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Räuchern

Räuchern, Räuchopfer, Räucheraltar, Räuchfaß, Räuchwerk. Die Morgenländer lieben jede Art von Wohlgeruch (Spr. 27,9: Salbe und Räuchwerk erfreuen das Herz; Spr. 7,17), bes. die durch Verbrennung an sich schon wohlriechender Stoffe entstehenden gesteigerten Wohlgerüche. Die betreffenden Stoffe werden auf glühende Kohlen geschüttet und mit dem aufsteigenden Rauche werden zum Beispiel die Kleider durchräuchert, der Bart des Gastes beim Kommen und Gehen, Hohel. 3,6 wird die Braut geradezu mit einem wohlduftenden Räuchwerk verglichen, Ps. 45,9 heißen die Kleider des königlichen Bräutigams: Myrrhe, Aloe und Kasia. Entsprechend der Sitte, Menschen durch Räucherduft zu erfreuen und zu ehren, erscheint

1) das Räuchern sowohl bei Heiden (zum Beispiel 2 Kö. 17,11; 22,17 u. a.; Dan. 2,46 läßt Nebukadnezar Daniel mit Speisopfer und Räuchopfer — hier wörtlich: Wohlgerüche — ehren), als auch im israelit. Gottesdienst als wesentl. Bestandteil des Opferkultus.

a. Bei den auf dem Brandopferaltar dargebrachten Speisopfern wird Weihrauch aufgestreut und dieser angezündet und mit einem Teil des Speisopfers verbrannt (3 Mo. 2,1 f. 16; 6,15). Diese Darbringung heißt Azkara, Gedächtnisopfer, der Duft soll den Darbringer bei Gott in gnädige Erinnerung bringen.

b. Wichtiger ist das auf dem Räucheraltar (s. u.) als selbständiges Opfer, Räuchopfer (ketoreth), vorgenommene Räuchern. Es wurde täglich zweimal, morgens vor, abends nach dem Brandopfer, nach dem Zurichten und während des Anzündens der Lampen ein Räuchopfer (die ketoreth tamid, wie jenes die olath tamid, tamid = Beständigkeit, also das täglich zu bestimmter Zeit wiederkehrende Opfer) dargebracht. Für den Dienst am Räucheraltar wurden, wie überhaupt für den Opferdienst, die Priester durchs Los bestimmt, Luk. 1,8. 9. Nachdem die tägl. Reinigung des Räucheraltars vorgenommen war, nahm der eine der Priester Glühkohle vom Brandopferaltar (und nur von diesem, anderswo entnommene Kohle ist „fremdes Feuer“, 3 Mo. 10,1), trug sie in einer goldenen Kohlenpfanne (s. nachher Räuchfaß) in den Tempel und schüttete sie auf dem Räucheraltar auf, betete an und ging hinaus. Der eigentliche diensttuende Priester sodann trug in einem Löffel (kaph, s. u.) eine Büchse (bezech) herbei, welche das Räuchwerk enthielt. Nachdem er den Löffel einem assistierenden Priester gegeben, schüttete er aus der Büchse das Räuchwerk auf den Räucheraltar, breitete es auf der Glühkohle aus, so daß es verbrannte und ein feiner Rauch emporstieg, betete an und ging hinaus. Während dieser Handlung befand sich außer den funktionierenden Priestern niemand im Tempel noch zwischen diesem und dem Brandopferaltar. Diese Darbringung des Räuchopfers galt als die höchste Funktion des Priesters. Noch höher ist

c. das von dem Hohepriester am großen Versöhnungsfest dargebrachte Räuchopfer (3 Mo. 16). Dieses war nicht wie das des gewöhnlichen Priesters an den Räucheraltar gebunden, vielmehr füllte der Hohepriester von den auf dem Räucheraltar aufgeschütteten Kohlen (Vers 12) das Räuchfaß und trug dasselbe hinter den Vorhang in das Allerheiligste. Hier schüttete er auf die im Räuchfaß befindliche Kohle Räuchwerk, V. 13: „daß die

— aufsteigende — Wolke vom Räuchwerk den Gnadenstuhl bedecke, daß er nicht sterbe“. Dieses hohepriesterliche Räuchopfer ist ein Bestandteil des vom Hohepriester „für sich u. sein Haus“ dargebrachten Sündopfers, welches gipfelt in dem unmittelbar nach dem Räuchern folgenden Besprengen des Deckels der Bundeslade mit dem Blut des Opfertiers. Außer der Opferbedeutung wohnt aber dem Räuchern auch eine andere sinnbildl. Bedeutung inne, es ist das versinnlichte Gebet des Volkes, welches zu Gott emporsteigt (auch liegt dem Gebet als Anbetung, noch mehr als Dankgebet — Ps. 50,23 — der Gedanke des Opfers durchaus nicht fern), weshalb während der Zeit des Räuchopfers die Gemeinde betend im Vorhof versammelt war (Luk. 1,10). Ganz klar ist diese Bedeutung hervorgehoben in Stellen wie Ps. 141,2; Offb. 5,8; 8,3 f. u. a. 4 Mo. 16,46 ist durch das Räuchern die hohepriesterl. Fürbitte versinnlicht, vgl. auch Jes. 1,11 f. Dadurch, daß mit jedem Speisopfer und mit dem tägl. Brandopfer stets das Räuchern verbunden ist, wird darauf hingewiesen, daß die äußere Gabe nur durch die Hingabe des Herzens, wie sie im Gebet zum vollständigen Ausdruck kommt, Gott wohlgefällig wird. Mochten auch solche tiefere Beziehungen dem größten Teil des Volkes nicht zum Bewußtsein kommen, Propheten und Psalmisten haben sie wohl erkannt. Während aber im A. B. nur der Priester mit dem Räuchopfer vor Gott treten darf, so naht im N. B. jeder Christ mit priesterl. Rechte seinem Gotte „zu opfern geistl. Opfer“, 1 Pe. 2,5, unter welchen das Gebet obenan steht. —

2) Der Räucheraltar. Dessen Anordnung und Beschreibung s. 2 Mo. 30,1 ff.; 37,25 ff. Der Räucheraltar der Stiftshütte war von Akazienholz (Luther: Föhrenholz), der des salomon. Tempels von Zedernholz (1 Kö. 6,20). Über den Räucheraltar des zweiten Tempels wissen wir nichts Näheres. Der Altar war mit feinem Goldblech überzogen (daher auch der „goldene Altar“ genannt, 2 Mo. 40,5. 26; 4 Mo. 4,11; 1 Kö. 7,48 u. a.). Seine Höhe betrug 2 Ellen, Breite und Länge je 1 Elle (s. d. Art. Maß). An seinen oberen Ecken waren 4 vergoldete Hörner, als Verzierung lief oben rings herum ein goldener Kranz und unterhalb desselben waren auf zwei Seiten je 2 goldene Ringe für die vergoldeten Tragstangen (vgl. Abb. 27). Der Räucheraltar stand zwischen dem Leuchter und dem Schaubrottisch, der Bundeslade im Allerheiligsten gerade gegenüber, nur durch den Vorhang von derselben getrennt. Daher heißt er „der Altar, der vor dem Herrn steht“ (3 Mo. 4,18; 16,18, vgl. Hes. 41,22; Offb. 9,13), bei welcher Bezeichnung nie an den Brandopferaltar zu denken ist. Doch erscheint der Räucheraltar nicht bloß als die Stätte des Räuchopfers, sondern auch als Mittel der Sühne. Sowohl bei gewissen Sündopfern für besondere Verfehlungen (3 Mo. 4) als besonders bei dem Opfer am großen Versöhnungstag (3 Mo. 16) werden die Hörner dieses Altars mit dem Blut des Opfers bestrichen und zwar wird der Zweck V. 18 ff. so beschrieben: „dann gehe er (der Hohepriester) heraus an den Altar, der vor dem Herrn steht, und sühne ihn und tue von dem Blut des Stieres und des Bockes an seine Hörner ringsum und spritze auf ihn mit seinem Finger siebenmal, daß er ihn reinige und heilige von den Unreinheiten der Kinder Israel“. Der Altar, sowie das ganze innere Heiligtum (Vers 15 u. 16) ist durch des Volkes Sünde entweiht, seine Gnadenkraft ist geschwächt, deshalb muß zuerst er selbst durch Bestreichung mit dem sühnenden Blut gereinigt werden, eben damit aber wird auch dem versöhnungsbedürftigen Volke der Weg zur Gnade wieder eröffnet. —

3) Unter den heiligen Gefäßen ist das wichtigste das Räuchfaß (machtha), eine Kohlenpfanne von Gold (von Luther oft mit „Napf“ oder „Pfanne“ übersetzt). Die Glühkohle wurde zuerst in einem silbernen Gefäß vom Brandopferaltar genommen und dann in dieser goldenen Pfanne auf den Räuchaltar getragen und, wie oben gezeigt, diente es am Versöhnungstage zugleich als Räucherpfanne, da der Hohepriester im Allerheiligsten auf die im Räuchfaß befindlichen Kohlen das Räuchwerk aufschüttete. Unter der „miktereth“, mit welcher der König Usia sich anmaßte vor dem Herrn zu räuchern (2 Chr. 26,19), ist dasselbe zu verstehen wie in andern Stellen unter „machtha“.

Ein weiteres Gefäß ist der „Löffel“, kaph, eine mit einem Handgriff versehene Schale, worin die Büchse mit dem Räucherpulver getragen wurde (4 Mo. 7,86 u. a.). In Hbr. 9,4 ist unter dem von Luther mit „Räuchfaß“ übersetzten Worte (thymiaterion) der Räucheraltar zu verstehen; warum der Verf. des Hebr.-Briefs ihn ins Allerheiligste versetzt, infolge Verwechslung oder aus inneren Gründen, ist ungewiß. —

4) Das hl. Räuchwerk (2 Mo. 30,34-38) war aus 4 Spezereien zusammengesetzt: 1) nataf = Tropfen, das aus der Rinde des Storaxstrauches fließende Harz; 2) schecheleth, der Deckel einer Seemuschel (der Purpurschnecke?), von seiner Form Seenagel genannt, welcher, mit anderen Spezereien vermischt, diesen besonders kräftige Wohlgerüche verleiht; 3) chelbonah = Galbanum, Mutterharz, ein zwar nicht für unsern Geruch, aber, wie es scheint, für die Geruchsnerven der Alten angenehmes, fettes Harz; 4) lebonah = Weihrauch, ein weißliches, meist aus Arabien bezogenes, aromatisches Pflanzenharz. Diese vier Bestandteile waren in gleicher Quantität apothekermäßig, das heißt nach der Kunst des „Würzers“, zu bereiten, mit Salz zu vermengen und fein zu pulvern. Es war unter Androhung der Ausrottung aus dem Volk strengstens verboten, zu anderem als zu dem heiligen Gebrauch im Tempel solches Räuchwerk anzufertigen. Von den Rabbinen wurden noch sieben weitere Gewürze, die auch sonst oft erwähnt werden, hinzugefügt: Myrrhe, Kassia, Nardenblüte, Safran, Kostus, Zimt, Kalmus. Zur Zeit des Herodes war die Bereitung Geheimnis einer Priesterfamilie Abtinas.

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