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Zungenreden

Zunge, Zungenreden. „Mit Zunge, Zungenreden reden“ ist der Name für eine den apostol. Gemeinden verliehene Gabe des heil. Geistes. Paulus hat über ihre Art und ihren Gebrauch eingehend mit den Korinthern geredet, weil dieselbe dort zu einer Störung der Gemeindeversammlungen geführt hat, welche dieselben unfruchtbar machte. Er beschreibt es als ein „Reden zu Gott durch den Geist“, im Unterschied vom „Reden zu den Menschen durch den Verstand“, 1 Kor. 14,2. 14. Es gehörte also dem Gebetsleben an und war eine kräftige Bewegung des inwendigen Menschen nach oben, so daß er zum Loblied, zur Segnung und Danksagung für Gott durch den ihn bewegenden und leitenden Geist getrieben war, V. 15. 16. Weil aber diese Gebetstriebe als Geschenk von oben kamen und nicht aus der bewußten, verständigen Überlegung des Menschen flossen, waren sie des Ausdrucks und der Darstellung im Wort teilweise unfähig. Diese Gebete blieben einem dritten unverständlich; man mußte sie erst nachträglich erklären, wenn sie die Gemeinde erbauen sollten, und wenn etwa Heiden in die Gemeinde kamen, so hatten sie leicht einen abstoßenden Eindruck von den Christen, als wären sie verrückt, V. 2. 5. 16. 23. Darum hat Paulus diese Äußerungen eines von Gott gewirkten Gebetstriebes in die Stille des persönlichen Umgangs mit Gott verwiesen, es sei denn, daß der Betende ermächtigt und befähigt sei, der Gemeinde deutlich zu sagen, was ihn bewege und was er bei Gott suche, während sich in Korinth mit einem eiteln, selbstsüchtigen Trieb jedermann gern als solchen Betens fähig der Gemeinde darstellte und nicht bedachte, daß er die Erbauung derselben dadurch störe. Wie sich dasselbe äußerte, ob nur Gebärden und Laute die innere Bewegung anzeigten, ob es unverbundene, sich überstürzende Rufe waren, deren Zusammenhang und Absicht undeutlich blieb, ob fremde Worte dabei vorkamen, etwa der Muttersprache des Betenden angehörende, so daß zum Beispiel die palästinensischen Christen in Korinth aramäisch in Zunge, Zungenreden redeten, dergleichen Fragen lassen sich natürlich nicht mehr beantworten. Paulus sagt nur das eine: für dich selbst ist es ein Geschenk Gottes, der Gemeinde dagegen ist es unverständlich; du hast aber in der Gemeinde nicht deinetwegen zu beten, sondern der Gemeinde wegen. Der Name „mit Zunge, Zungenreden“ oder „Zn.“ reden ist aus dem vollständigeren Ausdruck zu verstehen: „mit neuen Zunge, Zungenredenn reden“, Mk. 16,17; Apg. 2,4. Ähnlich wie in Korinth sind auch die Vorgänge im Hause des Kornelius und in Ephesus bei den Jüngern des Täufers gewesen, welchen Paulus den heil. Geist gebracht hat, Apg. 10,46; 19,6, nur daß hier das Unverständliche im Ausdruck mehr zurücktritt. Petrus konnte es sehen, daß es Gottes Geist war, der Kornelius und seine Leute in der Tiefe ihrer Seele bewegte und ihnen in neuer Weise anbetende Worte schenkte. Auch das Reden in „andern Zunge, Zungenreden“ am Pfingstfest, Apg. 2,4, war ähnlicher Art, hat aber daneben auch seine Besonderheit. Ein von Gott gewirktes Lob seiner Gnade und Herrlichkeit ist auch hier das erste Kennzeichen des heil. Geistes. Eigenartig war an jenem Tage, daß dieses Reden den Zuhörern nicht unverständlich blieb, vielmehr „hörte ein jeder sie reden in seiner eigenen Sprache, in der er geboren war“, Apg. 2,6. 7. Demnach war hier die schaffende und begabende Wirkung des Geistes eine höhere und umfassendere als bei den Betern in Korinth; es wurde nicht nur die Empfindung und Begehrung der Apostel von Gottes herrlichem Wesen und seinen gnadenreichen Taten bewegt, sondern ihnen auch das Wort gegeben, durch welches sie sich aussprechen konnten, und zwar war es dasjenige ihrer Zuhörer, damit diese Gottes Zeugnis vor Augen hätten, daß auch sie zur selben Gnade und Gabe berufen seien und der Geist auch für sie gekommen sei. Zu den korinthischen Betern kam er ihrer selbst wegen, um sie zu erbauen und in Gottes Gegenwart zu stellen; zu den Aposteln kam er nicht bloß ihrer selbst wegen, sondern ihrer Hörer wegen, nicht in einer für die andern abstoßenden und unverständlichen Weise, sondern um sie anzuziehen und für das Zeugnis des Petrus zuzubereiten. Es ist purer Vorwitz, eigenmächtig festsetzen zu wollen, wie viel der Geist Gottes den Aposteln habe geben können, daß er ihnen nur die Erkenntnis und Empfindung habe geben können, aber nicht das Wort, oder bloß das ihnen vertraute und bekannte, und nicht auch einmal ein ihnen fremdes Wort. So wurde Israel anschaulich gemacht, daß Gott hier rede und dies mit einer weit offenen Gnade, die sie alle sucht und bei Christus durch denselben Geist einig machen will. Der Kirche jeder Zeit bringt dieses wunderbare Gebetsleben der apostol. Zeit die Mahnung, daß sie nicht nur nach außen mit den Menschen, sondern noch viel mehr nach oben mit Gott zu reden hat, und daß sie hiefür das rechte Wort und Gebet empfangen muß und sich nicht selber geben kann. Denn nur das Gebet geht wirksam nach oben, das auch von oben kommt und uns durch Gottes Geist geschenkt worden ist.

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