Mensch
Mensch.
1) Seine Erschaffung. Der Mensch ist nach 1 Mo. 1 das letzte in der Reihe der irdischen Geschöpfe, eine Angabe, die durch alle Entdeckungen der Naturwissenschaft bestätigt worden ist. „Gott schuf sie, ein Männlein und ein Fräulein“ — auch diese Abstammung der Menschen von Einem Paar ist zwar schon oft angegriffen, aber nie widerlegt worden; die Naturwissenschaft, bezw. die Geschichtsforschung wird überhaupt nie über den Anfang des Menschengeschlechts etwas Bestimmtes ausmachen können. Für die religiöse Betrachtungsweise würde zwar an sich die Gewißheit genügen, daß alle Menschen ihrem inneren Kern nach gleichgeartete Wesen sind und darum alle in einem Himmelreich sich zusammenfinden können, Apg.17,26 f. Allein diese wesentliche Gleichartigkeit ist nach allen Analogien eben durch Einheit des Blutes und der Abstammung vermittelt; wie denn die Bestreiter der einheitl. Abstammung auch den Glauben an die gemeinsame Bestimmung des ganzen Menschengeschlechts gewöhnlich aufgeben.
Die Erschaffung des ersten Menschen selbst ist 1 Mo. 2,7 mit folgenden Worten beschrieben: „Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase.“ Diese Worte sind übrigens nicht gemeint und auch nicht geeignet, uns eine anschauliche Vorstellung von dem Vorgang selbst zu gewähren. Neugierige Menschenaugen dürfen nie und nirgends in die geheime Schöpferwerkstätte Gottes hineinschauen. Die Worte weisen vielmehr darauf hin, daß von den zwei Bestandteilen des menschlichen Wesens, Leib und Seele, der eine, der Leib, aus denselben Stoffen besteht, wie rings die ganze Natur; eine Tatsache, welche der Verwesungsprozeß des Leichnams dem einfachen Beobachter enthüllt (1 Mo. 3,19). Die Seele aber ist Gott selbst verwandt; es ist Gottes Odem oder Geist (s. d. Art.), der in dem Menschen lebt und webt und ihn zu einer „lebendigen Seele“, zu einem persönlichen Wesen, macht. —
2) Das Wesen und die Stellung des Menschen. Vergl. die Artt. Leib, Seele, Fleisch, Geist, Ebenbild; ferner die einzelnen Glieder, Sinne u. Fähigkeiten des Menschen. Im allgemeinen ist hier zu sagen: die Bibel erkennt ebenso die Hoheit des Menschen gegenüber den andern Geschöpfen, wie seine Niedrigkeit gegenüber dem Schöpfer. In ersterer Beziehung ist auf das göttliche Ebenbild und die damit verbundene Herrscherstellung des Menschen zu verweisen (1 Mo. 1,26. 28). Seine Erhabenheit über die Tierwelt ist in der Erzählung 1 Mo 2,20 ausgedrückt, daß unter den Tieren keine für ihn passende Gehilfin gefunden wird; und darin, daß sein Leben unter den besonderen Schutz Gottes gestellt wird (1 Mo. 9,5. 6, vgl. auch Ps. 8,6 f.). Aber höher als die natürliche Erhabenheit stellt die Bibel die sittliche Würde des Menschen; auch sie ist zwar dem Menschen von Gott mitgegeben, aber als ein Besitz, der immer aufs neue erworben und bewahrt werden muß, der auch verloren gehen kann. Diese sittliche Würde des Menschen tritt in den hohen Forderungen hervor, die an ihn gerichtet werden, in den Forderungen gottähnlicher Heiligkeit und Vollkommenheit (3 Mo. 19,2; Mt. 5,48); aber sie läßt sich auch messen an dem schweren Vorwurf, der jeden trifft, welcher diese Würde an sich selbst oder an andern mißachtet (Mt. 16,26; 18,6 f.). Dabei betont aber die Bibel durchweg, daß sowohl die natürliche Erhabenheit, als die sittliche Würde des Menschen ein Geschenk der unverdienten Gnade und Herablassung Gottes ist. So ruft gerade jener achte Psalm aus: was ist der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß du dich sein annimmst? (Vers 5). Alle wirkliche Gerechtigkeit und Heiligkeit (s. d. Art.) ist ja vollends ein Gnadengeschenk Gottes, der sogar mit dem gefallenen Menschen in Gemeinschaft tritt. Was kann uns Menschen höher ehren, als die Liebe des Menschen- und Gottessohnes, der sich nicht schämet, uns Brüder zu heißen (Hbr. 2,11), und als die Gemeinschaft des h. Geistes, der unsern Leib zu einem Tempel Gottes verklärt (1 Kor. 6,19)? Welche höhere Würde können wir erlangen, als die Würde der Gotteskindschaft? (s. Kindschaft). Denn wenn wir von dem allem absehen, was wir durch Gottes unverdiente Gnade haben, so sind wir arme, schwache, hinfällige Geschöpfe, die vollends vor Gott alles Ruhms ermangeln. Diese Seite bezeugt die heilige Schrift ebenso wie die erste. Schon das hebräische Wort für Mensch adam (= ein aus Erde Gebildeter) oder vollends aenosch (= ein Sterblicher, Hinfälliger) deutet auf seine Vergänglichkeit u. Niedrigkeit. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras (Ps. 103,15, vgl. 14 u. 16; 1 Pe. 1,24); so lasset nun ab von dem Menschn, der Odem in der Nase hat (das heißt einen so flüchtigen Hauch, an dem sein Leben hängt); denn für was ist er zu achten (Jes. 2,22)? ich bin Erde und Asche (1 Mo. 18,27); ein Mensch, die Made, und ein Menschenkind, der Wurm (Hi. 25,6); ist doch der Mensch gleich wie nichts (Ps. 144,4)! — solche Bekenntnisse finden sich viele in der Schrift. Gott und Mensch sind, wenn man von Gottes Gnade absieht, die größten Gegensätze. Gott ist mehr als ein Mensch (Hi. 33,12); ich bin Gott und nicht ein Mensch (Hos. 11,9) u. dgl. Vermenschlichung Gottes u. Vergötterung eines Menschen ist daher beides ein Greuel (Röm. 1,23; Apg. 12,22; Hes. 28,2). Vollends erniedrigt und seiner Würde entkleidet ist der Mensch durch die Sünde (s. d. Art.). —
3) Die Bestimmung des Menschen. Schon die Schöpfungsgeschichte lehrt, daß alle andern Geschöpfe um des Menschen willen geschaffen wurden, daß seinem Wohle alle Werke Gottes dienen müssen. Und zur Gewißheit wird das für den Christen, der die Liebe Gottes in Christo erfahren hat (Röm. 8,32; 8,28). Die Bestimmung der Menschen fällt darum zusammen mit dem Endzweck der ganzen Schöpfung. Das Reich Gottes, zu dem wir Menschen berufen sind, ist das Endziel der Wege Gottes (Eph. 1,4 ff.), und unser Haupt Jesus Christus soll das Haupt der ganzen Schöpfung werden (1 Kor. 15,27 f.). Im Lichte dieses Endes betrachtet, ist die ganze irdische Menschheitsentwicklung nur eine Vorstufe für die himmlische, vollendete Menschheit (1 Kor. 15,47-49). Dieses Ziel verleiht der ganzen Geschichte der Menschheit ihre Bedeutung und erklärt den Anteil, den Gott an dieser Geschichte nimmt, ja die Tatsache, daß Gott selbst in diese Geschichte eingreift und sie ihrem Ziel entgegenführt
— wie die ganze Schrift davon Zeugnis ablegt.