Erwählung (auserwählt)
Erwählen, Erwählung (auserwählt). Entsprechend seiner Ableitung von Wahl bedeutet erwählen: sich etwas oder jemand woraus aussuchen, so: 5 Mo. 18,5; Jos. 24,15; 2 Sa. 24,12; Luk. 6,12; Joh. 15,19; Apg. 1,24. Die Angabe des woraus kann jedoch auch wegfallen, so daß es nur heißt: sich etwas oder jemand aussuchen: 1 Mo. 13,11; 1 Sa. 8,18; Jes. 66,3; Luk. 14,7; 10,42; Joh. 6,70; 15,16. An Stelle des woraus kann auch die Angabe des wozu treten: 5 Mo. 21,5; 1 Sa. 8,18; 1 Kö. 8,16; Apg. 1,2; 6,5. Ein besonderes Interesse beansprucht die heilsgeschichtliche Bedeutung des Wortes, wie sie vornehmlich in der Erwählung Israels wie der neutestamentlichen Gottesgemeinde zutage tritt. Zwei Momente schließt hier das Wort in sich: 1) Das Interesse des wählenden Subjekts, also Gottes, an dem Gegenstand seiner Wahl, so daß es gleichbedeutend wird mit lieben Ps. 47,5; Jes. 41,8, sich erbarmen Jes. 14,1, seine Lust haben Ps. 132,13. 2) Die Bevorzugung des einen Gegenstands vor dem andern: 5 Mo. 4,37; Jes. 44,2; 5 Mo. 14,2; Ps. 33,12. Gottes Beweggrund in Israels Erwählung ist also seine freie, jedes Verdienst des Menschen ausschließende Liebe, und wenn auch bei einem Abraham, Mose, Saulus u. a. dem erleuchteten Nachdenken die Anknüpfungspunkte wohl erkennbar sind, die Gottes Werk voraussetzt und benutzt, so geht doch Gott geflissentlich immer wieder die Wege, die menschlichen Gedanken widerstreiten, vgl. 1 Kor. 1,27; 2 Kor. 12,9, damit die Freiheit und Allmacht seiner erwählenden Gnade nicht verdunkelt werden. Die Bevorzugung Israels schließt aber nicht die Verwerfung der übrigen Völker in sich, sondern ist nach Apg. 14,16 zu verstehen, ja es liegt der schon bei Abrahams Erwählung kundgemachte Ratschlutz zugrunde, 1 Mo. 12,3, so daß der Vorzug Israels vor den Nationen sein Gegenbild hat am Vorzug Levis vor den übrigen Stämmen: Israels heilsgeschichtlicher Beruf kommt in der Fülle der Zeiten den Heidenvölkern zu gut. Von diesen Voraussetzungen aus sind die Ausführungen des Paulus in Röm. 9-11 zu verstehen, deren Grundgedanke einerseits die Herausstellung des souveränen Waltens Gottes in Gnade und Gericht ist, vor dem nur die Beugung des Glaubens gilt, andererseits des zielsicheren Fortschreitens seiner Erwählung: die wahren Israeliter, das Heil der Heiden aus Israels Fall, die Anreizung Israels durch die Berufung der Heiden und die Zukunst Israels und ihre Segensfolgen. Wenn schon in dieser heilsgeschichtlichen Überschau die Erwählung nicht bloß auf den geschichtlichen Beruf, sondern auf den inneren Stand der Träger des Berufs sich bezieht, so leitet das über zu dem weiteren Gebrauch des Wortes bei Paulus, in welchem er die Erwählen, Erwählung (auserwählt) als Parallelbegriff zum Rechtfertigungsgedanken vermendet, Röm. 8,33; 1 Th. 1,4; Kol. 3,12. Und zwar beschreibt er Eph. 1,4; 2 Th. 2,13, vgl. Röm. 8,28-30; 2 Tim. 1,9 die Erwählen, Erwählung (auserwählt) als einen vorzeitlichen Alt, denn Gottes Willen wohnt die Ewigkeit inne. Allein Paulus faßt nirgends, wie es die theologischen Vertreter der Prädestinationslehre versuchten, die Erwählen, Erwählung (auserwählt) als einen Gegenstand der Erkenntnis an und für sich, so daß dann aus ihr als dem obersten Gedanken christlicher Theologie alle andern abgeleitet werden könnten, sondern das erste ist ihm die geschichtliche Tat Gottes, die Erwählen, Erwählung (auserwählt) in Christo, die den Glauben weckt und trägt, und erst, wenn auf die Überschwenglichkeit der Gabe in Christo reflektiert wird, versenkt sich der Blick des Glaubens anbetend in die Tiefen der Ewigkeit und findet in Gottes unwandelbarer Gnade die letzte Gewißheit. Daneben hält Paulus den Schuldcharakter der Sünde unvermindert fest, wie sich bei ihm auch göttliche Verwerfung (Röm. 9,6 ff.; 2 Kor. 2,15 ff.) und menschliche Verschuldung nicht aufheben: wer Gott Ungerechtigkeit vorwirft, besiegelt damit seine Schuld, wer sich unter ihn beugt, findet den Erbarmer in ihm. Für das menschliche Denken bleibt ein Widerspruch stehen, aber er ist begründet in der Natur der Sache: wir sind nicht Herren unseres inneren Werdens und durchschauen auch seine Zusammenhänge nicht, sondern wir stehen unter Gottes Regierung.