"Und der König zog hinaus und sein ganzes Haus ihm nach."
Wenn wir eine Zeitung zur Hand nehmen, so sind wir erstaunt, wie alles wirr durcheinander steht: Kino, Politik, Toto, kirchliche Nachrichten, Verbrechen, Wunderheilungen, Kunst, Witze... Dasselbe Durcheinander findet sich im heutigen Normalmenschen: Er gleicht einem Schiff ohne Steuer.
Aus diesem Elend ist ein gläubiger Christ errettet: Sein Leben hat eine Mitte — das Kreuz Jesu. Als ich mich bekehrte, gehörte das zu den schönsten Erfahrungen meines neuen Christenstandes, dass mein verworrenes Leben nun eine Achse bekommen hatte, um die sich bis heute alles dreht — das Kreuz!
Und dann lernte ich immer mehr verstehen: Das Kreuz ist ja nicht nur die Mitte meines Lebens, sondern auch das Zentrum alles Weltgeschehens und der Weltgeschichte. So ist uns nichts nötiger als die Besinnung auf diese „Mitte", wobei uns die Betrachtung der alttestamentlichen Vorbilder helfen will.
1. „Der König zog hinaus..."
Es handelt sich hier um den König David. Der war ein großer Held und ein besonderer Freund Gottes. Wir kennen ihn ja aus seinen herrlich-starken Psalmen. Als er auf der Höhe seines Lebens stand und sein Königreich gefestigt schien, traf ihn ein schrecklicher Schlag: Sein eigener Sohn Absalom machte einen Aufruhr. David musste aus seiner Hauptstadt fliehen. „Und der König zog hinaus ..." Ein trauriger Zug!
Vielleicht auf derselben Straße zog Jahrhunderte später ein anderer, der aus dem Hause und Geschlechte Davids war, Jesus, der Sohn Gottes. Der trug auf Seinen blutiggeschlagenen Schultern ein großes Kreuz. An dem hing ein Schild: „Jesus von Nazareth, ein König."
O seht euch diesen ausgestoßenen König recht an! Wer ist denn der Absalom, der diesen König auf die schreckliche Marterstraße getrieben hat? Wissen wir es? Er muss doch entdeckt werden, er muss doch an das Licht gebracht werden, dieser furchtbare Absalom, der den Sohn Gottes, den König der Herrlichkeit, zu einem ausgestoßenen König machte.
Bald darauf hängt der ausgestoßene König Jesus am Kreuz. Selbst die Sonne verhüllt ihren Schein. Wer ist der Absalom?
Paul Gerhardt hat für sich selbst und für uns alle geantwortet:
„Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden
des Sandes an dem Meer,
die haben dir erreget
das Elend, das dich schlaget,
und das betrübte Marterheer.
Ich bin's, ich sollte büßen
an Händen und an Füßen
gebunden in der Höll'..."
Ehemalige Frontsoldaten können sich vorstellen, wie es ist, wenn über einer dunklen Landschaft auf einmal eine grellstrahlende Leuchtkugel hochgeht.
Ähnlich ist es uns zumute, wenn Gottes Geist uns aufdeckt, dass wir — du und ich — der Absalom sind; dass unsere Schuld den Sohn Gottes an das Kreuz gebracht hat. So schrecklich aber diese Erkenntnis ist, so herrlich ist sie auch. Denn das sieht man zugleich: Nun trägt Er meine Schuld fort, nun büßt Er für sie. „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten..." (Jesaja 53, 5).
2. „...und sein ganzes Haus zog ihm nach."
David war ein sehr einsamer Mann, als er „hinauszog". Noch viel mehr war das so bei Jesus. Wir können nur schaudernd in die Abgründe Seiner Einsamkeit schauen. Sie war am tiefsten, als Er rief: „Mein Gott! Warum hast du mich verlassen!"
Und doch — hinter dem David her wurde die Straße belebt: „. . . und sein ganzes Haus zog ihm nach." Wohl lief das Volk in Scharen dem aufrührerischen Absalom zu. Aber eine kleine Schar fand sich zusammen und ging mit David. „Sein Haus." Dazu gehörten ein paar Frauen, Kinder und treue Streiter. O dies Haus Davids, das an seiner Niedrigkeit keinen Anstoß nimmt, sondern ihn in seiner Niedrigkeit um so mehr liebt!
Dies gibt uns Licht für unseren Weg! Wollen wir nicht auch zu dem „Haus Gottes" gehören? Der Gemeinde der Gläubigen ist die Niedrigkeit ihres ausgestoßenen und gekreuzigten Königs Jesus nicht ein Ärgernis. Im Gegenteil! Durch die Erleuchtung des Geistes dürfen wir es wissen: Dieser Ausgestoßene trägt ja am Kreuz meine Last, hier wirkt Er mir ewiges Heil, hier schafft Er Versöhnung mit Gott.
Ja, der wahren Gemeinde ist Sein Leiden das Liebste. Sie singt: „Ewig soll er mir vor Augen stehen, / wie er als ein stilles Lamm / dort so blutig und so bleich zu sehen, / hängend an des Kreuzes Stamm..."
Man versucht heute wieder einmal, der Welt ein einleuchtendes Christentum zu bringen, in dem das Kreuz leise unterschlagen wird. Da kann das „Haus Davids" nicht mitmachen. Sie folgen ihrem ausgestoßenen König nach. Es geht gerade um Ihn, um das Kreuz. Da ist ja die Erlösung!
Nun müssen wir noch einmal in die Davidsgeschichte schauen. Als der König seine einsame Straße zog, trat ihm ein Fremdling entgegen, Itthai, der Gathiter. David machte ihn auf seine elende Lage aufmerksam und legte ihm sehr deutlich nahe, doch schleunigst sich in Sicherheit zu bringen.
Da aber sagte dieser Itthai ein herrliches Wort: „So wahr der Herr lebt und so wahr mein Herr König lebt, an welchem Ort mein Herr, der König sein wird, es gerate zum Tod oder zum Leben, da wird dein Knecht auch sein." Itthai, der Vorläufer aller Fremdlinge, welche die verborgene Herrlichkeit des verstoßenen Königs erkannt haben! So kommen aus aller Welt die Fremdlinge zu dem Gekreuzigten und sprechen überwunden: „An welchem Ort mein König sein wird, es gerate zum Tod oder Leben, da will ich auch sein." Haben wir schon diesen Entschluss gefasst?
Als ich den Itthai ansah, ging mir der Missionsvers von Knapp durch den Sinn:
„Und siehe, tausend Fürsten
Mit Völkern ohne Licht
Stehn in der Nacht und dürsten
Nach deinem Angesicht.
Auch sie hast du gegraben
In deinen Priesterschild,
Am Brunnquell sie zu laben,
Der dir vom Herzen quillt."
3. Aber die Zurückbleibenden?
Wenn wir die Geschichte von dem Aufstand des Absalom aufmerk¬sam lesen, dann werden wir sehen, dass es in Jerusalem eine ganze Anzahl von Leuten gab, die sich nicht offen für Absalom erklärten. Sie hatten eine gewisse Sympathie für David. Aber so weit ging ihre Liebe nicht, dass sie mit dem ausgestoßenen König ausgezogen wären.
Es gibt viele Christen, welche diesen Zurückgebliebenen gleichen. Sie sind „christlich", sie haben es mit dem Davidssohn zu tun, sie verkehren sogar manchmal in Seinem Hause.
Aber — ja, das ist das große „Aber": Sie sind nicht auf dem Kreuzesweg mit Ihm zu finden. Diesen Weg mit Jesus gehen heißt: mit Jesus gekreuzigt sein. Der alte Mensch, die geistliche Trägheit, die Lüste und Begierden — ans Kreuz damit!
Darum sagt der Hebräerbrief (13, 13): „Lasset uns hinausgehen mit Jesus aus dem Tor und seine Schmach tragen!"
Diesen Weg gehen nur die mit Ihm, die Ihm herzlich anverlobt sind. dass wir nur nicht den Zurückgebliebenen gleichen!