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Erfüllen

Erfüllen, Erfüllung. Erfüllen bedeutet zunächst etwas Leeres voll machen, einen Raum, 1 Mo. 1,22; 9,1; 1 Kö. 8,10 f., oder überhaupt ein bestimmtes Maß, 2 Mo. 5,13; Jes. 65,20; Mt. 23,32; Phi. 2,2 ausfüllen. So kann auch die Zeit, die bis zum Eintritt eines Ereignisses verstreichen muß, als ein Maß betrachtet werden, welches voll ist, wenn jenes eintritt, Mk. 1,15; Luk. 9,51; 21,24; Joh. 7,8; Apg. 2,1; Gal. 4,4.

Unter demselben Bilde der Erfüllen, Erfüllung eines zuvor leeren Gefässes stellt sich die Befriedigung eines Bedürfnisses dar, Phi. 4,19. Besonders häufig aber wird das Wort von geistigen Gaben gebraucht. Gott erfüllt mit dem Geist der Weisheit, 2 Mo. 28,3; 5 Mo. 34,9, mit Erkenntnis, Röm. 15,14, mit Freude, Apg. 2,28; Röm. 15,13, mit Wohlgefallen, Ps. 145,16. Die Christen sollen erfüllt sein mit Frucht der Gerechtigkeit, Phi. 1,11, mit aller Gottesfülle, Eph. 3,19. Wie Gott, so kann aber auch der Satan ein Herz erfüllen, Apg. 5,3, wenn man das Böse in demselben wuchern läßt.

Jedes Gebot mit seiner Forderung ist gleichsam eine leere Form des Handelns, welche durch wirkliche Befolgung ihre Ausfüllung findet; so heißt ein Gebot erfüllen es befolgen, 5 Mo. 27,26; 1 Sa. 15,11. 13; Gal. 6,2. Die Liebe heißt des Gesetzes Erfüllung, Röm. 13,10; Gal. 5,14, als die Gesinnung, aus welcher das vom Gesetz erforderte Handeln in seinem ganzen Umfang von selber fließt. So ist auch Jer. 44,25 von der Erfüllung eines Gelübdes und Mt. 3,15; Röm. 8 von der Erfüllung der Gerechtigkeit die Rede. Wenn jedoch Jesus in Mt. 5,17 sagt, er sei nicht gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen, so haben wir nach dem Zusammenhang nicht sowohl an die tatsächliche Erfüllung des Gesetzes durch seinen Gehorsam als vielmehr an die Vollendung des Gesetzes und der Prophetie zu denken, welche er durch seine Lehre bringt (vgl. die Proben solcher Gesetzesvollendung V. 21 ff.); er will nicht niederreißen, was Gesetz und Propheten an göttlicher Offenbarung enthielten, sondern die zerstreuten Lichtstrahlen sammeln und zu einem Ganzen einigen.

Dies führt uns endlich hinüber zum Gebrauch des Wortes erfüllen von der Verwirklichung einer Weissagung; auch sie ist als bloße Weissagung gleichsam die leere Form, die auf ihre bestimmte Ausfüllung in der künftigen Geschichte wartet. Die alttestamentliche Religion ist wesentlich Religion der Verheißung, die neutestamentl. Heilstatsachen bringen dazu die Erfüllung, der Mittelpunkt dieser Ersüllung ist Christus. In ihm finden die Weissagungen von einer erlösenden Gottestat, die auch den heidnischen Völkern zu gute kommen soll (Jes. 60,2 ff.), ihre Erfüllung; er ist der Davidssohn, der als König in Zion einzieht, Sach. 9,9 ff.; Mt. 21,4, der den Gefangenen Befreiung predigt und das gnädige Jahr des Herrn verkündigt, Jes. 61,2; Luk. 4,18. 21. Insbesondere finden in seinem unschuldigen Leiden zum Heile vieler die Weissagungen von dem leidenden Knecht Gottes ihre volle Wirklichkeit, Jes. 53; Mk. 14,49; 15,28. Indem nun vom Standpunkt der Erfüllung aus der Blick zum Alten Testament sich zurückwendet und im Zusammenklang von Weissagung und Erfüllung die Einheit des göttlichen Ratschlusses zu verstehen sucht, so ergibt sich für manches Schriftwort eine neue Beleuchtung. Alttestamentliche Worte, welche der ursprünglichen Meinung nach auf schon Vergangenes oder auf Ereignisse der näheren Zukunft gingen, erhalten eine tiefere messianische Beziehung: die Erfüllung, die sie schon vor Christus gefunden haben, erscheint als eine bloße Vorstufe zu der höheren Erfüllung, die an Christi Person geknüpft ist, zum Beispiel Jes. 7,14; Mt. 1,23.

 Hos. 11,1; Mt. 2,15 und noch manche der einzelnen Züge aus Jesu Leben, in welchen unter den Evangelisten besonders Matthäus Erfüllung alttestamentl. Worte findet, in denen wir aber zumeist nicht eigentliche Weissagungen zu erkennen haben. Ist diese ganze Beziehung von Weissagungen im Alten Bund und Erfüllung durch Christus einerseits in der Einheit der göttlichen Offenbarung begründet, so kommt sie doch andererseits auch nicht ohne Jesu gehorsames Eingehen auf den Willen seines Vaters zustande, Mt. 26,53 u. 54.

Mit dieser Erfüllung der alttestamentl. Weissagung ist aber noch nicht die letzte Erfüllung aller Weissagung eingetreten. Auch das Neue Testament zeigt weissagend hinaus in die Zukunst der Vollendung des Gottesreichs. So Mt. 24; Röm. 8,17 ff.; 1 Kor. 15,24 ff.; 1 Joh. 3,2 und die ganze Offenb. Joh. Vgl. Weissagung.

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