Lust
Lust hat in der Bibelsprache eine doppelte Bedeutung:
1) = das Wohlgefallen, das man an etwas hat;
2) = die Begierde, die man nach etwas empfindet. Beide Bedeutungen hängen eng zusammen, denn was uns einmal „Lust“ gewährt hat, das erweckt immer wieder in uns ein „Gelüsten“. 1) Lust = Wohlgefallen. Es ist bezeichnend für jeden Menschen, woran er seine Lust hat, ob an Gott (Hi. 22,26; 27,10; Ps. 37,4; Jes. 26,8) und Gottes Gesetz (Ps. 1,2; 112,1; 119,16. 24. 35. 47. 70. 117) u. Gottes Werken (Ps. 111,2), oder an den vergänglichen Gütern der Welt (Pr. 12,5; Offb. 18,12-14) u. an der Ungerechtigkeit (2 Th. 2,12, vgl. Mi. 4,11; Ps. 22,18).
— Die Bibel betont ferner, daß man das Gute mit Lust, nicht mit innerem Widerwillen, nicht gezwungen tue (Röm. 12,8; Sir. 35,20). Auch für die Erkenntnis des Wesens und Willens Gottes ist es sehr wichtig, zu wissen, woran er seine Lust hat. Von Anfang ist seine Lust an den Menschenkindern (Spr. 8,31), das heißt sie sind der Gegenstand seines Wohlgefallens u. sollen’s immer mehr werden. Es ist ihm eine Lust, wenn er ihnen Gutes tun kann (Jer. 32,41); und des Frommen höchster Trost ist es, zu wissen, daß Gott „Lust“ zu ihm hat (Ps. 18,20; 2 Sa. 15,26; Jes. 62,4 — vgl. den unbewußt die Wahrheit redenden Spott der Gottlosen: Ps. 22,9; Mt. 27,43). Und er schenkt’s dann den Seinen, daß sie ihre Lust an ihm (s. oben), an seiner Gnade (Mi. 7,9; Ps. 37,11, vgl. Jes. 53,11) haben dürfen. Aber was sein Wohlgefallen erwirbt, das sind nicht solche Vorzüge, die der Menschen Blicke auf sich ziehen (Ps. 147,10), auch nicht solche Werke, mit denen man sein Wohlgefallen erkaufen möchte, wie Opfer, sondern demütige Gottesfurcht, selbstverleugnender Gehorsam, aufrichtige Nächstenliebe (1 Sa. 15,22; Ps. 51,18; Jes. 1,11; Hos. 6,6).
2) Lust = Begierde. Es ist bezeichnend für die ganze Anschauung der Bibel, daß das Wort in diesem Sinn nur selten von dem Verlangen nach edlen und wahren Gütern gebraucht wird, eigentlich nur in der Verbindung Lust haben, etwas zu tun (2 Kor. 5,8; Phi. 1,23, auch von Gott, Hi. 9,3; Ps. 68,17, sonst s. Spr. 14,9; Wsh. 6,21). Denn die unwillkürlich aus dem Herzen aufsteigenden Begierden und die sich daraus entwickelnden Leidenschaften stehen nach bibl. Lehre im Dienst der Sünde. Gerade das ist’s, was der Apostel Paulus mit dem Ausdruck: die Sünde wohne im Fleisch und herrsche im Fleisch (vgl. Fleisch) bezeichnet. Und zwar offenbart sich dies in dreifacher Weise: teils im Hang zu ungeordneter und maßloser Befriedigung der an sich berechtigten sinnlichen Triebe (Fleischeslust im engeren Sinn), teils in der Sucht, im Besitz der irdischen Güter seine Befriedigung zu finden (Augenlust), teils in dem Drang, im Gefühl des eigenen Wertes sich zu sonnen (hoffärtiges Wesen, 1 Joh. 2,16). Der Wandel des natürlichen Menschen ist ein Wandel in solchen fleischlichen, weltlichen, unreinen Lüften (Röm. 7,5; Eph. 2,3; Tit. 3,3; 1 Pe. 1,14; 4,3; 2 Petr. 2,10; $$Jud. 16::Jdt16$$). Zwar geht der wirklichen Sünde auch im natürlichen Menschen immer der Prozeß voran, den Jak. 1,14 f. schildert: die erwachende Lust bildet eine Versuchung für den Willen, welcher derselbe an sich widerstehen könnte und sollte; erst wenn der Wille mit der Lust sich einigt und so die Lust „empfangen“ hat, gebiert sie die Sünde. Noch weiter zurück verfolgt diesen Prozeß Paulus, Röm. 7,7 ff., indem er zeigt, wie das Erwachen der Lust selbst gerade durch das Gebot, bezw. Verbot befördert wird; denn das Verbotene reizt (vgl. Sündenfall). Weiter aber zeigt er, wie im natürlichen Menschen trotz der nötigen Zustimmung des Willens, ja sogar trotz seines Widerstrebens die Lust doch herrscht und den Menschen knechtet (Vers 14 ff., vgl. Freiheit). Röm. 1,24 ff. beleuchtet er diesen Zustand der Knechtung des Menschen unter die Lust als ein göttl. Gericht über die menschl. Gottentfremdung. Joh. 8,44 weist der Herr für dieselbe Tatsache auf den geistigen Zusammenhang der Sündenknechte mit dem Mörder von Anfang hin, nach dessen Lust sie tun wollen und müssen. Die Befriedigung dieser Lüste bewirkt aber keineswegs, wie sie in Aussicht stellen, wahre Lust — daher heißen sie Eph. 4,22 (Grundtext) Lüste des Betrugs — sondern hat den Ruin des Menschen, seinen „Tod“, zur Folge (Röm. 7,10-13; Eph. 4,22; 1 Pe. 2,11; Jak. 1,15). Für den Christen erhebt sich darum die unbedingte Forderung, diese Lüste zu fliehen, zu verleugnen, zu ertöten (Röm. 6,12; Gal. 5,24; Kol. 3,5; 2 Tim. 2,22; Tit. 2,12; 1 Pe. 2,11; 2 Petr. 1,4). Dies ist möglich durch einen Wandel im Geist (Gal. 5,16). Da aber die Lüste nach einem guten Anfang immer wieder sich regen (Mk. 4,19; 1 Tim. 6,9; 2 Petr. 2,18), so ist beständige Wachsamkeit nötig.