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Kurzgeschichten der Bibel: Angekommen auf Golgatha

Psalm 71,23

Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen!

Wir besprechen Kurzgeschichten der Bibel. Eine herrliche Kurzgeschichte finde ich in Psalm 71, Vers 23: "Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sind fröhlich und lobsingen dir."

Herr, lass das Wort von dir nicht leer zurückkommen. Lass es an uns ausrichten, wozu du es uns gegeben hast. Amen!

Die Glaubwürdigkeit der Kirche in der heutigen Zeit

Wenn ich Gespräche mit jungen Leuten führe – und das kommt bei einem Jugendpfarrer sehr häufig vor – dann begegnet mir immer wieder in irgendeiner Form die Frage. Mal wird sie höflich gestellt, mal unhöflich, mal eingekleidet, mal direkt: „Sagen Sie mal, hat die Kirche wirklich noch etwas Glaubwürdiges vorzubringen? Das glaubt doch kein Mensch.“

Dann kann ich nur antworten: Liebe Leute, wir Christen sind die einzigen, die noch etwas Glaubwürdiges vorzubringen haben. Wo gibt es denn noch eine Ideologie, die sich nicht längst selbst lächerlich gemacht hat? Wo findet man heute noch eine Wahrheit, die nicht durchlöchert ist? Wo gibt es noch einen Wert, der wirklich gilt? Wir Christen sind die Einzigen, die in dieser Zeit des allgemeinen geistigen Bankrotts noch etwas Glaubwürdiges auf den Tisch legen können.

Die Frage entsteht: Was hat denn die Kirche Glaubwürdiges zu sagen? Was haben wir vorzubringen? Wenn man die Zeitung liest, hat man den Eindruck, unser Beitrag beschränkt sich auf den Bau sehr moderner Kirchen und alter Dome. Oder haben wir vorzubringen: Kirchensteuerzettel oder Bischöfe mit klangvollen Namen? Was haben wir vorzubringen? Ratschläge für alle Lebenslagen, Reiseberatung und so weiter? Dekoration für Familienfeste, einschließlich Beerdigungen? Oder was haben wir alles vorzubringen? Wertvolle Kirchenmusik, subtile Gedanken, wie sie in der christlichen Kirche gedacht worden sind?

Was hat die Kirche vorzubringen? Kindergärten – übrigens, apropos: Wir haben im zweiten Stock einen Kindergarten, da können Sie kleine Kinder abgeben. Wir haben Gottesdienste, Kindergärten und Altersheime. Altersheime sind sehr wichtig. Das sind die Dinge, die das junge Volk dann fragt: Was hat die Kirche denn wirklich vorzubringen? Das alles können ja schließlich auch andere Leute bringen.

Da sage ich natürlich: Ja, das alles auch. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist etwas anderes. Wir haben vorzulegen, wir haben unserer Zeit etwas zu sagen. Ich brauche jetzt den Ausdruck des Apostels Paulus: Das Wort vom Kreuz ist das Einzige, was überhaupt noch wertbeständig ist – das Wort vom Kreuz!

Habt ihr das? Wie ist das vorzubringen? Fragt uns nach dem Wort vom Kreuz, dass der lebendige Gott in die Welt hereingebrochen ist – in Jesus. Dass dieser Jesus sich für uns ans Kreuz schlagen lässt.

Die zentrale Botschaft des Kreuzes

Die Welt kommt nicht los – Gott sei Dank – von diesem Bild des dorngekrönten Mannes am Kreuz von Golgatha. Der Lebendige legitimiert diesen Kreuzestod als unser Heil, indem er diesen Jesus aus dem Grab herausruft. Jesus lebt. Das ist unsere Botschaft.

Es gibt ein kleines Verslein von Graf Zinzendorf. Graf Zinzendorf war ein Graf, so las ich neulich, aus dem alteuropäischen Adel mit der ganzen Tradition europäischer Bildung. In dem Vers heißt es:

„Ich bin durch manche Zeiten, ja auch durch Ewigkeiten in meinem Geist gereist.“ Das bedeutet, er hat geistlich viele Zeiten durchwandert. Doch er fand nichts, was wert gewesen wäre, dass er dabei geblieben wäre.

„Ich bin durch manche Zeiten, ja auch durch Ewigkeiten in meinem Geist gereist, aber es geht weiter. Nichts hat mir das Herz genommen, als da ich angekommen auf Golgatha. Gott sei gepreist!“

Golgatha ist der Ort, an dem Jesus gestorben ist. Dort steht das Kreuz. Das sagt nicht irgendein blinder Hammel, sondern ein Mann, der versteht, was es heißt, im Geist durch alle Zeiten zu reisen.

Nichts hat ihm das Herz genommen, als er angekommen ist auf Golgatha.

Und es gibt ja Millionen in unserer Zeit, die Wert darauf legen, ja daran vorbeigehen wollen. Die sagen: „Bitte, die Zeit ist danach.“

Ich finde es schön, diesen Satz: „Als da ich angekommen auf Golgatha.“

Sehen Sie, das ist genau der Inhalt unseres Textes, dieser Kurzgeschichte. Hier spricht ein Mann, der auf Golgatha angekommen ist und uns sagt, was das bedeutet.

Ich will den Text noch einmal lesen, Psalm 71, Vers 22:

„Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sind fröhlich und lobsingen dir.“

So spricht ein Mann, der auf Golgatha angekommen ist – unter Jesu Kreuz.

Angekommen auf Golgatha: Ein Ende der religiösen Unruhe

Angekommen auf Golgatha – ich möchte hören, was der Mann uns dort sagt und was das bedeutet. Dreifaches Angekommen auf Golgatha heißt, dass jetzt die religiöse Unruhe zu Ende ist. Das möchte ich ausführen.

In meiner Wahlheimat Württemberg, auf der Schwäbischen Alb, gibt es einen Berg, der heißt Hohen Urach. Es ist ein steiler, hoher Kegel, etwa sieben Meter hoch. Auf diesen Hohen Urach führt nur von einer Seite ein Weg hinauf. Als Junge bin ich einmal mit einem Freund von der anderen Seite hinaufgestiegen, wo kein Weg hinführt. Das war eine sehr mühselige Sache. Nein, es gab keinen Weg, und so waren wir bald im Gebüsch verheddert.

Mein Vetter war einen Kopf größer als ich und rachte erst mal über das Gestrüpp. Ich musste immer rufen: „Wo geht es denn weiter?“ Ich sah gar nichts mehr. Dann ging es über glitschige Felsen. Es war eine schreckliche – na ja, es ist so dumm, wenn man ein bisschen klein ist – Sache. Dieses Klettern, Rutschen, Verheddern im Gebüsch und sich Durchschlagen mussten, war furchtbar. Aber irgendwann war man oben.

Völlig anders war die Aussicht: Der Wald blieb zurück, und vor uns lag unendlich diese Weite, die Berge der Schwäbischen Alb und die Ebene bei Stuttgart, das Neckartal – unbeschreiblich schön.

Diese Jugenderinnerung fiel mir plötzlich wieder ein, als ich an unsere Kurzgeschichte kam. Sie stammt aus Psalm 71. Wenn es wieder regnet und man sonst nichts zu tun hat, lesen wir Psalm 71. Dort ringt sich ein Mann aufwärts durch das Gestrüpp innerer Nöte, über Felsen schrecklicher geistlicher Hindernisse.

Der Mann hat sich mit Gott eingelassen – das tun die meisten Leute ja nicht, oder? Viele sind christlich, damit sie sich mit Gott nicht einlassen müssen. Das gibt es, wissen Sie? Man kann christlich sein, ohne sich wirklich mit Gott eingelassen zu haben.

Dieser Mann hat sich mit Gott eingelassen. Im Augenblick ist er völlig verheddert. Ich möchte Ihnen nur ein paar Dinge aus dem Psalm zeigen. Da sagt er ganz stolz: „Herr, du bist meine Burg.“ Und im nächsten Augenblick schreit der Mann, der sich an der Burg festhält, verzweifelt: „Herr, hilf mir von der Hand der Ungerechten!“

An einer Stelle sagt er ganz stolz: „Jetzt habe ich es geschafft, ich gehe einher in der Kraft des Herrn.“ Und im nächsten Moment traut er der ganzen Sache nicht mehr und bittet: „Herr, verlass mich nicht, wenn ich schwach werde.“

Er erlebt Momente des Glaubens, in denen sein Herz hoch ist: „Auf dich, Herr, traue ich.“ Doch gleich darauf klingt es kläglich: „Verlass mich nicht, verwirf mich nicht im Alter, wenn ich grau werde.“ Er vertraut nirgendwo.

Wenn Sie Psalm 71 lesen, sehen Sie ein Auf und Ab von Sieg und Niederlage, von Glauben und Unglauben. Es ist ein grauenvolles Ringen zwischen Frohmut und tiefer Verzagtheit, immer dicht beieinander.

Er hat sich mit Gott eingelassen und ringt nun so wie ich damals als kleiner Junge im Gestrüpp auf dem Hohen Urach. Jetzt habe ich es geschafft, und im nächsten Moment bin ich wieder unten. Bald fliegt er wie ein Adler auf: „Ich gehe einher in der Kraft des Herrn.“ Im nächsten Augenblick liegt er mit gebrochenen Schwingen am Boden.

Ach, wie ich das kenne von den Jungen im Weigelhaus. Jetzt wird eine Abteilung rein und legt los, nicht? Und vier Wochen später ist alles weg. Oh, das ist eine Sache, wenn ein Mensch sich mit Gott einlässt und dann dieses Ringen beginnt.

Am Schluss des Psalms aber wird die Situation völlig anders, so wie es anders war, als er einmal auf dem Berg oben angekommen war.

Am Schluss des Psalms ist der Mann auf einmal auf dem Berg angekommen – ja, auf dem Berg Golgatha, unter Jesu Kreuz. Dort hat sein Glauben und Unglauben kein Gewicht mehr. Er sieht nur auf den Herrn, der da oben hängt.

Und dann legt er los: „Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sind fröhlich und loben dich.“ Ein völlig anderer Klang, nicht? Heraus aus aller Qual.

Auch einmal angekommen – unter Jesu Kreuz. Zu Ende ist der Krampf, zu Ende das Suchen, das Auf und Ab, das Fallen und Aufstehen. Nichts hat mir das Herz genommen, als ich angekommen bin auf Golgatha. Gott sei gepreist.

Die Erfahrung der Erlösung und Freude unter Jesu Kreuz

Wie singen wir im Weiglaus oft:
Wie lang habe ich mühvoll gerungen, gesäubst unter Sünde und Schmerz.
Doch als ich mich ihm überlassen, da strömte sein Friede in mein Herz,
sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein.

Es könnte mich jetzt einer fragen:
Moment mal, Pastor Busch, das ist doch im Alten Testament dieses Wort.
Haben denn die Männer des alten Bundes schon Jesu Kreuz gekannt?
Jesus kam doch überhaupt erst tausend Jahre später.

Und da sage ich: Natürlich haben die Jesu Kreuz gekannt, das waren Männer mit prophetischem Geist.
Ein Theologe namens Fischer, ein Schweizer, drückt es so aus:
Jesu Kreuz steht in der Mitte der Geschichte und wirkt nach vorwärts und nach rückwärts.
Diese Männer stehen unter Jesu Kreuz.

Sehen Sie, was hier so interessant ist:
Am Schluss dieses einstigen Psalms, nach all dem Ringen, kommt er auf einmal unter das Zeichen der Erlösung, unter Jesu Kreuz an, auf Golgatha.
Und da ist es so interessant, dass er jetzt gar keine dogmatische Erklärung gibt, warum der Sohn Gottes für uns stirbt und warum das heute, im Jahr 1957, mein Heil ist.

Nicht während Jesaja 53 – Kenner der Bibel wissen, dass es dort so eine Erklärung gibt: Er trägt unsere Schuld, er stirbt an unserer Statt, er ist der Bürge und so weiter.
Hier ist gar nichts Derartiges. Hier ist nur einfach gesagt: Ich komme an, und alles ist hell.

Sehen Sie, ich will das ganz einfach so erklären:
Nun ja, es ist fabelhaft, ich verstehe von Elektrizität, mein lieber Eberhard da oben, schrecklich wenig.
Eigentlich, wenn ich ehrlich bin, gar nichts. Das habe ich gerade gefehlt in der Schule, glaube ich.
Ich kann mir das einfach nicht anders erklären.

Wenn ich das so höre – Ampere und Volt und Wechselstrom und Gleichstrom – dann mache ich ein interessiertes Gesicht, um meine völlige Dummheit zu verbergen.
Aber ich kann nicht leugnen, dass ich mich elektrisch rasiere, elektrisch bade, meine Frau elektrisch koche, dass ich elektrisch heize, dass mein Licht elektrisch brennt, dass ich von elektrischem Strom beständig lebe.
Elektrisches Heizkissen – das sollen wir doch weitermachen, nicht?
Ich lebe davon, ohne es verstehen zu können.

Sehen Sie, so ist es hier in dem Psalm mit Jesu Kreuz.
Nichts hat mir das Herz genommen, als ich angekommen auf Golgatha.
Ich bemühe mich ein Leben lang, es zu verstehen.
Die Bibel sagt: Loskaufen, Stellvertretung, Bürgschaft, alles Mögliche.

Wer kann verstehen, dass Gott für mich stirbt?
Wer wird es ausschöpfen?

Aber eines weiß ich: Man kann davon leben.
Man kann davon leben, neben den Psalmisten unter Jesu Kreuz stehen und sagen:
Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sind fröhlich und lobpreisend hier.

Man kann eben singend aufstehen und sagen:
Nichts hat mir das Herz genommen, als ich angekommen auf Golgatha.
Gott sei gepreist!

Da kann einer sagen: Das ist ein großes theologisches Problem.
Da sage ich: Lass schon gut sein, nicht, ich lebe davon.
Ich bin kein Elektriker des Kreuzes, Sie verstehen.

Die Einheit von Seele und Lippen durch die Erlösung

Jetzt kommt das Zweite: Angekommen auf Golgata. Was bedeutet das?

Das Zweite bedeutet, hier finden wir die Einheit unserer Persönlichkeit. Ich weiß, das klingt etwas holprig, aber ich kann es jetzt nicht anders ausdrücken. Ich habe lange darüber nachgedacht. Hier kommen wir zur Einheit unserer Persönlichkeit. Ich werde Ihnen das erklären.

Habt ihr da oben vielleicht noch ein Luftloch aufzumachen bei dem zweiten Teil? Es ist so eine wichtige Sache. Fundlicht, ja, danke.

Sehen Sie mal: „Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast“ – ist das nicht eine wunderliche Zusammenstellung, meine Freunde? Warum sind die Ohren nicht genannt? Es könnte auch heißen: „Meine Ohren und meine Seele, die du erlöst hast“ oder „Meine Augen und meine Seele, die du erlöst hast“. Warum sind meine Hände nicht genannt? Warum sind die Lippen genannt? Das ist nicht komisch.

Das ist eine der Stellen, wo mir aufgeht, was für ein kluges Buch die Bibel ist. Sie hat mich an dieser Stelle darauf hingewiesen, welch ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen unserem Inneren, unserer Seele, unserem Geist oder wie Sie wollen, und unseren Lippen besteht.

Ein weiser Mann sagte einmal: „Wes das Herz voll ist, geht der Mund über.“ Was in der Seele ist, das geht durch den Mund über. Und es ist so: In den seltenen Augenblicken, in denen wir ganz wahr sind, sagen unsere Lieben Dinge, die wir sonst nie sagen.

Zum Beispiel, wenn jemand im Schlaf spricht und alle Hemmungen wegfallen, dann kommt einmal heraus, was in der Seele ist. Oder wenn jemand betrunken ist, dann sagt er Dinge, die er hinterher gar nicht sagen wollte. Verstehen Sie? Oder im großen Schmerz sagen Menschen plötzlich Dinge heraus.

Im Dritten Reich haben die Amtswalter die Todesnachrichten gebracht und gehorcht: Was sagt die Frau in dem Moment? Nicht im Schmerz, sondern auf einmal sagt die Seele, was sonst nicht gesagt wird.

Das ist ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen Seele und Lippen.

Und nun passen Sie mir auf: Das ist das erste Kennzeichen des gefallenen Menschen, dass Seele und Lippen, die eigentlich zusammengehören, auseinandergeraten sind. Dass die Lippen anders reden, als in der Seele gesprochen wird. Dass Lippen und Seele eine verschiedene Sprache sprechen.

Am deutlichsten wird das in totalitären Staaten, nicht wahr? Eine Million Menschen marschieren auf und schreien „Hurra, eil, eil, eil“, und 999.000 verwünschen die ganze Sache im Herzen. Verstehen Sie? Seele und Lippen reden anders.

Aber das ist bei uns auch so, überall.

Liebe Freunde, da möchte man an dieser Stelle eine Essay über die Polizei schreiben, nicht? Was man sagt und was man meint. Man sagt „Volkswohl“ und meint „Ministersessel“. Man sagt „christlich“ und meint – ach du liebe Zeit. Ich möchte hier nicht politisch werden. Es geht darum, wie die Lippen anders reden, als die Seele meint.

Lassen Sie uns von uns reden. Ich las neulich in der Zeitung, dass ein Kaufmann sich das Leben genommen hat wegen schrecklicher finanzieller Sorgen. Das Unheimliche: Am Abend vorher war er bei einem fröhlichen Fest mit seinen Freunden. Die Lippen reden fröhliche Dinge, und im Herzen ist die dunkle Verzweiflung. Lippen und Seele sind auseinandergeraten.

Da kommt ein Junge und sagt: „Besuchen Sie meinen Vater, der ist so ärgerlich gegen alles Christentum, gegen alles, was nach Kirche riecht, wird er wütend.“ Ich gehe hin, die Frau ist nur da und sagt: „Gehen Sie, gehen Sie, mein Mann schmeißt Sie raus, mein Mann schlägt Sie tot. Ich bitte Sie, ich möchte keinen Krach im Hause, gehen Sie, ehe mein Mann nach Hause kommt.“ Und ich sage: „Warum? Ich habe Nerven wie Stricke.“

Dann geht die Tür auf, der Mann kommt, sie sagt zu mir: „Pfarrer Busch, ach so, ja, sehr nett.“ Und er ist freundlich und höflich. Ich versuche, ihn rauszulocken: „Mensch, das ist doch gar nicht wahr. Sagen Sie ruhig, was Sie denken.“ Aber bitte nein, unangreifbar.

Ich weiß, deiner Seele ist die korrekte Wut auf alle Pfaffen. Da sitzt einer vor ihm, seine lieben Leute sprechen die höflichsten Worte. Liebe Freunde, nachher, wenn wir rausgehen, ist er draußen immer so: „Das freut mich so“, so eine allgemeine Begegnung. Und da reden wir miteinander als feine, nette, höfliche und anständige Leute.

Und was ist eigentlich wirklich in unserer Seele an dunklen Trieben, liebes junges Volk? Was ist an dunkler Leidenschaft in euren Herzen? An Hass, an Leid, an Gottlosigkeit, an Verzweiflung? Aber die Lippen markieren den sicheren Mann und die sichere Frau.

Das Kennzeichen der Gefallenwelt ist, dass Seele und Lippen auseinandergeraten sind, verschiedene Sprachen sprechen, verschiedene Lieder singen.

Und nun ist hier der Psalmist und sagt: „Als ich unter Jesu Kreuz ankam, da wurde diese Gespaltenheit meiner Persönlichkeit aufgehoben. Seele und Lippen, Inneres und Mund kamen wieder zusammen. Meine Seele und meine Lippen hatten eine Melodie.“

Meine Freunde, das ist vielleicht das Entscheidende: Wenn ich dem gekreuzigten Heiland begegne, dann können endlich meine Lippen reden, was die Seele bewegt.

Ist einer hier, der schrecklich dunkle Bindungen hat, Ketten der Sünde, von Hass oder Unreinigkeit oder irgendetwas, das er niemandem sagt? Sehen Sie den gekreuzigten Heiland, können Sie Ihre schrecklichen Ketten zeigen, können Sie Ihre Bindungen sagen, und dann antwortet er: „Kehre dich zu mir, ich erlöse dich.“

In der Welt draußen müssen wir unsere Fehler immer entschuldigen und verteidigen. Unter Jesu Kreuz darf ich einmal sagen, was das Gewissen längst sagt: „Ich habe gesündigt.“ Ich darf meine Sünde Sünde nennen.

Ich brauche nicht mehr Schauspieler sein, ich brauche nicht mehr Pastor sein. Vor Jesu Kreuz darf ich Sünder sein, ein verlorener Sünder, und darf ihm das sagen. Und er antwortet mir: „Mein Blut macht dich rein von aller Sünde.“

Da kommen endlich Seele und Lippen auf die Seelenmelodie unter Jesu Kreuz!

Das müssen wir sichere Leute spielen, und im Herzen sind nagende Sorgen und Furcht. Da kreisen die Sputniks und machen uns Angst, und wir lächeln nicht. Eisenhauer fängt an zu lächeln, alle lächeln mit, und im Herzen sitzt die nagende, ängstigende Angst.

Vor Jesu Kreuz darf ich mal alle meine persönlichen Sorgen und großen Ängste hinlegen. Darf ein ganz furchtsames Kind sein, ein ganz furchtsames Kind! Und er antwortet mir: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein, in die Hände habe ich dich gezeichnet.“

Das ist das Fantastische: Im Angesicht des gekreuzigten Heilandes wird unsere zerspaltene Persönlichkeit geheilt. Meine Lippen sagen ihm, was in der Seele ist, und wenn er die Seele heilt, dann können die Lippen ihm Lob sagen.

Meine Seele und meine Lippen haben eine Melodie, die du erlöst hast, Lob singen dir und sind freudig.

Darf ich es mal so ausdrücken: Jesu Kreuz ist die einzig mögliche psychiatrische Klinik, die uns helfen kann und die wir alle nötig haben. Verstehen Sie?

Jesu Kreuz ist die einzig mögliche psychiatrische Klinik, die wir alle nötig haben und die uns ernsthaft helfen kann.

Die Freude als Durchbruch am Kreuz

Lassen Sie mich kurz ein Drittes sagen: Ich bin angekommen auf Golgata. Das bedeutet, hier ist der Durchbruch zur Freude. Angekommen auf Golgata, das ist die Tür zur Freude.

Meine Freunde, dass es Freude geben muss, sagt unser Herz nicht von selbst. Aber manchmal habe ich das Gefühl, als habe sich die Freude in einer Burg verschanzt. Seht ihr, wenn man dreißig Jahre in der Stadt Jugendpfarrer ist, dann erlebt man erschütternd mit, wie jede Generation den Sturm auf diese Burg beginnt, um die Freude zu erobern.

Und wenn man die Menschen als ältere Leute wieder sieht, weiß man, dass es gescheitert ist. Dann haben sie Vergnügen gehabt, kommen beladen mit Sünden und unbefriedigt zurück – Rausch, Amüsement und Karneval, aber nicht Freude. Es ist unheimlich, wie jede Generation den Sturm auf die Burg der Freude bringt und am Ende resigniert. Dann geht es in ein Altersheim, und man sieht, wie viel Krach und Unzufriedenheit dort herrscht – abgeschlagen.

Nun spricht hier ein Mann im Psalm: Ich bin auf Golgatha angekommen, bei Jesus, der für mich starb. Und nun ist es so, dass meine Seele und meine Lieben, äußerlich und innerlich, fröhlich sind und lobsingen. Ich erlebte das Erschütternde: Die Burg der Freude ließ sich nicht erobern.

Doch auf dem Kreuz von Golgatha tat sich eine Tür auf in die Welt der Freude, in die Welt der Freude. Angekommen auf Golgatha, das heißt: Durchbruch zur Freude.

Ich möchte so sagen: Wer unter Jesu Kreuz angekommen ist, der steckt von der Sekunde an ein Freudenfähnlein aus. Säuerliche Christen sind also keine Christen, oder? Es gibt Dinge, die nicht zusammengehören. Säuerlich und Christen gehören nicht zusammen, oder?

Wer unter Jesu Kreuz angekommen ist, steckt ein Freudenfähnlein aus. Nichts hat mir das Herz so genau gezeigt wie das: Wenn ich angekommen bin auf Golgatha, dann steckt man ein Freudenfähnlein aus. Man ist fröhlich, und dieses Freudenfähnlein weht auch im Sturm.

Wie singt Paul Gerhardt: „Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn.“ Seht ihr das Freudenfähnlein wehen?

Dieses Freudenfähnlein – und das habe ich ja immer wieder erlebt – weht bei Christen sogar im Sterben. Denn wer Jesus gehört und durch ihn versöhnt ist, der stirbt ja überhaupt nicht wirklich. Was man Sterben nennt, ist für ihn nichts anderes, als dass er an die ausgebreiteten Arme seines Heilandes sinkt, der für ihn starb und nun lebt.

Haben wir das Freudenfähnlein schon ausgesteckt, liebe Freunde?

Ich kann es mal anders sagen: Seit der Jugendbewegung geistert in Jugendkreisen ein Lied, das alle singen – Falken, Ibir und überall. Da kommt eine Zeile vor, ich weiß nicht mehr, wie es heißt: „Uns geht die Sonne nicht unter, uns geht die Sonne nicht unter.“

Das haben Generationen gesungen. Da sitzen Leute mit Glatzen hier, die haben es als junge Kerle gesungen: „Uns geht die Sonne nicht unter.“ Und dann ging sie unter. Generationen haben es gesungen, und immer ging ihnen die Sonne unter. Sie waren in Dämmerung und Schatten des Todes.

Diese Zeile können überhaupt nur Leute singen, die auf Golgatha angekommen sind. Die singen ernsthaft: „Uns geht die Sonne nicht unter.“ Denn die Sonne, die mir lacht, ist mein Herr Jesu Christ. Das, was mich singen macht, ist das, was im Himmel ist.