Knapp vorbei ist ganz daneben

Jugendgottesdienst
Konrad Eißler
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Wie viele lassen es nur vorbeiziehen, wenn sie die Bibel lesen? Wie­ viele lassen es nur vorbeigehen, wenn Gott sie mit einem Erlebnis aufrütteln will? Man kann Stille Zeit halten, im Jugendgottesdienst mitten drin sitzen und dennoch nur daneben liegen. Deshalb sagt Jesus: Wer diese meine Worte hört, der bekommt’s auf den Kopf, der bekommt’s in die Hand und der bekommt’s in’s Kreuz. - Jugendgottesdienst aus der Stiftskirche Stuttgart


Für das Gleichnis vom verlorenen Sohn, für die Bergpredigt und die Himmelreichspredigten, ja für alle Worte Jesu gilt der Satz aus Matth.7: “Wer diese meine Worte hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann.”

Liebe Freunde, knapp vorbei ist ganz daneben. Denken wir an Fußball. Karl Allgöwer zieht am Elfmeterpunkt ab. Der Torwart streckt sich vergeblich in der langen Ecke. Der Reporter brüllt: Tooor, Tooor, 15:0 für den VfB. Aber das Netz beult sich nicht. Die Kugel streicht über das Gehäuse und macht den Fotoreporter zur Schießbudenfigur. Kein Rasiermesser hätte mehr zwischen Latte und Leder gepasst. Schade, erst wenn der Ball trifft, ist Jubel im Stadion. Knapp vorbei ist ganz daneben.

Oder denken wir an eine Familie. Der Vater hat einen Stall von Kindern, lauter Musterkinder natürlich, richtige Muster, Muster ohne Wert. Aber manchmal zerren sie an seinen Nerven, stehen drauf und trampeln. Kein Wunder, dass der gestresste Nährvater explodiert. Obwohl er kein bayrischer Watschenmann, sondern ein schwäbischer Edelmann ist, wird er handgreiflich. Mit der Linken packt er den Burschen, mit der Rechten holt er aus. Dann haut er zu. Aber der Bengel duckt sich und seine Hand rast in die Stehlampe.Er spürt noch die Haare, dann die Scherben. So gibt es keine Matschbirne, sondern nur Birnenmatsch. Schade, erst wenn die Hand trifft, ist Musik in der Bude. Knapp vorbei ist ganz daneben.

So ist das auch mit dem Wort Gottes. Manche meinen ja, die biblische Botschaft sei ein Heia-Bettchen, in dem man genüsslich seinen Schnuller lutschen könne, oder die biblische Botschaft sei ein komfortabler Regenschirm, unter dem man ständig trockene Füße behalte, oder die biblische Botschaft sei ein unzerreißbarer Haltegurt, der uns bei Karambolagen vor Verletzungen bewahre. Nach Jeremia aber ist die Bibel ein Hammer, der heruntersaust. Manche hören ihn ganz deutlich, wenn er die Luft zerteilt, sie sparen sogar den Wind, wenn er an ihnen vorbeirauscht, aber sie sind eben nicht betroffen. Schade, erst wenn der Hammer trifft, ist high life unter’m Dach. Erst wenn der getroffene Daumennagel in allen Regenbogenfarben aufleuchtet und aussieht wie Omelette mit Gelee, ist der Fall klar. Erst wenn ich richtig darunter gerate, ahne ich seine Wucht. Knapp vorbei ist ganz daneben.

Wieviel lassen es nur vorbeiziehen, wenn sie die Bibel lesen? Wieviel lassen es nur vorbeirauschen, wenn der Pfarrer von der Kanzel plätschert? Wie­ viel lassen es nur vorbeigehen, wenn Gott sie mit einem Erlebnis aufrütteln will? Doch, man kann Stille Zeit halten, im Jugendgottesdienst mitten drin sitzen, Trompete blasen im Chor und Kassier sein im CVJM, und dennoch nur daneben liegen. Deshalb sagt Jesus:

1. Wer diese meine Worte hört, der bekommt’s auf den Kopf

So wie der Saulus. Als Geheimagent der jüdischen CIA galoppierte er von Jerusalem nach Damaskus. Seine Taschen beulten sich vor lauter Haftbefehlen. Die Razzia gegen die Christensekte war in vollem Gange. Natürlich war er von der Richtigkeit seines Weges überzeugt, so wie einst der gottselige Calvin, der in Genf den Servet verbrennen ließ. Inspektor Saulus hatte seinen Kopf in den Nacken geworfen und auf einmal war er selbst vom Pferd geworfen. “Saul, Saul, was verfolgst du mich?” Dieses Wort schlug nicht wie ein Blitz haarscharf neben ihm in den Boden ein. Der Blitz wurde nicht geerdet. Gottes Wort traf ihn wie der Hammer. Er taumelte, verlor jede Orientierung, stürzte vom hohen Ross und blieb im Dreck liegen. Nicht nur seine freche Stirn war getroffen, nicht nur sein Dickkopf war gespalten, nicht nur sein Großmaul war gestopft, auch sein felsenfestes Herz war im Eimer. Das Wort hatte durchschlagende Wirkung. Vor Damaskus lag ein Wrack, ein Trümmer­haufen, ein Totalschaden des alten Menschen. So war diese Wirkung immer. Nach unserem Textwort heißt es: “Da die Leute das hörten, entsetzten sie sich.” Und Romano Guardini sagte einmal, das Wort Gottes sei die Erschütterung der Welt von oben her.

Es holt uns auch heute von jedem hohen Ross. Der eine sitzt auf seiner Vernunft, die Maß und Richtschnur für ihn ist. Der andere trabt mit seiner Frömmigkeit daher, die fadenscheinig und zerschlissen ist. Der dritte sitzt fest im Sattel seiner Rechtschaffenheit, die recht tut und niemand scheut. Der vierte reitet die alte Tour, dass Religion nur Opium fürs Volk sei. Alle miteinander sind wir stolze Reiter, die gern den Kopf hochtragen. Deshalb muss uns Gottes Wort auf den Kopf treffen und nicht knapp vorbeistreifen. “Du bist abgehauen. Du bist fremd gegangen. Du bist in schlechte Gesellschaft geraten. Du bist schmutzig geworden. Du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden.” Wer kann das Gegenteil beweisen? Wer es hört, der taumelt und stürzt. Wer es versteht, der ist am Boden. Wer es spürt, der gehört zum alten Eisen. Paulus stammelte: “Ich elender Mensch.” Luther rief: “Ich zerschlagene Kreatur.” Vielen kam es über die Lippen: “Ich bin ein Schrotthaufen.” Und wenn Sie auch anfangen, nicht nur den 23. Psalm zu lesen, nicht nur ein paar Lieblingstexte, sondern die ganze Bibel, dann verstehen Sie Sören Kierkegaard, der gesagt hat: “Menschen von solchem Kaliber, die das aushalten können, werden nicht mehr geboren.” Dann spüren Sie die Wucht, dann sind Sie down, aber nicht am Ende. Gott lässt keinen im Dreck stecken. Davon berichtet die Bibel. In Jesus kam er auf unsere Erde. Überall schaute er nach den Schrottplätzen ver­krachter und zusammengekrachter Existenzen. Zu diesen Geschlagenen und Gebeutelten sagt er: “Kommt her zu mir. Ich will euch nicht nur ein bisschen ausbeulen, spachteln, Lack aufspritzen und aufpolieren. Ich will euch neu machen.” Jesus kann das. Er hat das be­wiesen. Am Kreuz schlugen sie ihn mit dem Hammer fest. Sein Kopf fiel vornüber. Er starb. Aber am dritten Tag stand er wieder da als ein lebendiger Beweis dafür, dass Gott neu machen kann. Es muss keiner am Boden bleiben. Es muss keiner verrosten. Es muss keiner verschrottet werden. Aus einem totalgeschädigten alten Menschen kann er einen totalgesegneten neuen Menschen machen. Ist jemand in Christus, so hat er keine neue Karosserie, sondern er ist eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden, der Kopf, das Denken, das Fühlen, das Herz, so wie bei Paulus. Er erkannte die neue Wirklichkeit, dass Gott aus Zerdepperten und Zermatschten brandneue Leute schafft.

2. Wer diese meine Worte tut, der bekommt’s in die Hand

Das war im Hause des Judas. Dorthin hatte man Paulus nach seinem Niederschlag verfrachtet. Drei Tage später klingelte es an der Haus­tür und ein Mann namens Ananias meldete sich als Bote Gottes zur Stelle: “Herr Saulus, Gott hat Sie dienstverpflichtet. Sie sind sein Apostel. In Kleinasien und Europa müssen Sie Gemeinden bauen.” Und der Mann wankte wieder. War das die Möglichkeit? Was in ihm vorging, wissen wir nicht, aber ich ahne es. “Herr”, konterte Paulus, “ich bin geographisch nicht im Bilde. Ich weiß überhaupt nicht, wo das liegt!” Und Gott sagt: “Du hast mein Wort.” Paulus fuhr fort: “Herr, ich bin theologisch nicht up to date. Ich kann deine Sache schlecht vertreten.” Und Gott sagt: “Du hast mein Wort.” Paulus wand sich heraus: “Herr, ich bin psychologisch unterbelichtet. Wenn ich draufhaue, gibt’s Scherben.” Und Gott sagt: “Du hast mein Wort.” Und Paulus rang weiter: “Herr, ich bin ideologisch eine ganze Niete. Wie soll ich die Zeitströmungen durchdringen?” Und Gott sagt: “Du hast mein Wort.” Das ist der Hammer. Etwas anderes ist nicht nötig. Bis zum heutigen Tag stellt Gott seine Leute nicht in die Garage, sondern auf den Bau. Und mit dem einzigen Werkzeug, dem Wort, rüstet er sie aus. Sie zucken zurück. Sie fragen zurück. Sie wollen knapp vorbei: “Wohin soll ich gehen? In meinem Ort gibt es gar keinen Kreis. Wie soll ich anfangen? Ich war doch nicht in Aidlingen oder Unterweissach. Was soll ich tun? Ich habe zwei linke Hände.” Und Gott sagt: “Du hast mein Wort.” Es gibt gar keinen, dem dieses Werkzeug nicht anvertraut ist. Der Hammer ist auch für Linkshänder. Mit dem haue, nagle, zimmere. Dein Lebenshaus darf keine Bruchbude bleiben. Junge Menschen müssen eingefügt werden in Gottes Bau, wenn sie nicht aus allen Fugen geraten sollen. Sicher, der letzte Schlag wird vom wiederkommenden Herrn ausgeführt werd­en, wenn er das Dach draufsetzt. Aber bis dahin haben wir alle Hände voll zu tun, um Nägel mit Köpfen zu machen und zielgenau zu hämmern. - Noch eins, Kraftprotze werden wir dabei nicht. Schlägertypen sind bei ihm nicht zu finden. Muskelmänner stehen nicht auf Gottes Bau.

3. Wer diese meine Worte hört und tut, der bekommt’s ins Kreuz

Schauen Sie zum letzten Mal auf Paulus. Er stand mitten im Dienst. Und dann bekam er’s ins Kreuz. Ich meine nicht die Folterungen, die er durchlitten hat. Ich meine auch nicht die Schläge, die er einstecken musste. Nein, ich meine den Pfahl, den Dorn, den unbekannten Gegenstand, den Gott ihm ins Fleisch getrieben hat. Eine schwere Last lag auf seinem Kreuz. Er konnte nicht mehr richtig stehen. Er konnte kaum mehr liegen. Oft genug meinte er darunter zusammenzubrechen. Er ging sogar auf die Knie und betete: “Lieber Gott, ich bin fertig. Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Ich kann deinen Dienst so nicht tun. Nimm’s weg.” Und Gott hat nichts weggenommen. Nichts ist’s mit Kraft und Stärke und Gesundheit. Paulus leidet an Schwachheit. Damit ist er keine Ausnahme geblieben. Luther hat darunter gelitten. Fliedner hat darunter gelitten. Ludwig Hofacker hat darunter gelitten. Alles keine Sieger, sondern Geschlagene und Gebeutelte. Schwachheit ist die Berufskrankheit in Jesu Dienst. Deshalb wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen der Dienst für Jesus schwerfällt. Deshalb machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie etwas bei der Hausbesuchaktion für Welcome nicht mit einem Halleluja durch die Straßen rennen. Deshalb überlegen Sie nicht lange, wenn Sie auf Gottes Bau Kreuzschmerzen bekommen. Er legt eine Last auf, aber er hilft uns auch. “Lass dir an meiner Gnade genügen”, hat er dem Paulus gesagt. Lass dir an meinem Wort genügen. Dieses Wort ist genug zum Leben und sogar zu Sterben. Mehr als Gottes Wort brauchen wir nicht. Wer es hört und tut, der ist klug, denn knapp vorbei ist ganz daneben.

Amen