Sichem
Sichem [babyl. Tell el Amarna Schakmi, ägypt. wahrsch. Sakama], bedeutende Stadt zwischen Ebal u. Garizim. Hier erstes Lager Abrahams (1 Mo. 12,6); in der Nähe wohnte Jakob, 1 Mo. 33,18 ff.; 34,2; 35,4, wie der Hain oder die Terebinthe More, wo Abraham rastete, 1 Mo. 12,6, in der Nähe lag. An Jakob erinnerte noch in späterer Zeit der Jakobsbrunnen, s. d. Art. Josephs Gebeine wurden nicht weit davon entfernt beigesetzt, Jos. 24,32. Josua hielt hier seine letzte Volksversammlung, Jos. 24. Es gehört zu Ephraim, war eine Leviten- und Freistadt, Jos. 20,7; 21,21. In der Richterzeit war es der Mittelpunkt der Herrschaft Abimelechs, Ri. 9,1 ff., der später die von ihm abgefallene Stadt eroberte und zerstörte, V. 45. Bei Sichem wurde Rehabeam als König verworfen und Jerobeam schlug hier anfangs seine Residenz auf, 1 Kö. 12,1 ff. 25. Noch während des Exils wird Sichem genannt, Jer. 41,5, u. war späterhin samaritanischer Hauptort; Johannes Hyrkanus eroberte es und zerstörte den samaritanischen Tempel auf dem Garizim. Nach dem jüdischen Krieg wurde Sichem (72 n. Chr.) neu gebaut und dem Kaiser Vespasian zu Ehren Flavia Neapolis genannt. Der Name dieser Neustadt hat sich in der Form Nabulus bis jetzt erhalten. Auch die Stadt ist trotz vieler Schläge, welche sie in den Zeiten der Kreuzzüge und noch in neuester Zeit durch Krieg und Erdbeben erlitten hat, immer noch eine blühende Stadt (Abb. Tafel 11) mit etwa 27 000 Einw., darunter 700 Christen, 170 Samaritaner, 150 Protestanten. Eine lebhafte Industrie sogar findet sich (15 Seifenfabriken). Diese Blüte ist begreiflich bei der hohen Fruchtbarkeit des Tales und der günstigen Lage der Stadt auf der Wasserscheide zwischen Jordan und Meer. Dicht im Osten liegt die fruchtbare Ebene Machna. Das Tal selbst, in welchem Nabulus liegt, ist außerordentlich reich bewässert, weshalb sich die Stadt üppigster Vegetation erfreut: Mandeln, Feigen, Granaten, Oliven, Walnüsse, Orangen, Trauben, Aprikosen u. Pfirsiche gedeihen; auch Palmen fehlen nicht und „wiegen ihre glänzend grünen Blätterkronen über dem Wald niederer Bäume“. Es ist nun aber neuerdings nachgewiesen worden, daß das heutige Nabulus nicht genau an der Stelle des alten Sichem liegt. Sichem lag vielmehr östlich von Nabulus, nicht weit von dem heutigen Dorf Balata, an dessen Südostende der berühmte Jakobsbrunnen, an dessen Nordostseite das Josephsgrab liegt, beides ohne Zweifel Stätten einer uralten Tradition. In einer direkt westlich vom Josephsgrab und Jakobsbrunnen liegenden, nicht unbeträchtlichen und durch sehr altes Mauerwerk auffallenden Bodenerhebung bei Balata ist 1903 von Hölscher und H. Thiersch die Stätte des alten Sichem nachgewiesen worden.
Wie verhält sich dazu der Name Sichar, genauer Sychar, welcher Joh. 4,5 der Stadt beigelegt wird, in deren Nähe Jesus das Gespräch mit der Samariterin hatte? Man hat den Namen — sehr voreilig — als Beweis der Unechtheit des 4. Evangeliums geltend gemacht: der Verfasser kenne nicht einmal den Namen der bekannten Stadt. Hieronymus hat Sychar für einen Schreibfehler für Sichem erklärt. Mit Unrecht. Sichem lag seit der Zerstörung durch Johannes Hyrkanus in Trümmern. So hat der wohl unterrichtete Evangelist die Örtlichkeit nach einem sonst unbekannten Dorf Sychar, jetzt Askar, 10 Minuten nordöstl. vom Jakobsbrunnen, bezeichnet.