Angesicht
Von Menschen
Das Angesicht ist der Spiegel der Seele, daher sich die Gemütsbewegungen in ihm erkennen lassen. Die Bibel nennt ein fröhliches (Spr. 15,13) und ein jämmerliches Angesicht (Hes. 7,18). Davids Helden hatten Angesicht wie Löwen, so kühn und mutig (1 Chr. 12,8). Vor Schrecken wird das Angesicht bleich (Joel 2,6), vor Scham rot (Jes. 45,16), übrigens auch vor Entsetzen (Jes. 13,8), in der Fieberglut der Angst. Wie Schmach und Schande äußerlich durch Schlagen und Anspeien das Angesicht trifft (Mt. 26,67), so lastet überhaupt alle Schande hauptsächlich auf dem Angesicht (Ps. 44,16). Auch die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht (Pr. 8,1), aber der Trotz macht es härter als Fels (Jer. 5,3).
Das Triumphgefühl des Überwinders strahlte in Stephanus’ Angesicht, dass es aussah wie eines Engels Angesicht (Apg. 6,15). Auf Moses Angesicht ließ der Anblick Gottes einen Abglanz zurück (2 Mo. 34,29). Auf dem Verklärungsberge leuchtete Jesu Angesicht wie die Sonne (Mt. 17,2), und auf dem Angesicht des erhöhten Herrn leuchtete die volle Klarheit Gottes (2 Kor. 4,6). Der Mann, der Daniel erscheint (10,6), hat ein Angesicht wie ein Blitz, der Engel (Offb. 10,1) wie die Sonne.
Kulturelle Gewohnheiten
Nicht mehr zu den unwillkürlichen Gemütsausdrücken, sondern zu den kulturellen Gewohnheiten gehört das Verhüllen des Angesicht aus Ehrfurcht (2 Mo. 3,6; 1 Kö. 19,13) oder aus Schmerz (2 Sa. 19,5; auch Esth. 7,8 bei einem todeswürdigen Verbrecher, der nicht mehr wert ist, die Sonne auch nur zu schauen); ferner sich zur Erde neigen mit dem Angesicht (ebenfalls Zeichen der Ehrerbietung), vor Menschen (1 Mo. 42,6), vor Gott (3 Mo. 9,24; Neh. 8,6). Letzteres geschieht, wenn man beim Gebet vom Gefühl der Heiligkeit Gottes überwältigt wird, während das Bewusstsein des guten Gewissens das Haupt erhebt (Hi. 22,26, vgl. 11,15; 2 Sa. 2,22). Das Wegwenden des Angesicht ist ein unmissverständliches Zeichen der Gleichgültigkeit und Verachtung (2 Chr. 29,6; Hes. 14,6; Sir. 4,4). Daher suchen Untertanen das Angesicht des Fürsten, um einen Blick der Huld zu erlangen (Spr. 29,26).
Von Gott
Von Gottes Angesicht redet die Bibel, namentlich das Alte Testament, sehr oft und bezeichnet damit vor allem den lebendigen Ausdruck seiner Gegenwart, wenn er mit uns in Beziehung treten will oder wir mit ihm. Wenn wir vor Gottes Angesicht stehen, so heißt das, dass er uns ansieht und wir ihn.
Weil nun Gott allgegenwärtig ist, so können wir nirgends hin fliehen vor seinem Angesicht (Ps. 139,7). Die Gewissheit dieser Gegenwart gewinnt aber der Fromme im Gebet, daher: vor Gottes Angesicht kommen = zum Gebet sich anschicken (Ps. 100,2; vgl. Gottes Angesicht suchen, Ps. 27,8).
Angesicht zu Angesicht?
Das Unterpfand dieser Gnadennähe Gottes aber war im Alten Bund der Tempel, daher der Seufzer des Verbannten: Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 42,3.) Dagegen ist es der größte Trotz, Gott ins Angesicht den Abschied zu geben oder absagen (Hi. 1,11), das heißt mit Bewusstsein seiner Gegenwart. Da aber Gottes Herrlichkeitswohnung im Himmel ist, so wird auch dort sein Angesicht unmittelbar geschaut. Dort sehen es die Engel (Mt. 18,10; vgl. Hi. 2,7), dort ist Christus vor dem Angesicht Gottes erschienen nach der Himmelfahrt (Hbr. 9,24); dort werden auch wir ihn sehen von Angesicht zu Angesicht (1 Kor. 13,12), das heißt in unmittelbarster Nähe.
Auf Erden könnte kein Mensch den Anblick des Angesicht Gottes ertragen; selbst Mose darf ihm nur „hinten nachsehen“ (2 Mo. 33,20-23). Damit steht nur scheinbar im Widerspruch V. 11: Der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, denn dies soll nur das unmittelbare Reden Gottes „wie mit einem Freunde“ bezeichnen, nicht dass Mose das Angesicht gesehen habe; vgl. Hes. 20,35: Ich will mit euch rechten von Angesicht zu Angesicht, das heißt so, dass ihr fühlet, dass ihr’s unmittelbar mit mir zu tun habt. Wenn aber Jakob 1 Mo. 32,31 sagt: Ich habe Gott von Angesicht gesehen, so ist daran zu erinnern, dass ihm Gott hier in menschlicher Gestalt erschienen war.
Gnade und Ungnade
Auch Gottes Angesicht wird als Spiegel seines Innern betrachtet; Gnade und Ungnade geben sich in demselben zu erkennen, und zwar wird Gott dabei als ein Fürst betrachtet, bei dem es überhaupt in Frage kommt, ob er sein Angesicht sehen lässt (vgl. oben).
Daher der im Alten Testament sehr häufige Ausdruck, dass Gott sein Angesicht verbirgt, das heißt seine Gnade entzieht (5 Mo. 31,17; Hi. 13,24; Ps. 22,25, und die häufige Bitte: Verbirg dein Angesicht nicht, Ps. 69,18). Freilich ist daran nur die Sünde schuld, deshalb heißt es Jes. 59,2: Eure Sünden verbergen das Angesicht von euch. Stärker noch ist es, wenn Gott einen Menschen geradezu verwirft (= ungnädig fortweist) von seinem Angesicht (Ps. 51,13), während die Frommen vor seinem Angesicht bleiben dürfen (Ps. 140,13).
Sieht aber Gott freundlich und gnädig auf den Menschen, so wird dies bezeichnet als ein „Leuchten lassen seines Angesicht“ wie im hohepriesterlichen Segen (4 Mo. 6,25; vgl. Ps. 31,17); wogegen das „Erheben des Angesicht“ (4 Mo. 6,26; vgl. Ps. 4,7) bedeutet, dass Gott bereits sich anschickt, seine Gnadenhilfe tätig zu beweisen (vgl. Ps. 42,6: Er hilft mir mit seinem Angesicht). Daher ist Gottes Angesicht für den Frommen eine Quelle der Freude und Befriedigung (Ps. 21,7; 17,15; Hi. 33,26). Das gnädige Angesicht Gottes ist wie eine Sonne, in deren Licht sein Volk wandelt (Ps. 89,16); die es auf seinem Wege leitet (2 Mo. 33,14 f.).
Aber das Licht des göttlichen Angesicht deckt auch unsere verborgenen Sünden auf (Ps. 90,8), und wider die hartnäckigen Sünder richtet sich das Angesicht Gottes drohend, verderbend (Jer. 44,11; 3 Mo. 26,17; Ps. 34,17). Auch das ewige Verderben geht aus von dem Angesicht des Herrn, 2 Thess. 1,9; daher vor demselben alle Erdenbewohner erschrecken werden bei seiner Wiederkunft (Offb. 6,16).