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Galiläa

Galiläa war ursprünglich ein Wort von allgemeiner Bedeutung: „Kreis, Bezirk“. So steht es in Jos. 13,2: das ganze Galiläa der Philister, das heißt alle den Philistern gehörenden Bezirke. Sodann wurde das Wort schon in alter, vorexilischer Zeit Name für die den Stämmen Asser und Naphthali gehörende Berglandschaft, die den Grenzbezirk Israels gegen Tyrus und den Libanon bildete, Jos. 20,7; 1 Kö. 9,11. Jesaja nennt es das den Heiden gehörende Galiläa (9,1); denn diese nördlichste Gegend litt wohl beständig unter dem Druck der mächtigen heidnischen Nachbarn, der Phönizier in Tyrus und der syrischen Fürsten auf dem Libanon, wie denn die Bewohner Galiläas mit denjenigen von Gilead die ersten waren, die die Assyrer in die Gefangenschaft führten (2 Kö. 15,29). Die Bevölkerung wird dort stets eine gemischte gewesen sein, so daß Heiden und Israeliten durcheinander wohnten. In der griechischen Zeit bekam der Name Galiläa eine erweiterte Bedeutung, da er jetzt von der ganzen Gegend zwischen der Ebene Jesreels und den Vorbergen des Libanon gebraucht wird. In diesem ländlichen Bezirk vollzog sich die Einwanderung jüdischer Gemeinden langsam. Als in Jerusalem der Kampf gegen die Syrer begann und deshalb im ganzen Land die jüdischen Gemeinden in Gefahr waren, war die Judenschaft Galiläas noch zu schwach, um sich dort zu halten; man mußte sie nach Jerusalem bringen, 1 Makk. 5,14-23. Als sich aber die Hohenpriester Jerusalems von den Syrern frei gemacht hatten und sich mit den Waffen das ganze Israel verheißene Land unterwarfen, wurde auch Galiläa unter Aristobul I. und Alexander Jannai von den Heiden gesäubert und ausschließlich mit jüdischen Gemeinden besetzt. Die Grenze dieses vollständig von der Judenschaft bewohnten Gebiets war im Süden der Nordrand der Ebene Jesreels, im Osten der Jordan und der See Genezareth, im Westen der Ostrand der Küstenebene, die im Besitz der Stadt Ptolemais war; im Norden bog die Grenze nördlich von Ptolemais nach Osten und umfaßte noch die nördlich von Safed gelegenen Berge, sodaß Meron und Gischala noch jüdische Orte waren. Was weiter nördlich lag, gehörte zum Gebiet von Tyrus. Zur Zeit Jesu war das Land dicht bevölkert; Josephus zählt in Galiläa 204 Ortschaften. Der bergige nördliche Teil war berühmt wegen der Menge seiner Olbäume; die Ebenen im südlichen Teil bildeten die fruchtbarsten Getreidefelder, so daß man von hundertfältigem Ertrag sprechen konnte (Mt. 13,8). Die blühendste Gegend des Landes war die Uferlandschaft am See von Genezareth, wo Wärme und Wasser eine herrliche Vegetation schufen. Hier baute sich Herodes Antipas seine Residenzstadt Tiberias, neben ihr war Sefforis nördlich von Nazareth die größte Stadt des Landes. Da die Samariter die Verbindung zwischen Jerusalem und Galiläa unterbrachen, so gestaltete sich das Leben in Galiläa selbständiger, als dies wohl sonst geschehen wäre. Auch ihre Sprache hatte dialektische Eigentümlichkeiten, so daß man in Jerusalem die Galiläer an ihrer Rede erkannte (Mt. 26,73). Nach dem Tode des Herodes bildete Galiläa zusammen mit dem von den Juden besetzten Teil des Ostjordanlandes ein eigenes kleines Staatswesen, da Augustus bei der Verteilung des Landes unter die Söhne des Herodes diese Gegenden Herodes Antipas mit dem Titel „Vierfürst“ übergeben hatte. Die pharisäische Bewegung war hier noch schwächer als in Judäa. Alle berühmten Rabbinen errichteten in dieser Zeit ihre Lehrsäle in der heiligen Stadt und die Überlieferung enthält scheltende Worte, die über die Widersetzlichkeit der Galiläer klagen. Doch zeigen uns die Evangelien und die jüdische Literatur übereinstimmend, daß auch die Galiläer eifrig dem Gesetz dienten. In allen Dörfern gab es Schulen, Lehrer und die besonderen Verbände der Männer, die die vollständige Erfüllung des Gesetzes zu ihrer Lebensaufgabe machten (Pharisäer); ja die Eiferer für Gott und sein Gesetz, die nicht nur in den Schulen gegen Rom u. das Heidentum predigten, sondern mit dem Schwert in der Hand ihr Leben preisgaben, stammten überwiegend aus Galiläa (Apg. 5,37). Von einem solchen Konflikt mit der römischen Behörde ist Luk. 13,1 die Rede. Da Joseph nach der Heimkehr aus Ägypten das Regiment des Archelaus in Judäa fürchtete und deshalb wieder nach Nazareth zog, galt Jesus als ein Galiläer und wurde als Galiläer in Jerusalem verachtet und verworfen (Joh. 7,41. 52). Jesus hat sich, der Weissagung (Jes. 9,1) folgend, der Galiläer nicht geschämt, vielmehr, weil Jerusalem, so oft ihn die Feste dorthin führten, ihn abwies u. die Galiläer einer Herde glichen, die keinen Hirten hat (Mt. 9,36), ihnen den größten Teil seiner Arbeit zugewandt. Er durchwanderte ganz Galiläa bis in die kleineren Dörfer hinein (Mk. 6,6), sandte auch seine Jünger durch das Land (Mt. 10,5); er hielt aber dabei die Gewißheit fest, daß die Entscheidung, vor die er Israel stellte, nicht in Galiläa, sondern nur in Jerusalem erfolge. Ebenso sammelten sich später nach dem Kreuz und nach Pfingsten zwar auch in Galiläa an Jesus glaubende Gemeinden (Apg. 9,31); aber auch dann fiel die Entscheidung, die das Geschick des ganzen Volkes bestimmte, durch das, was in Jerusalem geschah.

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