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wahrhaftig

I. Im A. T. findet sich Wahrheit, wahrhaftig zunächst als Prädikat Gottes und zwar häufig in der Verbindung: Gnade und Wahrheit, wahrhaftig Das mit W übersetzte Wort — fast in allen Stellen daßelbe — hat die Grundbedeutung Festigkeit, Zuverlässigkeit. Gott bleibt sich selbst unwandelbar treu und eben deshalb kann man sich auf ihn verlassen. So schon 1 Mo. 24,27; Ps. 115,1; 117,2 usw. Gnade und Wahrheit, wahrhaftig; aber auch letzteres allein, zum Beispiel Ps. 36,6; 100,5; besonders deutlich Ps. 89,34: ich will meine Wahrheit, wahrhaftig nicht fehlen lassen, soviel als: die Bewährung der göttlichen Treue. Eine Umschreibung dieser Eigenschaft ist 4 Mo. 23,19. Daher auch der Offenbarung Gottes solcher Charakter der Wahrheit, wahrhaftig zukommt, und zwar seinen Führungen in der Geschichte Ps. 25,10; 111,7; Jes. 38,19, wie namentlich seinem Wort, als der Selbstmitteilung Gottes. Das Wort Gottes im Mund des Propheten ist Wahrheit, wahrhaftig, 1 Kö. 17,24, es wird sich als Wahrheit, wahrhaftig ausweisen, 2 Sa. 7,28, es ist nichts denn Wahrheit, wahrhaftig, Ps. 119,160, ebendaselbst V. 43 geradezu Wort der Wahrheit, wahrhaftig In diesem nachexilischen Ps. 119 ist die Wahrheit, wahrhaftig ganz besonders ausgesagt vom Gesetz V. 86. 138. 142, und ebenso Mal. 2,6: das Gesetz der Wahrheit, wahrhaftig war in seinem Munde. Sofern der Mensch im Gehorsam und im Vertrauen des Glaubens diese sich kundgebende Wahrheit, wahrhaftig Gottes anerkennt, wählt er den Weg der Wahrheit, wahrhaftig, Ps. 119,30, wandelt in der Wahrheit, wahrhaftig, Ps. 26,3; 86,11, verkündigt sie, Ps. 89,2, läßt sich von Gott in ihr leiten, Ps. 25,5. (Das bereitet schon einigermaßen den neutestamentl. Sprachgebrauch vor.) Hier erscheint das göttliche Gesetz als die vom Menschen angeeignete Norm des Lebens. Dieser Gebrauch findet sich namentlich in den Sprüchen, zum Beispiel 23,23: eine Lebensauffassung, welche sich praktisch und theoretisch bewährt, soll man sich aneignen und nie preisgeben. Endlich als sittliche Eigenschaft, und zwar als Lauterkeit der Gesinnung Gott gegenüber, gerühmt an David 1 Kö. 3,6, Hiskia Jes. 38,3, vermisst am Volke Jes. 48,1, und in der allergewöhnlichsten Bedeutung als Zuverlässigkeit des Wortes im Gegensatz zur Lüge im Verkehr mit Menschen: 1 Mo. 42,16, gefordert Sach. 8,16. 19, als dahingefallen beklagt: Jes. 59,14. 15, Wahrheit, wahrhaftig = Wirklichkeit 1 Kö. 8,27. —

II. Im Neuen Testament, in Synoptikern und Apostelgeschichte kommt Wahrheit, wahrhaftig nur in der gewöhnlichen Bedeutung vor. An einzelnen Stellen ist das auch bei Johannes der Fall, zum Beispiel tritt sie 3 Joh. 12 personifiziert auf. Aber sonst erscheint gerade bei ihm der Begriff mit einem völlig neuen Inhalt. Er lehnt sich, auch wo der alttestamentl. Ausdruck nachklingt, wie Joh. 1,14. 17, in der Verbindung von Gnade und Wahrheit, wahrhaftig doch weit weniger an den alttestamentl., als vielmehr an den philosophischen, schon in den Apokryphen angewendeten Sprachgebrauch an, in welchem viel entschiedener die Seite der Erkenntnis hervortritt. Wahrheit, wahrhaftig ist die vollkommene Offenbarung und Mitteilung Gottes, wie sie in Christo geschehen ist und vom Glauben angeeignet wird. Deshalb kann Christus von sich Außagen: ich bin die Wahrheit, wahrhaftig, kann auch der Geist als sein Stellvertreter genannt werden Geist der Wahrheit, wahrhaftig, kann von ihm gesagt werden: er wird euch in alle Wahrheit, wahrhaftig leiten, ja selbst: er ist die Wahrheit, wahrhaftig, 1 Joh. 5,6. Eben darum, weil Wahrheit, wahrhaftig = vollkommene Gotteserkenntnis ist, darum ist sie im Alten Testament noch nicht völlig vorhanden, sondern erst in Christo geworden, Joh. 1,17, selbst Johannes zeugt nur von ihr, 5,33. Ist sie vom Menschen aufgenommen, so wird sie in ihm, mehr intellektuell gefasst, zum Licht, mehr praktisch gefasst, zum Leben, sie ermöglicht die rechte Anbetung Gottes, Joh. 4,23, die wahre Freiheit (8,32), bringt Heiligung (17,17). In manchen dieser Stellen, wie zum Beispiel 4,23, liegt beides, die vollkommene Gotteserkenntnis und das dadurch im Menschen bewirkte geistige Leben ungeschieden ineinander. Da diese vollkommene Gotteserkenntnis nicht bloß Sache des Verstandes, sondern Prinzip eines neuen Lebens ist, so kann auch gesprochen werden von einem „Tun der Wahrheit, wahrhaftig“, 1 Joh. 1,6. Es gibt aber auch einen angeborenen Wahrheitssinn selbst bei dem noch nicht christlichen Menschen, ohne welchen ja als notwendiges Organ die geoffenbarte Wahrheit, wahrhaftig gar nicht erkannt und aufgenommen werden könnte. Diesem angeborenen Wahrheitssinn solgen, wird auch ein Tun der Wahrheit, wahrhaftig genannt Joh. 3,21, ein aus der Wahrheit, wahrhaftig sein Joh. 18,37; derselbe Ausdruck steht dann 1 Joh. 3,19 im christl. Vollsinn. Wesentlich derselbe Sprachgebrauch findet sich auch bei Paulus. Abgesehen von den Stellen, in welchen Wahrheit, wahrhaftig = Wirklichkeit oder übereinstimmung mit der Wirklichkeit ist, liegt auch bei ihm zu Grunde der Begriff der durch Offenbarung vermittelten Gotteserkenntnis. Sofern auch die Heiden eine wenngleich unvollkommene Gottesoffenbarung besitzen, kann auch bei ihnen geredet werden von einer Wahrheit, wahrhaftig Gottes, Röm. 1,25, und einem Aufhalten derselben in der Lüge, 4,18. Auch von der relativen Wahrheit, wahrhaftig des Gesetzes spricht Röm. 2,20. Aber auch bei Paulus bringt erst das Evangelium die vollkommene Wahrheit, wahrhaftig, daher: die Wahrheit, wahrhaftig Christi, 2 Kor. 11,10, die Wahrheit, wahrhaftig des Evangeliums, Gal. 2,5. 14, und schlechthin: die Wahrheit, wahrhaftig, 2 Kor. 4,2; Gal. 3,1. Von seiten des Menschen wird erfordert Liebe zur Wahrheit, wahrhaftig, 2 Th. 2,10, Glaube an dieselbe, V. 12, 13, so kommt man zur gottgewollten, seligmachenden Erkenntnis derselben 1 Tim. 2,4. Eine Frucht dieser objektiven Wahrheit, wahrhaftig ist dann die Tugend der Wahrhaftigkeit, Eph. 5,9. Die Pflicht derselben wird ebenso schön als tief begründet auf das Verhältnis der Christen zu einander als Glieder desselben Leibes, Eph. 4,25. In den späteren Briefen endlich zeigt sich unverkennbar eine Weiterentwicklung des Begriffs in der Richtung, daß Wahrheit, wahrhaftig gleichbedeutend wird mit dem Ausdruck derselben in Gestalt der christl. Lehre, mit: christlicher Religion im Gegensatz zur Irrlehre. So in den Pastoralbriefen: 1 Tim. 3,15 die Gemeinde ein Pfeiler und Grundfeste der christl. Wahrheit, wahrhaftig, 4,4 die Ohren von der Wahrheit, wahrhaftig wenden, auch 2 Petr. 1,12 die gegenwärtige Wahrheit, wahrhaftig und 2,2 Weg der Wahrheit, wahrhaftig Da die Lehre mitgeteilt wird durch das Wort, so heißt daßelbe: Wort der Wahrheit, wahrhaftig, Eph. 1,13; Kol. 1,5; 2 Tim. 2,15; Jak. 1,18. Aus dem Gesagten erklärt sich auch der Gebrauch des Eigenschaftswortes wahr, w. in seiner Anwendung auf Gott und Menschen im A. wie im Neuen Testament

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