Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber wahrscheinlich ist es gut für uns, wenn wir bei einer so bekannten Geschichte wie der von Abraham all das, was wir wissen, für einen Moment beiseiteschieben. Oft sind wir in eingefahrenen Bahnen und kennen die Geschichten bereits von ihrem Ende her.
Was passiert eigentlich gerade vor unseren Augen? Das ist überhaupt nicht spektakulär. Da ist jemand – ein ganz normaler Mensch, so wie du und ich. Jemand, der mit Problemen belastet ist. Ein Mann, der nicht mehr jung ist und sich sehnlichst Kinder wünscht. Er hat eine Frau, die keine Kinder bekommen kann. Er weiß nicht, wie die Zukunft aussehen wird und fragt sich, wie es überhaupt weitergehen soll. Und zu diesem jemand spricht Gott.
Die Geschichte Abrahams ist nicht irgendeine Erzählung, die über unseren Köpfen schwebt. Sie ist deine und meine Geschichte. Trotz all der Zerwürfnisse und Schwierigkeiten in unserem Leben ist das heute Abend gerade wieder die Situation.
Da sitzen wir, und irgendjemand schaut darauf. Es ist nichts Spektakuläres, aber es wird heute Abend geschehen, was damals bei Abraham geschah. Mancher von uns wird erleben, wie Gott in sein Leben hineinspricht.
Ich liebe die Abraham-Geschichte. Wir haben ja Lieblingsgeschichten in der Bibel, aber ich habe die Abrahamsgeschichte immer falsch verstanden. Ich dachte: Boah, ist das cool! Wenn ich doch nur bereit wäre, so wie Abraham zu glauben – ohne Netz und doppelten Boden. Wenn ich doch einfach so leben könnte: Herr, ich setze alles auf diese eine Karte, auf dich baue ich mein Leben. Und wow, was hat Gott dann aus diesem Leben Abrahams gemacht!
Aber so ist das ja gar nicht. So ist das ja gar nicht.
Ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, als Andreas Schäfer uns das gerade vorgelesen hat, an dieser Wende von Kapitel 11 zu Kapitel 12, wo die Abrahamsgeschichte so richtig losgeht. Kapitel 12 beginnt mit dem ersten Wort: „Und der Herr sprach zu Abraham.“
Wenn jemand sagt: „Und“, dann ist das ja irgendeine Fortsetzung von etwas. Dann geht es also weiter, es fängt hier nicht direkt etwas ganz Neues an, sondern es setzt sich etwas fort. Und genau das ist so.
Vor diesem „Und“ sind schon elf Kapitel geschrieben worden. Vor diesem „Und“ haben wir gesehen, wie eine Welt, die Gott wunderbar geschaffen hat, zerbrochen ist. Und jetzt machen sich manche Gedanken, was aus Deutschland werden soll – das ist ja lächerlich im Vergleich dazu.
Gott hat das Paradies erschaffen, Gott hat die Menschheit erschaffen, Gott hat gesagt: Es war sehr gut. Und dann, Schlag auf Schlag, zerbricht diese wunderbare Schöpfung Gottes. Die Sünde überschlägt sich, es ist Dunkelheit, die über der Welt hereinbricht, Mord und Totschlag.
Aber wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen. Gerade ein Kapitel vorher sehen wir das letzte Aufbäumen der gefallenen Menschheit, die sich ein Denkmal bauen will – einen Turm. Gott fährt hernieder, zerstört die Pläne und verwirrt die Sprachen.
Und dann heißt es: „Und der Herr sprach zu Abraham.“
Das ist doch ein Bild für die Wirkung des Evangeliums damals, bis heute und bis in alle Ewigkeit – über einer sündhaften, gefallenen, dunklen Welt, wo eigentlich wieder Tohu wa Bohu herrscht, wo nur noch Schuld und Verlorenheit sind, wo es mit der Menschheit eigentlich aus ist und die Pläne zunichtegemacht wurden.
Da wählt Gott sich jetzt plötzlich einen Einzelnen, um mit ihm etwas Neues anzufangen.
Und das macht mich so hoffnungsvoll für uns heute Abend hier, für unser Land. Es wird nicht die große spektakuläre Show sein, aber da, wo das geschieht, wo einer von uns, wo der Einzelne wieder auf die Anrede Gottes hört, wo ein Leben zurechtgebracht wird – da beginnt eine neue Geschichte.
Und Gott erwählt sich diesen Abraham.
Aber es war ja nicht nur die Dunkelheit. In den ersten elf Kapiteln gibt es noch viel mehr, und das beobachten wir bis heute. Bereits in diesen Kapiteln leuchtet etwas von der großen Heilszusage Gottes auf.
Die Schlange wurde verflucht, und über ihr wurde das Gericht vorhergesagt: Einmal wird jemand kommen und dir den Kopf zertreten. Jemand wird kommen, der dieses Unrecht wieder zurechtrückt, die Dunkelheit vertreibt und alles in Ordnung bringt. Es wird dunkler und dunkler, doch diese Verheißung aus 1. Mose 3,15 bleibt bestehen. Aber wo ist diese Verheißung sichtbar?
Dann handelt Gott. Aus seiner freien Gnadenwahl tritt er in das Leben dieses Heiden ein. Abraham war nicht gläubig im Sinne unseres heutigen Verständnisses. Er war wahrscheinlich ein Mondanbeter, jemand, der von religiösen Dingen kaum etwas wusste. Er war ein Heide, gefangen in den Praktiken seiner Zeit. Und plötzlich begegnet ihm Gott.
Spulen wir nun weit nach vorne, erkennen wir, dass in Abraham ein heilsgeschichtlicher Umbruch, eine Wendezeit geschieht. In ihm deutet sich der Segen an, der in 1. Mose 3,15 vorhergesagt wurde. Bei Abraham wird diese Verheißung aufgegriffen: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter.“ Das erfüllt sich schließlich in Jesus Christus.
Am Anfang von Kapitel zwölf erfahren wir, dass durch Abraham alle Nationen gesegnet werden sollen. Und in Kapitel elf, wenn ihr es heute Abend noch einmal lesen wollt, hat Gott alle zerstreut, die Nationen überhaupt erst geschaffen und die Sprachen verwirrt. Doch Gott kann all das wieder zurechtrücken.
Da stockt einem der Atem: In wenigen Versen wandelt sich das Bild. Vom Gericht und der Sprachverwirrung geht es hin zu der Segensspur, die in Abraham beginnt. Unglaublich, was unser Herr tut.
Jetzt ist es interessant zu wissen, wer dieser Abraham eigentlich ist. Es muss ja jemand Besonderes sein, wenn Gott mit ihm sein großes Werk beginnen will. Wer ist dieser Abraham?
Schnell merkt man: Abraham ist ein Nobody. Er ist ein ganz normaler Typ, kein Heiliger aus einem Kirchenfenster, sondern jemand wie du und ich – mit Ecken und Kanten. Es sind Geschichten, die man kaum mit Kindern lesen möchte, wenn er zum Beispiel seine Frau in den Harem des Pharaos schickt. Was für ein Mann!
Aber so ist es bei Gott – das ist seine Gnade. Gott nimmt ganz normale Menschen wie Abraham, Andreas, Manfred, dich und mich. Nicht besondere Heilige, sondern ganz gewöhnliche Menschen, Gemeinden, Gruppen, Kreise und Bibelkonferenzzentren. Mit ihnen baut Gott sein Reich, und wir dürfen Teil davon sein.
Was dort geschieht, ist Segen. Das ist es, was hier verheißen wird: „Du sollst ein Segen sein.“ Wo Menschen von Gott gebraucht werden und Gott Menschen segnet, da geschieht Veränderung.
Bei Abraham war der Segen ganz konkret: Gott will ihm ein Land geben, Nachkommen schenken, einen Bund mit ihm schließen und ihn zum Segen für alle Nationen machen. Gott möchte auch uns segnen.
Ich möchte euch ermutigen, Gott darum zu bitten. Bittet den Herrn, dass er euch segnet – aber bleibt nicht dabei stehen. Mir ist es in meiner Arbeit sehr wichtig, dass wir Gott nicht nur um Segen bitten, sondern auch darum, dass wir selbst zum Segen für die Menschen um uns herum werden.
Das braucht unser Land: dass wir ein Segen sein dürfen. Wir dürfen Gott auch um ein Land bitten. Wir können zum Beispiel für Langensteinbach, Baden-Württemberg oder Deutschland beten. Wir können darum bitten, dass Gott in diesem Land noch einmal Großes tut.
Wir dürfen auch um Nachkommen bitten. Wenn wir im nächsten Jahr bei der Familienfreizeit an Pfingsten wieder zusammenkommen, können wir uns an die Namen der Menschen erinnern, die durch uns zu Jesus gefunden haben. Wir dürfen Frucht bringen mit unserem Leben.
Dann können wir die Grenzen weiter stecken und für die ganze Welt beten. Betet, dass Gott in den Ländern der Märtyrer und in den muslimischen Ländern seine Gemeinde baut.
Ich fand das ja schon irgendwie keck von den Grünen beim Europawahlkampf. Ich weiß nicht, ob euch diese Wahlplakate aufgefallen sind: „Wer die Welt retten will, fängt mit einem Kontinent an.“ Das ist mal eine Ansage – mit Europa.
Fangen wir mal klein an. Na ja, wir Christen wissen das besser: Wir können die Welt nicht retten. Jesus sagt: „Dazu bin ich gekommen, dass ich die Welt rette.“ Aber wie macht Jesus das?
Dazu möchte er Männer und Frauen wie dich und mich gebrauchen – ganz normale Menschen, 0815-Typen. Mit uns will er sein Reich bauen. Und wir dürfen unter dieser besonderen Verheißung stehen.
Ihr Lieben, im christlichen Leben geht es doch nicht darum, dass wir uns jetzt mit Ach und Krach irgendwie so durchschaukeln und dann irgendwann in den Himmel kommen. Im christlichen Leben geht es darum, dass wir hier und jetzt eine Bestimmung haben und eine Berufung.
Gerade so, wie Abraham gerufen wurde, ein Segen für seine Umwelt zu sein, so ruft Gott dich und mich, dass wir zum Segen werden dürfen. Gott will Abraham segnen, und Abraham soll ein Segen sein.
Und die Folgen dieses Segens sind weitreichend: Abraham wird zum Vater der Juden, zum Vater Israels. Er wird auch zum Vater Jesu als dessen Vorfahre. Das macht Matthäus in seinem Stammbaum deutlich.
So wird Abraham letztlich, wie Paulus sagt, zum Vater der Gemeinde Jesu – von uns allen, die wir glauben, aus allen Nationen. So viel kann und will Gott durch diesen einen Menschen bewirken. Ebenso viel will und kann Gott durch dich tun, nicht nur durch unsere Kreise und Gemeinden.
Die Frage ist natürlich jetzt noch: Wie kommen wir dahin? Was kostet das? Was steht im Kleingedruckten? Was müssen wir jetzt tun? Drei Gedanken dazu folgen.
Wir müssen lernen, Vertrautes zurückzulassen. Das musste auch Abraham lernen. Er verließ seine vertraute Umwelt, sein komfortables Leben und seine Sicherheit.
Wir werden niemals die Fülle Gottes erleben, wenn wir uns ununterbrochen an unsere eigenen Sicherheiten klammern. Diese sind, wenn wir ehrlich sind, oft nur Scheinsicherheiten. Wie es mit der Währung weitergeht, was einmal mit unseren Renten passiert, wie sich die Inflation entwickelt oder wie sich die Wirtschaft verändert – darüber haben wir kaum Kontrolle.
Wenn Paulus davon spricht, dass der Friede Gottes unsere Herzen erfüllen soll, meint er genau diesen Frieden. Es ist der Friede Gottes, der den erfüllt, der alle seine Anliegen auf Jesus wirft. „Herr, ich kann mich doch sowieso um nichts kümmern, das musst du lösen.“
Abraham musste lernen, ohne Netz und doppelten Boden zu leben. Er musste lernen, im Vertrauen auf Gott loszugehen. „Geh in ein Land, das ich dir zeigen werde“, sagt Gott. Als Abraham aufbrach, wusste er nicht, wohin seine Reise gehen würde. Aber Gott sagt: „Ich werde es dir zeigen.“ Und Abraham geht los.
Das ist Glaube. Glaube bedeutet, Gott zu vertrauen, unsere Hand in seine Hand zu legen und an seiner Hand durch diese Welt und unser Leben zu gehen.
Abraham musste seine Familie verlassen. Wir lieben unser Umfeld, unsere Familie und unsere Kultur. Abraham musste all das zurücklassen. Gott sagt: „Geh aus deinem Vaterland!“ Und Abraham folgte diesem Auftrag – na ja, nicht ganz.
Dann sagt Gott: „Geh aus deiner Verwandtschaft!“ Und Abraham folgt diesem Auftrag nicht ganz. „Geh aus deines Vaters Haus!“ Auch diesem Auftrag folgt Abraham nicht ganz.
Lass das Vertraute hinter dir, gib die Sicherheiten auf! Doch Abraham tut das nicht vollständig.
Das ist eine der großen Gefahren in der Nachfolge Jesu: Wir sind bereit, mit Gott zu gehen, wir sind gehorsam – aber nur so weit, wie es uns angenehm ist. Der Weg fällt uns schwer. Wer will schon sein Vaterland verlassen?
Abraham verlässt nicht sein Volk. Er verlässt Ur, aber er bleibt in Haran, das liegt immer noch in Mesopotamien. Er nimmt Terach und Lot mit und bleibt in seiner Familie. Haran liegt an der Grenze dieses Kulturlandes Mesopotamien, wo immer noch der Mondkult betrieben wird. Abraham bleibt in seiner vertrauten religiösen Umgebung und schreckt vor dem letzten Schritt zurück.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten wir in unserem kleinen Außenbüro in Wetzlar einen Gast. Es war sehr interessant: ein Missionar, der unter muslimischer Bevölkerung in Malawi, Afrika, arbeitet. Er erzählte von den Missionaren in Malawi. Dort gibt es sehr viele Missionare.
Er selbst war Missionar und weiß, wie schwer das ist. Er wollte sich nicht lustig machen, aber es hat mich traurig gemacht, was er berichtete: Viele Missionare in Malawi treffen sich in Hauskreisen zum Austausch, aber keiner traut sich, den Muslimen dort das Evangelium zu bringen.
Er und seine Freunde beten darum, dass Gott diesen Missionaren Mut schenkt, den Muslimen auch tatsächlich das Evangelium zu bringen.
Man kann sich also aufmachen, sogar aus Amerika oder anderen Ländern bis nach Malawi kommen, und doch nicht aus der eigenen Komfortzone herausgehen. So bleibt man stecken.
Wie traurig ist das? Es hat mich sehr betrübt, und ich habe einige meiner eigenen Probleme im Missionsalltag darin wiedererkannt.
Wir wollen nicht auf halbem Wege stecken bleiben. Wir müssen Vertrautes zurücklassen.
Zweitens, was Abraham tun musste: Er musste Glauben leben, ohne Netz und doppelten Boden. Ihr kennt das Bild aus dem Zirkus, wenn alles abgesichert ist und so weiter. Trotzdem spüren wir Adrenalin, wenn wir zuschauen, wie der Seiltänzer alles macht. Aber ein Sicherheitsnetz ist da, alles ist abgesichert.
So ist unser Glaube nicht. Im Glauben wagen wir uns, sozusagen wie Petrus auf dem Wasser zu laufen. Im Glauben halten wir uns an das, was wir nicht sehen, als sähen wir es. Im Glauben bauen wir auf Gottes Verheißung – komme, was da wolle. Gott möchte uns aus unseren Grenzen herausführen. Er möchte, dass wir lernen, mit ihm über Mauern zu springen. Das musste Abraham lernen.
„Wo soll es denn hingehen, Gott? In ein Land, das ich dir zeigen werde.“ Mit anderen Worten sagt Gott zu Abraham: „Weißt du, diese Frage, wo und so, das musst du mir überlassen.“ Das ist ja eine Frage, die uns auch bewegt: Wo werden wir im Alter leben? Was wird sein? Und Gott sagt: „Lass das doch meine Sorge sein.“
Gott versprach Abraham Kinder. Das war ja gerade sein Problem, denn Sarah war unfruchtbar. „Was soll das werden, Gott?“ Und Gott sagt zu Abraham: „Du, diese Frage, was das alles werden soll, die musst du auch mir überlassen.“ Dann sagt Gott zu Abraham: „Durch dich sollen gesegnet werden alle Nationen.“ Abraham fragt: „Gott, wie soll das denn gehen?“ Und Gott antwortet: „Du, die Frage, wie das alles gehen soll, die musst du auch mir überlassen.“
Das gilt ja auch für uns: Wo wird das sein? Wann wird das sein? Wie soll das gehen? Was soll denn werden? Ihr Lieben, wir sollen in der Nachfolge Jesu lernen, diese Fragen an unseren Herrn abzugeben. „Das musst du jetzt lösen, da musst du uns jetzt führen, da wollen wir auf dich vertrauen.“
Abraham muss lernen, zu glauben ohne Netz und doppelten Boden. Er muss das Vertraute zurücklassen, er muss die letzten Sicherheiten kappen. Er hat das noch nicht gekonnt, denn er war in Haran geblieben. Das war an der Grenze des Kulturlandes.
Aber dann spricht Gott noch einmal zu ihm. Gott hat ja zweimal zu ihm gesprochen. Das hier in 1. Mose 12,1 ist so eine Art Rückblende. Wir wissen von der Stephanus-Rede in Apostelgeschichte 7, Vers 2, dass Gott das erste Mal mit Abraham sprach in Ur in Chaldäa. Dann blieb die Reise in Haran stecken. Und dann sprach Gott erneut zu Abraham: „Geh aus deinem Vaterland, aus deiner Vaterstadt!“ Und dann macht sich Abraham auf.
Das macht mir Mut, dass Gott ihm da noch eine zweite Chance gibt. Was ist unser Gott doch für ein Gott! Er schreibt uns nicht ab, wenn wir stecken geblieben sind. Er geht uns nach, er gibt uns noch eine Chance.
Ihr Lieben, lasst uns diese Chance heute Abend nutzen und Gott unser Leben anvertrauen. Wie das werden soll, was werden soll, wo das alles sein soll – das wissen wir nicht. Aber Jesus hat einen Plan für dein Leben. Und der Plan, den er hat, ist ein guter Plan. Er will dich segnen, und er möchte, dass du ein Segen wirst.
Und dann muss Abraham noch eine dritte Sache lernen: Er muss lernen, sich die Prioritäten von Gott neu setzen zu lassen.
In Haran war Abraham richtig stecken geblieben. Er hat dort nicht nur im Hotel übernachtet, sondern sich richtig niedergelassen, wahrscheinlich eine Hütte gebaut oder etwas Ähnliches. Sie kamen nach Haran und wohnten dort (1. Mose 11,31). Aber das ändert sich.
Als wir ihn jetzt in Kanaan erleben, da zieht er hin und her. Jetzt ist Abraham richtig auf der Spur Gottes. Er lebt im Zelt, aber seine Prioritäten haben sich verändert.
Was tut er? In dem Text hören wir es zweimal: Er baut dem Herrn einen Altar. Er hat verstanden, dass es jetzt wirklich darauf ankommt, nicht das zu tun, was ich aus meinem Leben mache, sondern zuerst nach dem Reich Gottes zu trachten. Er baut Gott einen Altar, und er selbst lebt in einem Zelt.
Abraham war 75 Jahre alt. Alter spielt für Gott keine Rolle. Mose war 80, als seine eigentliche Berufung begann. Manche von uns sind jünger, wie Jeremia, der ein junger Mann war, oder Timotheus. Jesus hatte auch junge Jünger. Das Alter ist für Gott bedeutungslos.
Ruhestand ist gar nicht das Allerwichtigste, und unsere Unerfahrenheit ist ebenfalls kein Problem. Die Frage ist: Wollen wir uns Gott zur Verfügung stellen? Wollen wir uns von Gott unsere Prioritäten neu setzen lassen? Wollen wir Gott bitten, dass er uns segnet und uns auch für die Menschen um uns herum zum Segen werden lässt?
Dann fängt Gott seine Geschichte auch in deinem und meinem Leben an.
In der verdorbenen Welt der damaligen Zeit, in der die wunderbare Schöpfung Gottes vor unseren Augen zerbricht und Mord und Totschlag Einzug halten, erwählt Gott aus lauter Gnade Abraham. Er geht mit Abraham einen Weg.
Abraham muss lernen, Vertrautes zurückzulassen. Er muss lernen, ohne Netz und doppelten Boden zu leben. Außerdem muss er lernen, sich die Prioritäten von Gott neu setzen zu lassen. So wird Abraham zu einem Werkzeug in der Hand Gottes.
Die Geschichte geht weiter. Bis heute sehen wir diese Segensspuren überall in der Gemeinde. Deshalb passt die Geschichte Abrahams auch zum Pfingstfest wie die Faust aufs Auge.
Sozusagen ist hier der Urkern der Gemeinde des Volkes Gottes im Alten Testament entstanden. Die Segensspuren reichen bis in das Gottesvolk des neuen Bundes, die Gemeinde Jesu, die Ekklesia, die Gemeinde der Herausgerufenen aus den Nationen.
Und wo lässt uns das jetzt? Wir müssen es doch festmachen. Wenn wir heute Abend hier zusammen sind, dann sind sicherlich einige von uns gerade an dieser Stelle, so wie Abraham, irgendwo stecken geblieben – wenn sie ehrlich sind. Du hattest doch mal ganz Großes mit Gott vor. Da war dir doch eine Berufung ganz klar. Und jetzt sitzt du irgendwo fest.
Und jetzt spricht Gott ganz neu zu dir: Mach dich auf, geh diesen Weg! Manche von uns sind bedrückt von all diesen technischen Fragen: Was wird aus der Wirtschaft? Was wird aus meinem Leben? Was wird mit der Rente? Was, wie, wo, wann, wer?
Und dann lädt Gott dich ein, nicht irgendwann, sondern jetzt, heute, ihm diese Sorgen hinzulegen. Sie nicht wieder mit ins Zimmer zu nehmen, nicht wieder mit nach Hause zu nehmen, sondern hier zu lassen. Vielleicht mit einem Gespräch, das im Gebet begraben wird, und zu sagen: Herr, ich will dir vertrauen.
Glaube ohne Netz und doppelten Boden – das ist auch das, was uns die verfolgte Gemeinde Jesu vorlebt. Das ist mir wichtig.
Am Anfang haben wir bei der Abraham-Geschichte gesagt, es ist jetzt gut, wenn wir manches auch mal zur Seite schieben, um uns ganz neu dieser Begegnung zu stellen. Da möchte ich euch auch bei der verfolgten Gemeinde einladen, die vorgefassten Gedanken beiseitezuschieben. Jetzt nicht nur an Opfer zu denken und an Christen, denen unser Mitgefühl gehört – das gehört sicherlich dazu – sondern auch anzufangen zu verstehen, dass hier modellhaft und exemplarisch uns Brüder und Schwestern in unserer Zeit einen Weg vorausgehen, zu dem wir alle miteinander berufen sind.
Es geht durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes. Da kommt keiner von uns drum herum. Da hilft keine Petition, da hilft kein Menschenrecht. Das liegt in der Natur der Sache. Wir brauchen die Bedrängnis, weil wir nicht alles, was wir an Charakter und Leben haben, mitnehmen können auf diese Reise in das Reich Gottes.
Die Bedrängnis ist so ein Stück weit das Werkzeug Gottes, mit dem er uns frei macht von dem, was uns hindert. Und wir sehen das im Schicksal der verfolgten Gemeinde ganz drastisch und exemplarisch.
Da bleibt nichts übrig. Da bleibt nur noch eines: dass ich im Leben und im Sterben gehalten bin durch Jesus Christus. Aber das hält und trägt. Und das trägt diese Brüder und Schwestern durch die schlimmsten Zeiten der Verfolgung hindurch.
Können wir es ein bisschen dunkler machen? Die Berichte und Geschichten aus der Verfolgung sind Berichte von Menschen, die glauben und leben, ohne Netz und doppelten Boden.
Der Gründer unserer Mission, Richard Wurmbrand, wurde während eines großen kommunistischen Kongresses der Religion – so nannte man das damals – in Bukarest, Rumänien, von seiner Frau aufgefordert, das Wort zu erheben. Dort hatten sich alle Kommunisten und Kirchenführer versammelt. Sie waren sich einig geworden, dass der Kommunismus eigentlich nur eine Umsetzung biblischer Gedanken sei.
Wurmbrand bat dann um das Wort und sagte: „Das, was wir hier hören, ist Lug und Trug.“ Er verkündete die Wahrheit des Evangeliums vor diesen Tausenden Kongressteilnehmern. Dieser Kongress wurde im rumänischen Rundfunk im ganzen Land übertragen. Dort war diese eine Stimme, die Jesus Christus und sein Evangelium treu hochhielt.
Der Preis, den er dafür zahlte, war hoch: Er verbrachte 14 Jahre im Gefängnis. Jesus Christus, sein Evangelium und das mutige Zeugnis derer, die Jesus Christus nachfolgen, kann man nicht zum Schweigen bringen.
Ich habe vorhin bei Abraham gesagt, dass das eigentlich eine völlig unbedeutende Geschichte sei: Irgend so ein Typ, der keine Kinder hat, irgendwo, und Gott begegnet ihm – wen interessiert das? Da waren Könige, Mächtige, Herrscher und Militärs, und all das Mögliche. Die kennen wir alle nicht, aber Abraham kennen wir.
Die Machthaber Rumäniens, Ceausescu und wie sie alle hießen, die meisten Namen sind längst vergessen. Aber die Stimmen der leidenden Christen aus den Gefängnissen dort ermutigen heute noch weltweit unzählige Christen. Das macht Gott. Das sind die Segensspuren, die er schenkt.
Im Kommunismus ist dies an vielen Stellen deutlich zu erkennen, am offensichtlichsten vielleicht in Nordkorea. Dort werden die Menschen stark unterdrückt.
In dieser geistlichen Dunkelheit stellt sich die Frage: Wenn jemand das Licht des Evangeliums findet, was tut er dann? Bin ich bereit, für den Glauben an Jesus Christus mein kleines Leben, meine bescheidenen Umstände, alles zu riskieren, nur um Jesus Christus treu zu folgen?
Dieser Bruch ist in Nordkorea so radikal wie vielleicht nur noch in Saudi-Arabien oder in ganz fundamentalistischen muslimischen Ländern. Die Menschen werden aufgefordert, vor Statuen Ehrerbietungen zu zeigen. Sie werden überwacht und verfolgt. Christen, die ihre Bibel lesen oder beten wollen, sind in allen Ausdrücken ihres Glaubens ständig in Lebensgefahr.
Trotzdem wächst die Gemeinde Jesu in Nordkorea prozentual stärker als in Südkorea. Wusstet ihr das? Das ist Gottes Wirken. Der Preis ist hoch. Die Menschen überschlagen die Kosten und entscheiden sich trotzdem, Jesus Christus nachzufolgen.
Dieser Glaube ist ohne Netz und doppelten Boden – auch in Bezug auf den Missionsauftrag. Das ist bei Nordkorea besonders schwierig. Ich weiß auch nicht, wie man das ändern kann. Bei uns haben die meisten Menschen große Angst vor solchen Ländern. Es ist schwer, Mitarbeiter zu finden, die als Missionare in Nordkorea arbeiten wollen, obwohl das möglich ist. Natürlich nicht offiziell als Missionare, sondern als Facharbeiter. Durch ihr gelebtes Christsein können sie dennoch ein Zeugnis sein und Präsenz zeigen.
In den umliegenden Ländern gibt es Christen, die Wege finden, das Evangelium von Jesus unter Lebensgefahr in dieses Land hineinzubringen. So baut Gott seine Gemeinde auf.
Diese Radikalität, diese Opferbereitschaft und Kompromisslosigkeit werden auch von uns zunehmend erwartet. Vielleicht erwarten wir das nicht von uns selbst, aber Gott erwartet es von uns.
Wie soll das Evangelium in die Welt des Islam hineingebracht werden, wenn wir uns nur für Fragen der Sicherheit und Ähnliches interessieren? Wenn wir Muslime mit dem Evangelium von Jesus Christus erreichen wollen, dann braucht es Männer und Frauen, jung und alt, die bereit sind, alles auf Jesus zu setzen und Nachfolge ohne Netz und doppelten Boden zu leben.
Mich beeindruckt es sehr, wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel in Kolumbien. Dort habe ich eine Pastorenwitwe namens Gloria kennengelernt. Ihr Mann war Evangelist. In der Region Kolumbiens war eine kommunistische Pfadgruppe aktiv, eine Terrorgruppe, die brutal gewütet hat. Glorias Mann wurde von diesen Terroristen ermordet.
Ich habe dann die Familie besucht und den neunjährigen Sohn von Gloria, Daniel, kennengelernt. Daniel kam von der Schule und erreichte gerade den Ort, an dem sein Vater erschossen wurde. Der Vater lag am Boden, und Daniel kam dazu. Gloria stand daneben. Das ganze Familienglück war in Scherben gebrochen: Verzweiflung, Not, Traurigkeit, Tod.
Was tut Daniel? Er geht zu seinem Vater, nimmt ihm den Gürtel und die Uhr ab – ein neunjähriger Junge. Dann sagt er zu seiner Mutter: „Wenn ich groß genug bin, diese Uhr und diesen Gürtel zu tragen, dann möchte ich in die Fußstapfen meines Vaters treten.“ Daniel, neun Jahre alt, voller Glaube, ohne Netz und doppelten Boden.
Jetzt geht Jesus durch unsere Reihen und fragt dich und mich: Wer von uns möchte wie Daniel oder wie Richard Wurmbrand auf ihn vertrauen, seinen Platz einnehmen und ausfüllen? Die Christen in diesen Ländern – zum Beispiel in Kolumbien – bringen auf abenteuerliche Weise das Evangelium in die Terrorgebiete. Mit Flugzeugen, kleinen Fallschirmen oder auf andere Weise. Ähnlich ist es in der islamischen Welt und in kommunistischen Ländern.
Ein anderer Bereich ist Indien, wo große geistliche Not herrscht. Die Situation dort ist ganz anders als in kommunistischen Ländern mit Ideologien wie Humanismus, Sozialismus und Materialismus. In Indien dominiert die Religion des Hinduismus, eine dunkle Religion voller Götzen, Dämonen und Angst. Außerdem gibt es eine große muslimische Minderheit.
Die große Frage lautet: Wie erfahren diese Menschen – die Hindus und Muslime in Indien – die frohe Botschaft von Jesus Christus? Die Gemeinde Jesu in Indien, zum Beispiel Heiko Grimmer, den einige von euch noch kennen, hat das Missionswerk Netanja gegründet. Dort gibt es kleine Büchlein wie „Der Löwenmann“ und ähnliche Werke. Mutige Christen bauen in diesem dunklen Land unter großer Gefahr das Reich Gottes auf und erleben zugleich den Segen Jesu.
Abraham hat den Segen erlebt, als er sich aufmachte – aus Ur und Haran – auf diese Reise, dieses Abenteuer. Tosa, ein alter Bibelausleger, sagte einmal: An der Grenze des gelobten Landes gibt es viele, die sehnsüchtigen Blickes denen hinterherschauen, die sich trauen, über den Jordan zu gehen, um das Land einzunehmen. Doch viele kehren wieder um in ihr altes Leben und ihren Alltag.
Gott sucht Menschen, die sich aufmachen, an seiner Hand das Land einzunehmen. In Indien gibt es Christen, die unter Lebensgefahr den Hindus das Evangelium von Jesus weitergeben – durch bescheidene Liebesdienste, kleine Aufmerksamkeiten und das verkündigte Wort. Sie proklamieren immer wieder: Angesichts der Dämonen und der Dunkelheit in diesem Land ist Jesus Christus der Herr.
Dann geschieht es, ähnlich wie in der Urgeschichte in 1. Mose 11 und 12, dass sich das Blatt wendet. Das Licht des Wortes Gottes leuchtet in die Dunkelheit hinein. Ein Abraham wird angesprochen, ein Hindu wird angesprochen, Leben verändern sich, und es entsteht eine Segensgeschichte.
Wir unterstützen die Geschwister in diesen Ländern mit Literatur, Bibeln und Schulungen. Natürlich dürfen wir auch beten – für die Menschen, die Jesus unter ganz anderen Umständen nachfolgen als wir, in den Ländern der Märtyrer.
Und dann noch die muslimische Welt. Wenn man in diesen Ländern unterwegs ist, sieht man nicht auf Schritt und Tritt Terror und alles Mögliche. Ich bin gerne in diesen Ländern unterwegs. Auch als Student habe ich dort in Nordafrika viele Reisen unternommen. Ich hatte einen Onkel, der in Libyen gearbeitet hat.
Es sind herzliche Menschen, Menschen mit einer Religion, die keine Gnade kennt, Menschen mit einer Gesetzesideologie ohne Evangelium. Wer bringt diesen Menschen die frohe Botschaft von Jesus? Frauen, die in ihrer eigenen Gesellschaft ausgegrenzt sind und keine Möglichkeiten haben, große Bildung oder Selbstverwirklichung zu erlangen. Wer sagt diesen Frauen, dass Jesus sie liebt, dass sie wertgeschätzt sind und dass Gott einen Plan für ihr Leben hat?
Wo sind die, die sich rufen lassen, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu tragen? Lest noch einmal die Losung und den Lehrtext von diesem Tag heute.
Wir arbeiten mit Christen in all diesen Ländern zusammen, die unter Lebensgefahr das Evangelium zum Beispiel in Nigeria in die Boko Haram- und Fulani-Terrorgebiete bringen. Unser Freund dort hat selbst Todesdrohungen erlebt, hat sie überlebt, und sein Glaube ist das Einzige, was ihn schützt. Keine Waffe, keine Polizei, kein Militär. Diese Christen sind völlig schutzlose Ziele von Terroranschlägen.
Gemeinde und Missionare kann man nicht schützen, sie sind völlig schutzlos. Boko Haram und andere Terrororganisationen überfallen ganz gezielt christliche Schulen, Kirchen und Kindergärten. Aber die Gemeinde dort geht ihren Weg im Schatten des Kreuzes und bekennt Jesus. Das Evangelium kann nicht zum Schweigen gebracht werden.
Die Gemeinde Jesu wird nicht untergehen. Es ist unmöglich, dass die Kirche untergeht, weil Jesus sagt: „Ich selbst baue meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden.“ Einzelne Konfessionen können verschwinden, wenn sie dieses Zeugnis vernachlässigen – wie das gerade in Deutschland in vielen Kirchen und Kreisen der Fall ist, weil falsche und Irrlehren Einzug halten. Aber die Gemeinde Jesu wird nie untergehen.
Diese kleine, schwache, bedrängte Schar steht unter der großen Verheißung und Zusage Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Wenn man dann erlebt, wie Muslime zum Glauben an Jesus durchbrechen, was für eine Freude in das Leben hineinkommt, wenn man sieht, wie ernst und bedrückt manche Gesichter von diesen strenggläubigen Leuten sind und wie sie dann verwandelt werden, als ob ein Spuk aufhört und die Freiheit einzieht – das ist ein großes Geschenk.
Taufen im Untergrund, irgendwo in einem sicheren Hotel. Menschen, die Buße tun, ihr Leben vor Gott in Ordnung bringen, frei werden und dann beginnen diese Segensspuren. Aber das hat seinen Preis. Glaube ohne Netz und doppelten Boden heißt nicht, dass nichts passieren kann. Das wissen wir schon aus dem Zirkus: Wenn man keinen Netz und doppelten Boden hat, dann kann schon etwas passieren. Und es passiert ja auch etwas.
Jedes Jahr kommen Tausende Christen ums Leben. In diesem Moment sind Hunderttausende Christen in irgendwelchen Arbeitslagern und Gefängnissen. Das, wo wir hier sitzen, ist jetzt die Realität.
Diese Spannung mutet uns das Wort Gottes zu. Jesus sagt seinen Jüngern: „Sie werden euch töten, und kein Haar soll von euren Häuptern fallen.“ Das sagt er in einem Satz. Wie soll man das verstehen?
Jesus möchte uns eine Perspektive geben, so wie bei Abraham. Wir müssen unsere Perspektive verändern lassen, die das ganze Bild sieht. Wir sind auf diese Welt bezogen und haben vergessen, dass die andere Welt dazugehört.
Jesus hat gesagt: „Habt keine Angst vor denen, die euch töten können.“ Wie bitte? „Fürchtet euch vielmehr vor dem, der die Macht hat, euer Leben in Zeit und Ewigkeit zu verderben!“ Das ist die Perspektive, die uns die Bibel gibt.
Jesus sagt seinen Nachfolgern: „Wer bei mir bleibt, der ist sicher, was auch immer geschieht.“ Es mag durch das Todestal hindurchgehen – es geht ja sowieso für uns alle durch das Todestal hindurch. Es mag durch das Martyrium geben, aber niemand wird dich aus meiner Hand reißen.
Hassani wurde in Ägypten von einem muslimischen Mob aufgelauert. Es war Nacht, die Zeit der Unruhen vor einigen Jahren in Kairo. Diese Muslime fragten Hassani: „Bist du Christ oder Moslem?“ Hassani antwortete: „Ich bin Christ.“ Daraufhin schlugen sie ihn zusammen. Sie glaubten, ihn totgeschlagen zu haben, und ließen ihn dort liegen.
Hassani überlebte durch ein Wunder. Ich durfte ihn besuchen und habe seine Familie kennengelernt. Dann erzählte er mir seine Geschichte. Ich fragte ihn: „Hassani, das interessiert mich wirklich: Warum hast du nicht gesagt, ich bin Moslem?“ Das hätte mich wirklich interessiert. Vielleicht hätte ich das gesagt, so nach dem Motto: Es ist ja nochmal gut gegangen.
Er schaute mich an, und das werde ich nie vergessen. Dieser einfache Mann, der kaum lesen und schreiben kann, sagte zu mir: „Manfred, in meiner Bibel steht: Wer mich bekennt vor den Menschen, den werde ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich verleugnet vor den Menschen, den werde ich verleugnen. Ich kann doch Jesus nicht verleugnen. Ich bin ein sündiger Mensch, in meinem Leben ist nicht alles in Ordnung, aber das weiß ich: Ich darf Jesus nicht verleugnen. Aber weißt du das noch? Bist du Christ? Wissen das die Leute um dich herum? Lasst uns die Fahne Jesu hochhalten, da, wo Gott uns hingestellt hat, koste es, was es wolle.“
Assim – Glaube ohne Netz und doppelten Boden. Das kostet etwas. Assim hatte 2015 den Begrüßungsdienst in seiner Gemeinde in Lahore, Pakistan. Ein Terrorist kam, gab sich zu erkennen mit einem Sprengstoffgürtel, und Assim hielt ihn auf. Der Mann sagte: „Hier, siehst du nicht, was ich habe? Lauf weg, lass mich in die Gemeinde rein.“ Assim stellte sich ihm entgegen. Der Mann zündete seinen Sprengsatz. Er, Assim, und einige wenige andere kamen dabei ums Leben.
500 Leute in der Gemeinde überlebten, eine davon ist Bassema. Bassema ist Lehrerin an einer staatlichen Schule in Lahore. Sie hat ihr christliches Leben immer ganz unter der Decke gehalten, damit sie nirgendwo aneckt. Dieser Gottesdienst, von dem sie uns erzählt hat, hat ihr Leben verändert. Man kann sich das vorstellen: Sie hat den Anschlag überlebt, doch sie hat immer wieder an Assim gedacht.
Warum hat Assim das gemacht? Warum hat er in diesem einen Moment sein Leben gegeben – für das, was wirklich zählt? Bassema erzählte unseren Mitarbeitern: „Das hat mich so aufgewühlt, dass ich zu Gott gesagt habe: Mein Leben soll ab jetzt anders sein. Ich möchte es so machen wie Assim, koste es, was es wolle. Ich möchte mein Leben geben für das, was wirklich wichtig ist, was wirklich zählt.“
Jetzt lebt sie an der staatlichen Schule in Lahore ihren Glauben offensiv – und das ist lebensgefährlich. Bitte betet für Frauen und Männer wie Bassema, dass Gott ihnen Kraft, Mut, Bewahrung, Schutz und Weisheit schenkt.
Denkt an die ägyptischen Gastarbeiter in Libyen: 21 junge Männer, die so brutal am Strand in Libyen, am Mittelmeer, ermordet wurden. Der Mann auf dem großen Bild ist einer der 21. Er ist 21 oder 22 Jahre alt. Er hatte die Möglichkeit, wegzugehen, denn die Terroristen boten allen an, das muslimische Glaubensbekenntnis zu sprechen, dann würden sie freigelassen. Aber alle sagten: „Wir sind Christen, das tun wir nicht.“ Statt das muslimische Glaubensbekenntnis zu sprechen, sind all diese jungen Männer mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus auf den Lippen gestorben – in ihrer Sprache „Yesur, Yesur“, Jesu. So sind sie gestorben.
Kein Haar soll von deinem Haupt fallen. Vielleicht habt ihr das noch im Ohr aus der Matthäus-Passion, wo Bach das so vertont hat. Wer so stirbt, der stirbt wohl im Aufblick und im Bekenntnis zu Jesus Christus, der unser einziger Trost im Leben und im Sterben ist.
Unsere Perspektive ist zu klein, wenn wir nur diese Welt sehen. Wenn wir das ganze Bild sehen, dann verstehen wir, dass das, was die Märtyrer aufgeben, nichts ist im Vergleich zu dem, was sie gewinnen. Paulus hat das mal so drastisch verglichen: „Diese Zeitleiden fallen überhaupt nicht ins Gewicht angesichts der Herrlichkeit, die auf uns wartet.“ Im Gegenteil: Die Märtyrer haben verstanden, um den Gewinn dieses Aufhebens – diese paar Tage mehr auf dieser Erde – da wollen wir doch nicht unsere ewige Heimat verspielen.
So ist ihr Schicksal uns eine große, nüchterne Ermahnung: Was darf uns unser Glaube kosten? Sind wir auch bereit, alles für Jesus zu wagen?
Die bedrängte Gemeinde braucht unser Gebet. Sie versammeln sich in ihren Ländern, sie beten, ringen und fragen Gott: „Was ist dein Plan? Wie sollen wir vorgehen?“ Sie haben eine kleine Kraft. Bei einer Konferenz hielten sie sich an das Gideon-Wort: „Geh in deiner Kraft.“ Ja, in welcher Kraft? „Ich bin bei dir.“ Diese Kraft, diese Zusage, diese Nähe Gottes trägt sie.
Und was tut dann so ein Hilfswerk? Ganz kurz zum Schluss: Wie wir? Wir helfen diesen Christen zum Beispiel, wenn sie umziehen oder fliehen müssen, mit Mikrokrediten, damit sie sich ein neues Leben aufbauen können. Oder mit Schulungs- und Ausbildungsprojekten.
Wir helfen, indem wir Rechtsbeistand organisieren für gefangene Christen. Wir gehen in Gefängnisse, um die Geschwister dort zu besuchen und zu ermutigen. Wir helfen mit medizinischen Projekten, um dort, wo Übergriffe waren, die Folgen einzudämmen und zu lindern.
Wir helfen mit Mikrokrediten und ähnlichen Projekten, um die Lebensgrundlage nachhaltig zu verbessern für Christen, die aus ihren Ländern fliehen mussten.
Und wir möchten Mut machen, für die verfolgte Gemeinde zu beten. Ihr könnt gerne hinten am Büchertisch ein Heft mitnehmen, in dem die Gebetsanliegen für die einzelnen Länder notiert sind. Auf der anderen Seite liegen Jahresbücher, in denen wir jede Woche ein Land vorstellen mit Informationen über die Situation der Christen dort.
Auch am Büchertisch liegt dieses kleine Heft. Wer gedacht hat: „Mensch, das war jetzt schon heftig, was das alles so bedeutet, auch für mein Leben“, der kann dieses Heft „Mission heute – Weltmission trotz Weltverfolgung“ lesen. Das war uns wichtig: Als Vorstand der Hilfsaktion Märtyrerkirche haben wir versucht, in wenigen Worten zusammenzufassen, was uns wichtig ist.
Ich glaube, was unser Land braucht, sind Brüder und Schwestern, die ihren Glauben mutig und kühn leben, ohne Scheu. Dass wir nicht danach schielen, was die Leute von uns denken oder halten, sondern dass wir Jesus nachfolgen, koste es, was es wolle.
Diesen Glauben brauchen wir auch in Deutschland.
Es gibt ein ganz tolles Buch, kostet nur fünf Euro, von David Platt: „Keine Kompromisse“. Es ist das beste Buch, das ich im Moment zum Thema Nachfolge kenne. Dort liegen einige Exemplare. Wer möchte, darf gerne mal reinschauen.
Ein Beispiel eines Lebens, wo jemand sich wie Abraham hat rufen lassen in ein ganz neues Abenteuer, ist unsere Partnerin in Ägypten, Maggie Gobran, „Mama Maggie“. Sie wird auch zu unserem Missionstag in diesem Jahr nach Stuttgart kommen. Ein ganz tolles Buch beschreibt ihre Geschichte: Wie eine Frau aus guten wirtschaftlichen Verhältnissen all das hinter sich gelassen hat, um den Ärmsten der Armen in den Slums von Kairo zu helfen.
Dann habe ich dort auf dem runden Tisch noch einige unserer Einladungsprospekte für unseren Missionstag. Ihr dürft sie gerne mitnehmen. Der 29. Juni ist ja nicht mehr weit weg, in Stuttgart, Leinfelden. Gerne auch das mitnehmen.
Jetzt, denke ich, nehmen wir uns noch einen Moment Zeit, miteinander zu beten. Danach wollen wir noch ein Lied singen, und anschließend wird Andreas Schäfer uns den Segen zusprechen.
Lasst uns noch einmal still werden und gemeinsam beten.
Wir danken dir für dein Wort. Es ist unglaublich erstaunlich, dass du, der ewige Gott, der alles im Blick hat und alles erschaffen hat, dich aufmachst, einem ganz gewöhnlichen Menschen wie Abraham zu begegnen. Du gehst ihm nach und sprichst in sein Leben hinein. Du hast diesen Mann herausgerufen aus seinen Umständen und Bezügen und ihn zum Aufbruch ermutigt, sodass er ein Segensträger werden durfte.
Abraham ist ein Bild dafür, was du bis heute tust: Du kommst zu Menschen, so wie wir sind, und sprichst in unser Leben hinein – genauso, wie du es heute Abend getan hast.
Jetzt liegt es an uns, ob wir hören wollen wie einst Abraham und wirklich losgehen, oder ob wir lieber dort bleiben, wo wir uns wohl und sicher fühlen.
Herr, wir bitten dich, dass wir aus dieser Geschichte lernen, Liebes und Liebgewordenes zurückzulassen. Hilf uns, die Dinge, die du uns anvertraut hast, locker in der Hand zu halten. Lass uns lernen, loszulassen.
Lehre uns, auf deine Verheißungen zu setzen und unseren Glauben zu leben – ohne Netz und doppelten Boden.
Hilf uns auch, dort, wo du uns hingestellt hast, dich anzurufen, dir Altäre zu bauen, deinen heiligen Namen zu proklamieren und Menschen in unserem Umfeld auf dich hinzuweisen.
Herr, wir bitten dich heute Abend, dass auch wir deinen Segen erfahren dürfen und dass wir anderen zum Segen werden.
Besonders wollen wir dich heute Abend bitten für deine verfolgte Gemeinde: für Männer wie Hassani, für Meggi Gobran mit ihrem Projekt in Ägypten, für die Missionare im Untergrund in Nordkorea, für Menschen, die sich aufmachen in die muslimischen Länder, und für diejenigen, die in unserem Land das Evangelium Flüchtlingen oder anderen Gruppen bringen.
Herr, schenke du offene Türen! Schenke Trost und Ermutigung, schenke Bewahrung, wo es nötig ist.
Wo Menschen zu verzweifeln drohen, gib durch deinen Heiligen Geist ganz neue Kraft und neuen Mut.
Öffne auch uns die Augen und zeig uns, Herr, was unsere Berufung und unsere Platzanweisung ist.
Schenke uns den Mut, ebenso treu und mutig voranzugehen – egal, was es kostet.
Fragen wie: Wo? Was? Wann? Wer? – diese wollen wir dir überlassen, Herr.
Wir bitten dich, segne uns und lass uns ein Segen sein, da, wo du uns hingestellt hast.
Amen.