Blut
Blut. Das Blut galt den Hebräern als eigentlicher Lebenssaft, Sitz der Seele, des Lebens. Deshalb hat die mosaische Gesetzgebung in zwiefacher Weise Bestimmungen über seine Verwendung getroffen.
1) Das Blut, auch das tierische, sollte nicht genossen werden. Das Leben ist etwas Heiliges, auch das Tierleben etwas wunderbar von Gott Ausgegangenes und zu ihm Zurückkehrendes (Ps. 104,29 f.), was der Mensch nicht gierig verschlingen darf, obwohl ihm das Fleisch der Tiere zu essen erlaubt ist. Schon dem Noah, dem Stammvater der die Flut überlebenden Menschheit, ist diese Satzung gegeben worden, 1 Mo. 9,4. Aber das mosaische Gesetz schärft sie besonders ein und zwar unter Androhung göttl. Ausrottung, 3 Mo. 3,17; 7,26. 27; 17,10 ff.; 19,26; 5 Mo. 12,16. 23 ff.; 15,23. Begründet wird das Verbot damit, daß im Blut die Seele oder das Leben sei, 3 Mo. 17,11; 5 Mo. 12,23. Vielmehr soll man bei der Schlachtung das Blut auslaufen lassen (woraus die jüd. Sitte des Schächtens entstand, die darauf abzielt, daß das Blut des Tieres möglichst frei und ganz ausströme). Ersticktes oder zerrissen Gefundenes soll man nicht genießen, ebensowenig blutiges Fleisch. Vgl. 1 Sa. 14,32 ff., wo Saul einen Altar baut, daß man dort schlachte und das Blut an den Altar komme, Hes. 33,25. Dieses Verbot hat sich so tief im Gewissen der Juden eingewurzelt, daß auch zur Zeit des N. Blut, wo die Speisegesetze sonst alle fallen mußten, es den Aposteln ratsam schien, zur Vermeidung von Ärgernis auch von den Heidenchristen die Enthaltung vom Blut und vom „Erstickten“ zu verlangen, Apg. 15,20. 29; 21,25. Der vormosaische Ursprung dieser Satzung mochte dabei ins Gewicht fallen. Ein natürliches Zartgefühl hält den Menschen von diesem Genusse zurück, und das Gesetz, welches solche unwillkürliche Scheu gegenüber der leidenschaftlichen Gier beschützt, hat diese Enthaltung geheiligt. Ist aber im tiefsten Grund auch dieses Gesetz nur pädagogisch begründet, so konnte auch jene Beschränkung der Freiheit im Neuen Testament nur eine pädagogische, nicht eine prinzipielle sein; sie hat daher keine bleibende Gesetzeskraft zu beanspruchen. —
2) Eine zweite Folge jener altertümlichen Anschauung, wonach im Blut die Seele ist, zeigt sich darin, daß es im Gottesdienst eine hochbedeutsame Verwendung findet. Näher sagt 3 Mo. 17,11: „Ich habe es euch gegeben auf den Altar, zu sühnen eure Seelen; denn das Blut sühnet durch die Seele (die in ihm ist).“ Das hebr. Wort für „Sühnen“ bedeutet eigentlich bedecken, nämlich die Seele vor dem Zorn, dem heiligen Unwillen Gottes, den die sündige Seele auf sich zieht. Da das Blut als Lebenssaft etwas Reines, ja Heiliges ist, dient es trefflich zur Darbringung an Gott, von welchem das Leben ausgeht und zu welchem es zurückkehrt. Es die kostbarste Gabe, welche der Mensch Gott bringen kann. Ganz besonders aber eignet es sich nach der angeführten Stelle zur Sühnung, indem es die Seele des sündigen Menschen, welche dem Tode verfallen wäre, vor Gottes Angesicht schützt. Das Tierleben wird statt des menschlichen hingegeben. Freilich ist der Wert dieser vorgeschobenen Gabe gering im Vergleich mit derjenigen, die Gott fordern könnte. Aber Gott verstattet in seiner Gnade dem Bundesvolk, daß es dieses Sühnmittels sich bediene. Hbr. 9,22 wird der auch in der späteren jüdischen Theologie geltende Grundsatz ausgesprochen: „Es wird fast alles mit Blut gereinigt und ohne Blut vergießung geschieht keine Vergebung.“ Das Unzureichende des Tierblutes hebt freilich der Hebräerbrief auch hervor, 10,4. Die verschiedenen Manipulationen, welche bei diesem Opferkultus mit dem in einer Schale aufgefangenen Blut vorgenommen werden, sind namentlich folgende:
a) die Bestreichung mit Blut, zum Beispiel beim Passah in Ägypten wurden Türpfosten und Oberschwelle des Hauses mittelst eines Ysopbüschels bestrichen, 2 Mo. 12,7. 22. Im gottesdienstlichen Gesetz wird namentlich Bestreichung der Hörner des Altars verordnet, zum Beispiel 3 Mo. 4,7. 18; 8,15 (mit dem Finger). Außerdem werden 2 Mo. 29,20 bei der Priesterweihe und 3 Mo. 14,14 bei der Reinigung der Aussätzigen Ohrläppchen, Daumen und Zehe bestrichen.
b) Die Besprengung mit Blut Diese wird oft verordnet. Ziel der Besprengung ist in der Regel der Altar, 2 Mo. 29,16; 3 Mo. 1,5; 3,13. Bei der Bundesschließung sprengt Mose die Hälfte des „Bundesblutes“ auf den Altar, die Hälfte auf das Volk. Im Ausdruck von der Besprengung unterschieden ist die Bespritzung (Luther gleichfalls sprengen). Sie geschieht meist mit dem Finger und richtet sich nach dem Vorhang des Allerheiligsten, 3 Mo. 4,6. 17, oder auf den Gnadendeckel der Bundeslade, 16,14, oder den Altar, 16,19; 3 Mo. 14,6 f. auf den Aussätzigen (mit einem Sprengwedel vollzogen), 14,51 f. auf das Aussätzige Haus.
c) Das Ausgießen der Opferschale mit dem Blut an den Fuß des Altars findet in der Regel statt, nachdem die Sprengung oder Bestreichung vollzogen ist, hat aber auch selber den Charakter der Darbringung, 2 Mo. 29,12; 3 Mo 4,18; 8,15. Siehe im übrigen den Art. Opfer.
— Verwandlung des Wassers in Blut kommt als Gerichtswunder Moses in Ägypten vor, 2 Mo. 4,9; 7,17, das kostbare Wasser des den Ägyptern heiligen Nils wurde dadurch ungenießbar. Nach V. 18 ging das Wasser in Fäulnis über. Ähnliches ist am Nil auch sonst etwa beobachtet worden, wodurch das Wunderbare natürlich nicht weggeräumt wird, welches darin liegt, daß diese Fäulnis des Wassers gerade aus Moses Geheiß eintrat. Daß das faulende Wasser nicht nur die Farbe, sondern auch die chemische Zusammensetzung des Blut angenommen hätte, dahin ist der Ausdruck natürlich nicht zu pressen, vgl. vielmehr 2 Kö. 3,22. Ebenso ist natürlich die prophetische Verwandlung des Mondes in Blut, Joel 3,4, nicht eigentlich gemeint. Der blutigrote Mond wird nicht mehr freundlich scheinen, sondern schrecklich anzusehen sein und Blut vergiessen verkünden.
Im Neuen Testament wird das Versöhnungs-u. Erlösungswerk als durch das Blut Jesu Christi gewirkt bezeichnet. Damit ist nicht bloß das physisch vergossene Blut des Herrn (vgl. etwa Joh. 19,34) gemeint, sondern nach der Sprache des Alten Testaments und im Anschluß an die Opfergebräuche sein in den Tod hingegebenes Leben. Nicht speziell das bei der Kreuzigung spärlich fließende Blut, sondern der Versöhnungstod Christi überhaupt ist zu verstehen, wenn es heißt, sein Blut erwirke uns Erlösung, Eph. 1,7; Offb. 5,9; mache uns rein, 1 Joh. 1,7; Hbr. 9,14; gerecht, Röm. 5,9; heilig, Hbr. 13,12 usf. Vgl. auch Joh. 6,53 ff., wo nicht vom leiblichen Blut die Rede sein kann, sondern die Aneignung des Versöhnungstodes Christi als Essen seines Fleisches und Trinken seines Blut erscheint. v. Orelli.