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Reichtum

Reich, Reichtum.

I. Im Alten Testament, und zwar a. zumeist vom äußeren, irdischen Reichsein an Gut und Geld. Das Alte Testament kennt ja keine jenseitige Seligkeit, somit auch keinen Reichtum im Jenseits; daraus ergibt sich auch vom irdischen Besitz eine andere Anschauung, als wir sie vom Standpunkt Christi aus im Neuen Testament finden. Das äußere Wohlergehen bis zu seiner höchsten Steigerung in Ehre und Reich, Reichtum ist dem alttestamentlichen Gläubigen der Lohn, den seine Frömmigkeit von Gott erwarten darf und auch erhält. In der Patriarchengeschichte wird mit kindlicher Unbefangenheit und Dankbarkeit gegen Gott erzählt, wie Abraham „sehr reich war“, und Jakob „über die Maßen reich“ (1 Mo. 13,2; 30,43) usw.; und durchs ganze Alte Testament klingt diese Anschauung: Reich, Reichtum ist ein Segen — aber ein Segen, ja der Segen von Gott (vgl. 1 Chr. 29,12) für die Gottesfurcht. „Der Herr machet arm und reich“, 1 Sa. 2,7; und zwar: „reich ohne Mühe“, Spr. 10,22. Eben weil Salomo um ein frommes Herz gebeten, erhält er auch Reich, Reichtum, 1 Kö. 3,11. 13. Und so immer: „Reich, Reichtum und Fülle wird im Hause des Frommen sein“ (vgl. Ps. 112,3 und die Verheißung 5 Mo. 28,2-8), und er ist der Begleiter „zur Rechten und zur Linken“ der himmlischen Weisheit, ihrer Annahme und Nachfolge: Spr. 3,16; 8,18. Die Sprüche und Sirach zeigen den Nutzen des Reich, Reichtum (Spr. 10,15; 18,11; 14,20), den rechten Gebrauch und den Missbrauch desselben (es gehört Fleiß und Weisheit dazu, Spr. 12,27; 14,24), auch die beständige Unruhe, die er mit sich führt, Spr. 15,16; Pr. 5,11 (auch Ps. 39,7), während Ps. 62,11 (nach lutherischer Übersetzung) vor der Gefahr des Reich, Reichtums, dass wir das Herz dran hängen, warnt. Indem so das irdische Gut in Zusammenhang mit Frömmigkeit und Weisheit gestellt wird, wird es doch unter einem, allerdings noch nicht dem höchsten, sittlichen Gesichtspunkt betrachtet.

Aber immer mehr tritt den tiefer Forschenden des Alten Testaments die Tatsache im Widerspruch mit ihrem Glauben an die göttliche Vergeltung entgegen, dass Gott Reich, Reichtum und Glück auch den Gottlosen austeilt. Während oft die Gerechten in Armut darben, blühen die Gottlosen, und während Reich, Reichtum und Glück sie nur trotzig und gottverachtend machen, stehen sie doch felsenfest und ungebrochen da, Ps. 49,7; 52,9; Spr. 18,23; 28,11; und in diesem Sinn versteht Luther Jes. 53,9: „Reicher“ = Gottloser. An diesem Rätsel zerdenken sich besonders die Psalmen und das Buch Hiob, und kommen zunächst zu dem Resultat, das in Ps. 37,9 ff.; 73,17; 49,18; $$Hi. 27,13 bis 19::Hiob 27,13-19$$; 20,29; 21,19 u. a, ausgedrückt ist: „ich wartete auf ihr Ende“; einem solchen Reichen „wird nichts nachfahren“, „und seine Nachkömmlinge werden des Brots nicht satt haben“. Also auch hier wieder der Diesseitigkeitsstandpunkt. Aber während auf der einen Seite das Buch Hiob auf die volle Lösung des Rätsels verzichtet und stille Unterwerfung unter das Unerforschliche predigt, Hi. 42,3, — so geht auf der andern Seite die Erkenntnis doch tiefer, und höher hebt sich der alttestamentliche Glaube in der trostvollen Gewissheit, dass dem nach Gottes wunderbarem Rat zeitweise äußerlich unterdrückten und verarmten Frommen b. ein innerer Reichtum bleibe unter allen Umständen die Gewissheit, bei Gott in Gnaden zu stehen, und in diesem Bewusstsein die gottvertrauende Genügsamkeit im Irdischen, am schönsten in der Psalmstelle: „Wenn ich nur dich habe usw.“, Ps. 73,25. Andere Stellen führen diese Gedanken weiter aus: Spr. 13,7, „arm bei großem Gut und reich in der Armut“ (durch Genügsamkeit u. Seelenruhe); Ps. 37,16, „das Wenige, das ein Gerechter hat (nämlich bei gutem Gewissen und Frieden mit Gott), ist besser“ usw. Ps. 36,9: „sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses“, ist nach dem Grundtext an Opfermahlzeiten zu denken. Beides, die Aussicht auf den endlichen Umschlag der Dinge, sowie inzwischen das Genügen an Gott allein nebst der Spr. 22,2 erwähnten Einsicht, dass die bunte Mischung von arm u. reich eine Gottesordnung sei, bringt die Gelassenheit u. Lebensweisheit hervor, welche sich u. a. in goldenen Worten wie Ps. 49,17 („lass dich’s nicht irren“), Spr. 23,4 („bemühe dich nicht, reich zu werden usw.“) und vollends schön Spr. 30,8 („Armut u. Reich, Reichtum gib mir nicht usw.“) ausdrückt, sowie in dem prophetischen Mahnruf: „ein Reicher rühme sich nicht usw.“), Jer. 9,22. Hierher gehört auch Luk. 1,53. Wir stehen hiermit auf der höchsten Stufe alttestamentlichen Denkens und Glaubens. Auch das Buch des Predigers schildert die Gefahren, den Schaden, die Unruhe, die ganze Hinfälligkeit und Eitelkeit des Reich, Reichtums in lehrreicher, ergreifender Weise (Pr. 4,8; 5,9-14) und ermahnt ebenfalls zur Gelassenheit (10,20), aber dies mehr aus Klugheitsrücksichten (s. 10,20), mehr mit einer gewissen bitteren Resignation: 9,2. 11.

An jene vorerwähnte höchste und reifste Stufe des Alten Testaments knüpfen II. der Herr und die Apostel im Neuen Testament an, indem sie von jenem himmlischen und geistlichen Reichtum als dem allein richtigen und wichtigen reden. a. Gott ist „ein Herr, reich über alle“, Röm. 10,12, reich an Güte und Herrlichkeit, Gnade und Barmherzigkeit, Röm. 2,4; 9,23; Eph. 1,7; 2,4, reich genug, um unsere tiefsten und ewigen Bedürfnisse aus diesem Reichtum zu stillen und zu erfüllen, Phi. 4,19. Das Evangelium wird „der Heiden Reichtum“ genannt, Röm. 11,12. Und Jesus Christus hat sich zwar der göttliche Herrlichkeit entäußert (2 Kor. 8,9: ob er wohl reich war, nämlich in himmlischer Glorie usw.), aber den ganzen Reichtum der göttliche Heilsgnade schließt und trägt er in seiner irdischen Erscheinung in sich (das heißt „der unergründliche Reichtum Christi“, Eph. 3,8) und durch ihn sollen auch b. die Menschen, die Christen, „reich werden in Gott“, Luk. 12,21, in Glauben, Liebe und Erkenntnis (2 Kor. 8,7; Jak. 2,5; Phil. 1,9), an guten Werken (1 Tim. 6,18), an allen Stücken (1 Kor. 1,5 u. ö.), sollen durchdringen zu vollem Reichtum des Verständnisses, Kol. 2,2 usw., vgl. Offb. 2,9; 3,17 ff. Dieser „Reichtum in Gott“ beim Christen geht aber nicht nur innerlich, der Tiefe und Weite nach, über das weit hinaus, was das Alte Testament. von innerem Reichtum (nach I. b) ahnte, sondern auch zeitlich, der Dauer nach. Er ist ein Besitz, der sich erst im ewigen Leben selbst ganz vollendet, in dem einst zu erwartenden „Reichtum seines herrlichen Erbes“ im Himmel (Eph. 1,18).

2) Was sagt das Neue Testament aber vom irdischen äußeren Reichtum? — Dass der irdische Besitz die Herzen sehr leicht gefangen nimmt, ist die Erfahrungstatsache, welche der Herr seinen Jüngern vor allem ans Herz zu legen für nötig fand: „ein Reicher wird schwer ins Reich Gottes kommen“, Mt. 19,23 f.; Mk. 10,23; ferner die Exempel vom törichten Reichen und vom höllenverdammten reichen Mann, Luk. 12,16 ff.; 16,19 ff.; der Warnungsruf, Luk. 6,24: „wehe euch Reichen!“ und umgekehrt die Seligpreisung der Armen, Luk. 6,20 (nach Mt. 5,3 auf die irdisch Armen, nur sofern sie auch geistlich arm sind, zu beziehen). Vor dem „Betrug“ des Reichtums wird gewarnt, Mt. 13,22 u. Parallelstellen, und als solcher betrüglich uns beherrschender und knechtender wird er Mammon genannt (vgl. den Artikel). Die Worte Mt. 19,21 aber: „willst du vollkommen sein, so verkaufe was du hast usw.“, gelten nur dem einzelnen Fall, der einzelnen Person, die Jesus vor sich hat; sie fassen den Jüngling bei seiner schwachen Seite. Davon, dass der Herr die Besitzlosigkeit, die Armut, absolut für alle als etwas Vollkommeneres erklären wollte, ist im Zusammenhang gar keine Rede. Ebenso geht Mt. 10,9 nur auf die damalige Zeit und die apostolische Wirksamkeit. Dass ein Christ überhaupt bereit sein solle, wenn es der Herr von ihm fordert, alles wegzuwerfen, das liegt freilich in diesen Stellen auch für uns, aber kein absolutes Gebot, noch weniger eine besondere Verdienstlichkeit solcher Armut. Wie auch der Reichtum, so wenig er etwas zu Erstrebendes für den Christen ist, doch im Dienst des Herrn verwendet werden könne und solle, zeigt der Grundsatz, dass wir uns, ob über wenig oder viel gesetzt, immer als Haushalter Gottes ansehen dürfen und demnach verhalten müssen, vgl. das Gleichnis vom ungerechten Haushalter, Luk. 16,1 ff.; und die Annahme des reichen Zachäus und Josephs von Arimathia in seine Jüngerschaft, denen kein Wegwerfen ihres Guts zuvor zur Bedingung gemacht worden.

In diesem Sinn nun ist der Herr auch von den Aposteln verstanden worden. Die Aussprüche Christi über die Gefahren des Reichtums klingen besonders deutlich durch bei Jakobus, der auch oft an prophetische Worte des Alten Testaments erinnert. Er warnt und bedroht die Reichen in der Gemeinde ganz besonders ernst: Jak. 1,10. 11; 5,1. 2 wegen Missbrauchs des Reichtums. Gegen die Reichen in der Welt wendet sich Offb. 18,3. 17. Paulus kommt in den Pastoralbriefen auf den irdischen Reichtum, nämlich 1 Tim. 6,6-9; 17-19. Es sind das klassische Stellen, welche in kürzester Summa die christliche Anschauung zusammenfassen: kein Reichwerden wollen unter Christen! wo aber Reichtum bei Christen ist, kein Reichtumsvertrauen, kein Geiz, sondern um so größere Mildtätigkeit und um so größere Sorge, überhaupt echt christlichen Wandel („gute Werke“) zu erzeigen und so sich einen guten Grund, einen Schatz für die Ewigkeit zu sammeln! Zu Apg. 2,44. 45 f. Art. Gütergemeinschaft.

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