Zehnten
Zehnten. Die sinnbildl. Bedeutung der Zahl Zehn (s. d. Art. Zahl) bringt es mit sich, daß häufig im Altertum, bei semitischen und indogerman. Völkern, die Abgabe des Zehnten vom Landesertrag, vom Handelsgewinn, von der Kriegsbeute an die Gottheit üblich war. Schon Abraham gibt (1 Mo. 14,20, vgl. Hbr. 7,2. 4 ff.) dem Melchisedek den Zehnten der Kriegsbeute, Jakob gelobt 1 Mo. 28,22 Jahveh den Zehnten von allem, was er ihm geben werde. Demnach gilt der Zehnten auch in Israel als uralter Brauch. Spezielle Vorschriften über den Zehnten hat das Gesetz aufgestellt. Der Zehnten trägt den Charakter eines Opfers an sich. Er ist „heilig“, 3 Mo. 27,30, seine Hingabe drückt den Dank gegen den Geber aus. Durch Aussonderung dieser „Hebe“ an den Herrn wird für den Menschen der Besitz und Genuß seines Eigentums geweiht (4 Mo. 18,24). Dieser Zehnten bildet nach 3 Mo. 27,30 ff.; 4 Mo. 18,21 ff. das Einkommen der Leviten (s. d. Art.). Von diesem Zehnten haben die Leviten den Zehnten an die Priester abzugeben als „Hebe für den Herrn“ (4 Mo. 18,25-32). Der Getreide-, Wein- und Ölzehnten konnte für den um ⅕ erhöhten Geldwert gelöst werden, nicht aber der nur 3 Mo. 27,32 u. 2 Chr 31,6 erwähnte Viehzehnten. Das 5. Buch Mose hat andere Verordnungen über den Z als das 3. u. 4. Der Talmud und viele neuere Theologen zählen den hier festgesetzten als zweiten Zehnten neben dem im 3. u. 4. Buch Mose vorgeschriebenen. Andere dagegen erkennen im 5. Buch Mose eine ganz verschiedene Regelung des Zehnten Im 5. Buch ist nämlich (s. bes. 12,6 ff.; 14,22-29; 26,12 ff.) verordnet, daß der Zehnten vom Getreide, Most u. Öl nebst der Erstgeburt vom Rindvieh und Schafen jährlich zum Heiligtum zu bringen und dort in fröhlicher Mahlzeit zu verzehren sei. Erleichtert wird die Teilnahme dadurch, daß den vom Heiligtum allzu ferne Wohnenden erlaubt ist, den Zehnten zu verkaufen und mit dem Erlös am Ort des Heiligtums sich das Nötige zu den Opfermahlzeiten zu verschaffen. Dieser Zehnten kam also ganz dem Besitzer zu gut, dem (ortsangehörigen) Leviten nur, sofern er zu dieser Zehntopfermahlzeit eingeladen werden sollte. Sodann wird bestimmt, daß in jedem dritten Jahr, also im Jahre 3 u. 6 einer Sabbatjahrperiode aller Zehnten des Einkommens am Wohnort gesammelt, nicht zum Heiligtum gebracht, sondern den in den betreffenden Orten wohnenden Leviten, Armen, Fremdlingen, Waisen u. Witwen überlassen werden soll (5 Mo. 14,28 f.; 26,12 ff.). Dieses dritte Jahr heißt darum schlechtweg das Zehntenjahr. Auch dieser 3jährige Zehnten — der später Armenzehnten genannt wurde — war, als dem Herrn angehörig, heilig, er mußte sorgfältig vor jeder Verunreinigung bewahrt werden (26,14), und nach vollständiger Ablieferung des Zehnten mußte der Darbringer „vor Jahveh“ (gewöhnlich bedeutet das am Heiligtum) feierlich die gesetzmäßige Ablieferung dieses Zehnten an die Leviten u. die Bedürftigen beteuern.
Die Rabbinen zählten diesen Armenzehnten als dritten Zehnten neben jenem (in den beiden vorhergehenden Jahren darzubringenden) zweiten und dem im 3. u. 4. Buch verordneten ersten. Von Abgabe dieses „dritten Zehnten“ zeugt das Buch Tobias,1,6 f., und Josephus.
Auffallend bleibt aber immerhin, daß in den Verordnungen des 3. u. 4. Buchs auf die des 5. ebensowenig Bezug genommen ist als in diesem auf jene: auch macht die Bezeichnung des dritten Jahres als „Zehntenjahr“ (26,12) es undenkbar, daß auch im Sinne der Gesetzgebung des 5. Buchs jährlich eine Ablieferung des Levitenzehntens stattgefunden haben soll. Es hat somit die Ansicht Neuerer, daß das 5. Buch eine von den Verordnungen des 3. und 4. unabhängige Regelung enthalte, mehr Wahrscheinlichkeit. Geschichtliche Zeugnisse, daß die mehrfache Zehntenabgabe in früherer Zeit bestanden habe, fehlen uns. Nach 2 Chr. 31,4 ff. ließ Hiskia neben den Erstlingen auch den Zehnten sämtlicher Erzeugnisse an die am Tempel in Jerusalem dienenden Priester und Leviten abliefern, auch die in den Priesterstädten wohnenden Priester und Leviten erhielten durch bestellte Beamte, V. 15. 19, ihren Anteil. Diese Maßregel ist ganz nach dem Sinn der Vorschriften des 3. u. 4. Buchs, nur daß der Zehnten nach Jerusalem gebracht wird, stimmt mit dem 5. Buch. Dem Verfahren des Hiskia entspricht auch im ganzen die Zehntordnung, welche zur Zeit des zweiten Tempels gültig war (s. bes. Neh. 10,33-40; 12,44-47), doch zeigt Neh. 13,10 f.; Mal. 3,8ff., daß das Volk damals noch eine so bedeutende Steuer nur mit Widerstreben und unvollständig entrichtete. Mußten doch — so war es jedenfalls zur Zeit Jesu — von den Felderzeugnissen zuerst die Erstlinge dargebracht, hernach die Hebe, bestehend aus dem Besten, abgesondert, dann der Levitenzehnt entrichtet werden. Vom Rest wurde der zweite Zehnt erhoben, s. o., und am Heiligtum vom Besitzer genossen (auch der Viehzehnt), je im dritten Jahre kam noch der Armenzehnt hinzu. Von Nehemias Zeiten an blieb bei den gesetzestreuen Juden die Zehntenabgabe in Kraft (vgl. Sir. 35,11; 1 Makk. 3,49), und weit über das Gesetz hinaus gingen die Pharisäer, welche allen Ertrag, auch von den unbedeutendsten Gewächsen (Mt. 23,23; Luk. 11,42) und jeglichen Erwerb (Luk. 18,12) verzehnteten.
Als weltliche Abgabe wird der Zehnten im Alten Testament nur 1 Sa. 8,15. 17 erwähnt (Königszehnten). Ob von den israelit. Königen wirklich Zehnten erhoben wurde, ist nicht bekannt. An die seleukidischen Herrscher mußten die Juden Zehnten abgeben; 1 Makk. 10,31 und 11,35 wird Befreiung von diesen Abgaben verheißen. Die Makkabäer erhoben aber auch Zehnten vom Volk. Dem Hyrkan und seinen Nachkommen wurde nach Josephus das Bezehntungsrecht von Cäsar bestätigt.