Samariter
Samariter in jenem vom N. T. her bekannten Sinn einer dem Judentum zwar verwandten, aber ebenso verhaßten Religionsgemeinschaft datieren sich aus der Zeit, da Sargon (s. d. Art.) die Reste der Bevölkerung Samariens mit babylonischen Untertanen verstärkte (2 Kö. 17,24 ff.). Über den Umfang der Deportation ist schwer zu urteilen. Während die einen (auch Wellhausen) „die gesamte Bevölkerung“ fortführen lassen, beschränken andere, wie Stade, die Deportierung wesentlich auf die Bewohner Samarias. Beides wird nicht richtig sein. Außer den Einwohnern der Hauptstadt werden jedenfalls nicht nur Beamte und Priesterschaft, sondern überhaupt die durch Ansehen, Reichtum und Geschicklichkeit hervorragenden Einwohner der wichtigeren Städte fortgeführt worden sein, so daß wesentlich nur Reste der Landbevölkerung in beträchtlicher Zahl übrig blieben. In das verödete Land versetzten die babyl. Könige heidnische Untertanen. Der König, von dem dies 2 Kö. 17,24 ff. erzählt wird (Syrer aus Hamath u. Babylonier aus Babel, Kutha, Avva u. Sepharvaim), ist Sargon, von dem sich aus den Inschriften solche Verpflanzungen in den Jahren 721 u. 715 nachweisen lassen. Esra 4,2 beweist eine dritte Verpflanzung durch Asarhaddon (681-668); „der große u. berühmte Asnaphar“, der nach Esra 4,9. 10 medische, elamitische und babylonische Exulanten nach Palästina schickte, ist Asurbanipal (668-626), der demnach den vierten Zuzug fremder Elemente veranlaßte. Diese bunt zusammengewürfelte Bevölkerung, in welcher das israelit. Element jedenfalls anfangs das der Zahl nach überwiegende war, gewann nach und nach nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch eine einheitliche Religion. Während die heidnischen Einwanderer ursprünglich ihre heimischen Götter verehrten, machte sich bei ihnen nach 2 Kö. 17 bald das Bedürfnis fühlbar, auch dem Landesgott ihren Dienst zu weihen. Der König schickte auf ihre Bitte nicht bloß einen israelitischen Priester (Vers 27), um dem neuen Volk die alte Landesreligion beizubringen. Als der Hauptsitz dieses von einem Heiden dekretierten Jahvehdienstes wird (Vers 28) die frühere Kultusstätte Bethel genannt. Längere Zeit wurde der Stierdienst mit dem der heimischen Götter verbunden. Allmählich schwand zuerst der letztere, und auch der Stierdienst ging „teils durch die Ausdehnung der gewaltsamen Reformation Josias auf das nördliche Reich, teils durch den Einfluß einzelner dem reinen Jahvehdienst treugebliebener Israeliten in eine bildlose Gottesverehrung über“ (Köhler II, 2, 424). So erklärt sich, daß beim Wiederaufbau des Tempels die Vertreter der Samariter, voll Bereitwilligkeit zur Teilnahme, sagten: „Wir suchen euren Gott, gleichwie ihr“ (Esra 4,2). Ihre Zurückweisung durch die Israeliten unter Serubabel und Josua machte nun die Samariter zur Sekte, welche, von dem Nationalheiligtum ausgeschlossen, demselben fortan feindselig gegenüberstand; vgl. Esra 4,4 ff.; Neh. 2,19; 3,33; 4,11; 1 Makk. 3,10; Luk. 9,53. Teils eine Folge der gewaltsamen Fernhaltung vom Gottesdienst in Jerusalem, teils umgekehrt die Ursache verdoppelter Gegnerschaft der Juden und Samariter war es, daß letztere auf dem Garizim (s. d.) ihren eigenen Tempel errichteten (Abb. 298) u. dadurch die Bildung der selbständigen Samaritergemeinde vollendeten. Die Zeit dieser Gründung eines eigenen Tempels ist nicht ganz sicher. Nach Josephus hätte der Samariter Saneballetes, Satrap von Darius Kodomannus, mit Erlaubnis von Alexander, dem er vor Tyrus Beistand leistete, also 332, seinem Schwiegersohn Manasse, dem Bruder des jüdischen Hohepriesters Jaddua, der sein samaritisches Weib nicht aufgeben wollte, auf dem Garizim einen eigenen Tempel erbaut, dessen Hohepriester er sein sollte. Offenbar hat aber Josephus denselben Vorgang im Auge, den Neh. 13,28 aus der Zeit des Nehemia berichtet, der also in Wahrheit um 100 Jahre früher stattfand. Die Namen sind meist dieselben. Man kann dann nur noch zweifeln, ob jener jüdische Priester zu Nehemias Zeit schon der Erbauer des Tempels auf Garizim war, oder nur der erste Organisator der samaritischen Tempelgemeinde, dem dann Josephus die in der Tat im Jahr 332 geschehene Erbauung des Garizimtempels zugeschrieben hätte. Neben der Erbauung dieses Tempels begründete noch die ausschließliche Anerkennung der fünf Bücher Mose ihre Trennung von den Israeliten. Sie lesen den Pentateuch im Gottesdienst in der hebräischen Ursprache, aber in einer besonderen, mehr dem Text der LXX ähnlichen Textgestalt. Auch ist ihr Pentateuch in einer besonderen altertümlichen Schrift geschrieben (vergl. Abb. 78). Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Inden hatten die Samariter gegenüber von Alexander d. Gr., und abermals in den Jahren der Verfolgung unter Antiochus Epiphanes (176-164) ihren kultischen Zusammenhang verleugnet, auch durch sonstige Unredlichkeit mehr und mehr Zorn auf sich gehäuft, bis Johannes Hyrkanus a. 128 ihren Tempel und 107 die Stadt Samaria zerstörte. Daß jüdischerseits ihre Beurteilung eine gehässige blieb, zeigt sich in Stellen wie Sir. 50,28; Joh. 4,9; 8,48, indirekt auch Mt. 10,5; Luk. 10,33; 17,18. Wie feindselig in der Zeit des Neuen Testaments das Verhältnis zwischen Juden u. Samariter war, erhellt aus einigen Vorgängen, die Josephus berichtet. Einmal (um 8 n. Chr.) schlichen sich Samariter während des Passahfestes bei Nacht in den Tempel von Jerusalem ein und verunreinigten ihn samt seinen Seitenhallen durch umhergestreute Menschengebeine. Ein andermal wurde eine Anzahl zum Fest reisender Juden in Ginäa sogar ermordet (unter dem Prokurator Eumanus 48-52 n. Chr.), was die Juden zu blutiger Vergeltung reizte.
Die Samariter haben sich bis heute in ihrer Eigenart erhalten. Sie sind ganz auf Nabulus, das alte Sichem, beschränkt, wo sie ein eigenes Quartier haben, in Armut leben und auf 175 (1904) zusammengeschmolzen sind. Bei der kleinen Zahl, namentlich des weiblichen Nachwuchses, ist eine rasche Verminderung zu befürchten. Aber ihre Eigentümlichkeit halten sie mit zähem Konservatismus fest. Sie sind strenge Monotheisten, der Bilderverehrung und allen anthropomorphistischen Ausdrücken feind, glauben an Engel, böse Geister, Auferstehung, erwarten einen Messias (Taheb, der Bekehrer), der 6000 Jahre nach Erschaffung der Welt erscheinen, die Völker zum wahren Glauben bekehren und dann neben dem Garizim begraben werden wird. Nach weiteren 1000 Jahren wird das Weltgericht folgen. Sie feiern die Feste 3 Mo. 23, halten das Gebot der Beschneidung ein, verpflichten nicht den Bruder, sondern den nächsten Freund des kinderlos Verstorbenen zur Heirat mit der Witwe. Immer noch setzen sie ihre Wallfahrten fort zu dem heiligen Berge der Väter (s. Abb. 298); sie haben einen levitischen Priester (Kahin), Abb. 299, den man nicht Hohepriester nennen darf, da die von Aaron stammende Priesterlinie 1658 ausgestorben ist. Sie beobachten streng die Gebote des Pentateuchs, den sie in hebräischer Sprache, aber in einer älteren Schrift, übrigens auch in einer samaritanischen Übersetzung besitzen. Außer dem Pentateuch besitzen sie noch eine kleinere Literatur, teils in samaritan. Sprache, einem Dialekt des Westaramäischen, teils in arabischer Sprache. Das „Samaritanische“ ist als Umgangssprache längst durch das Arabische ersetzt.