Samuel
Samuel (1 Sa. 1,20 gedeutet: von Gott erbeten),
1) ein Mann aus dem Stamm Simeon, 4 Mo. 34,20; —
2) ein anderer aus dem Stamm Isaschar, 1 Chr. 7,2; —
3) der große Prophet, aus dem Stamm Ephraim gebürtig nach 1 Sa. 1,1; nach 1 Chr. 6,27. 34 dagegen aus dem Stamm Levi, vielleicht ein nicht aaronit. Levite, der im Stamm Ephraim ansässig war, der Sohn Elkanas und Hannas, 1 Sa. 1,1-25,1. Von seiner frommen Mutter schon vor seiner Geburt zum Nasiräate bestimmt, wuchs er vom zartesten Kindesalter an (1 Sa. 1,24) im Schatten des Heiligtums von Silo bei Eli auf und empfing schon früh vom Herrn einen prophet. Auftrag an das gesunkene Haus dieses Priesters (1 Sa. 3), während die Stimme der Prophetie in dieser verwilderten Zeit sonst verstummt war. Nachdem sein Wort durch den Untergang der lockern Söhne Elis mit ihrem schwachen Vater an einem Tage bestätigt und erfüllt, aber gleichzeitig durch die Niederlage Israels und den Verlust der Bundeslade die Philisterherrschaft im Lande aufs neue befestigt war, begann Samuel immer allgemeiner als Prophet des Herrn anerkannt, eine relig. Reform in Israel. In Mizpa (jetzt Nebi Samwîl) schloß das Volk einen Bund neuer Treue mit Jahveh, und schlug, von der Fürbitte Samuels begeistert u. getragen, die heranziehenden Philister, worauf Samuel als Dankes- und Erinnerungszeichen den Stein der Hilfe, Eben-Ezer, aufrichtete. Von nun an zeigt sich in ihm vorbildl. vereinigt königliche, richterliche und priesterliche Gewalt: ein zweiter Mose, herrscht er in Rama über Israel wie ein Vater, an den altehrwürdigen Stätten Bethel, Gilgal und Mizpa alljährlich das Volk richtend (1 Sa. 7,15-17). Samuel war ein kraftvoller relig. und polit. Reformator mit dem göttl. Beruf, ohne wesentlich neue Offenbarungsaufschlüsse sein Volk zur Treue gegen den Herrn und seine Befehle zurückzuführen. In dieser schwierigen Aufgabe stand ihm zur Seite eine Anzahl jüngerer prophetisch angeregter Männer, eine Art Prophetenvereine, zum erstenmal 1 Sa. 10,5 ff. erwähnt, vgl. 19,19 ff., die nach einer naheliegenden Vermutung von Samuel dazu bestimmt waren, ein Herd relig. Lebens, ein fester Kern des bundestreuen Israel auch für die Zukunst zu werden. Unter Pflege der Musik und relig. Übungen suchten diese Vereinigungen die prophetischen Gaben unter sich zu wecken und zu fördern, wobei der Frische und Ursprünglichkeit dieser religiösen Erweckungszeit entsprechend sich mancherlei auffallende Erscheinungen einstellten; wahrscheinlich erfuhr auch die prophet. Geschichtschreibung in diesen Kreisen Förderung und Pflege. Mit Samuel verschwinden sie wieder aus der Geschichte (ein Zeichen ihres nahen Zusammenhangs mit dem Propheten), um dann später in der Umgebung Elias und Elisas im Zehnstämmereich als Prophetensöhne (das heißt Schüler) wieder aufzutauchen.
— Als die Söhne Samuels, Joel und Abija, von der unbestechlichen und uneigennützigen Art ihres Vaters abwichen, forderten die Stammhäupter Israels einen König (1 Sa. 8,1 ff.). Dies Verlangen ging hervor aus dem richtig gefühlten Bedürfnisse der nationalen Einigung in einer die kriegerische Volkskraft zusammenfassenden persönlichen Spitze gegenüber so mannigfaltigen Bedrohungen durch die ebenfalls monarchisch geeinigten Nachbarvölker. Aber weil dabei die tiefere Einsicht in den Abfall Israels von Jahveh als die einzige Ursache des nationalen Unglücks und in das Königtum Jahvehs selbst fehlte, dazu ein gewisses Mißtrauen gegen eine sichere und treue Führung mitunterlief, ließ sich Samuel erst durch eine bestimmte Weisung des Herrn dazu bestimmen, dem Wunsche des Volkes zu willfahren, nicht ohne den Druck und die Übergriffe eines von Jahveh emanzipierten menschlichen Königtums ihm warnend vor Augen zu halten. Auch in der Wahl eines unangesehenen Mannes aus unansehnlicher Familie sollte die Abhängigkeit des irdischen Königs vom himmlischen desto fester gestellt sein. Und als dann Saul wiederholt den Versuch machte, die Bande dieser Abhängigkeit zu zerreißen, zögerte Samuel keinen Augenblick, ihm den Fall seines Hauses anzukündigen (1 Sa. 13,13. 14; 15,22. 23), sich ganz von ihm zurückzuziehen (15,35), und sogar in David einen Nachfolger zu berufen und zu salben (1 Sa. 16). Ihn leitete dabei nicht persönliche Ehrsucht oder Empfindlichkeit, sondern der Eifer um die Ehre und Geltung des einzigen Herrn über Israel; er trug Leid um Saul, wie ein Vater um seinen Sohn (15,35), und von seinem Richteramt scheint er schon vorher zurückgetreten zu sein (1 Sa. 12), wobei er das ehrenvollste Zeugnis seiner Uneigennützigkeit vom ganzen Volke empfing und dasselbe aufs eindringlichste zur Bundestreue ermahnte. Das Bild dieses Mannes, der Israel in einer stürmischen und gefahrvollen Zeit mit starker Hand zur Einheit eines selbstbewußten kräftigen Volks zusammenfaßte und ihm zugleich relig. Neubelebung einhauchte, steht sozusagen ohne Flecken in der Schrift da. Er trat als Beter für sein Volk so treu in den Riß (1 Sa. 7,9; 8,6; 12,23), daß ihn Jer. 15,1 hierin mit Mose zusammenstellt. Seine blutige Strenge gegen Agag (1 Sa. 15,33) erklärt die Stelle selbst als gerechte Vergeltung, erklärt der göttliche Befehl 2 Mo. 17,14; 5 Mo. 25,19, den Israel zu seinem Schaden bisher nicht ausgeführt, und die Not der Zeit, welche gebieterisch die Frage stellte, ob Israel jemals zum ruhigen Besitz eines Vaterlandes kommen sollte oder nicht. Nach 1 Sa. 12,2 hat Samuel ein langes Leben hindurch unter Israel gewirkt, eine Reihe von Jahren (nach Flavius Josephus 18) neben Saul, so daß dieser ihn nur um wenige Jahre überlebte; er starb in hohen Ehren zu Rama (1 Sa. 25,1), und wird von der rätselhaften Geschichte 1 Sa. 28 noch einmal als Verstorbener in Berührung mit Saul gebracht. Die Dauer seines Richteramts läßt sich nicht genau bestimmen, liegt aber jedenfalls in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. Vgl. die Artt. Saul u. David.