zu sein.
Geduld Gottes und Einladung zur persönlichen Entscheidung
Ich möchte noch sagen: Es kann sein, dass der eine oder andere denkt, Hans-Peter, das Ganze ist mir ein bisschen zu steil. Ich kann nicht loslassen. Ich weiß nicht, wie das gehen könnte.
Ich möchte dir sagen, es ist okay. Gott ist sehr geduldig, und Gott zwingt niemanden. Darum, wenn du sagst, ich bin noch nicht so weit, ist das völlig in Ordnung. Gott ist ein treuer Gott. Er drängt niemanden.
Der eine oder andere sagt vielleicht: Doch, ich glaube, es ist genau an der Zeit, das zu tun. Ich möchte es tun. Christus ist mein Leben, nicht mehr ich.
Ihr habt jetzt eine halbe Stunde Zeit, es ist jetzt halb neun genau bis neun Uhr. Jeder, der will, kann diesen Zettel nehmen, es vor Gott besprechen, mit ihm durchbeten und es durchdenken.
Wer es nicht tun möchte, das ist völlig okay. Aber ich bitte euch, den anderen das Recht und die Freiheit zu geben, es tun zu können.
Das heißt, dass sich jeder einfach die halbe Stunde nimmt. Entweder geht man spazieren, oder man setzt sich in die Gruppen, wie Manfred es vorgeschlagen hat. Jeder macht es für sich. Oder man bleibt vielleicht hier sitzen. Wenn du sagst, ich bleibe einfach sitzen und denke über etwas nach, ist das auch völlig okay.
Eine halbe Stunde dafür, und dann treffen wir uns um neun Uhr wieder hier. Dort wollen wir gemeinsam Gott loben und ihn preisen – auch durch unser Singen.
Gebet um Gelassenheit und Vertrauen in Gottes Hand
Ich möchte noch beten, lieber Vater: Manchmal erscheint das, was dein Wille ist, was du verlangst, so unmenschlich, so schwer, fast brutal, Herr.
Doch wenn wir uns darauf einlassen, merken wir, dass es Freiheit ist. Es ist Friede, und nur darin finden wir Gelassenheit – göttliche Gelassenheit, nicht menschliche.
Herr, so schwer es dem einen oder anderen auch fallen mag, die Dinge zu bekennen, an denen wir festhalten, die Rechte, an denen wir uns klammern, die uns keiner gegeben hat und die uns hindern, dir wirklich zu vertrauen: Mögen wir diese Dinge erkennen, sie dir übergeben und uns freifallend fallen lassen.
Dann erkennen wir, dass das Seil hält. Es ist eine große Freiheit, sich ganz auf dieses Seil zu verlassen. So wissen wir, dass wir nie tiefer fallen als in deine Hand. Deine Hand ist eine liebende Hand, eine Hand, in der wir geborgen sind, nicht bedroht.
Darum dürfen wir dir vertrauen, wenn du etwas sagst. So danke ich dir, Herr, für jeden Einzelnen hier, wo immer er steht, und lege diese halbe Stunde in deine Hand. Ich möchte darauf vertrauen, dass du wirkst.
Amen.