Ergrimmen
Ergrimmen — nach der Schriftsprache wörtlich entbrennen, schnauben, auffahren — bezeichnet eine starke Willens- und Gemütsbewegung, die durch irgend einen die Harmonie der Geistes- und Seelenkräfte störenden Widerstand erzeugt und gereizt wird und in Gebärden und Worten, aber auch in Handlungen zum Ausbruch kommt.
Sündhast ist solch ein Ergrimmen an und für sich noch nicht. Lesen wir doch sehr häufig von einem Ergrimmen Gottes über sein halsstarriges, gottloses Volk, 2 Mo. 22,24; 32,10; Jes. 5,25 u. a., wie über einzelne, 4 Mo. 22,22; Sach. 10,3. Dieses Ergrimmen Gottes ist sein heiliger, in seinem innersten Wesen empfundener und in gerechten Gerichten hervorbrechender Eifer wider alles Böse. Wollen wir vor solchem Grimm Gottes bewahrt bleiben, so muß es unser ernstlicher Wille sein, durch nichts seinen Grimm zu reizen, und unsere herzliche Bitte, daß er seinen Grimm nicht an uns auslasse, vgl. Ri. 6,39. Bei wohlverdientem Grimm Gottes aber hat selbst Mose nur um der Ehre Gottes willen um Abwendung zu bitten gewagt, damit die Heiden nicht über sein Volk und ihn selbst spotten, 2 Mo. 32,11. 12 (s. Zorn).
Auch bei Menschen kann das Ergrimmen aus dem Eifer für die angegriffene Ehre Gottes und wider das unheilige Tun u. Treiben der Menschen kommen, so e. Mose über das abgöttische Volk, 2 Mo. 32,19, über die Rotte Korah, 4 Mo. 16,15, Saul über die höhnenden Ammoniter, 1 Sa. 11,6, David über den hartherzigen Reichen, 2 Sa. 12,5, Paulus über die Abgötterei in Athen, Apg. 17,16. Viel häufiger aber ist das menschliche Ergrimmen von sündhafter Art. Zur Sünde wird es, sobald irgend welche selbstische Zwecke, persönlicher Haß, Neid und Feindschaft mit im Spiel sind. Kommt dieser Grimm zum Ausbruch, so geschieht es in der Regel auf eine die Würde des Menschen schändende, ihn zum Tiere erniedrigende Weise. Beispiele solch bösen Grimms finden sich von Kain an, der nicht leiden mochte, daß Gott sein Opfer nicht gnädig ansah, 1 Mo. 4,5; Ps. 124,3 u. a.
Das doppelte Ergrimmen Jesu bei seinem Gang zum Grab des Lazarus Joh. 11,33 und 38 (er fuhr auf im Geist und erschütterte sich) deutet uns Johannes nicht. Es läßt sich darum nur versuchsweise annehmen (vgl. 12,27 und 13,21), daß ihn der klare Vorausblick, wie die Offenbarung des Lebens ihm nur den Todesweg beschleunigt, zur inneren Erschütterung über die ihm entgegenstehenden Mächte der Finsternis treibt.