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Chaldäer

Chaldäa, Chaldäer, Chasdim. Kasdim „Chaldäer“ heißen im Alten Testament seit Jeremia die Bewohner von Babylon und Babylonien (Jer. 21,4; Hab. 1,6; Hes. 23,14. 15 u. ö.), und ebenso heißt Babylonien das Land Kasdim (Jer. 24,5; Hes. 12,13). Aber in schon viel früherer Zeit begegnet dieser Name in der geographischen Bezeichnung Ur Kasdim 1 Mo. 11,28 als Heimat Abrahams (s. b. Art. Ur) und wahrscheinlich auch im Namen Arphachsad (s. b. Art.) 1 Mo. 10,22. In den assyr. Inschristen begegnet der Name vom 9. Jahrhundert ab unter der lautgesetzlich aus älterem Kasdu entstandenen Form Kaldu, woher auch die Χαλδαῖοι, Chaldäer, der griech. Schriststeller, für eine Reihe von Kleinstaaten am westl. Euphratufer (dort lag auch das genannte Ur) und in Ostarabien. Daraus folgt aber zugleich, daß die biblische Form Kasdim aus viel früherer Zeit stammen muß; vielleicht liegt eine schon in sumerischen Inschristen des 3. vorchr. Jahrtausends bezeugte Landschaft Gu-edinna (semitisch Kisad-edini „Userland von Eden“) der ganzen demnach bis vor Abrahams Zeit zurückgehenden Bezeichnung zugrunde, wenngleich ein phonetisch geschriebenes Land Kisadu oder Kasdu bisher noch nicht inschristlich nachgewiesen ist. Der bedeutendste der chaldäischen Kleinstaaten war das sog. „Meerland“, oder nach der dort herrschenden Dynastie auch Bit-Jakin genannt; sein König brachte dem assyr. König Salmanassar II. 851 v. Chr. Tribut. Ein Chaldäer, Namens Ukin-zir, wurde sogar König von Babel, aber bald darauf verlor er durch Tiglatpileser IV. wieder den Thron; ein noch gefährlicherer Nebenbuhler der Babylonier war der Chaldäer Merodach-baladan (s. d. Art.), der Marduk-bal-iddin der Keilinschriften, unter Sargon und Senacherib. Auch unter Asurbanipal waren die Chaldäer als Bundesgenossen des Samas-sum-ukin gefährliche Gegner der Assyrer, und endlich, nach dem Sturz Ninives, gelang es ihnen, sich ganz und auf längere Zeit des babyl. Reiches zu bemächtigen. Denn Nabopolassar und seine Nachfolger (vor allem der mächtige Nebukadrezar) waren Chaldäer.

Wie sich jetzt mehr und mehr herausstellt, war das Aramäische neben dem noch als offizielle Inschristensprache festgehaltenen, mit Keilschrift geschriebenen Babylonisch, die Kanzleisprache nicht bloß der Verserkönige, sondern gelegentlich auch schon des neubabylonischen Reiches, so daß Hieronymus gar nicht so Unrecht hatte, wenn er das aramäische Idiom, in welchem einzelne Abschnitte der Bücher Daniel und Esra geschrieben sind (das sog. biblisch-aramäische, was sich jetzt durch die neuaufgefundenen aram. Assuan-papyri der Perserzeit deutlich als ost-aramäisch erweist), als „chaldäisch“ bezeichnete; eine Stütze findet dies darin, daß 1 Mo. 22,22 ein aramäischer Stamm Chesed (s. d.) neben Araberstämmen wie Bus und Chaso (s. d. Art. Bus) begegnet, genau mit den gleichen Konsonanten wie unsere Chasdim = Chaldäer geschrieben, wozu man auch noch die im Buch Hiob 1,17 erwähnten, wohl von Ostarabien aus erfolgten Chaldäereinfälle vergleiche. Ein späterer Gebrauch des Namens Chaldäer als Astrologen oder Sterndeuter liegt bei den griechischen Klassikern (Curtius, Strabo, Diodor) und ebenso auch schon im Buch Daniel (2,2, 10; 4,4 u. ö.) vor; in der Tat war Chaldäa, im Unterschied vom eigentlichen Babylonien, das alte Heimatland der berühmten Sternkunde und Sterndeutung der Babylonier. Dagegen sind die von Xenophon u. a. erwähnten Chaldäer der Karduchischen Gebirge in der Nähe Armeniens und des Schwarzen Meeres, nur zusällig gleichklingend; sie hatten ihren Namen vom alten armenischen Hauptgott Chaldis und haben gar nichts mit den babylonischen Chaldäern zu tun.

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