Eingebung
Eingeben, Eingebung. „Eingeben“ wird gebraucht von menschlicher Anweisung und Belehrung, 2 Sa. 14,3; Esra 8,17, Wichtiger sind für uns die Stellen, die von einer Eingebung, das heißt innerlichen Mitteilung Gottes an Menschen reden, Esra 7,27; Neh. 2,12; Sir. 34,6; 2 Tim. 3,16 und die der Sache nach verwandten Stellen: 2 Mo. 4,12; Mt. 10,19 f.; Joh. 14,26; 16,13; 1 Kor. 2,13; 2 Petr. 1,21, welche eine Belehrung von Gott, durch den Geist Gottes, aussagen. Neben der göttlichen Eingeben, Eingebung redet die Heil. Schrift in einigen Stellen auch von einer teuflischen Eingeben, Eingebung so 1 Chr. 21,1; Joh. 13,2.
1) Unter Eingeben, Eingebung haben wir einen wirklichen inneren Verkehr Gottes mit dem Geist des Menschen zu verstehen, dessen Vermittler der Geist Gottes ist und durch welchen heilige Regungen im Menschen gewirkt und göttliche Gedanken seinem Geist offenbar werden. Ohne diesen Verkehr von Geist zu Geist hätten wir nur eine stumme Offenbarung Gottes in Natur und Geschichte, Röm. 1,19 f., oder höchstens eine Bezeugung des heiligen Willens Gottes im gewissen, Röm. 2,14 f., aber keine Kunde von der Gnade Gottes, die dem Sünder verzeiht, kein Zeugnis von der Gotteskindschaft, Röm. 8,16, und von dem den Gläubigen bereiteten Erbe, 1 Kor. 2,9 f. —
2) Bedarf so jeder Christ, um seiner Gotteskindschaft gewiß zu werden, einer innerlichen Mitteilung durch den Geist Gottes, so sindet eine Eingeben, Eingebung in engerem und höherem Sinn bei den Männern statt, welche Gott zu Werkzeugen seiner Offenbarung erwählt. So sind die Propheten des A. B. sich bewußt, daß Gott mit ihnen redet, Jes. 8,1; Jer. 1,4; 2,1Joel 1,1; Mi. 1,1. Paulus bezeugt, daß er sein Evangelium nicht von Menschen empfangen habe, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi, Gal. 1,12, und Petrus sagt von den ersten Verkündigern des Evangeliums, daß sie in Kraft und Vollmacht des Heil. Geistes wirken, 1 Pe. 1,12. Wohl können wir uns keine anschauliche Vorstellung davon machen, wie dieser offenbarende Verkehr Gottes mit den Menschen vor sich geht; allein je mehr eine tiefere Forschung über die Frage, wie es doch zugehe, daß ein Bild der irdischen Dinge und ihres Zusammenhangs unserem Geist innerlich wird, auf Rätsel und Schwierigkeiten stößt, desto weniger können wir uns wundern, daß diese Einwirkung Gottes auf das Innerste des Menschen uns ein geheimnisvoller Vorgang bleibt. Dem Glauben ist sie dessenungeachtet gewiss. Wie seltsam auch, wenn der lebendige und geistige Gott sich wohl da und dort in der äußeren Welt offenbarte, von einem Verkehr mit dem Geist des Menschen aber, der doch zur Gemeinschaft mit Gott geschaffen ist, sich grundsätzlich ausgeschlossen hätte! —
3) Über die Art und Weise der göttlichen Eingeben, Eingebung wie über alle ähnlichen Fragen, die nicht zum Grund unseres Heils, sondern nur zu den Aufgaben des wissenschaftlichen Denkens gehören, gibt uns die Hl. Schrist nur wenige Andeutungen. Wenn sich unter Menschen, die nicht rein geistige, sondern geist-leibliche Wesen sind, die geistige Mitteilung durch Reden und Hören vermittelt, so haben wir uns den Verkehr des Gottesgeistes mit dem Menschengeist als einen viel unmittelbareren und innerlicheren zu denken. Es sind nicht fertige Worte, welche der mensch vernehmen würde, sondern von Gott gewirkte Regungen seines innersten Geisteslebens, die sich erst unter seinem Aufmerken zu deutlichen Begriffen gestalten und in den Worten menschlicher Sprache ihren Ausdruck suchen. Geht menschliches Mitteilen von außen nach innen, vom Wort zum Gedanken und zur innerlichen Aufnahme desselben, so geht Gottes Eingeben, Eingebung von innen nach außen, von der göttlichen Berührung des Geistes zum Gedanken, an welchem der menschliche Empfänger des göttlich Gegebenen sich klar bewußt wird, und zum Wort, in welchem er es auch andern mitteilen kann. So hat der Form nach die göttliche Eingeben, Eingebung eine gewisse Verwandtschaft mit dem plötzlichen Aufleuchten einer neuen Wahrheit, eines künstlerischen Gedankens, wie es wohl einem bevorzugten Menschen zuteil wird; nur daß es in unserem Fall Gott ist, der diese Erleuchtung sendet und dies entweder von Anfang an deutlich hervortritt oder aus ihrem Inhalt unzweifelhaft hervorgeht. Die Empfänger göttlicher Eingeben, Eingebung unterscheiden das von Gott Mitgeteilte häufig ausdrücklich von ihren eigenen Wünschen und Meinungen, 2 Sa. 7,3-5; Jer. 20,7, während andererseits auch wieder wohl verständlich ist, daß diese Unterscheidung desto mehr zurücktritt, je mehr eine das ganze Geistesleben umfassende Einigung des menschlichen Denkens und Wollens mit der göttlichen Wahrheit eingetreten ist, wie wir dies besonders bei Paulus beobachten können, vgl. 1 Kor. 7,40. Sie müssen das von Gott Mitgeteilte sich erst aneignen, zum Gegenstand ihres Forschens machen, 1 Pe. 1,11, ja sie können sich wohl auch eine Zeitlang gegen die Aneignung und Verkündigung desselben sträuben, Jer. 20,9. Keineswegs aber ist ihr Bewußtsein und Wille beim Empfang der inneren Offenbarung untätig, sonst müßte diesen Erlebnissen auch die Aufmerksamkeit und Erinnerung fehlen, während sie doch bestimmt sind, innerlich angeeignet und für andere fruchtbar gemacht zu werden. —
4) Im Sprachgebrauch der evang. Glaubenslehre wird die Eingeben, Eingebung auf einen noch engeren Kreis, nämlich auf die Abfassung der heil. Schristen A. u. N. T.s beschränkt. Nun wird freilich in 2 Tim. 3,16, der einzigen neutestamentl. Stelle, welche unser Wort enthält, dasselbe auf die Schristen des Alten Testaments angewendet, indem dort jegliche Schrist, sofern sie aus Gottes Geist entsprungen und von ihm durchweht ist, auch nützlich genannt wird zur Lehre, Überführung, Zurechtweisung und Zucht in der Gerechtigkeit. Allein andere Stellen ergänzen dies dahin, daß die Männer Gottes nicht bloß bei ihrem Schreiben, sondern in ihrem ganzen prophetischen Reden und Wirken von Gottes Geist getragen und erfüllt gewesen seien, 2 Petr. 1,21. Der Apostel Paulus schreibt nicht bloß seiner schristlichen Lehrwirksamkeit, sondern in eben solchem Grad seiner mündlichen Verkündigung eine Krafterweisung des Geistes zu, 1 Kor. 2,4, ja in 2 Joh. 12 wird eher der Verkehr durch „Papier und Tinte“ als ein unvollkommener Ersatz der mündlichen Verkündigung betrachtet. Demgemäß dürfen wir die göttliche Eingeben, Eingebung nicht so auffassen, als ob sie auf die schristliche Aufzeichnung beschränkt gewesen wäre oder gar in einem wörtlichen Diktat des Hl. Geistes bestanden hätte; Gott wollte zunächst von seinem Geist erfüllte Personen als lebendige Zeugen seiner Offenbarung haben, und erst in zweiter Linie hat es seine Leitung so gefügt, daß der Menschheit durch die Schrift eine treue und ausreichende Kunde von seiner Offenbarung zuteil wurde. —
5) So gewiß nun in der Heil, Schrift der Geist Gottes weht und an dem gewissen u. Wahrheitssinn der Menschen sich bezeugt (vgl. Joh. 7,17), so müssen wir doch in ihr, so wie sie selbst sich gibt, nicht ein ausschließlich göttliches, sondern ein gottmenschliches Buch erkennen. Wenn zum Beispiel Paulus 1 Kor. 1,16 schreibt, er erinnere sich nicht, ob er außer den schon genannten noch sonst jemand in Korinth getauft habe, so redet er hier als ein mensch zu uns, der wohl den Geist Gottes hatte, 1 Kor. 7,40, aber in äußerlichen, unwesentlichen Dingen auch menschlicher Schwachheit, zum Beispiel Unsicherheit des Gedächtnisses, unterworfen war. Ein Lukas hat es nicht verschmäht, sich nach geschichtlichen Quellen umzusehen, als er sein Evangelium schrieb, 1,1-4. Manche einzelne Notizen in den apostol. Briefen sind aus bestimmten, äußeren Veranlassungen hervorgegangen und dienen rein menschlichen Zwecken, so wenn Paulus den Timotheus um Zustellung seines Mantels bittet, 2 Tim. 4,13. Überdies spiegelt sich in der sprachlichen Verschiedenheit der einzelnen Schriften unverkennbar die Eigentümlichkeit ihrer menschlichen Verfasser: der kühne Jesaja schreibt anders als der weiche Jeremia, ein Psalm übertrifft den andern an Schwung und Gewalt der Sprache, der sinnige Johannes redet in einem andern Ton als der rasche, feurige Paulus. Dieser ihrer menschlichen Seite hat sich die Bibel keineswegs zu schämen; es zeigt sich darin nur die schlichte Aufrichtigkeit ihrer Verfasser und es tritt uns damit vor Augen, wie der Geist Gottes die menschliche Eigentümlichkeit nicht unterdrückt, sondern heiligt und in seinem Dienste fruchtbar macht. So werden wir dem Eindruck folgend, den die Schrift selbst auf ihre Leser macht, den Worten Becks, welchem gewiß niemand das Zeugnis der Treue gegen die Schrift versagen wird, beistimmen müssen: „Die göttliche Eingeben, Eingebung erstreckt sich auf die göttlichen Reichsgeheimnisse, die geistliche Wahrheit; auf das Äußerliche und Menschliche nur, soweit es mit ersterem in wesentlichem Zusammenhang steht“ (Einleit. in d. Syst. d. christl. Lehre, S. 242). Mag darum auch in unwesentlichen Dingen, in der sprachlichen Darstellung, in äußeren Verschiedenheiten der Erzählung (zum Beispiel in den evang. Berichten), in ungenauer Anführung eines alttest. Spruchs im Neuen Testament, in Unvollständigkeit historischer Notizen usw. die menschliche Seite der Schrift zum Vorschein kommen, so bleibt doch bestehen, daß sie uns treu und unverfälscht gibt, was zur Erkenntnis des Heils und insbesondere dessen, in welchem das Heil beschlossen ist, Christi, gehört.