Aussatz
Aussatz. Diese schreckliche Krankheit war im Altertum in Ägypten, Äthiopien, Arabien und Syrien sehr verbreitet und unter dem Volk Israel ziemlich häufig. In Europa trat der Aussatz im früheren Mittelalter in beschränkter Häufigkeit auf, fand aber durch die Kreuzzüge große Verbreitung, namentlich in Frankreich und Deutschland, wo im 13. u. 14. Jahrh. die sogen. Leprosenhäuser (Asyle für Aussätzige) zu Tausenden entstanden. Jetzt ist er außer den genannten Ländern des Orients, auch Indien und China, nur noch in einzelnen Gegenden Europas, zum Beispiel im mittleren Norwegen einheimisch. Der Aussatz ist nach dem Stande unseres heutigen Wissens eine Seuche, die sich in entstellenden und verstümmelnden Krankheitsbildern äußert, sehr chronisch verläuft, nur ganz ausnahmsweise zur Heilung kommt und sich von Mensch zu Mensch fortzupflanzen trachtet, höchst wahrscheinlich durch einen besonderen Bazillus, der 1874 von dem norwegischen Forscher Hansen zuerst gesehen und 1879 von dem deutschen Professor Neißer in seiner vollen Bedeutung erkannt wurde. Der Aussatz tritt in drei Hauptformen auf:
1) Der knollige oder Haut-Aussatz, Nach längerem oder kürzerem allgemeinem Unwohlsein (Mattigkeit, Schläfrigkeit, Mangel an Eßlust, herumziehende Schmerzen) entstehen anfänglich wieder verschwindende kleine, rundliche Flecken von braunroter Färbung auf der Haut. Diese bleiben später und nehmen eine dunklere, schmutzige Farbe an; allmählich schwellen sie an zu harten, hervorragenden Knoten. Fiebererscheinungen treten auf, die Knoten wachsen und breiten sich über den Körper aus, namentlich auf Armen und Beinen und meistens im Gesicht. Später erweichen sie, brechen auf, und aus den Geschwüren fließt eine übelriechende Flüssigkeit, die zu einer braunen Kruste verhärtet. Auch die Lymphgefäße, Venen und Nerven füllen sich mit knotigen Massen; den Schluß machen wässrige Ergießungen in den Hirnhäuten. Die Kranken sterben meist in einem Zustand der Betäubung nach einer Krankheitsdauer von 9-10 Jahren.
2) Der anästhetische oder Nerven-Aussatz. Nach ähnlichen Vorboten wie bei der ersten Form schießen große Blasen auf, die schnell platzen und nach der Heilung rundliche, weiße, vertiefte Narben zurücklassen. Nach einer Ruhezeit von verschiedener Dauer tritt an einzelnen Stellen der Haut übergroße Empfindlichkeit ein, daneben Schlaflosigkeit und Abmagerung. Die Schmerzhaftigkeit geht zuletzt durch Lähmung der Hautnerven in völlige Gefühllosigkeit über, welche die schwersten Folgen hat. Tritt sie im Gesicht auf, so können die Lippen nicht mehr geschlossen werden, ebenso die Augenlider, die Hornhaut der Augen entzündet sich und Erblindung ist unvermeidlich. Wird, wie gewöhnlich, die Haut an den Gliedern gefühllos, so folgt Steifigkeit der Gelenke, Entzündung der Knochenhaut, Knochenbrand, stückweises Abfallen der Glieder. Endlich erfolgt der Tod aus Erschöpfung, nachdem die Krankheit bis zu 20 und mehr Jahren gedauert.
3) Der Eingeweide-Aussatz. Bei dieser Form treten Aussatzknoten in den Organen, besonders am Kehlkopf, der Leber und der Milz auf.
— Vergleicht man diese heutigen Formen des Aussatz mit der eingehenden Beschreibung desselben in 3 Mo. 13, zu der noch die Angaben über Hiobs Krankheit (besonders Hi. 2,7. 8; 7,5. 14; 19,20) und die „Drüse Ägyptens“, 5 Mo. 28,27. 35, zu nehmen sind, so ist nicht zu verkennen, daß die Krankheit zwar im Wesentlichen noch dieselbe ist wie im Altertum, daß aber ihre Erscheinungsform sich doch auch in einzelnen Merkmalen im Lauf der Jahrhunderte geändert hat. Insbesondere ist in 3 Mo. 13 u. 14 ein Genesen vom Aussatz als möglich vorausgesetzt, während aus der Gegenwart hierfür kein sicher beglaubigtes Beispiel vorliegt.
Den Israeliten schloß der Aussatz vom Heiligtum und von der Gemeinschaft des Bundesvolkes aus. Um keinen Reinen durch seine Berührung zu beflecken, mußte er sich durch die Kleidung und den Ruf „unrein, unrein!“ (3 Mo. 13,45) schon von ferne kenntlich machen (vgl. Luk. 17,12; ). Diese eingreifende Lebensstörung, ein Sterben bei lebendigem Leibe, war eine gewaltige Predigt von dem Verderben, das die Sünde auch über das natürliche Leben gebracht hat. Weil der relig. Gesichtspunkt für die im Gesetz vorgeschriebene Behandlung des Aussatz der wesentliche war, wobei die Rücksicht auf die Gesundheit nicht ausgeschlossen ist, so hatten die Priester die Krankheit, bezw. die Reinheit davon festzustellen; deswegen hatte der Genesene auch nicht durch einfache Waschungen, sondern zugleich durch ein feierliches Schuldopfer seine Wiederaufnahme in die Bundesgemeinschaft zu bewirken. Der Aussätzige heißt im Hebräischen ein (von Gott) Geschlagener. Unter denselben Gesichtspunkt ist das 3 Mo. 13 u. 14 in betreff des Aussatz an Kleidern und Häusern Verordnete zu stellen.