Fleisch
Fleisch, fleischern, fleischlich. Fleisch hat in der Bibel vier Bedeutungen:
1) = ein Bestandteil des irdischen Leibes;
2) = der mit Fleisch umkleidete Leib;
3) = das mit einem Fleischesleib versehene Wesen;
4) = die von der Sünde in Besitz genommene niedere Seite der Menschennatur.
1) Fleisch, fleischern, fleischlich und Bein sind die beiden Hauptbestandteile des irdischen Körpers von Menschen und Tieren, Luk. 24,39; 1 Mo. 2,21-23; Hi. 2,5; Ps. 102,6; Hes. 37,8; Mi. 3,2. Fleisch, fleischern, fleischlich ist das Weiche, Bein das Harte am Körper. Daher ist in der Gleichnisrede, Hes. 36,26, ein hartes, steinernes Herz etwas Unnatürliches und die Umwandlung desselben in ein fleischernes, weiches Herz eine Wiederherstellung des gefunden Zustandes. Es ist ein lebendiges Fleisch, fleischern, fleischlich, solange das Blut noch durch die Adern fließt (1 Mo. 9,4). Das tote Fleisch, fleischern, fleischlich der Tiere hat Gott den Menschen zur Nahrung gegeben (1 Mo. 9,3), und Fleisch, fleischern, fleischlich bildet immer die höher geschätzte (4 Mo. 11,4 ff.; Dan. 10,3), übrigens von ängstlichen Gewissen zu Zeiten gemiedene (Röm. 14,2. 21) Nahrung.
Bildlich bezeichnet Jesus sein Fleisch, fleischern, fleischlich als eine Speise (Joh. 6,51-58); und zwar nicht bloß weil seine ganze Erscheinung vom Himmel her sich mit dem Manna vergleichen läßt (Vers 32-35) und Kräfte des ewigen Lebens mit sich bringt, sondern auch weil gerade die Dahingabe seines Leibes in den Tod (Vers 51) diese Kräfte entbindet. Freilich ist’s nicht sein Fleisch, fleischern, fleischlich an sich, das ja kein nütze ist, sondern es sind die durch seinen Tod entbundenen Geisteskräfte, die uns nähren; aber es bleibt doch seine Gabe, denn diese Geisteskräfte bleiben gebunden an seine Worte (Vers 63). Eine Anspielung aufs h. Abendmahl in der Fassung dieser Worte liegt nahe. —
2) Die für Schmerz so empfindliche (Hi. 14,22), nach Wohlsein so verlangende, im Tod so schnell verwesende (Hi. 13,28) Fleischeshülle ist bezeichnend für die ganze Beschaffenheit unseres irdischen Leibes (1 Kor. 15,42). Daher bedeutet Fleisch, fleischern, fleischlich oft den ganzen irdischen Leib, und zwar meist den lebendigen, 1 Mo. 2,24, vgl. 1 Kor. 6,16; 2 Kor. 4,11, vgl. 10; 12,7; Phi. 1,22; Kol. 2,5. 23; 1 Pe. 4,1; Hbr. 10,20 usw.; aber auch den toten Leib, Apg. 2,26. (Wenn es Ps. 63,2 heißt: mein Fleisch, fleischern, fleischlich verlangt nach dir [Gott], so erklärt sich das aus einer bis zu körperlichem Schmerz gesteigerten Sehnsucht.) Manchmal ist Fleisch, fleischern, fleischlich = Leibesleben, 1 Pe. 4,2; Hbr. 5,7. Was ferner auf die äußere leibliche Abstammung des Menschen sich bezieht, ist „nach dem Fleisch“: Jesus ist „geboren von dem Samen Davids nach dem Fleisch“, Röm. 1,3, vgl. 9,5; die Juden sind Paulus Gefreundte nach dem Fleisch, fleischern, fleischlich, Röm. 9,3; „Israel nach dem Fleisch“, 1 Kor. 10,18, ist das kraft äußerlicher Abstammung diesen Namen tragende Gottesvolk, vgl. Röm. 9,8; Gal. 4,23. Da nun eben kraft der leiblichen Abstammung das Wort Adams: „das ist Fleisch von meinem Fleisch“ (1 Mo. 2,23) auch von Kindern und weiterhin überhaupt von Blutsverwandten gilt, so heißt: mein „Fleisch“ oder „mein Bein und mein Fleisch“ = meine Blutsverwandten (Ri. 9,2; 1 Mo. 29,14; 2 Sa. 5,1; 19,13; Jes. 58,7; Röm. 11,14).
Dem „Fleisch“ werden ferner die aufs leibliche Leben sich beziehenden Triebe und Begierden der Seele zugeschrieben, sowohl in ihrer von Gott geordneten (Joh. 1,13), als in ihrer von der Sünde entfesselten Gestalt (1 Pe. 2,11; 2 Petr. 2,10; Joh. 2,16). Aber auch die Schwäche des Willens, der den guten Vorsätzen nicht nachkommt, wird aufs „Fleisch“ zurückgeführt (Mt. 26,41), sofern körperliche Ermüdung und Abspannung auf den Geist zurückwirkt. Bildlich wird Fleisch, fleischern, fleischlich eine Bezeichnung für alles, was das äußerliche Leben des Menschen angeht: das fleischliche Gebot, Hbr. 7,16 = das nach äußerlichen Gesichtspunkten Bestimmungen trifft; ebenso: nach dem Fleisch, fleischern, fleischlich richten, Joh. 8,15, vgl. ferner Eph. 6,5 (Grundtext: euren Herren nach dem Fleisch, fleischern, fleischlich), Phi. 3,4; Philem. 16. —
3) Weil nun eben der Besitz eines Fleischleibes den Unterschied der irdischen Geschöpfe von den außerirdischen ausmacht (1 Kor. 15,40-49; Eph. 6,12; Hbr. 2,14), so wird Fleisch, fleischern, fleischlich oder Fleisch, fleischern, fleischlich und Blut häufig zur Bezeichnung der irdischen Menschennatur überhaupt, teilweise mit Einschluß der nach der leiblichen Seite so nah verwandten Tierwelt. So namentlich in dem Ausdruck: alles Fleisch, fleischern, fleischlich = alle Fleischwesen, 1 Mo. 6,12; 4 Mo. 16,22; 27,16; Hi. 34,15; Ps. 65,3; 136,25; 145,21; Jes. 40,6; 66,24; Jer. 25,31; Joel 3,1; Sach. 2,17; Mt. 24,22 (griech.); Luk. 3,6; Joh. 17,2; Röm. 3,20; 1 Kor. 1,29; Gal. 2,16. Es ist aber hauptsächlich die Schwäche und Hinfälligkeit der Menschennatur, recht ihr Gegensatz zu der Kraft und Gesundheit des göttlichen Wesens, was im Wort „Fleisch“ zum Ausdruck kommt, 2 Chr. 32,8; Hi. 10,4; Ps. 56,5; Jes. 31,3; Jer. 17,5. Daher drückt es die große Herablassung des Sohnes Gottes aus, daß er „Fleisch“, ein schwaches Fleischwesen wurde (Joh. 1,14; 1 Tim. 3,16; 1 Joh. 4,2, vgl. Röm. 8,3; 2 Kor. 13,4). Das (himmlische) Reich Gottes kann Fleisch, fleischern, fleischlich und Blut, das heißt ein Mensch mit seinem um der Sünde willen toten Leib nicht ererben (1 Kor. 15,50), ohne verwandelt zu sein. Auch kann das Fleisch, fleischern, fleischlich von sich aus diese höhere Stufe nicht erreichen: was vom Fleisch, fleischern, fleischlich geboren wird, das ist Fleisch, fleischern, fleischlich (Joh. 3,6). Auch von den Geheimnissen des Himmelreichs weiß Fleisch, fleischern, fleischlich und Blut von sich aus nichts (Mt. 16,17), kann daher auch über eine Lebensfrage, die nach den Gesichtspunkten des Reiches Gottes zu entscheiden ist, keinen tauglichen Rat erteilen (Gal. 1,16). Doch ist in all diesen Stellen nicht die Sündhaftigkeit, sondern die natürl. Schwäche der Menschennatur betont. Auch in der Stelle 1 Mo. 6,3 soll schwerlich das, daß die Menschen Fleisch, fleischern, fleischlich sind, als Ursache davon bezeichnet werden, daß sie dem Geist Gottes widerstreben, denn die richtige Übersetzung der Anfangsworte ist ganz im Dunkeln. —
4) In ganz eigentümlicher Weise hat Paulus die Bedeutung des Wortes Fleisch, fleischern, fleischlich erweitert und vertieft. Anknüpfend nämlich sowohl an den unter 2) Schluß berührten Zusammenhang einzelner bestimmter Sünden mit der Leiblichkeit des Menschen, als auch an die unter 3) aufgeführte Bedeutung: Fleisch, fleischern, fleischlich=natürliche Schwachheit der Menschennatur
— redet Paulus von einem ganz engen Zusammenhang zwischen dem „Fleisch“ und der Sünde überhaupt. Die in die Menschheit eingedrungene Sündenmacht hat vom Fleisch, fleischern, fleischlich, von den Gliedern des Menschen Besitz ergriffen, so daß das Fleisch, fleischern, fleischlich selbst nun ein sündliches Fleisch, fleischern, fleischlich heißen kann, Röm. 8,3, und daß es ganz allgemein von dem unerlösten Menschen gilt: in mir, das ist in meinem Fleisch, fleischern, fleischlich, wohnet nichts Gutes (Röm. 7,18); mit dem Fleisch, fleischern, fleischlich diene ich dem Gesetz der Sünde (Vers 25). Und vom Fleisch, fleischern, fleischlich aus beherrscht die Sünde den ganzen Menschen, so daß er ein „fleischlicher“ Mensch wird; seine Gesinnung wird eine „fleischliche“ (Röm. 8,5. vgl. 1 Kor. 1,26; 2 Kor. 1,17; 10,3; 11,18; Kol. 2,18), er wandelt und lebt „nach dem Fleisch“ (Röm. 8,4. 13; Eph. 2,3), ja „er ist im Fleisch“ (Röm. 7,5; 8,9). Daher können alle Sünden (nicht bloß wie unter 2) die mit leibl. Begierden zusammenhängenden) „Werke des Fleisches“ heißen (Gal. 5,19). Diese vom Fleisch, fleischern, fleischlich ausgehende Sündenmacht ist so groß, daß das göttliche Gesetz dagegen ohnmächtig ist (Röm. 8,3), und auch der neutestamentl. Gottesgeist nur in hartem Kampf dieselbe überwindet (Gal. 5,17), obwohl demselben kraft der Erlösungstat Christi der Sieg gesichert ist (Röm. 8,3 f.). Ja selbst der Erlöste muß auf seiner Hut sein, um dem Fleisch, fleischern, fleischlich nicht wieder Raum zu geben (Gal. 5,13) und im Fleisch, fleischern, fleischlich zu vollenden, was im Geist begonnen war (Gal. 3,3). Es wäre ein grobes Mißverständnis, wenn man glaubte, Paulus wolle durch diese Lehre vom Zusammenhang der Sünde mit dem Fleisch, fleischern, fleischlich den geistigen Kern des Menschen von der Schuld der Sünde entlasten oder dem Worte Christi widersprechen, daß alles Böse aus dem Herzen hervorkommt. Denn daß das Verhältnis zwischen Fleisch, fleischern, fleischlich und Geist aus einer Herrschaft des Geistes über das Fleisch, fleischern, fleischlich sich in das Gegenteil verkehrt hat, daß das Herz mit zügellosen fleischlichen Begierden erfüllt ist, das ist die Grundschuld und das Grundverderben beim natürlichen Menschen. Aber man darf auch den Ausdruck „Fleisch“ in Pauli Sinn nicht zu wörtlich nehmen; gerade indem er einigemal mit dem noch handgreiflicheren Ausdruck wechselt: die Sünde wohne in den Gliedern, wird klar, daß er bildlich gemeint ist; und die Bedeutung der ganzen Lehre läßt sich dahin zusammenfassen: Paulus will
1) den Sünder demütigen durch den Nachweis, daß seine stolzesten Sündengedanken und Sündenwerke mit den niedersten Trieben und Seiten des menschlichen Wesens zusammenhängen und nichts anderes als „Fleisch“ sind;
2) er will dem Sünder den Wahn benehmen, daß er die Sünde nach seinem Belieben jeden Augenblick abstreifen und als ein freier Mann dastehen könne; nein, die Sünde wohnt im Fleisch, fleischern, fleischlich und knechtet durch ihr Gesetz (vgl. Joh. 8,34).null